Am 11. Januar 2023 fand im Berlin ein Treffen aus Regierungsvertretern, den Managern der Automobil- und Zulieferindustrie, führenden Betriebsräten und einigen Wissenschaftler*innen statt. Dabei ging es weder um die Frage der Zukunftsmobilität, einer Mobilität für alle, noch um ökologische Fragen, sondern um die Zukunft und den Erhalt der Autoindustrie. 

Gefordert wurde insbesondere, die Infrastruktur für E-Autos auf Staatskosten auszubauen. Gleichzeitig solle die Bundesregierung sicherstellen, dass der Automobilindustrie ausreichend Computerchips zur Verfügung stehen. So soll allein die Ansiedlung von Intel in der Magdeburger Börde mit sagenhaften 6,8 Milliarden Euro „unterstützt“ werden. Ähnlich wie bei der neuen Wolfsburger Fabrik soll das neue Werk auf Ackerboden gebaut werden. Zwar wird prognostiziert, dass wir aufgrund des veränderten Klimas große Probleme in der Nahrungsmittelerzeugung bekommen, dennoch wird immer mehr Ackerboden bebaut. In diesem Fall führt dies zu einer Bodenversiegelung in der Größe von über 500 Fußballfeldern. Versiegelung bedeutet dabei immer Abtötung – das müssen wir uns immer klarmachen: Boden, der versiegelt wird, enthält kein Leben mehr und wird auch auf lange Sicht jede Fruchtbarkeit verlieren. Und das, obwohl Magdeburg eigentlich genügend alte Industriebrachen zu bieten hätte. Aber die Entseuchung alter Industrieflächen ist halt teurer. 

Eine Kritik der immer weiter ausufernden Technik in den Fahrzeugen fand beim Auto-Gipfel, der jetzt nicht mehr so heißen soll, natürlich auch nicht statt. Dabei bekommen die meisten Automobilkonzerne die angestrebte Digitalisierung gar nicht richtig in den Griff. Das Management erträumt sich „selbstfahrende Holodecks“ für den „gehobenen Mittelstand“ und versteht nicht, warum die Ingenieur*innen „so lange“ dafür brauchen. Der ebenfalls zum Gipfel eingeladene Vorsitzende der IG Metall Jörg Hoffmann stößt leider in das gleiche Horn. Er positioniert sich in erster Linie als Lobbyist der deutschen Automobilindustrie. Im viel zitierten Interview des Deutschlandfunks meint Hoffmann, er sähe „die Alternative (zum Auto) nicht.“[1] Der Staat sei die Bremse beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Es müsse mehr Geld investiert werden, so Hoffmann.

Der Staat soll Geld ausgeben, damit die Aktionäre hinterher die Gewinne in ihre überfüllten Taschen schaufeln können, würde ich sagen. Gleichzeitig bemängelt der Kollege Hoffmann, die Genehmigungsverfahren seien viel zu umständlich (ebd.). Hier ist ihm sogar in Teilen recht zu geben. Sicherlich ist in der Bundesrepublik vieles überreguliert, aber gerade für die großen Konzerne wird im Normalfall alles möglich gemacht. Egal ob für RWE ganze Dörfer zum Abbaggern enteignet werden oder Tesla schon mal ohne Genehmigung eine Fabrik bauen darf. Auch Intel wird der eh schon oftmals unbefahrbaren Elbe Millionen Kubikmeter Wasser für seine Produktion entnehmen. Dabei ist die Region von absoluter Trockenheit bedroht. Gardelegen war 2022 der niederschlagsärmste Ort in ganz Deutschland.

Beim Mobilitätsgipfel waren weder die Fahrrad-, noch die Schienenfahrzeugindustrie eingeladen – Mobilitätsinitiativen oder Umweltverbände ohnehin nicht. Dabei wäre die IG Metall auch für die vielen Kolleg*innen der Schienenfahrzeugindustrie zuständig – die hätten sicher einiges zur Mobilitätswende beizutragen. Selbst der bürgerlichen Presse im Autoland Deutschland ist dies aufgefallen: “Der Mobilitätsgipfel hat rein gar nichts gebracht“, titelt die Süddeutsche Zeitung (SZ Online, 11.1.2023), dort heißt es weiter: „Das Treffen im Kanzleramt ist eine vertane Chance. Für kein einziges der multiplen Verkehrsprobleme gibt es auch nur den Ansatz einer Lösung – und vom Reden allein hat sich selten etwas geändert. So wird die Verkehrswende krachend scheitern.“ Oder: „Doch was ist eigentlich anderen mit Fortbewegungsmitteln? Zug- und Rad-Verbände finden: Das war mehr ein ‚Autogipfel‘ als ein ‚Mobilitätsgipfel‘“ (Merkur 11.1.23).[2] Vertreter*innen der Allianz pro Schiene, VCD und der Fahrradverbände kritisierten zurecht die Einseitigkeit der Veranstaltung. 

Lasst uns Straßenbahnen bauen!

Es sind noch dicke Bretter zu bohren, auf dem Weg zu einer CO²-neutralen Mobilität. Als Arbeiter in der Automobilindustrie freue ich mich aber ungemein, dass mittlerweile nicht nur die Klimaktivist*innen der Amsel 44[3], sondern auch Teile der Redaktion der Braunschweiger Zeitung sich trauen, dass „undenkbare“ zu fordern. Die Journalistin Hannah Schmitz betont in ihrem Artikel, dass auch Sie über die Forderung, bei VW Straßenbahnen zu bauen, nur den Kopf schütteln konnte. Doch je länger Sie darüber nachdenke, umso mehr dränge sich der Gedanke auf: „Straßenbahnen? Wieso eigentlich nicht? [4]

Dass E-Autos keine Null–Emissionsfahrzeuge sind, hat sogar VW-Manager Herbert Diess stets ohne großes Nachbohren zugegeben, Hauptsache die Politik sorge für die Bedingungen, damit Konsument*innen E-Autos kaufen. Er wollte 46 Millionen neue Autos verkaufen. Ökologisch sinnvoll sind sie nicht. Doch solange wir beispielsweise zwischen Celle und Braunschweig weder eine Bus- noch eine Bahnverbindung haben, müssen wir wohl weiterhin viele Strecken mit dem Auto fahren. Die Kolleg*innen aus dem VW-Logistikzentrum in Harvesse wissen ein Lied davon zu singen. Sie müssen trotz ihres vergleichsweise niedrigen Lohns[5] mit dem Auto zur Arbeit kommen, da es keine Bus- oder Bahnanbindung gibt, die Sie nutzen könnten. Natürlich wäre es mehr als sinnvoll, wenn auf der B 214 langfristig eine Straßenbahn fahren würde. Ich bin mir absolut sicher, dass Autos mit Gifhorner, Peiner oder Celler Kennzeichen in 10 bis 15 Jahren keine Einfahrgenehmigung für die Stadt Braunschweig mehr erhalten. Überlegungen für Parkplätze am Stadtrand gibt es bereits. Doch es ist dieses kleinräumige, provinzielle Denken, dass eine echte Verkehrswende scheitern lässt. Wozu soll ich denn aus meinem Dorf erst mit dem Auto bis an den Stadtrand fahren, wenn ich dann in den Bus umsteigen „muss“? Da wäre es doch wesentlich sinnvoller wirklich großflächig zu planen. Wichtig wäre es, sich an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren und nicht anhand von Stadt- oder Kreisgrenzen.

Wenn wir in 20 Jahren feststellen, dass die Sache mit den E-Autos ein (Selbst-)Betrug war, haben wir bereits viele Ressourcen und Zeit vergeudet und die Beschäftigten in der Automobilindustrie stehen dann tatsächlich vor dem „Nichts“. Volkswagen scheint das zu begreifen und plant schon einmal Autos für eine Welt a la „Mad Max“ (Braunschweiger Zeitung, 13.1.2023).

Es wäre schön, wenn dieses Land und speziell meine Gewerkschaft, jetzt darauf drängen würden, dass wir bei VW die Produktion umstellen, anstatt weiterhin auf ein totes Pferd zu setzen. Damit der Planet und die Region eine Zukunft hat.