Vernachlässigt: Anpassung an den Klimawandel
Das Pariser Abkommen fordert eigentlich Ausgewogenheit bei der Verteilung der Mittel. Davon ist man weit entfernt: Mit knapp 20 Milliarden US-Dollar war 2019 nur ein Viertel der Klimafinanzierung der Unterstützung von Anpassung gewidmet, etwa um die Landwirtschaft gegen zunehmende Dürren zu wappnen, Küsten gegen den steigenden Meeresspiegel abzusichern oder die Menschen vor extremen Wetterereignissen wie Stürmen oder Überschwemmungen zu schützen.
Einige der Geberländer haben inzwischen zugesagt, die Hälfte (oder mehr) ihrer Klimafinanzierung für Anpassungsprogramme auszugeben, andere wehren sich dagegen. Bei den Mitteln zur Klimafinanzierung aus Deutschland dient nur ein Fünftel der Anpassung, der überwiegende Teil geht in den Klimaschutz. Das dürfte zwar teilweise an der Nachfrage aus den Empfängerländern liegen. Es liegt aber auch daran, dass Anpassungsprogramme gerade in den kritischen Bereichen wie der Ernährungssicherung vor allem Zuschüsse (und damit Haushaltsmittel aus dem Bundeshauhalt) erfordern, zumal in besonders vulnerablen Ländern mit verbreiteter Armut. Die aus Sicht eines Geberlandes attraktiven Kredite eignen sich eher für Klimaschutzmaßnahmen, etwa im Energiesektor.
Insgesamt ist das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Anpassung an den Klimawandel in den letzten Jahren dennoch deutlich gestiegen. Die schon erwähnte Verdoppelung der Mittel für Anpassung ist ein Schritt auf die besonders verwundbaren Länder zu. Auf der COP26 gab es zudem 350 Millionen US-Dollar an Zusagen für den Adaptation Fund und knapp über 400 Millionen US-Dollar für den Least Developed Countries Fund, zwei der multilateralen Klimafonds, die sich speziell dem Thema Anpassung widmen.
Trotz solcher Zusagen und hoffentlich steigender Mittel ist es gerade für besonders verwundbare Länder oft schwer, davon zu profitieren. Häufig fehlt es an den Kapazitäten, um die unterschiedlichen Zugangskriterien der zahlreichen Fonds zu erfüllen. Zusätzliche Konditionalitäten, etwa für Kredite der Weltbank oder der anderen multilateralen Entwicklungsbanken erschweren die Lage weiter. Und in der bilateralen Zusammenarbeit entscheiden nach wie vor die Geberländer, welchen Ländern sie Unterstützung zukommen lassen. Auch eine Evaluation der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat ergeben, dass Anpassungsprogramme oft in den Ländern gefördert werden, in denen auch andere Geberländer verstärkt aktiv sind. Andere Länder werden von der Gebergemeinschaft also womöglich eher vernachlässigt (DEval 2019).
Eine große Baustelle bleibt die Bewältigung von Verlusten und Schäden infolge der Klimakrise. Trotz größter Anstrengungen werden in vielen Bereichen teilweise jetzt schon die Grenzen der Anpassungsmöglichkeiten erreicht. Dürren, Stürme und Überschwemmungen richten schwere Schäden an. Immerhin unterstützen einige Länder, darunter auch Deutschland, Versicherungsansätze, über die sich betroffene Länder gegen einige der Klimarisiken absichern können – das kann betroffenen Ländern im Katastrophenfall finanziellen Spielraum eröffnen, etwa für den Wiederaufbau nach schweren Unwettern. Es wirft aber die Frage auf, wer eigentlich die Prämien bezahlen soll: die Verursacher der Klimakrise oder die Betroffenen? So werden zwar Versicherungsmodelle unterstützt, formale Verpflichtungen zur Unterstützung bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden (auch solcher, die sich nicht versichern lassen) wollen die Länder aber nicht übernehmen – unter anderem aus Angst vor künftigen Kompensationsforderungen für das Verursachen der Klimakrise.
Herausforderungen für 2022
Mit den neuen Zusagen der Geberländer und den Ergebnissen von Glasgow hat es im vergangenen Jahr durchaus Fortschritte gegeben. 2022 ist nun das Jahr, um darauf aufzubauen – Arbeitsfelder gibt es genug:
Verschärfung der Zusagen: Einige der Zusagen aus dem letzten Jahr stellen nur geringe oder gar keine Steigerungen dar, etwa die Zusagen aus Japan oder Australien. Das sollte 2022 angegangen werden. Insbesondere braucht es nun auch Druck auf die USA: Trotz großer Ankündigungen von US-Präsident Joe Biden über eine Vervierfachung der amerikanischen Klimafinanzierung sehen die inzwischen vorgelegten Pläne sogar ein Absinken vor. Die oben genannte 6-Milliarden-Zusage der alten Bundesregierung wäre zwar eine spürbare Erhöhung, hätte aber ehrgeiziger ausfallen müssen, auch wenn sie international als Schritt in die richtige Richtung begrüßt wurde. Umso skandalöser ist es nun, dass der Entwurf für den Bundeshaushalt 2022 gar keine Steigerungen der Klimafinanzierung in den kommenden Jahren vorsieht (Oxfam 2022) – Bundesfinanzminister Christian Lindner plant offenbar den Vertrauensbruch auf internationaler Bühne. Hier muss nun der Bundestag nachbessern und die Bundesregierung zum G7-Gipfel einen Anstieg der Haushaltsmittel auf jährlich acht Milliarden Euro bis 2025 zusagen.
Verdoppelung der Gelder für Anpassung: Die Industrieländer sollten bis zur COP27 in Ägypten einen Fahrplan vorlegen, wie sie den Beschluss der COP26 konkret umsetzen werden. Die Bundesregierung sollte sicherstellen, dass die G7-Staaten hier eine Führungsrolle übernehmen. Und: Auch Deutschland muss seine Mittel für Anpassung verdoppeln – und sollte dies möglichst frühzeitig konkretisieren und kommunizieren.
Zusätzlichkeit der Klimafinanzierung: Ein Problem der Klimafinanzierung ist ihre mangelnde Zusätzlichkeit zur Entwicklungsfinanzierung im Rahmen des 0,7 Prozent -Versprechens. Zwar soll nach der UN-Klimarahmenkonvention die Klimafinanzierung neu und zusätzlich sein, weil die Bewältigung der Klimakrise zusätzliche Belastungen für die ärmeren Länder bedeutet. Was damit genau gemeint sein soll, bleibt aber den Geberländern überlassen, die sich mit hanebüchenen Interpretationen der Maßgabe entledigen. Auch alle bisherigen Bundesregierungen meinen sie allein dadurch zu erfüllen, dass jeder Euro nur einmal auf die Klimafinanzierung angerechnet wird.
Finanzielle Unterstützung für Verluste und Schäden: Um die politisch aufgeladene Debatte konstruktiv voranzubringen, müssen die reichen Länder endlich ihren Widerstand gegen geeignete Mechanismen zur finanziellen Unterstützung bei der Bewältigung von unvermeidlichen Verlusten und Schäden aufgeben. Hier sollten insbesondere die Länder der G7 in diesem Jahr ein konkretes Angebot für einen globalen Schutzschirm für die ärmeren Länder vorlegen. Er müsste über den derzeitigen Fokus auf Versicherungslösungen deutlich hinausgehen, um einen wirklichn Erfolg darzustellen.
Neues Ziel der Klimafinanzierung ab 2025: Für die Zeit nach 2025 soll das 100-Milliarden-Versprechen durch ein ehrgeizigeres und an den tatsächlichen Bedarfen der Empfängerländer orientiertes Ziel ersetzt werden. Um den jeweiligen Bedarfen besser gerecht zu werden, sollte das neue Ziel zudem ein Unterziel für die Unterstützung von Anpassung enthalten und explizit auch die Unterstützung zur Bewältigung von Verlusten und Schäden abdecken. Auch wenn die Verhandlungen dazu noch bis 2024 laufen, ließen sich hier, bei entsprechender Bereitschaft der Industrieländer, schon frühzeitig positive Signale setzen.
Bei all diesen Bereichen kann die Bundesregierung 2022 wichtige Impulse setzen. Nicht nur erlaubt die deutsche G7-Präsidentschaft aktives Engagement für Fortschritte zur Klimafinanzierung im G7-Prozess. Auch haben die Zuständigkeiten der Ministerien inzwischen gewechselt und Annalena Baerbock ist als grüne Außenministerin die deutsche Chefverhandlerin bei den UN-Weltklimakonferenzen. Zu allen obigen Empfehlungen vertraten die Grünen in der Vergangenheit hilfreiche Positionen. Man darf nun gespannt sein, was davon auch in Regierungsverantwortung trägt – und sich mit den (oder auch gegen die) beiden übrigen Koalitionspartnerinnen durchsetzen lässt.