Der Wohnungssektor ist ein Pulverfass. In keinem anderen Bereich werden die aktuellen Krisen so spürbar: Die seit einem Jahrzehnt anhaltende und sich weiter verschärfende Mietenkrise, die Energiekrise und aktuell zusätzlich der Einbruch im Bausektor wirken sich aus in Form von hohen Kostenbelastungen und Wohnungsnot. Gleichzeitig ist der Gebäudesektor für fast ein Drittel der Treibhausgasemissionen, 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und fast 60 Prozent des Abfallaufkommens verantwortlich, ein großer Teil davon durch Bau und im Bestand von Wohnungen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist hier keine Verbesserung sichtbar, 2022 wurden die Klimaziele im Gebäudesektor das dritte Jahr in Folge verfehlt. Die Emissionszahlen gehen kaum nach unten, die Sanierungsrate stagniert, effektive politische Maßnahmen lassen auf sich warten und sind hochumstritten.

Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen läuft die Zeit gegen uns. Je später relevante Mengen an Treibhausgas eingespart werden, desto eher sind unwiderrufliche Kipppunkte erreicht, und desto teurer werden Klimaschutz und Klimawandel. Gleichzeitig ist auch beim Wohnen die ökologische Frage eine soziale Frage. Die reichsten 10 Prozent der Haushalte in Mehrfamilienhäusern verbrauchen 50 Prozent mehr Heizenergie, aber die ärmsten geben fünfmal so viel für Energie aus (Öko-Institut 2023) – in Einfamilienhäusern geht die Schere noch weiter auseinander. Während arme Haushalte weniger Emissionen produzieren, werden sie mit den Kosten der Sanierungen allein gelassen. Es ist kein Wunder, dass sich gegen die Pläne der Bundesregierung, fossile Heizungen zu verbieten, oder gegen den Beschluss des EU-Parlaments für verpflichtende Sanierungsziele im Bestand Unmut und Widerstand regt.

Die gleichzeitige Betroffenheit von Mieten- und Klimakrise legt nahe, dass eine linke Wohnungspolitik gleichzeitig auch Klimapolitik sein, und eine linke Klimapolitik auch die soziale Frage beim Wohnen adressieren muss. Eine in diesem Sinne ökologische „Klassenpolitik“ (vgl. Candeias 2021) im Feld Wohnen muss einen Weg aus dem scheinbaren, die öffentliche Diskussion aber bestimmenden Dilemma aufzeigen, entweder ökologische oder soziale Ziele erreichen zu können. Im Folgenden stelle ich einige Thesen und eine strategische Richtung vor, wie das gelingen kann.

Die Wärmewende muss gerecht und schnell sein

Die Wärmewende, also die Umstellung von Heizen und Warmwasser auf Klimaneutralität, ist eine Schlüsselaufgabe für eine ökologische und zugleich sozial-gerechte Politik. Denn in kaum einem anderen Handlungsfeld lassen sich schnell große Mengen Treibhausgas einsparen und zugleich diejenigen entlasten, die am stärksten unter hohen Mieten, schlechten Wohnbedingungen und Energiearmut leiden. Eine solche Wärmewende duldet weder Vertagung noch Verschleppung, im Gegenteil, sie muss in den nächsten 15 bis spätestens 20 Jahren umgesetzt werden. Gleichzeitig droht die notwendige Beschleunigung der Wärmewende unter den gegebenen Bedingungen die Wohnungskrise noch zu verschärfen. Wenn ab jetzt nur noch klimaneutral und damit möglicherweise noch teurer gebaut wird als ohnehin schon (bei zuletzt 16 Prozent Baukostensteigerung in nur einem Jahr), oder Neubau gar eingeschränkt werden soll, woher kommen dann die dringend benötigten Wohnungen? Wenn die Sanierungsrate verdreifacht oder gar vervierfacht werden muss, gehen dann in eben diesem Tempo noch bezahlbare, weil unsanierte Wohnungen verloren? Droht eine neue Welle der „grünen Gentrifizierung“ und eine weitere Beschleunigung der Mietenkrise? Diese Fragen spiegeln auch die oft gegenläufigen Perspektiven der klimaschutz- und der mietenpolitischen Debatte und verdichten sich zu „institutionalisierten Widersprüchen“ (Arndt/Gralke/Vollmer 2023) zwischen ökologischen und sozialen Zielen.

Dabei zeigen Studien, dass es die gleichen gesellschaftlichen Gruppen sind, die am stärksten sowohl unter der Mietenkrise als auch unter der Klimakrise leiden: die Menschen mit wenig Einkommen. 50 Prozent der Bewohner*innen in Mehrfamilienhäusern (MFH) und 11 Prozent der Bewohner*innen in Ein- und Zweifamilienhäusern (EZFH) gehören zum unteren Einkommensdrittel. Sie verursachen zwar absolut gesehen weniger Treibhausgasemissionen als Menschen mit mittleren und höheren Einkommen, weil sie auf deutlich weniger Wohnfläche leben. Allem Energiesparen zum Trotz verbrauchen sie pro Quadratmeter aber mehr Energie, weil sie in schlechter sanierten Häusern leben, und leiden auch deshalb unter einer deutlich höheren Energiekostenbelastung mit durchschnittlich 8 Prozent (MFH) bzw. 7 Prozent (EZFH) im untersten Einkommensdezil (Öko-Institut 2022, 2023). Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die daraufhin steigenden Energiepreise haben die Situation deutlich zugespitzt, sie aber auch stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen wirken allerdings (a) selbst sozial ungerecht, weil sie reichere Haushalt mehr entlasten als arme (Öko-Institut 2023), und ändern (b) nichts daran, dass Verbesserungen auf der ökologischen Seite wie Heizungstausch, Dämmung oder auch der Umzug in eine kleinere Mietwohnung derzeit fast zwangsläufig das Wohnen verteuern. Die ökologische und die soziale Krise spitzt sich beim Wohnen ungebremst zu, auf beiden Ebenen ist schnelles Handeln gefordert.

Die Wärmewende muss die Eigentumsfrage stellen

Seit einigen Jahren führen Umwelt-, Mieter*innen- und Sozialverbände eine produktive Diskussion mit dem Ergebnis konkreter Politikvorschläge für eine soziale und ökologische Wärmewende (u.a. Ressourcenwende 2022; DMB/DUH 2022): Mehr staatliches Fördergeld für energetische Sanierungen; ordnungsrechtliches Vorgehen gegen fossile Heizungen; die Absenkung der Modernisierungsumlage, die Sanierungskosten auf die Mieten aufschlägt, und weitere soziale Verbesserungen im Mietrecht; die Begrenzung von Immobilienspekulation; der Ausbau erneuerbarer Heizsysteme; und die Einführung energetischer Mindeststandards für alle Gebäude. Im letzten Fall kommt möglicherweise Hilfe von der EU, nachdem sich zuletzt das EU-Parlament dafür ausgesprochen hat, solche Standards für die energetisch schlechtesten Bestände im Rahmen einer neuen Gebäuderichtlinie festzuschreiben.

Doch bei allen guten Ansatzpunkten und Konzepten wird der Kern des Problems höchstens gestreift. Im Rahmen einer profitorientierten Wohnungsversorgung ist der klimagerechte Umbau im Zeitraum, der für die Umsetzung des 1,5-Grad- (oder selbst des 2-Grad-) Ziels nötig ist, unmöglich. Die profitorientierte Bewirtschaftung von Wohnungen und Immobilien will die dabei entstehenden klimatischen Kosten immer externalisieren. Denn wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch ist die klima- und umweltschädlichste Lösung kurzfristig oft die billigste und damit gewinnträchtigste. Hinzu kommt, dass ohne Synergien über größere, oft zwischen einer Vielzahl von unterschiedlichen Eigentümer*innen zersplitterten Beständen hinweg die Wärmewende zu teuer oder gar unmöglich werden wird. Wärmenetze, Wohnflächenoptimierungen, sinnvolle Dachnutzungen, bei baulich ähnlichen Beständen auch serielle Sanierungen von Gebäudeteilen lassen sich oft überhaupt nur, teils nur so kostengünstiger und auch städtebaulich sinnvoller auf Quartiers- oder Siedlungsebene verwirklichen. Entsprechend sind unter den Positivbeispielen für sozial-ökologische Sanierungen oft kommunale oder auch genossenschaftliche Bestände zu finden (z.B. das Märkische Viertel in Berlin; gemeinnütziger Wohnungsbau in Österreich). Dagegen sind Konzerne wie Vonovia, die ebenfalls über viele solche aggregierten Bestände verfügen genau das Gegenbeispiel. Lange hat dieser und haben andere Wohnungskonzerne auf Modernisierungen als unökologisches und unsoziales, weil mietentreibendes Geschäftsmodell gesetzt. Da nun das aus Schulden und immer größeren Dividendenversprechen gebaute Kartenhaus einzustürzen droht, will Vonovia alle Investitionen drastisch zurückfahren (Unger 2023).

Die Wärmewende kann nur gelingen, wenn sie als Teil einer Transformation des Wohnens zu sozialer Infrastruktur begriffen wird. Die damit verbundenen gesetzlichen und fiskalischen Vorgaben müssen in die entsprechende Richtung wirken.

Die Wärmewende muss das Alltagsleben spürbar verbessern

Bezahlbarkeit und Klimaschutz erscheinen beim Wohnen als Widerspruch. Energieauflagen werden vor allem als Kostenfaktur diskutiert. Entsprechend sind energetische Sanierungen vor allem unter Mieterinnen und Mieter regelrecht gefürchtet. Denn dank der Modernisierungsumlage werden Sanierungen vor allem als profitable Geschäftsstrategie genutzt, die für die Mieter*innen teuer werden, bis hin zur Verdrängung aus ihren Wohnungen. Aber auch für viele Eigenheimbesitzer*innen können neue Energieauflagen existenzbedrohend sein, wenn sie das Kapital für Heizungsaustausch oder Dämmung nicht aufbringen können. Als die Modernisierungsumlage ab 2019 von elf auf acht Prozent gesenkt und vor allem eine Kappung der damit verbundenen Mietsteigerung auf 3 Euro bzw. 2 Euro für Mieten über bzw. unter 7,50 Euro pro Quadratmeter eingeführt wurde, ist mit dem Geschäftsmodell Modernisierung auch die Sanierungstätigkeit insgesamt eingebrochen. Das zeigt, die rechtlich-fiskalische Konstruktion eines „Vermieter-Mieter-Dilemmas“ bei der Sanierung kann weder ökologische noch soziale Zielsetzungen erfüllen, und erst recht nicht beide gleichzeitig.

Im Bereich des Wohnens führt auch der Diskurs der individuellen Konsumentenverantwortung ins Leere, vielleicht noch klarer und unmittelbarer als in anderen Bereichen. Klimaschutz darf und muss nicht frieren bedeuten. Nicht erst seit dem extremen Anstieg der Energiekosten in den vergangenen zwei Jahren haben viele einkommensarme Haushalte ihren Verbrauch ohnehin schon so weit eingeschränkt, dass Sparaufrufe an diese Gruppe ins Leere laufen. Statt Mieter*innen (etwa durch einen – immerhin inzwischen auch teils von der Vermieterseite getragenen – CO2-Preis) oder einkommens- und vermögensarmen Eigentümer*innen alle Kosten aufzudrängen, müssen Vermieter- undder Staat den Hauptteil der Kosten tragen. Denn sie sind es, die durch gesetzliche Rahmensetzungen und durch Investitionsentscheidungen den Großteil der Emissionen verursachen. Klimaschutz ohne Mieterhöhung ist eine notwendige Bedingung für die Akzeptanz der Wärmewende.

Aber die „Warmmietenneutralität“ ist keine hinreichende Bedingung. Die Wärmewende, die auch gegen ökonomische Interessen durchgesetzt werden muss, gelingt nur, wenn sie für die Menschen auch einen praktischen Nutzen hat, in Form von im Alltag spürbaren Verbesserungen. Ein ökologisch-moralisches Bewusstsein – „carbon guilt“, wie es Matthew Huber (2022) nennt – dürfte selbst für die umweltbewussten Teile der akademisch gebildeten „professional class“ kaum ausreichend sein, um klimagerechten Wohnraum aktiv einzufordern. Umso mehr stehen für Arbeiter*innen und Arbeitslose, Alleinerziehende, Dienstleistungsprekariat und Rentner*innen andere Sorgen im Mittelpunkt: heruntergekommene Gebäude, Platzmangel und unsicheres Wohnumfeld, schlechte Schulen, zu wenig Grünflächen, schlechte Verkehrsanbindung, Diskriminierung anhand der Wohnadresse oder umgekehrt Verdrängungsdruck aus dem gewohnten und geliebten Lebensumfeld, Einsamkeit und Pflegekrise. Nur wenn die Wärmewende als absehbar größtes Stadterneuerungsprojekt der nächsten 15 bis 20 Jahre auch Lösungen für diese Probleme bietet, kann sie auch die Fantasie des Alltagsverstands beleben und als wünschenswertes Ziel für eine gesellschaftliche Mehrheit gelten. 

Der Kampf um die Wärmewende braucht neue Organisierungen und Bündnisse, kann sie aber auch ermöglichen

Um eine sozial gerechte die Wärmewende gegen die Interessen von Eigentümer*innen und Investor*innen und gegen die auf allen staatlichen Ebenen einflussreiche Immobilienlobby durchzusetzen, braucht es neue Bündnisse und Organisierungen. Gleichzeitig kann ein politisches Konzept, mit dem die Klimaziele im Wohnungsbestand innerhalb der kommenden 10 bis 15 Jahre erfüllt, die Mietsteigerungen verringert und gleichzeitig das Alltagsleben spürbar verbessert werden können, solche neuen Bündnisse und Organisierungen auch ermöglichen.

Die Ansätze dafür sind da. Denn das Thema Klimakrise ist in der mieten- und wohnungspolitischen Bewegung angekommen. Mietervereine, Umwelt- und Sozialverbände arbeiten dazu schon seit Jahren konzeptionell zusammen. In Initiativen und Organisationen der Mieten- und der Klimabewegung werden mehr und mehr Verbindungen gesucht. Das transformative Organizing, das dezidiert an der Alltagsbetroffenheit ansetzt, systematisch nach verbindenden Themen und Kämpfen sucht und auf organisatorisches Wachstum jenseits der üblichen aktivistischen Milieus setzt (Maruschke 2019), ist in der Mietenbewegung – nicht zuletzt auch als Erfolgsfaktor und durch die Erfolge von Deutsche Wohnen & Co. enteignen (DWE) – fest verankert. DWE hat eine Arbeitsgruppe zur klimagerechten Vergesellschaftung gebildet und auch andere Initiativen wie Leerstand hab ich Saath in Berlin verbinden wohnungs- und klimapolitische Forderungen (spekulativer Leerstand und unökologischer Abriss). Langjährige überregionale Organisierungserfahrungen (Housing Action Days, Mietenstopp-Kampagne) haben Hemmungen in der Kooperation zwischen Bewegungsakteur*innen auf der einen und Verbänden und Gewerkschaften auf der anderen Seite abgebaut. Die Gewerkschaften haben wohnungs- und klimapolitische Forderungen nicht nur in ihre Agenda aufgenommen, sondern auch in politischen Bündnissen und auch in Arbeitskämpfen (Fridays for Future und ver.di bei ÖPNV-Tarifrunden, vgl. Autor*innenkollektiv 2021) aufgenommen.

Diese Organisierungen könnten durch ein klassenpolitisches Konzept für die Wärmewende die dringend benötigte gemeinsame strategische Richtung erhalten. Denn es ist unübersehbar, dass sowohl die Mietenbewegung, als auch die Klimabewegung derzeit in einem Mobilisierungstal steckt. Soll eine gemeinsame strategische Ausrichtung auf die Wärmewende erfolgreich sein, muss dieses Konzept aber auch die jeweiligen Betroffenheiten, Bedürfnisse und Forderungen, aber auch deren Politikansätze und praktische Organisierungserfahrungen aufnehmen. Gute technische oder rechtliche Vorschläge reichen dafür nicht aus. Die strategische Aufgabe besteht also darin, (a) mieten- und klimapolitische Diskurse zu einer gemeinsamen Erzählung zusammenzufügen und diese gegen den hegemonialen „Bauen, bauen, bauen“-Diskurs in Stellung zu bringen, (b) realpolitische, d.h. sowohl umsetz- als auch durchsetzbare Lösungsansätze mit radikalen Transformationsperspektiven zusammenzubringen, und (c) damit zugleich Forderungen zu formulieren, die für die bestehenden Organisierungen anschlussfähig sind und ihnen zu helfen, an Stärke zu gewinnen.

Klimagerechtigkeit in benachteiligten Nachbarschaften

Zusammenfassend muss ein klassenpolitisch gedachte Wärmewende also die in den vorangegangenen vier Thesen angesprochenen Zielebenen zusammendenken: Erstens, die schnelle Umsetzung klimaneutralen Wohnens, um die Pariser Klimaziele noch erfüllen zu können; zweitens, ihre sozialgerechte Ausgestaltung, d.h. der Klimaschutz ohne Mieterhöhung oder untragbare Kosten für einkommensarme Eigenheimbewohner*innen, damit die Wärmewende die Wohnungskrise nicht noch verschärft; drittens, spürbare Verbesserungen im Alltagsleben, die nicht nur Akzeptanz, sondern auch aktive Zustimmung zur Wärmewende ermöglichen; und viertens die Stärkung der Organisationsmacht von unten, ohne die eine sozialgerechte Wärmewende nicht durchsetzbar sein wird.

Ein programmatischer Vorschlag, der diese vier Zielebenen verbindet und gleichzeitig eine sozial-gerechte Wärmewende vorstellbar erzählen kann, ist ein Umbauprogramm für Klimagerechtigkeit in benachteiligten Nachbarschaften, zum einen für Großwohn- (Plattenbauten) und Nachkriegssiedlungen richtet, zum anderen aber auch für von Gentrifizierung bedrohte und betroffene Innenstadtquartiere.

Warum Großwohnsiedlungen? Wie auch andere Siedlungen aus der Nachkriegszeit wurden sie größtenteils ohne jede energetische Auflage errichtet und zu hohem Anteil kaum energetisch saniert. Hier lassen sich in kurzer Zeit große Mengen Treibhausgase einsparen. Neben den Einfamilienhäusern aus dieser Zeit dürften es größtenteils auch die Gebäude sein, die zu den niedrigsten Energieklassen gehören und damit von den aktuell diskutierten europäischen Mindestenergiestandards als erstes betroffen wären. Gleichzeitig wurden solche Siedlungen meist durch kommunale oder gemeinnützige Wohnungsgesellschaften oder als Werkswohnungen errichtet, in den 1990er und 2000er Jahren privatisiert und finden sich heute in den Händen großer Wohnungskonzerne und von Finanzinvestoren wieder. Da in diesen Mietshäusern überdurchschnittlich viele Gering- und Durchschnittsverdienende leben, und sich hier auch die anderen beschriebenen Problemlagen konzentrieren, lässt sich die ökologische Sanierung hier ganz praktisch mit Alltagsverbesserungen für diejenigen verbinden, die diese am meisten brauchen. Der Aktionsplan Klimagerechtigkeit der Fraktion die LINKE. im Bundestag (2020) hat dafür ein Potenzial von 7,5 Millionen Wohnungen errechnet. 

Ein Programm, das Großwohn- und Nachkriegssiedlungen in klimagerechte Nachbarschaften umbaut, basiert auf folgenden Eckpunkten:

  • Quartiers- bzw. Siedlungsebene statt Haus-für-Haus: Eine energetische Sanierung auf Siedlungsebene ist effizienter und kostengünstiger. Außerdem holt sie die Bewohner*innen raus aus einer Vereinzelung und bringt sie in eine gemeinsame Betroffenheit. Statt individuell mit Modernisierungsankündigungen und Mieterhöhungen konfrontiert zu sein, möglicherweise ungleichzeitig und von verschiedenen Eigentümern, können Mieter*innen gemeinsam agieren. Auch für ein und in einem Sanierungsprogramm für klimagerechte Nachbarschaften werden die organisierten Interessen, der Druck und die Kooperation von Nachbar*innen gebraucht, um Verbesserungen für das Alltagsleben zu gestalten und durchzusetzen.
  • Aktive staatliche Steuerung: Die Sanierung darf nicht Privatvermieter*innen überlassen werden, die durch Anreize, also vor allem viel Geld, dazu gebracht und durch Regulierungen eingehegt werden müssen. Bloße staatliche Rahmensetzung reicht nicht aus. So ist weder eine schnelle noch eine gerechte Wärmewende möglich. Stattdessen braucht es eine aktive staatliche Rolle, die Sanierungen quartiersübergreifend plant, dabei auch Netzwerkeffekte nutzt (Wärmenetze, übergreifende Dachnutzungskonzepte) und für Mitbestimmung und auch soziale Härtefälle ansprechbar ist. Das kann durch Klima-Sanierungsgebiete, verbunden mit Sozialplänen und erweiterter Mitbestimmung geschehen. Dabei können frühere Erfahrungen aus der Stadterneuerung insbesondere der 1980er und 1990er Jahre genutzt und diese weiterentwickelt werden (Tietzsch 1996, Holm 2006). Ein solches Sanierungsprogramm muss von Bundesebene angestoßen, mit den nötigen Gesetzesänderungen flankiert und finanziert, und auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. 
  • Wärmewende als Stadterneuerung: Eine quartiersübergreifend geplante, klimaneutrale Sanierung ganzer Plattenbau- oder Nachkriegssiedlungen sind Stadterneuerungsvorhaben in einer Dimension, die es schon aus Effizienzgründen nahelegt, auch weitere städtebauliche Ziele in den Blick zu nehmen: Klimaanpassung und Verkehrsplanung, Schaffung von nicht-kommerziellen Treffpunkten, Kulturangeboten und Grünflächen, Verbesserung der Kinderbetreuung und Bildungsinfrastruktur sowie der medizinischen und Pflegeinfrastruktur. Entsprechende Bedarfe lassen sich im Planungsprozess einbeziehen und gestalten. Gleichzeitig kann der klimagerechte Umbau so die Fantasie für lebenswerte Quartiere beflügeln, für ganz konkrete Verbesserungen im Alltagsleben sorgen­­­ und speziell für benachteiligte Viertel den Spieß umdrehen: von benachteiligten „Sozialghettos“ zu klimagerechten Vorbildquartieren. Solche Maßnahmen lassen sich durch die Abschöpfung von privaten Gewinnen aus Wertsteigerungen nach der Sanierung mitfinanzieren. Auch die Aufstockung und damit die Schaffung neuer, bezahlbarer und klimaneutraler Wohnungen ohne zusätzlichen Flächenverbrauch, ist in diesem Rahmen denkbar.
  • Gemeinwirtschaft als Ziel: Alle Beispiele für gelingende sozialverträgliche energetische Sanierungen finden sich in kommunalen, genossenschaftlichen oder anderen gemeinwirtschaftlich bewirtschaften Wohnungsbeständen. Nur wenn auf die Ausschüttung von Gewinnen an Private verzichtet wird, können soziale und ökologische Ziele zugleich erreicht werden. Entsprechend sollte die Wärmewende mit zum Ziel haben, Wohnungen in Gemeinwirtschaft zu überführen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: von Vorkaufsrechten im Rahmen der Sanierungsgebiete über eine stärkere Ausrichtung des Förderrahmens auf eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit, verbunden mit ordnungsrechtlichen Mindestenergiestandards, bis hin zur Vergesellschaftung von Wohnungen nach Artikel 15 Grundgesetz.
  • Klimaschutz ohne Mieterhöhung: Die Abschaffung oder mindestens deutliche Senkung der Modernisierungsumlage ist eine Grundbedingung und damit auch eine Kernforderung, auch in einem Umbauprogramm für klimarechte Nachbarschaften. Zusätzlich lassen sich im Rahmen einer Sanierungsplanung, durch Vorkaufsrechte, durch Überführung in Gemeinnützigkeit oder durch Vergesellschaftung auch andere „institutionalisierte Widersprüche“ der Wärmewende auflösen, etwa indem der Wohnungstausch bei gleichbleibender Quadratmetermiete auf Siedlungsebene ermöglicht wird. 

Ein solches Umbauprogramm ist in angepasster Form auch auf Innenstadtgebiete zu übertragen, um dort die Wärmewende mit Kämpfen gegen Gentrifizierung, für die Verkehrswende („Kiezblocks“) und das Sterben sozialer und kultureller Infrastruktur zusammen zu bringen.

Eine klimagerechte Wärmewende darf darüber hinaus den Bestand an Ein- und Zweifamilienhäusern nicht außenvorlassen. Schließlich geht auf Ein- und Zweifamilienhäuser ein großer Teil der Treibhausgasemissionen zurück, nicht nur, aber auch durch den dort erheblichen Wohnflächenverbrauch. Insbesondere das untere Einkommensdrittel der selbstnutzenden Eigenheimbesitzer*innen – immerhin mehr als 1,5 Millionen Haushalte – droht durch notwendige energetische Mindeststandards in existenzielle Nöte zu geraten. Aber auch in den Vorstädten und im ländlichen Raum braucht Klimagerechtigkeit nicht nur spezielle Förderprogramme für vulnerable Gruppen (siehe Öko-Institut 2022), sondern ebenso eine Antwort auf die drängenden Alltagsprobleme in Form veränderter Wohnformen und einer verbesserten örtlichen Infrastruktur.