Oktober 2023. Anja Müller schmeißt den Rasenmäher an. Die Linke-Landtagsabgeordnete steht auf einem Kreisel in der Mitte eines Kreisverkehrs in Bad Salzungen. Das Gras steht hier hoch, sehr hoch. Das wird sich gleich ändern: An den Haustüren hörten Anja Müller und ihre Genoss*innen immer wieder, dass der Bewuchs inzwischen gefährlich für alle Verkehrsteilnehmer*innen sei. Autofahrer*innen hätten keinen freien Blick auf den Kreisverkehr: »Täglich kann da was passieren. Auch Fußgängern, auch Kindern. Wir haben uns schon an die Stadt gewandt ... Bisher ohne Erfolg ... Können Sie da helfen, Frau Müller?«

Frau Müller kann. Sie kann es mit der Hilfe anderer, ehrenamtlich arbeitender Mitglieder ihrer Partei, die mit ihr zusammen an den Haustüren waren und fragten: »Wo drückt der Schuh?«

Sie hörten zu. Mietenentwicklung, Mülltrennung und steigende Nebenkosten. Und immer wieder wurde das zu hohe Gras auf dem Kreisel genannt. 

Anja Müller wandte sich daraufhin mit einem Brief an die Nachbar*innen. Sie schilderte die Probleme, von denen sie an den Haustüren gehört hatte, und skizzierte mögliche Lösungen, an denen Die Linke arbeitet. Kündigte an, dass sie das Gras auf dem Kreisel mähen werde. Nannte den Termin.

Und da waren sie nun. Die Linke-Mitglieder, die sie bei der Arbeit unterstützen wollen und viele Nachbar*innen, die Anja Müllers Brief im Briefkasten fanden. Sie wollen sich davon überzeugen, dass die Politikerin ihr Versprechen hält. Wollen sich anschauen, ob und wie ihre Sorge, ihre konkrete Not, die Angst vor schweren Verkehrsunfällen, ein Ende nahm. Durch einen Eingriff, den eine Frau von der Linken gleich vornehmen wird: Sie wird das Gras mähen. Nein, sie waren nicht machtlos, hier klappte endlich mal etwas - und das wolten einige von ihnen sofort belohnen. Vier von den Zuschauer*innen, vier Mitanpacker*innen am Kreisel im Neubaugebiet in Bad Salzungen, treten noch während Aktion in Die Linke ein.

Herbe Verluste

Doch weder bei der Kommunalwahl am 26. Mai 2024 noch bei den Landtagswahlen am 1.September erzielte Die Linke in Bad Salzungen die erhofften Ergebnisse. Der Linke-Bürgermeisterkandidat erreichte bei den Kommunalwahlen 9,7 Prozent, die SPD 10,8 Prozent, die AfD 32,3 Prozent und die CDU 47,1. Zur Landtagswahl am 1. September erzielte die AfD dort 37,2 Prozent, die CDU 23 Prozent. SPD, Grüne und FDP wurden weiter pulverisiert und rutschten dort jeweils unter die 5-Prozent-Marke, das BSW lag bei über 16 Prozent. Vier Prozent mehr als Die Linke, die auch hier wie in ganz Thüringen auf den vierten Platz rutschte.

Anja Müller erhielt von den Briefwähler*innen über 24 Prozent der Stimmen, Die Linke, ihre Partei verlor über 20 Prozent:12,5 Prozent. Trotz all der Mühen, trotz der Eingriffs- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten, die Anja Müller und ihre Partei in Bad Salzungen verwirklichten. Lagen sie falsch? Wuchsen so doch keine Demokrat*innen nach?

Den Wahlkampf prägten Angst, Vermutungen, Emotionen. Wahlentscheidende Themen waren Kriminalität, Sorge um den zukünftigen Bestand sozialer Sicherheit, waren Zuwanderung, waren Bildung und Schule, Wirtschaft, der Krieg Russlands in der Ukraine und das Klima. War die Angst vor dem eigenen Absturz.

Tausend Sorgen jeden Tag, jede von ihnen verursacht durch die Mehrfachkrise und die unbestimmte Furcht vor dem, was da noch kommen könnte. Diese Furcht entlädt sich an der Wahlurne in der Wut »auf die da oben«: »Ha! Den zeig ich's jetzt mal ... stopfen sich die Taschen voll ... die sorgen dafür, dass diese Ausländer alles kriegen und ich nüscht!« 

Fakten erreichen diese Menschen im Ausnahmezustand, in ihrer kognitiven Dissonanz, nicht mehr. Ein Rentner in Greiz beschwerte sich am Infostand Der Linken lautstark über seine Rente. »Zu niedrig, viel zu niedrig! Reicht kaum, um das Leben bezahlen zu können, geschweige mal ein Geschenk für die Enkel. Und dafür habe ich fast 50 Jahre geschuftet...« Er wolle jetzt die AfD wählen, polterte er. Darauf aufmerksam gemacht, dass sich die AfD im Bundestag nicht für Rentenerhöhungen eingesetzt habe, ganz im Gegenteil, erwiderte er: »Ist mir doch egal. Ich zeig's den allen da oben mal!«. Sprach's, spuckte und stapfte schimpfend über den Puschkinplatz.

»Die da oben«, denen es der Rentner mal zeigen wollte, das war in Thüringen auch Die Linke. Weit oben, Regierungspartei. Sie stellte den Ministerpräsidenten, soweit »oben« war sie, unsere Partei. Und der war Landesvater, so beliebt war und ist Bodo Ramelow: 51 Prozent der Thüringer*innen waren mit seiner Arbeit zufrieden. Höcke erzielte nur 24 Prozent, der SPD-Spitzenkandidat Georg Maier 23, Voigt von der CDU 22, Katja Wolf, BSW, 17 Prozent. Festzustellen bleibt, dass es uns im Wahlkampf nicht gelungen ist, die hohe Zustimmung, die Sympathie für den linken Ministerpräsidenten für seine Partei zu nutzen. 

»Es gibt im Osten aus historischen Gründen nur ein recht schmales Band zwischen den Regierenden und Regierten, das wachsende Gruppen in eine staatsskeptische und sogar staatsablehnende Grundhaltung hineingeraten sind«, stellt Steffen Mau in seiner Studie »Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt.« fest. Mau weiter: »Zu stark wirken die Prägungen der DDR, die Weichenstellungen der Wiedervereinigung und die Lasten der Transformationsjahre.« 

»So viel Angst wie jetzt hatte ich nur zur Wendezeit.«

Oder, wie wir es in der Thüringer Kreisstadt Sonneberg vor der Wahl des ersten AfD-Landrats in Thüringen an einer Haustür in der Köppelsdorfer Straße hörten: »So viel Angst wie jetzt hatte ich nur zur Wendezeit. Damals wusst' ich auch nicht, wie es weitergehen wird und ob wir das alles heil überstehen werden.«

Die »wirklichen Interessen der wirklichen Menschen«

Dass Thüringen überhaupt jahrelang Linken-Hochburg sein konnte, daran hat auch Dieter Strützel maßgeblich Anteil. Strützel, ehemals stellvertretender Landesvorsitzender der PDS in Thüringen und Vordenker einer Partei von unten, hatte bereits in den 1990ern erkannt, dass es darum geht »Eingriffsmöglichkeiten, Handlungsmöglichkeiten, Selbstbestimmungsmöglichkeiten zu schaffen. Nur dann werden Demokraten nachwachsen.«  Er wollte Zeit seines Lebens, schon als Soziologe in der DDR, die Komplexität und Widersprüchlichkeit des sozialen Seins seiner Mitmenschen erfassen, indem er die Frage nach den tatsächlichen Bedürfnissen, nach den »wirklichen Interessen der wirklichen Menschen« stellte.

Dieser Aufgabe nahm sich die Strützel-PDS, später Die Linke, an, und gewann in jeder Landtagswahl bis zum 1.9.2024 in Thüringen Stimmen hinzu. Klar, sie verkörperte auch das Vertraute, ein Stück gelebter DDR-Geschichte. Ihr alltäglicher Gebrauchswert war jedoch, dass sie mit vielen ihrer Mitglieder im Leben der Menschen direkt und »anfassbar« vorkam, dass sie eingriff. Sie schlug Lösungen im Interesse der Menschen vor. Ihre Mitglieder setzten sich dafür sehr praktisch und auch im Ehrenamt ein, zeigten durch diese Eingriffe Handlungsmöglichkeiten auf. Dafür arbeiteten sie zusammen mit den Menschen, mit ihren Nachbar*innen, die sich auch so emanzipierten und Vertrauen in ihre eigene Kraft gewannen. 

Bischofferode ist dafür Beispiel. Das Kaliwerk im Eichsfeld war von großer Bedeutung für die Region.1 000 Kumpel arbeiteten dort. Sie erfuhren 1993, dass ihre Grube von der westdeutschen Kali und Salz AG übernommen und stillgelegt werden sollte. Die Bergleute traten in den Hungerstreik. Ein Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft HBV aus Erfurt, Bodo Ramelow, half ihnen, auch wenn seine Gewerkschaft nicht zuständig war: Die zuständige IG Bergbau und Energie hatte nur die Interessen der westdeutschen Bergleute im Blick. Sie war dafür, die Grube in Bischofferode zu schließen. Nicht mit Bodo Ramelow. Das war nicht sein Verständnis von Gewerkschaftsarbeit. Er freute sich über die Solidarität verschiedener Organisationen und einer Partei, der PDS. Der Sozialplan, den der Schlichter Ramelow mit den Bergleuten aushandelte, beinhaltete drei Jahre Weiterbeschäftigung und eine Abfindung. »Es war für uns eine Niederlage, aber die teuerste, die die Treuhand je erlebt hat« sagte Ramelow später. »Diese Erinnerungen sind für mich ein Teil meines Lebens, es ist eine Grundlage meines heutigen Lebens. Da steckt die Kraft drin, der ich vertraue: die Kraft der Menschen.« Vertrauen. Das spüren die Menschen. Daraus kann die Hoffnung wachsen: Wir schaffen das. 

Diese Kraft, die Kraft der Menschen stand auch am Anfang der zwei beitragsfreien Kindergartenjahre, die unter dem Ministerpräsidenten Ramelow mit der rot-rot-grünen Landesregierung 2014 Gesetz wurden. Eine Elterninitiative setzte sich für eine bessere Familienpolitik in Thüringen ein. Sie wollte Finanzkürzungen im Familienbereich rückgängig machen und einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Geburtstag festschreiben. Das wurde von der CDU verweigert: Gegen das erfolgreiche Volksbegehren der Elterninitiative wurde das Verfassungsgericht mobilisiert. Linksfraktion und SPD versuchten, über das Parlament den Eltern zu helfen. »Wir waren immer der parlamentarische Arm der Elterninitiative«, betonte Dieter Hausold, damals Vorsitzender der Linksfraktion und Oppositionsführer im Thüringer Landtag. Die Mitglieder seiner Partei halfen ehrenamtlich bei der Unterschriftensammlung. Sie sprachen Menschen an, baten um eine Unterschrift und warben für eine Politik im Interesse der Familien in Thüringen. Warben auch so für ihre Partei und wussten: Wahlentscheidungen fallen auch während der Legislatur.

»Links wirkt – auch aus der Opposition!« Hin und wieder griffen die Landesregierungen Initiativen der oppositionellen Linksfraktion auf, die sich mit ihren Mitgliedern unter den Menschen im Land genau umhörte, Druck machte. Lösungen entwickelte, Gebrauchswerte schaffte. »Wir machen's gerecht« sagte Die Linke in Thüringen – auch als Regierungspartei. Also unterstützte sie im Wahlkampf 2019 die Azubis im Landkreis Greiz. Die hatten kein Verständnis dafür, dass das ansonsten landesweit günstige und gültige Azubi-Ticket der Ramelow-Regierung nicht in ihrem Landkreis Greiz gelten sollte. »Azubi-Ticket jetzt!« forderten die jungen Leute und wussten Die Linke in ihrer Auseinandersetzung mit der CDU-Landrätin im Landkreis Greiz an ihrer Seite.

Die Linke war da, als sich in Erfurt erste Anzeichen einer Privatisierung der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft zeigten. »KOWO bleibt!« sagte sie gemeinsam mit vielen Mieter*innen, stellte Anträge und sammelte gemeinsam mit einer Bürger*inneninitiative fast 9 000 Unterschriften. Noch heute ist die KOWO in Erfurt die kommunale Wohnungsbaugesellschaft in öffentlicher Hand. In Bad Langensalza ging es um die tarifliche Bezahlung des Personals einer Klinik der Kurstadt – auch mit der Hilfe der Partei Die Linke vor Ort wurden die Forderungen der Belegschaft und ihrer Gewerkschaft realisiert. Sie förderte mit Infoständen und Haustürgesprächen die Solidarität der Menschen in Bad Langensalzas mit der Belegschaft der Klinik. Mitten im Wahlkampf. Wir machen's gerecht.

Klar, die Corona-Krise ließ viele Fäden reißen. In Quarantäne waren nun auch die Kontakte, der Austausch, die politische Debatte. Die Sorgen der Menschen nahmen zu. »Schön, dass sie mal wieder da sind«, hörten wir im Wahlkampf 2024 in Gera-Bieblach-Ost an der Haustür, »lange nicht mehr gesehen!«

Haben wir, hat Die Linke in Thüringen, nach der Pandemie nicht mehr so stark wie nötig im Austausch mit den Menschen, mit unseren Nachbar*innen und Kolleg*innen, gestanden? Haben wir nicht mehr in die Auseinandersetzungen um uns herum eingegriffen und Lösungen erarbeitet? Haben wir nur ungenügend gegen die Angst gearbeitet? Haben sich nicht genügend Die Linke-Abgeordnete aus Thüringen, ihre Mitarbeiter*innen, Genoss*innen auf den Weg gemacht, um Verschwörungstheoretiker*innen, Schwurbler*innen, Rechten ganz praktisch und vor Ort Paroli zu bieten? 

Sind wir im Laufe der Zeit und durch die Pandemie begünstigt zu einer Partei geworden, die mehr und mehr nur noch im Plenum des Landtags, des Kreistags, des Stadtrats oder im Ausschuss stattfindet? Die Linke - auch eine von »denen da oben«? So, wie alle anderen Parteien auch?

»Für eine starke Linke starke Strukturen schaffen« sagte sich Die Linke in Thüringen auf dem Landesparteitag in Sömmerda im April 2023 und stellte in einem gleichnamigen Antrag fest, dass wir »gemeinsam vor der Aufgabe (stehen), auf allen Ebenen funktionierende Parteistrukturen im Sinne einer sozialistischen und gestaltenden Mitgliederpartei zu gewährleisten [...] Dabei sollen die Ressourcen der Landespartei in der Landesgeschäftsstelle und in den Gebietsverbänden bestmöglich kombiniert, […] Ehrenamt und Hauptamt effektiv verzahnt werden.« Bildungsarbeit ist in der Partei besser zu organisieren und zu gestalten. Dieser Antrag wurde (fast) einstimmig beschlossen.

Politik der Nähe

Anderthalb Jahre später, nach der verlorenen Landtagswahl: Vier gewonnene Direktmandate zeigen, dass auch unter schwierigsten Bedingungen Erfolge möglich sind. Bodo Ramelow verbesserte in Erfurt sein Direktwahlergebnis, die Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig, in Weimar sicht- und fühlbar an der Seite der Menschen, wurde direkt gewählt. Jens Thomas und Lena Saniye Güngör sind in Jena verwurzelte Kommunalpolitiker*innen: Direkt gewählt. Immer im Gespräch mit den Wähler*innen, gemeinsam Gebrauchswerte geschaffen, von den Wähler*innen belohnt. Auch daraus lässt sich für Die Linke ganz praktisch lernen: Raus aus den Büros! Organisieren wir wieder das Gespräch! Jedes Wahlkreisbüro besucht, sagen wir mal, 60 Haustüren in der Woche in einem Wohngebiet, in dem wir erfolgreich waren. Wir fragen dort: »Wo drückt der Schuh?«, und schaffen Lösungen, auch durch die Mitarbeiter*innen unserer Wahlkreisbüros, die dort auch Sozialberatungen anbieten und bei Wohngeldanträgen helfen. Im Büro. Komm, wir finden eine Lösung für Dich,Nachbarin. Gegen die Angst. Gegen Rechts.

Angst führt zu Wut. Die AfD bewirtschaftet diese Wut und lässt nach unten treten. Wutbewirtschaftung von links gibt es nicht. Die Linke tritt nicht nach unten. Um die Mehrheit der Menschen dafür zu gewinnen, endlich und über viele Widersprüche hinweg eine Gesellschaft zu entwickeln, in der die Freiheit des Einzelnen die Voraussetzung für die Freiheit aller ist, braucht Die Linke das Vertrauen der Menschen. Das erarbeitet sie sich auch durch Nähe. So kann sich Hoffnung entwickeln. Die großen linken Visionen, zu Parolen auf Transparenten verdichtet, schnell mal eben in eine Pressemitteilung geschrieben, nutzen da zunächst wenig. »Mensch, klar, Frieden und Sozialismus – jetzt wo Du's sagst. Aber meine Miete kann ich morgen davon nicht bezahlen, hmm.«

Das Wahlergebnis zeigt: Um Erfolg zu haben, braucht Die Linke jedes Mitglied. Wir brauchen das Wissen, die Klugheit, die Vernunft aller, um die Nähe zu den Nachbar*innen und Kolleg*innen leben zu können, um Lösungen im Alltag zu schaffen. Die wechselvolle Geschichte von Die Linke auch in Thüringen zeigt: Dazu müssen wir, die Mitglieder, uns vor Ort treffen, diskutieren, gemeinsam arbeiten, Spaß am Erfolg haben. Ohne unsere Parteivorstände geht das nicht: Schaut bitte hin, gewinnt einen Eindruck vor Ort und helft uns bei der Verbesserung unserer Arbeitsweise! Klar, ihr habt viel zu tun. Ausschuss hier, Sitzungswoche und Vorstandssitzung da. Noch einmal: Bitte seid vor Ort, helft mit, nicht nur für ein Foto – ihr werdet sehen, es wird belohnt. Wenn ihr mit dabei seid, außerparlamentarisch – nein, nicht nur auf Demos! – und in kleinen und kleinsten Bündnissen das Leben der Betroffenen verbessert, Lösungen erarbeitet, dann werden sie Die Linke und euch persönlich auch im Großen und Ganzen unterstützen. Durch diese Nähe wird das Vertrauen in linke Politik (wieder)hergestellt. Ihr beobachtet hin und wieder Wahlen in fernen Ländern. Vor Ort. Das ist gut und notwendig. Kommt und helft auch hier vor Ort. Helft in unseren, in euren Basis- und Kreisorganisationen. Auch so wächst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. 

13,1 Prozent. Über 17 Prozent Verlust. Verloren. Schmerz. Trauer. Verloren trotz Anja und all der Arbeit in Bad Salzungen, trotz Bodo in Erfurt, trotz Ulrike in Weimar, trotz Lena und Jens in Jena. Trotz der 20 000 Haustüren, an denen wir klingelten. Trotz der Hilfe aus anderen Landesverbänden. Die guten Beispiele für das »Mit den Menschen sein« reichten nicht aus. Es waren nicht genug, um die Wut zu zähmen. Sie bestimmten nicht das Bild unserer Partei Die Linke, konnten nicht die Hegemonie gewinnen. Es gelang der Partei nicht, der »kollektive Bodo« vor Ort zu sein, durch ihre auch ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und durch diese Nähe Hoffnungen unter den Wähler*innen zu entwickeln und zu gestalten. Da hilft kein einmaliges Aufbäumen, da hilft nicht der Besuch von -zigtausenden Türen in kurzer Zeit. Das erfordert zuhören, anpacken, machen. Probleme lösen. Kümmern. Langfristig. Während der gesamten Legislatur. So entsteht Vertrauen in linke Politik. Das ist linke Politik. Sie findet nicht nur im Parlament und im Ausschuss statt. Sie wird durch alle gestaltet, durch die Mitglieder unserer Partei Die Linke. Wir verändern die Welt. Das ist unser Anspruch. Jeden Tag ein bisschen. Von unten. Trotz alledem.

»Aber es liegt auch darin, wie in den meisten Niederlagen, ein großer Gewinn: Die Möglichkeit, dass jene Fremdheit unserer theoretisch-wissenschaftlich gewonnenen [...] Vorstellungen gegenüber dem alltäglichen Leben der Menschen, deren Interessen wir wahrzunehmen [...] beanspruchen,

überwunden wird, daß unsere Politik menschlicher wird. Und es liegt die große Kraft in einer solchen Betrachtungsweise, daß nichts verloren ist, solange wir noch selbst da sind und das die Erneuerung immer wieder aus jedem Funken des Lebens herausschlagen kann.« So Dieter Strützel kurz vor seinem Tod 1999. Das nehmen wir uns zu Herzen. Den Funken des Lebens, den gibt es manchmal schon nebenan, an der nächsten Haustür. Und dieser Funken des Lebens ist für die Erneuerung unserer Partei häufig mehr Wert als jede noch so schöne Konferenz, auf der wir unter uns über Zustand, Probleme und Perspektiven unserer Partei reden, uns um uns selbst drehen. Packen wir's an.

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