Hierzulande machen die energiebedingten Emissionen etwa 85 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus. Ihr Hauptverursacher ist mit 37 Prozent die Energiewirtschaft. Sie ist somit ein Schlüsselbereich für eine sozial-ökologische Transformation. Eine aktuelle Kampagne will – analog zum Erfolg von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ in Berlin – die Vergesellschaftung der Energiekonzerne vorantreiben. Doch in der Energieversorgung ist dies komplexer und komplizierter als es der Slogan „RWE & Co. enteignen!“ nahelegt. Das zeigt sich bereits in der Bestimmung des Gegners. Die Enteignung würde nicht nur den weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock und seine Partner treffen, sondern auch Mitglieder der Belegschaft von RWE und Kommunen. Das politische und ökonomische Druckpotenzial von BlackRock gegenüber staatlichen und suprastaatlichen Institutionen ist zudem so gewaltig, dass eine tatsächliche Vergesellschaftung weitgehende gesellschaftliche Veränderungen voraussetzt. Daher steht zunächst die Frage auf der Agenda, wie Beschäftigte, Bürger*innen und soziale Bündnisse die Energiepolitik der öffentlichen RWE-Aktionäre und von RWE insgesamt sozial und ökologisch nachhaltig verändern können.
Die Herausforderung für die Linken besteht also darin, demokratische Handlungsmöglichkeiten zu nutzen und zu erweitern, um vor Ort, von der Kommune aus die (Energie-)Wirtschaft umzugestalten. Doch wie kann eine derartige Einflussnahme konkret aussehen? Welche Rolle können insbesondere Instrumente der partizipativen Demokratie wie etwa Bürgerbegehren dabei spielen?
Es gibt bereits viele konkrete Erfahrungen mit Ansätzen der Demokratisierung und Vergesellschaftung der Energiewirtschaft, aus denen gelernt werden kann. So lassen sich zumindest zwei Schlussfolgerungen – thesenhaft – herausarbeiten, die für den Erfolg wichtig sind. Erstens: Der erforderliche politische Druck für eine Energiewende setzt eine kritische Masse von Akteuren mit langem Atem, Lern-, Strategie-, Organisations- und Bündnisfähigkeit voraus. Schließlich geht es bei der Energiewende um komplexe Rück-, Um- und Neubauprozesse: Eine drastische Einsparung des absoluten Energieverbrauchs, die Steigerung der Energieeffizienz, den Ausstieg aus der Energieproduktion auf der Basis von atomaren und fossilen Energieträgern und den Übergang zur Nutzung vorrangig dezentral gewonnener erneuerbarer Energien. Dafür ist die demokratische Einflussnahme auf öffentliche Investitionen, auf die Leitung der öffentlichen Unternehmen und auf den Umgang mit den öffentlichen Unternehmensanteilen zentral. Zweitens: Der erforderliche politische Druck für die Umwälzung der Energieversorgung kann nur zustande kommen und erneuert werden, wenn unter seinen Akteuren einflussreiche Kollektive sind, die den Umbau der Energiewirtschaft als Beitrag zur solidarischen Energiewende betreiben. Es braucht eine kritische Masse energiepolitisch Aktiver, die sich als gesellschaftspolitische Akteure für eine sozial-ökologische Umgestaltung engagieren. Sie können und sollen zugleich attraktive Kooperationspartner*innen für energiepolitische und energiewirtschaftliche Akteure wie auch für Linksorientierte in sehr verschiedenen Organisationen sein. Das gelingt den Aktivist*innen nur, wenn sie ihre politischen Handlungsbedingungen kontinuierlich analysieren, sich ständig fachlich weiterbilden, ihre Arbeit selbstkritisch reflektieren und dazu noch „Spaß an der Sache“ mitbringen und bewahren.
Warmlaufen für die Rekommunalisierung
In vielen Kommunen konnten die Energiewende-Aktivist*innen vom gemeinnützigen Verein Bürgerbegehren Klimaschutz (BBK) wichtige Hilfe erfahren. Er unterstützt seit 2008 bundesweit Klimaschutzmaßnahmen durch partizipative Prozesse, um die kommunale Energiepolitik und Energiewirtschaft so zu verändern, dass eine sozial-ökologische Transformation wirksam unterstützt bzw. vorangetrieben wird: Mit einem kommunalen Energienetz und einem kommunalen Produzenten erneuerbarer Energie wachsen der Kommunalhaushalt und die Mittel, die vor Ort zur Lösung sozialer und ökologischer Probleme eingesetzt werden können. Die Gründer*innen des BBK hatten die Erfahrungen der Initiativen in Schönau 1991 und Wolfhagen 2001 kritisch studiert und im Projekt „Energiewende von unten“ zusammengebracht. Als sich der BBK gründete, hatten das öffentliche Klima- und Umweltbewusstsein und die Ablehnung von Privatisierung und Kommerzialisierung zugenommen. 2010 bis 2012 stand die Vergabe von zirka 8 000 Konzessionen[1] für die kommunale Energieversorgung an. Es war klar: Eine erfolgreiche Rekommunalisierung der Energienetze und Energiewirtschaft erfordert mehrere Jahre Vorbereitung und beginnt mit der Kenntnis über das genaue Ablaufdatum des Konzessionsvertrages und die kommunalen Handlungsoptionen. BBK erstellte dafür 2010 den ersten unterstützenden Aktionsleitfaden „Klimaschutz selber machen“. Insgesamt konstatierte der Verein Ende 2010 immerhin 23 Neugründungen von Stadtwerken und 11 Stadtwerke in Gründung. Dabei wuchs der Anteil erneuerbarer Energien an der Energieproduktion und -nutzung (Bürgerbegehren Klimaschutz).
Beispiel Hamburg
Eine zentrale Lernerfahrung für die demokratische Energiewende- und Vergesellschaftungsbewegung war die Kampagne „Unser Hamburg – unser Netz“. Um die Jahrtausendwende herum hatte der Stadtstaat Hamburg seine Strom- und Fernwärmenetze an den schwedischen Staatskonzern Vattenfall und sein Gasnetz an E.ON verkauft. Vattenfall produzierte den Großteil des Stroms im kohlebetriebenen Heizkraftwerk Wedel. Um den Anteil aus erneuerbaren Energien zu steigern, gründete der damalige schwarz-grüne Senat das Versorgungsunternehmen Hamburg Energie, eine Tochter der Hamburger Wasserwerke. Allerdings kann ein Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung nur gelingen, wenn ausreichend funktionssichere Versorgungsnetze in der kommunalen Hand sind. Deshalb forderten seit 2010 zivilgesellschaftliche Akteure, die Energieversorgungsnetze zu rekommunalisieren. Im Bündnis „Unser Hamburg – unser Netz“ kooperierten über 50 Akteure, darunter Attac, Robin Wood, Friends of the Earth, BUND, eine Bürger*innenitiative, einige evangelische Gemeinden und die Verbraucherzentrale. Ein Beschwichtigungsversuch des Senats, der Rückkauf von 25 Prozent des Stromnetzes, wurde vom Bündnis nicht angenommen. Es mobilisierte zum Volksentscheid über die vollständige Rekommunalisierung der Energienetze. Die Gegenkampagne von Vattenfall erfuhr Unterstützung vom Oberbürgermeister Olaf Scholz und seiner SPD, von CDU und FDP, aber auch von Teilen der Gewerkschaften ver.di und IG Metall. Das Bündnis ging leider kaum auf die Bedenken der Arbeitnehmer*innen ein. Dennoch stimmte mit den Bundestagswahlen 2013 eine knappe Mehrheit von 50,9 Prozent der 62 Prozent am Referendum beteiligten Stimmberechtigten für die Rekommunalisierung. 2014 kaufte der Senat das Stromnetz zurück. Bereits ein Jahr später konnte der kommunale Netzbetreiber Gewinne aufweisen. Anfang 2018 wurde das Gasnetz zurückgekauft, Anfang 2019 das Fernwärmenetz. Darüber hinaus wurde das Heizkraftwerk Wedel rekommunalisiert. Seit 2014 wird die kommunale Stromwirtschaft ausgebaut und modernisiert. Die Hamburger Gewerkschaften bzw. Beschäftigten können sich als Gewinner*innen betrachten und wurden zu Anhänger*innen der Rekommunalisierung.
Aber: Vattenfall blieb Hamburgs größter Stromanbieter und nutzte diese Position für Preissteigerungen. Weiterhin basiert die Stromproduktion auf Kohlekraftwerken[2].
Aus Hamburg ließ sich dennoch lernen, wie man erfolgreich Kampagnen führt. Es wurde aber auch deutlich, dass die Beschäftigten von zukünftig rekommunalisierten Unternehmen für das Projekt gewonnen werden müssen. Und in der Auseinandersetzung mit dem Staatskonzern Vattenfall zeigte sich erneut, dass es bei der Energiewende um viel mehr geht als gegen private Energieakteure zu mobilisieren.
Zum Berliner Energietisch
Die Hauptstadt Berlin verfügt über die größten urbanen Energienetze in der Bundesrepublik und weist hochproblematische Bilanzen beim Klima und der Nutzung erneuerbarer Energien auf. Zugleich gibt es hier sehr innovative energiepolitische Akteure, die in großen Zusammenhängen denken, ideenreich und mit Humor Politik betreiben. Berlins Konzessionsverträge für Gas sollten planmäßig Ende 2013 auslaufen, die Konzessionsverträge für Strom und Fernwärme Ende 2014. Die Eigentumsverhältnisse stellen sich kompliziert dar: Die Energieagentur funktioniert als Public Private Partnership mit der privaten GASAG und Vattenfall als besondere Anteilseigner. Die Vattenfall AG hat wiederum einen bedeutenden Anteil an der GASAG. Seit Jahren hatten sich enge Beziehungen zwischen Vattenfall, der Berliner und Brandenburger SPD herausgebildet. „Drehtüren“ zwischen hohen Funktionsträger*innen in der SPD-Bundes- und Landespolitik und im Vattenfall-Management waren Praxis.
Ende 2010 fanden Aktive von Attac Berlin, aus dem BBK und der NGO Powershift zusammen, um sich über Berlins künftige Energie- und Klimapolitik sowie Hamburger Erfahrungen auszutauschen. Sie führten Gespräche mit einzelnen Politiker*innen und erarbeiteten eine Broschüre zur Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung. Im Sommer 2011 entstand aus dieser Initiative der Berliner Energietisch (BET) – eine offene Plattform für alle, die eine soziale, ökologische und demokratisch organisierte Energieversorgung anstreben. Im September desselben Jahres stand eine Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus an. Vor dieser veranstaltete BET mehrere Podiumsdiskussionen und Workshops zum Thema Energiewende und Rekommunalisierung. Die Öffentlichkeit war dafür aufgeschlossen. Schon im April 2011 hielten 69 Prozent der Berliner*innen einen landeseigenen Stromversorger für eine gute Idee, 80 Prozent waren bereit, dorthin zu wechseln – 30 Prozent sogar ungeachtet der Kosten. Nachdem die Rekommunalisierung in der Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und CDU lediglich als Prüfauftrag verankert wurde, beschloss der Energietisch, ein möglichst breites Bündnis für ein Bürgerbegehren aufzubauen. Nach intensiver Diskussion wurde ein gemeinsamer Gesetzesentwurf für eine demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung für Berlin beschlossen. Seine entscheidenden Eckpunkte waren: Erstens, der Aufbau von Stadtwerken als Anstalt öffentlichen Rechts, um Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und Energieeinsparmöglichkeiten zu nutzen; zweitens der Einsatz einer Netzgesellschaft als Anstalt öffentlichen Rechts mit dem Ziel, die Stromnetze zum 1. Januar 2015 zu übernehmen; drittens die Bekämpfung von Energiearmut; viertens die Gewährleistung von demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten per Direktwahl des Verwaltungsrates durch öffentliche Gremien, ein Initiativrecht und Versammlungen von Bürger*innen zur Einflussnahme auf die öffentliche Energiewirtschaft. Die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen sollten zumindest erhalten bleiben. Ein Trägerkreis von Attac Berlin, BUND Berlin, BBK und anderen kümmerte sich zwischen den Plena um die strategische Kampagnenplanung, Personal- und Budgetentscheidungen. An den Plena nahmen auch Mitglieder des Betriebsrates von Vattenfall aktiv teil. Die Geschäftsführung der öffentlichen Berlin Energie bewies Kooperationsbereitschaft und Sympathie für das Projekt. Das BET-Bündnis wuchs auf über 50 ökologische, soziale, kulturelle, religiöse und migrantische Organisationen an. Es wurde unterstützt von der Berliner LINKEN und ihrer Linksjugend, von Bündnis90/Die Grünen Berlin und der Grünen Jugend, der Piratenpartei Berlin, der Arbeitsgemeinschaft Arbeitnehmerfragen der Berliner SPD und den Berliner Jusos.
Die erste Stufe des Volksbegehrens schloss im Sommer 2011 mit über 36 000 als gültig anerkannten Stimmen, gut 11 000 mehr als erforderlich. Auf der zweiten Stufe des Volksbegehrens wurden zirka 230 000 gültige Stimmen gesammelt, 173 000 waren erforderlich. Auch Berliner*innen ohne deutschen Pass wurden zur formal „ungültigen“ Stimmabgabe motiviert, um gegen den Ausschluss dieser Personengruppe zu protestieren.
Der Senat legte absichtsvoll das Datum für den Volksentscheid auf einen Termin abseits des – praktischen und geforderten – Termins der Bundestagswahl. Er beschloss darüber hinaus nur wenige Tage vor dem Referendum ein „Abfanggesetz“, d.h. die Gründung eines symbolischen Ministadtwerkes. Zugleich erklärte er, dass der Gegenstand des Referendums bereits verwirklicht und dieses überflüssig geworden sei. Das konnten viele Bürger*innen nicht durchschauen und BET konnte in dieser enorm kurzen Zeit rein objektiv gegen die Medienmacht nicht ankommen. Am Ende befürworteten 83 Prozent der Wahlbeteiligten den BET-Gesetzentwurf. Wegen der von der Senats-Manipulation begünstigten niedrigen Wahlbeteiligung wurde aber das erforderliche Quorum von einem Viertel der Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten knapp verfehlt.
Eine FORSA-Umfrage von Anfang 2014 erbrachte, dass lediglich 11 Prozent der vom Volksentscheid Ferngebliebenen gegen den BET-Gesetzentwurf stimmen wollten.
Stadtwerke und Übertragungsnetze für alle!
Kurz nach dem Volksentscheid veröffentlichte der Energietisch ein Eckpunktepapier für das nunmehr wegen des „Abfanggesetzes“ neu zu gründenden Berliner Stadtwerks. Schließlich wollte BET nach wie vor eine bedarfs-, sozial- und umweltgerechte Stromversorgung aus vor allem dezentral erzeugten und eingesetzten erneuerbaren Energien erwirken. 2015 erklärten 79 Prozent der Berliner*innen, dass sie starke Stadtwerke wünschen und 56 Prozent sagten, dass die Stromnetze ausschließlich in öffentlicher Hand sein sollten. Damit sah sich BET auch in seiner Auseinandersetzung mit der Genossenschaft Bürgerenergie bestätigt. Diese wollte zuerst alleinige Besitzerin, dann Teilbesitzerin des Berliner Stromnetzes werden und dieses als Genossenschaft führen. BET hielt und hält dagegen, dass genossenschaftliches Eigentum keineswegs vor einem weiteren Verkauf des Netzes an einen Konzern und vor Misswirtschaft schützt. Zum einen ist der Erwerb von Genossenschaftsanteilen von individueller Finanzkraft abhängig und steht deshalb nicht allen offen. Zum anderen sollen öffentliche Dienstleistungen öffentlich erbracht und kontrolliert werden, die öffentliche Hand ökonomisch stärken. Diese Position hatte schließlich den Gesetzentwurf 2013 geprägt. Doch die hier vorgesehenen partizipativ-demokratischen Maßnahmen, um den Verwaltungsrat des Stadtwerks zu kontrollieren, wurden im 2015 einberufenen Stadtwerke-Beirat nicht realisiert. Die Unternehmenspolitik erwies sich zunächst als wenig sozial und ökologisch innovativ. (BET; KAB; BBK; Dellheim 2015, 593–622).
BET drängte auf Demokratisierung, um dem abzuhelfen und eine soziale und solidarische Energiewende zu forcieren. Die gute Kooperation mit der landeseigenen Berlin Energie hat BET darin bestärkt. Zudem beschäftigte sich der Energietisch zunehmend mit dem Thema sozial gerechte energetische Gebäudesanierung und organisierte die Kooperation mit den Mieter*innen. Dass für ihn ökologische und soziale Ziele zusammengehören, wird in solchen Forderungen deutlich wie: „Klimaschutz ohne Verdrängung“, „Klimaschutz und Milieuschutz“ und „warmmietenneutrale[3] energetische Sanierung!“, „Gegen Energiearmut!“, „Strom- und Gassperren verhindern.“ Diese Anliegen wurden und werden nicht nur in Aktionen demonstriert, sondern auch in Fachstudien, Realisierungskonzepten und Bildungsveranstaltungen entwickelt und behandelt.
Bewegung allerorten und Berlin mittendrin
Ein vom BUND Berlin und BBK in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten gelangte 2014 zu dem Schluss, dass Berlin über die Gemeinsame Landesplanung auf die Brandenburger Tagebaupläne einwirken könne, da der Vertrag beider Länder über die gemeinsame Planung verlange, dass „die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu bewahren“ seien. Um dafür Druck zu organisieren, wurde 2014 das Bündnis „Kohleausstieg Berlin“ (KAB) gegründet. Dahinter stand nicht zuletzt die ursprüngliche BBK-Vorstellung, auch der Berliner Energietisch sei ein eher kurzfristig angelegtes Kampagnenbündnis, das durch weitere ersetzt werden soll. Aber BET entwickelte sich als stabiler energiepolitischer Akteur und unterstützt nicht nur KAB, sondern es gibt eine teilweise „Personal- und Organisationsunion“. So wurde das Ringen um den Ausstieg aus der Kohle und den Schutz des Grund- und Trinkwassers im Berliner Bewegungsspektrum „weiter vergesellschaftet“, etwa über eine mehrteilige thematische KAB-Veranstaltungsreihe zu Kohle in und um Berlin. Nunmehr verlagert sich die Kooperation von BET und KAB auf Berlins Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien und somit zusätzlich auf den Gasausstieg. KAB wird sich umbenennen.
Die Berliner Erfahrungen sind international auf Resonanz gestoßen. Ebenso lebhaft entwickelt sich die bundesweite Energiewende-Kooperation. „Unser Stadtwerk kohlefrei“ wurde zum Motto für Initiativen in Augsburg, Bielefeld, Bonn, Erfurt, Halle, Hamm, Heidelberg, Leipzig und Münster. So gab es auch in Augsburg einen Bürgerentscheid zur Kommunalisierung der Stadtwerke, bei dem 70 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja stimmten. Im Münsterland holten 2016 acht Kommunen (die sogenannten „Münsterlandrebellen“) die Strom- und Gasnetze in ihre Hoheit zurück, um den Übergang zu einer Energieversorgung auf der Basis vorrangig dezentral erzeugter und genutzter Energie zu forcieren. Das Ziel einer Energiewende von unten konnte auch in Zeiten der Pandemie Gruppen an vielen Orten motivieren, ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten zu nutzen und in den Kommunen Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. Allein 2020 starteten Kampagnen in rund 20 Städten, um mit Instrumenten der partizipativen Demokratie die Energiepolitik und die Energiewirtschaft zu demokratisieren bzw. zu vergesellschaften und die Energiewende voranzutreiben. So sammelten die Initiativen „KlimaWendeKöln“, „Hannover ErnNEUerbar“, „Rostock Kohlefrei“, „Mannheim Kohlefrei“ Unterschriften für konkrete Energiewende-Projekte.
Viel zu tun
Bundesweit geht die Defossilisierung viel zu langsam von statten. Das gilt leider auch und insbesondere für Berlin. Die Stadt konnte 2021 endgültig das Stromnetz von Vattenfall zurückkaufen und das öffentliche Stadtwerk wurde zum ernstzunehmenden innovations- und kooperationsfreudigen energiewirtschaftlichen Akteur. Aber im Land Berlin dominiert der Energieträger Erdgas, gefolgt von Mineralöl und Steinkohle. Die drei fossilen Energieträger stellen zirka 90 Prozent der Energieversorgung. Von der Strommenge, die Berlin 2020 verbrauchte, wurden etwa 50 Prozent in zentraler Erdgas-Kraft-Wärme-Kopplung produziert, knapp 40 Prozent wurden importiert. Der Rest wurde vorrangig in dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt, ein nur geringer Anteil von etwa drei Prozent stammt aus erneuerbaren Energien (IÖW u. a. 2021, 3). Die neue Koalitionsvereinbarung von SPD, GRÜNEN und LINKEN vom Dezember 2021 trägt dem Erfordernis, das schnellstmöglich zu verändern und den Energieverbrauch drastisch zu senken, ungenügend Rechnung. Berlin ist noch immer nicht auf dem Kurs, die Pariser Klimaziele umzusetzen. Zwar gibt es die Absicht, die Gas- und Fernwärmenetze und die Berliner Energieagentur zu rekommunalisieren, um Berlins Energieversorgung zu dekarbonisieren. Doch sie ist – wie die Defossilisierung insgesamt – nicht untersetzt durch konkrete Ziele, klare Maßnahmen und die erforderliche Finanzierung. Das gilt auch für die energetische Gebäudesanierung. Und der Konzern Vattenfall geht nun daran, seine Infrastruktur für die Energieproduktion aus Gas auszubauen.
Die Akteure einer Energiewende von unten sind also weiterhin stark gefordert, politischen Druck zu organisieren. Mit den Aktionen gegen Energiearmut (Dezember 2021/Februar 2022)und gegen den Ausbau der Gasinfrastruktur (Januar 2022) wurde deutliche Kritik an der Bundes- und Landespolitik geübt.
Es ist noch viel zu tun, um den BET-Gesetzentwurf von 2013 umzusetzen. Dort wird gefordert, dass die öffentlichen Energieunternehmen „mindestens einmal jährlich eine Versammlung zur Erörterung der Angelegenheiten der jeweiligen Anstalt einzuberufen“ (Die Abstimmungsleiterin 2013, 11) haben. Diese Versammlung wird als öffentliche Zusammenkunft von Einwohner*innen ab 16 Jahren erklärt. Sie ist zentral, um die Akteure für eine solidarische Energiewende zu mehren und zu stärken.
Der Kampf geht weiter
Bis 2025 werden 1 173 Konzessionen enden. Zwischen 2023 und 2027 laufen bundesweit etwa 1 300 Strom- und Gasnetzkonzessionsverträge aus. In diesen Fällen ergibt sich die Möglichkeit, per Bürgerbegehren die Energieversorgung in die kommunale Hand zu nehmen. Die Grundbedingung ist, dass es einen kommunalen Energieversorger gibt, der diese Aufgabe ausführen kann. Auch dessen Gründung kann durch Bürgerbegehren erwirkt werden. Die Bundestagsfraktion der LINKEN hat einen detaillierten „Leitfaden zur Rekommunalisierung“ herausgegeben. Wenn man die Dimension der Demokratie stärker herausarbeitet, kann man daran anknüpfend eine solidarische Energiewende handlungsorientierter zu diskutieren. Schließlich geht es immer darum, alle demokratischen Instrumente gezielt und koordiniert einzusetzen, um öffentliches Eigentum zu mehren und zu demokratisieren, Kooperationen für eine solidarische Energiewende zu entwickeln und diese zu realisieren. Deshalb sollte auch am Vorschlag der Linksfraktion festgehalten werden, die GmbH PD[4] als Beraterin der öffentlichen Hand durch eine Anstalt öffentlichen Rechts zu ersetzen und die Beratung zum Thema Rekommunalisierung gezielt auszubauen. Entsprechend muss die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau-Bankengruppe angehalten werden, statt Public-Private-Partnerchips eine Rekommunalisierung und Stärkung der kommunalen Wirtschaft zu fördern. Darüber hinaus ist und bleibt die demokratisierte Einflussnahme auf die Leitung der öffentlichen Unternehmen und den Umgang mit öffentlichen Unternehmensanteilen von zentralem Stellenwert für aktive Energiewende-Politik.
Wer die Energiewende vor Ort vorantreiben will, kann sich unter anderem an folgenden Orte in laufende Prozesse einbringen:
Bayern
https://www.klimawende.org/klimaschutz_in_die_verfassung
Ergänzung der Landesverfassung um die Pflicht zum Klimaschutz
https://www.klimawende.org/Exit-Spirit-Energy
Stadtwerke München raus aus der Förderung fossiler Brennstoffe
Brandenburg
https://www.klimawende.org/tschuess-erdgas
Potsdam - Erdgas aus der Energieerzeugung kicken!
Niedersachsen
https://www.klimawende.org/Solarentscheid-Lilienthal
Mehr Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden in Lilientahl!
NRW
https://www.klimawende.org/klimawende-bochum
Bochumer Stadtwerke sollen eine „Erneuerbare-Energien-Offensive“ durchführen
https://www.klimawende.org/klimawende-koeln
RheinEnergie soll ab 2021 eine Erneuerbare-Energien-Offensive durchführen
Schleswig-Holstein
https://www.klimawende.org/flensburg-fossilfrei
Fossilfreie Stadtwerke in Flensburg
https://www.klimawende.org/klimainitiative-neumuenster
Schluss mit fossil