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Wehtu-Frage Antisemitismus

Alltagserfahrungen und solidarische Allianzen

Gespräch mit Katrin Reimer-Gordinskaya und Selana Tzschiesche
Die westlichen Mainstream-Medien beschreiben die Lage in Hongkong oft eindimensional und präsentieren Hongkong als Opfer der Tyrannei Pekings und die USA und das Vereinigte Königreich als Verfechter der Autonomie Hongkongs und der Demokratie. Peking wiederum beteuert, weiterhin zur Autonomie und Demokratie in Hongkong zu stehen, sieht Hongkong jedoch aktuell durch eine »ausländische Intervention« bedroht. Die Argumente dieser beiden Lager spiegeln und ergänzen sich. Die Realität ist allerdings weitaus komplizierter.
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LuX Kontrovers: Perspektiven der Protestbewegung in Hongkong

Seit Sommer 2019 gibt es in Hongkong Massenproteste. Auslöser war ein geplantes Auslieferungsgesetz an die Volksrepublik China. Es schürte Ängste vor einer Aushöhlung des Prinzips "Ein Land, zwei Systeme", das den Status Hongkongs als Sonderverwaltungszone in China absichern soll. In den folgenden Wochen und Monaten nahmen über eine Million Menschen an Demonstrationen teil, die Bilder der kreativen Protestformen mit Regenschirmen, Barrikaden und Laserpointern gingen um die Welt. Bei den Kommunalwahlen im November 2019 verlor die pekingnahe Regierungspartei dramatisch an Zustimmung.
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Hongkong: Es ist kompliziert...

Die Darstellung der Unruhen in Hongkong ist in westlichen Medien oftmals von einer eher simplen Dichotomie geprägt: Auf der einen Seite stehen Bürger und Bürgerinnen, die nach Demokratie und Freiheit streben, auf der anderen Seite ein repressiver Staat, der diese unterdrückt. Da sich eine solche Leseart auch in das schablonenhafte Narrativ vom unheilvollen Aufstieg eines den Westen und seine Werte herausfordernden autoritären Chinas einfügt, wundert es nicht, dass die Proteste auf das eindimensionale Bild „pro-demokratischer“ Freiheitskämpfer gegen eine übermächtige Diktatur zusammenschnurren.
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Die Entstehung von Chinas Wirtschaftsreformen

Wie hat die Erinnerung an die weit zurückreichende Geschichte Chinas das chinesische Reform-Narrativ geprägt? Und welchen Einfluss hatte der Westen dabei? Isabella Weber: Die lange Geschichte Chinas ist seit den späten 1970er Jahren und auch bis heute noch tatsächlich eine Art Leitmotiv, das in Reden von Parteiführern und in intellektuellen Debatten auftaucht. Das zeigt sich vor allem dieses Jahr, denn 2019 wird das 70. Jubiläum der Gründung der Volksrepublik China gefeiert. Doch auch abgesehen von solchen Jubiläen ist Geschichte ein zentraler Bestandteil politischen Denkens in China und spielt bis heute auch bei wirtschaftspolitischen Fragen eine Rolle.
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Nachrichten aus der Zukunft – die Wasserkrise in Südafrika

„Day Zero“ – Mitte Mai, spätestens Mitte Juni, soll es soweit sein: Kapstadt, die südafrikanische Millionenstadt am Kap der guten Hoffnung, wird nicht mehr in der Lage sein, ihre Einwohner*innen mit Wasser zu versorgen. Denn seit Jahren reicht der Regen nicht, um den Wasserverbrauch zu kompensieren und die Trinkwasservorräte aufzufüllen. Nichts mehr: kein Wasser aus der Dusche, aus dem Wasserhahn, im Klo. Schon jetzt sind alle Einwohner*innen der Stadt, ob arm oder reich, schwarz oder weiß, von Rationierungsmaßnahmen betroffen: Maximal 50 Liter können pro Person pro Tag verbraucht werden – wer dagegen verstößt, muss empfindliche Strafen zahlen. An den Sammelpunkten für Frischwasser brechen Konflikte aus, oft zwischen denen, die wirklich versuchen, Wasser zu sparen, und denjenigen, welche die Verschwendung lebenswichtiger Ressourcen als ihr Geburtsrecht ansehen. Noch nie in der modernen Welt stand eine Großstadt so kurz vor einer derartigen sozial-ökologischen Katastrophe.
Die sogenannte öffentliche Meinung schenkt ihre Aufmerksamkeit mit Vorliebe den Ereignissen rund um die Wahl, der Vergabe von Posten, den Erklärungen führender Parteimitglieder, den durch nationale und internationale Presse geprägten Auseinandersetzungen oder dem polarisierten Gestikulieren der Vertreter*innen der staatlichen Institutionen. Aus diesem Grund verwundern die fortwährenden Lücken und Schwächen des Wissens um die Dimension der außerordentlichen Wirtschaftskrise des Landes nicht. Das Ergebnis ist das fehlende Bewusstsein über die Umstrukturierungen der Wirtschaft, die spätestens seit 2014 sukzessive ihren Lauf nehmen. Daraus resultiert ein sehr geringes Maß an Forderungen aus der Bevölkerung gegenüber den Regierenden bezüglich des Wirtschaftsprogramms und der entsprechenden Maßnahmen
  Tansania ist aus den verheerenden Wirkungen der über Jahrhunderte andauernden Kolonisierung durch die westliche Welt 1964 als unabhängiger Staat in der Union aus Tanganyika und Sansibar hervorgegangen. Die regierende CCM, Partei der Revolution, vertrat mit Julius Kambarage Nyerere an der Spitze die Vision eines eigenständigen afrikanischen sozialistischen Entwicklungsweges. Es war eine Vision, die Hoffnung auf ein Leben in Würde und Freiheit gab. Sie war unterlegt durch eine Philosophie, Ideologie und politische Strategie, die sich jeder Form von Knechtschaft und Unterdrückung zu erwehren suchte. Ziel der Politik Nyereres war die Gestaltung einer ökonomisch-sozialen Entwicklung nach Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit wie auch zentral die Bildung der nationalen Einheit Tansanias.
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Krise nach dem Coup. Herausforderungen für die Linke in Brasilien

Am Dienstag, den 18. Mai, tauchte eine belastende Audio-Aufnahme mit der Stimme des brasilianischen Präsidenten Michel Temer vom rechten Partido do Movimento Democrático Brasileiro (Brasilianische Partei der Demokratischen Bewegung) auf. In der Aufnahme ist Temer dabei zu hören, wie er mit dem Parteikollegen und früheren Sprecher des Abgeordnetenhauses, Eduardo Cunha, über Bestechung diskutiert. Cunha sitzt seit 2016 wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis.
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Kalifonisches Erdbeben: 15 Dollar Mindestlohn

Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete kürzlich eine Anhebung des Mindestlohns von zehn auf 15 Dollar (ca. 13,50 Euro) pro Stunde – eine Steigerung um 50 Prozent, die den Mindestlohn in diesem Bundesstaat zum höchsten der Nation macht. Der Anstieg wird stufenweise über sechs Jahre hinweg erfolgen, um danach jährlich an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst zu werden.
Nach Jahrzehnten des Niedergangs ist die US-Linke dabei, wieder zu Kräften zu kommen. Zu Beginn der Obama-Jahre hatte sie sich in einem erschreckenden Zustand befunden: politisch zerrissen, ohne Bezug zur eigenen Geschichte, organisatorisch und sozial fragmentiert. Doch seit einigen Jahren gab es Anzeichen eines Wiedererwachens, und in den letzten Monaten erleben wir nun so etwas wie eine progressive Erhebung, die das öffentliche Bewusstsein in einem seit Generationen nicht mehr gekannten Maße erfasst. Ihren markantesten Ausdruck findet diese Erhebung derzeit in der Kampagne für die Nominierung von Bernie Sanders zum Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei.
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13 Prozent für die Frauen in der Türkei. Feministische Überlegungen zu den Parlamentswahlen am 7. Juni

Übergroße Freude bei DemokratInnen, Linken und Mehrfachdiskriminierten in der Türkei und anderen Ländern: Der Bajonett-Demokratie des "Tayyip-Ayip"[1] ist eine Grenze gesetzt. Die linkspluralistische "Demokratische Partei der Völker" (türk. HDP), erst 2013 gegründet, hat die nach dem Putsch von 1980 implementierte 10-Prozent-Sperrklausel überschritten. Das von der kurdischen Bewegung hochgepäppelte Gebilde hat es über viele Häutungen und Metamorphosen geschafft, eine in der gesamten Türkei wählbare Partei zu werden und ist nun mit rund 13 Prozent der Stimmen in der Türkischen Nationalversammlung vertreten. Hinter der HDP steht der rätedemokratisch organisierte "Demokratische Kongress der Völker" (türk. HDK). Dieser ist seit 2011 bestrebt, v.a. über die Bejahung religiöser, ethnischer und sprachlicher Vielfalt eine pluralistische politische Kultur, verbunden mit der Idee sozialer Gerechtigkeit, zu popularisieren.

Indien nach der Wahl - Gespräch mit Carsten Krinn

Gespräch mit Carsten Krinn

Wo steht die Befreiungstheologie?

»Sie werden mich subversiv nennen und ich werde antworten: Genau das bin ich. Ich lebe für den Kampf meines Volkes, mit meinem Volk schreite ich voran. Ich habe den Glauben eines Guerilleros und liebe die Revolution.«

(Pedro Casaldáliga 1978)

In dem Gedicht von Pedro Casaldáliga – dem ehemaligen brasilianischen Bischof von São Félix – kommt eine Haltung zum Ausdruck, die für Christen in Lateinamerika und selbst die dortigen Bischöfe und Pfarrer nicht ungewöhnlich ist. Schon 1978 hatte Sérgio Mendes Arceo, damals Bischof von Cuernavaca in Mexiko, erklärt: »Der Sozialismus ist wichtiger für die Entwicklung der Menschheit im 21. Jahrhundert als jede andere Idee.« Später auf Kuba, wo er Fidel Castro besuchte, verkündete derselbe Bischof: »Es gibt keine Widersprüche zwischen den Ideen des christlichen Glaubens und denen des Sozialismus. Wir müssen zwischen dem christlichen Glauben und der Revolution eine Verbindung schmieden.« (Cirardi 2001, 89 u. 93f).
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Das leere Kostüm und der Mythos Subcomandante Insurgente Marcos

Am 25.5.2014 hörte der Sprecher des Zapatistischen Heeres der Nationalen Befreiung  - EZLN, der legendäre Subcomandante Insurgente Marcos, nach 20 Jahren auf zu existieren. Der Mann hinter der Maske ist nicht gestorben, sondern die so genannte Kunstfigur, die durch ihr Kostüm  - Uniform, Pasamontaña, Halstuch, Mütze, Pfeife -, ihre Reden, Geschichten und Erzählungen in der ganzen Welt bekannt war, wurde von dem Dahintersteckenden - oder besser den Dahintersteckenden, denn es waren mehrere -, aufgegeben.

Pick up any newspaper or tune into any radio broadcast and before long you are likely to hear discontent about the state of the Nation and in particular the ANC. This is expressed through the militancy of strike action, campaigning outside government buildings, booing the powerful, and community protest actions ranging from tire burning, to stone throwing and even setting fire to government buildings. These are almost an everyday occurrence. Increasingly these expressions of discontent are coming from those who once (and some still do) identify with ANC.

Man kann heute einem amerikanischen Politiker nichts Schlimmeres nachsagen, als ein »Redistributionist« zu sein. Und doch steht das Jahr 2013 für eine der größten Umverteilungen in der neueren Geschichte der Vereinigten Staaten. Es war eine Umverteilung von unten nach oben, von den arbeitenden Menschen hin zu denen, die Amerika besitzen. Die Aktienkurse befanden sich Ende 2013 auf einem Allzeithoch – was den Anlegern den höchsten Jahresgewinn seit fast zwei Jahrzehnten bescherte. Die meisten Amerikaner hatten allerdings nichts davon, weil sie keine Rücklagen bilden konnten, um ihr Geld anzulegen. Mehr als zwei Drittel der US-BürgerInnen hangeln sich von Zahltag zu Zahltag.
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»Wir sind der Zement der Barrikaden«

Sırrı, du hast bei den Kommunalwahlen für die kürzlich gegründete Demokratische Partei der Völker (HDP) kandidiert, die aus dem Demokratischen Kongress der Völker (HDK) hervorgegangen ist. Schon wieder eine neue linke Partei? Die Geschichte der Linken in der Türkei ist auch eine Geschichte gescheiterter Bündnisse. Es gab Hunderte von Spaltungen, oft unabhängig von realen Konflikten. Diese wurden außerdem verstärkt – Agent Provocateurs spielten dabei eine große Rolle. Nachdem der Militärputsch von 1980 wie eine Walze über uns hinweggerollt war, begriffen wir endlich, dass die Zersplitterung uns teuer zu stehen kommt.
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Unzufrieden mit den Erben Mandelas

Am 7. Mai 2014 wird in Südafrika gewählt. Erstmals seit dem Ende der Apartheid vor 20 Jahren drohen dem regierenden ANC herbe Stimmenverluste. Viele Menschen sind unzufrieden mit den Erben Nelson Mandelas. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die soziale Ungleichheit hat zugenommen. Steigende Preise, marode Infrastruktur und miserable Wohnverhältnisse sowie Misswirtschaft und Korruption in Teilen der Regierungspartei rufen Zorn hervor.
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Kämpfe an der Krisenfront: Occupy-USA nach den Räumungen

Drei Jahre nach dem drohenden Zusammenbruch der Finanzmärkte bot die Occupy-Bewegung in den USA eine Chance, die Linke neu zu formieren und dem sich wieder erstarkenden Neoliberalismus etwas entgegen zu setzen. Die gewaltsame Vertreibung der AktivistInnen von den innerstädtischen Plätzen setzte dem Prozess der Herausbildung einer konstituierenden Macht, eines historischen Blocks der „99 Prozent“ jedoch kaum zwei Monate später ein jähes Ende.

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Vierzig Jahre Neoliberalismus in Chile

Seit fast vierzig Jahren (seit 1975) ist Chile Schauplatz eines tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Experiments. In einem durch den Staatsstreich (September 1973) und die darauf folgende blutige Repression (1973-1978) mit Gewalt befriedeten Land konnten die zivilen Minister der Militärregierung auf brutale Weise jegliches institutionelle Hindernis beiseite schieben und mittels Verordnungen ein der chilenischen Tradition völlig fremdes Wirtschaftsmodell implementieren. Dafür gab es weltweit keinen Präzedenzfall.

The near equality in strength of the two camps contending for power in Egypt led the army to stage a Bonapartist coup. It is not only the recent episode of unprecedented crowds in the millions coming out on 30 June that has made the army move. This struggle between the Muslim Brotherhood government of now deposed President Mohamed Morsi, on the one hand, and the opposition, represented by the National Salvation Front, and more recently by the Tamerod (Rebel) movement, on the other, has been going on since last November. This is, in fact, the third wave of spectacular demonstrations by the opposition within a cycle of the Egyptian revolution that has been going on since November.

Obamas Wiederwahl glich einem RorschachTest, der vielfältigen Interpretationen offen steht. Im Wahlkampf wurden auf beiden Seiten Fragen diskutiert, die auch mich zutiefst beunruhigen: Zum einen die lang anhaltende Konjunkturschwäche, deren Ende nicht absehbar ist, und zum anderen die wachsende Kluft zwischen dem reichsten einen Prozent der Bevölkerung und dem Rest. Letztere bedeutet nicht nur eine Ungleichheit der Einkommen, sondern auch der Ausgangschancen. Für mich sind dies zwei Seiten derselben Medaille: Mit der größten sozialen Ungleichheit seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre ist eine stabile wirtschaftliche Erholung kurzfristig nur schwer möglich und der American Dream – der ein gutes Leben durch harte Arbeit verspricht – stirbt.
Als Hugo Chávez den »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« verkündete, ging ein Linksruck durch den gesamten lateinamerikanischen Kontinent. Weite Teile der Staatsapparate konnten der Kontrolle korrupter Eliten entzogen werden, Reichtum wurde umverteilt, Armut reduziert, städtische Arme und indigene Landbevölkerung ermächtigten sich in revolutionären Prozessen selbst. Die materiell-stoffliche Basis des neuen Sozialismus geriet jedoch schnell in die Kritik, basierten doch die ›revolutionären‹ Regierungen auf einer politischen Ökonomie der Extraktion. Ist dies nicht einfach eine Umverteilung der durch Raubbau an der Natur gewonnenen Ressourcen? Ein Raubbau, der im Kontext der globalen sozial-ökologischen Krise kaum ein zukunftsfähiges Projekt sein kann und in diesen Ländern hart umkämpft ist?
Um zu verstehen, wodurch die bahnbrechenden Proteste auf dem Taksim-Platz in Istanbul angestoßen wurden, und wie sie sich so schnell ausbreiten konnten, scheinen mir zwei Aspekte wichtig, die oft aus dem Blick geraten: Die Proteste entstanden als Reaktion auf das von der neoliberalen Regierung vorangetriebene Projekt einer Umstrukturierung der Städte; Und: sobald die Proteste massiver wurden, traten die stadtpolitischen Fragen schnell in den Hintergrund. Beide Aspekte erhellen die Frage, was grade in der Türkei passiert und warum.
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Interview: »Wir wollen eine Transformation von unten«

Abahlali baseMjondolo ist Zulu und bedeutet »BewohnerInnen der Hütten« in den so genannten informellen Siedlungen in Südafrika.[i] Der Film »Dear Mandela«[ii] zeigt die politische Selbstorganisierung der BewohnerInnen. Zur europäischen Premiere im November 2012 waren Thembani Jerome Ngongoma und Muziwhake Gerald Ndlalose in Deutschland und sprachen mit uns über die Selbstorganisierung der Abhalali baseMjondolo, über Chancen und Konflikte und über Visionen in und für Südafrika. Wie die erste neue Organisierungswelle sozialer Bewegungen nach dem Ende der Apartheid um die Jahrtausendwende steht Abahlali für Versuche, sich jenseits etablierter Strukturen für die eigenen Rechte zu organisieren.

Ist Taksim überall? Öffentlicher Raum und mögliche Öffentlichkeiten

Die aus der Besetzung des Gezi Parks erwachsenden neuen Formen kollektiver Praxis stellen eine Herausforderung für den Anspruch der AKP dar, einzige politische Kraft zu sein, die Infrastrukturen schaffen und Dienstleistungen erbringen kann. Noch während der ereignisreichen Tage der Besetzung geschrieben, befragt der Artikel den Protest nach seinem Potential, der städtischen Enteignungs- und Vertreibungspolitik Alternativen entgegenzusetzen, die quer zu den bisherigen politischen Trennlinien der Betroffenen verlaufen.
von Hamadou Tcherno Boulama Der Niger ist nach Kanada und Australien der drittgrößte Uranproduzent weltweit. Die ersten Uranvorkommen wurden 1969 in den Gebirgsregionen im Norden des Landes entdeckt. Die hier lebende Bevölkerung hat bereits mehrfach zu den Waffen gegriffen um sich gegen die Bedingungen unter denen die Uranförderung vom multinationalen Konzern Avera betrieben wird, zu Wehr zu setzen. Der Erzabbau erfolgt auf der Grundlage von Geheimverträgen, die Frankreich den Löwenanteil der Gewinne garantieren.
Die Versuche zum Aufbau einer Neuen Linken in Nordamerika waren vor allem durch städtische Kämpfe und Organisationen geprägt. Du hast zusammen mit deinen Kollegen Jamie Peck und Neil Brenner daran festgehalten, von »Neoliberalismus« zu sprechen, während viele schon sein Ende verkünden. Was steckt dahinter? Vielleicht ist das zu vergleichen mit dem, was Habermas von der Moderne sagt: Der Neoliberalismus ist tot, aber er herrscht.
Von Juliane Schuhmacher Vier Monate nach dem Beginn Revolution herrschte eine trügerische Ruhe in Ägypten. Die Protestbewegung befand sich nach Monaten größerer und kleiner Proteste im Leerlauf, die restaurativen Kräfte waren dabei, sich im„neuen Ägypten“ einzurichten. Diejenigen der alten Kader, die den Aufstand bisher unbeschadet überstanden haben – dazu gehören weite Teile der Polizei, des Geheimdienstes und der Beamten, vor allen aber das Militär, das seit Mubaraks Rücktritt am 11. Februar herrscht – haben dabei nicht gezögert, zunehmend auch wieder die bewährten Instrumente des alten Regimes anzuwenden: Folter, willkürliche Verhaftungen und Pressezensur.
Als Hugo Chávez 1999 sein Amt als Staatspräsident Venezuelas antrat, steckte das Land in einer tiefen Krise. Kapitalflucht und eine fortwährende Deindustrialisierung seit Anfang der 1980er Jahre führten dazu, tausende Fabriken mussten schließen. Entsprechend erwartete, wer für Chávez gestimmt hatte, vor allem Wege aus der ökonomischen Misere. Mit diesem Mandat leitete die neue Regierung eine Reihe von ökonomischen und gesellschaftlichen Reformen ein, die durch soziale Bewegungen »von unten« unterstützt wurden.
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»Um eine Alternative  aufzubauen«

Was als Auseinandersetzung um einen gesellschaftlichen Teilbereich – die Bildungsfrage – im chilenischen Herbst begonnen hatte, entwickelte sich schnell zu einer Debatte um das grundlegende Verständnis der Gesellschaft und zu einer Abrechnung mit der Fortsetzung neoliberaler Politik nach dem Ende der Diktatur. Nicht nur hat die erste Rechtsregierung seit dem Ende der Pinochet-Herrschaft in wenigen Monaten die große Mehrheit der Bevölkerung gegen sich aufgebracht; auch das politische Projekt des demokratischen Übergangs, die paktierte Demokratie in Form von Concertación, hat jede Legitimität verloren.
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»Die Senegalesische Zivilgesellschaft muss ­Bündnisse mit den politischen Kräften schmieden«

Herr Amacodou Diouf, was ist Ihre Analyse der aktuellen Ereignisse im Senegal, insbesondere der entstehenden Protestbewegungen? Der Druck geht vor allem auf Aktionen von Jugendlichen zurück. Die Jugend zieht aus dem momentan sehr geringen Wirtschaftswachstum keinen Nutzen und wird aus der Verteilung des nationalen Reichtums vollkommen ausgeschlossen. In allen Schlüsselsektoren verlangsamt sich das Wachstum, die Prekarität der Jugend nimmt dadurch zu. In dieser Situation bedarf es einer Neugestaltung des politischen Feldes, sodass die Jugend die Lösung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Probleme selber angehen kann und sich den Weg in Arbeit und wirtschaftliche Aktivität öffnet.

»Den Betrieb übernehmen« - Luxemburg 3/2011 ist erschienen

Globale Krise und Krisenpolitik können als Geschichte der Enteignung erzählt werden: Konjunkturprogramme und »Rettungsschirme« haben Mittel für Unternehmen und Banken mobilisiert, die durch Lohnverzicht und Kürzungen der öffentlichen Leistungen eingespielt werden müssen. Rating-Agenturen, »Gläubigerstaaten« und die EU als verallgemeinerte Finanzaufsicht verringern den Spielraum für demokratische Entscheidungen. Dabei könnte die Krise genutzt werden, um gesellschaftliche Teilhabe und Wirtschaftsdemokratie durchzusetzen.

Interview mit Firoze Manji Wo liegen die Wurzeln der Aufstände?1 Hinter den allgemeinen Slogans stehen die Erfahrungen der letzten 30 Jahre, in denen die Errungenschaften der antikolonialen Kämpfe zurückgenommen worden sind: Gesundheitsversorgung, Bildung, Sozialversicherungen, Unterstützung der Kleinbauern. Stattdessen wurden die Ökonomien geöffnet für die Ausbeutung durch die Oligarchien und großen Unternehmen.
Im Februar und März 2011 erlebte der US-Bundesstaat Wisconsin die größten und nachhaltigsten politischen Proteste seiner Geschichte. Während dieser Proteste wurde der Regierungssitz in Madison von tausenden Menschen für eine Dauer von 17 Tagen besetzt, und an den Kundgebungen außerhalb des Gebäudes nahmen zeitweise mehr als 100000 Menschen teil. Die Proteste in Wisconsin erhielten enorme Beachtung seitens der Medien, und sie rüttelten die Arbeiter in Ohio, Michigan, Indiana und Maine auf. Hier kommt die Geschichte dieser Ereignisse.
Von Mai bis Juli 2010 gab es in China mehrere Streikwellen, besonders im Automobilsektor. Hintergrund ist die seit 15 Jahren andauernde relative Abnahme der Löhne im Verhältnis zum Brutto-Inlandsprodukt. In den vergangenen zehn Jahren hat es vor allem in Südchina eine ganze Reihe spontaner Streiks gegeben. Nur selten wird über sie berichtet, so dass sie nicht in den Statistiken auftauchen. Im Jahr 2000 wurden in China 2 Millionen Autos hergestellt, 2009 waren es bereits 14 Millionen: eine gewaltige Expansion. Doch die Löhne steigen nur sehr langsam, die Arbeiter verdienen kaum ein Zehntel dessen, was amerikanische Arbeiter verdienen.
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Aufstände, ­Revolution und Demokratie ­­in Afrika

Wo liegen die Wurzeln der Aufstände? Hinter den allgemeinen Slogans stehen die Erfahrungen der letzten 30 Jahre, in denen die Errungenschaften der antikolonialen Kämpfe zurückgenommen worden sind: Gesundheitsversorgung, Bildung, Sozialversicherungen, Unterstützung der Kleinbauern. Stattdessen wurden die Ökonomien geöffnet für die Ausbeutung durch die Oligarchien und großen Unternehmen. Die internationale Hilfe hat öffentliche Gelder genutzt, um Privatisierungen zu subventionieren.
»Letztlich sind wir, was wir tun, um zu ändern, was wir sind. Unsere Identität ist kein stummes  Museumsstück in einer Vitrine, sondern die Synthese unserer alltäglichen Widersprüche, die stets aufs Neue überrascht.« (Galeano 1991, 117)
Die Veränderungen der Lage der schwarzen Arbeiterklasse in den USA während der letzten 60 bis 70 Jahre entsprechen den gleichzeitigen Entwicklungen im US-Baseball. Auch Baseball kann als Industrie betrachtet werden. Neben der Major League, den beiden nordamerikanischen Profiligen, in denen bis 1947 nur Weiße spielten, gab es bis in die 1950er Jahre die schwarzen Negro Leagues, die zwar untergeordnet, aber dennoch bedeutend waren. 1947 setzte im Baseball ein Prozess der Desegregation ein: Jackie Robinson von den Brooklyn Dodgers war der erste schwarze Major-League-Spieler, ihm folgten bald weitere herausragende schwarze Spieler in anderen Mannschaften.
Die Gruppe INCITE! Women of Color Against Violence hat auf ihrer Konferenz und in ihrem Buch The Revolution will not Be Funded (2007) herausgearbeitet, wie der Bewegung in diesem Land über die vergangenen 30 bis 40 Jahre die Spitze abgebrochen wurde und wie sie sich mit ihrer zunehmenden Abhängigkeit vom »industriellen Wohltätigkeitskomplex« in Kompromisse drängen ließ. Stiftungen, die im Wesentlichen aus Abschreibungsgründen existieren, übten zunehmend Einfluss auf das organisatorische Leben von politischen Gruppen aus.
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SUMA QAMAÑA: GUTES LEBEN UND GUTES ZUSAMMENLEBEN

Der indigene Chronist Juan de Santa Cruz Pachakuti Yamki hat 1613, ein Jahrhundert nach der Ankunft der Spanier in der Neuen Welt, eine Zeichnung hinterlassen. Dieser können wir das Weltbild entnehmen, in dem er sein Verständnis von sozialer, lebensnotwendiger und kosmischer Ordnung beschreibt (vgl. S. 77).
von John Holloway[1] Wie weit ist es von Nottingham nach Lateinamerika? Es hängt davon ab, wie dies gemessen wird. Es lässt sich in Begriffen einer Politik der Armut oder in Begriffen einer Politik der Würde bemessen. Unter Politik der Armut verstehe ich eine Politik, die von der Armut der großen Bevölkerungsmehrheit und dem Wunsch, diese abzuschaffen, ausgeht. Dies hat eine sehr reale Grundlage. Es gibt eine enorme Armut in der Region. Wenn man zum ersten Mal dorthin fährt, ist dies einer der augenfälligsten Zustände: die Anzahl der Menschen, die an den Ampeln Dinge verkaufen oder in den Straßen betteln, die Barackensiedlungen, die Armut auf dem Land. Ein großer Teil der Menschen lebt in Armut oder extremer Armut. Und daneben die großen Häuser und die großen Autos, die augenfälligen Unterschiede zwischen arm und reich.
Die Distanz zwischen der Praxis der lateinamerikanischen Linken und den klassischen linken Theorien ist größer denn je. Vom mexikanischen EZLN bis zur brasilianischen PT-Regierung, von den argentinischen Piqueteros bis zur brasilianischen MST, von den indigenen Bewegungen Boliviens und Ecuadors bis zur Frente Amplio Uruguays, vom Weltsozialforum bis zu Hugo Chávez begegnen wir Formen der politischen Praxis, die im Allgemeinen als links anerkannt werden, aber die in ihrer Gesamtheit in den dominierenden theoretischen Traditionen der lateinamerikanischen Linken nicht vorgesehen waren oder ihnen sogar widersprechen. Aus dieser zum Teil bestehenden wechselseitigen Blindheit von Theorie und Praxis geht eine Untertheoretisierung der Praxis wie eine Irrelevanz der Theorie hervor.

Erfahrungen wie die der madagassischen Bauern oder der asiatischen Bauernkoalition müssen an andere Bauerngewerkschaften des Globalen Südens weitergegeben werden, nicht nur im Sinne der Solidarität, sondern als konkrete Beweise dafür, dass im gemeinsamen Kampf gegen Landverkäufe Veränderungen möglich sind. 

Widersprüche linker Regierungen im Angesicht der Zivilisationskrise

von Edgardo Lander In welchem Maße entwickeln die so genannten linken oder »fortschrittlichen« Regierungen Lateinamerikas Alternativen zum kapitalistischen Zivilisationsmodell und seinem Verhältnis zur »Natur«? Die Zivilisationskrise und die Grenzen, an die der Planet geraten ist, erfordern radikale Alternativen zum Paradigma des Fortschritts und der Ausbeutung der Natur. Eine antikapitalistische Perspektive ist unerlässlich. Die kapitalistische Akkumulationslogik erzwingt eine ständige Expansion des Kapitals in neue Gefilde; der Prozess kapitalistischer Landnahme erfolgt durch die Aneignung neuer »Ressourcen«: Energieträger, Märkte und Arbeitskräfte.
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BRASILIEN: FÜR EIN POPULARES PROJEKT

Wir stehen erneut einer systemischen Krise gegenüber. Eine der Folgen der Krise von 1870 bis 1896 war das Aufkommen des ersten Volksund Arbeiteraufstands, der Pariser Kommune. Die Krise von 1929 bis 1945 zog vielfältige gesellschaftliche Auseinandersetzungen nach sich und wurde erst durch den Zweiten Weltkrieg gelöst. Wenn wir uns nun wieder in einer systemischen Krise befinden, wird diese lang anhalten – fünf bis zehn Jahre schätzt der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz – und erhebliche Konsequenzen zeitigen, bevor der Kapitalismus sich erneuert und ein neuer langer Akkumulationszyklus möglich wird.
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UNIVERSITÄT IN AUFRUHR

Am 24. September wurde auf den zehn Cam - pus der University of California (UC) gegen Kürzungen des staatlichen Haushaltes für die Universität protestiert: Im gesamten Universitätsverbund verließen Lehrende ihre Unterrichtsräume, unterstützt von einem Bünd nis aus Studierendenorganisationen und Campusgewerkschaften. Auf dem Gelände der UC Berkeley fand, so beschreiben es einige der älteren Lehrkräfte, der größte und leidenschaftlichste Protest seit der Bewegung für Meinungsfreiheit 1964 statt.

Im Gespräch mit Giovanni Arrighi

Gespräch mit Giovanni Arrighi
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Die amerikanische Machtstruktur

von G. William Domhoff Die Frage ist: sind die Vereinigten Staaten in eine fünfte Machtperiode eingetreten? Haben ihre außen- und wirtschaftspolitischen Desaster die Republikaner für die nächsten Wahlperioden marginalisiert?