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Der rote Faden

Ein Gespräch zum 70. Geburtstag 

 

Gespräch mit Alex Demirović
Dieser Beitrag erscheint in unserer Reihe Regieren? Und wenn ja, wie? Hier werden bisherige E­rfahrungen und unterschiedliche Perspektiven auf linke Regierungsbeteiligung diskutiert.

„Die Erfolgskriterien werden nicht von der mitregierenden Partei gesetzt, sie ergeben sich aus einem komplexen Prozess der Strukturierung von Erwartungen, in dem die Regierenden nur ein Akteur unter vielen sind. Die schönsten Hochglanz-Erfolgsbilanzen bleiben ohne Relevanz, wenn die regierungsamtlich proklamierten Erfolge nicht als solche wahrgenommen werden.“ (Frank Nullmeier  1993, 822)

Dass diese Aussage zutreffend ist, hat die PDS/DIE LINKE nach mancher Regierungsbeteiligung schmerzhaft erfahren müssen. Folgt man den Bilanzbroschüren, hatte die LINKE in der rot-roten Koalition Berlins von 2002 bis 2011 einiges an Erfolgen vorzuweisen:
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Linkes Agieren und Regieren in Berlin – auf Bezirks- und Landesebene

Die Überschrift ist bewusst gewählt. Nicht nur deshalb, weil ich Erfahrungen in beiden Sphären gesammelt habe. Aufgrund der staatsrechtlichen Organisation Berlins funktioniert politisches Handeln nur zusammen auf beiden Ebenen. Zudem schuf das erfolgreiche Agieren der PDS in beiden Sphären die Voraussetzung dafür, dass die Partei 2001 das Berliner Wagnis einer rot-roten Koalition eingehen konnte.
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Wie tickt die Polizei?

Kritik an der Polizei blendet oft aus, dass auch innerhalb des Apparates Kämpfe geführt werden. Wenn wir sie nicht ernst nehmen, drohen sich reaktionäre Tendenzen zu verfestigen.

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Wirtschaftsdemokratie – eine reale Utopie

Im 21. Jahrhundert scheint den progressiven gesellschaftlichen Kräften der utopische Überschuss abhandengekommen zu sein. Die Utopie des Sozialismus wurde durch ihre osteuropäische Karikatur in breiten Bevölkerungskreisen diskreditiert. Im Grundsatzprogramm der SPD ist noch der demokratische Sozialismus versteckt. Doch nur der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert traut sich noch öffentlich darüber zu diskutieren, was darunter heute zu verstehen ist.[1] Auch nach der großen Finanzmarktkrise 2008 gab es keine breiten Debatten über alternative Gesellschaftskonzepte.
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Online-Schwerpunkt: Was heißt Solidarität in Zeiten der Pandemie?

Nach wochenlangen Ausgangsbeschränkungen kehrt das öffentliche Leben zurück – eine prekäre Normalität. Während es in Europa ein gewisses Aufatmen gibt, gehen in anderen Teilen der Welt die Infektionen durch die Decke. Die Ärmsten haben kaum eine Chance, sich vor Ansteckung zu schützen und sind, wie eine neue Studie zeigt, auch hierzulande am stärksten gefährdet. Das Virus trifft nicht alle gleich: In Schlaglichtern zeigen wir, wie die Krise Ungleichheiten verstärkt: Trotz des Beifalls für die »Heldinnen der Nation« haben Entgrenzung und Selbstausbeutung im Care-Bereich zugenommen.
Die Corona-Krise ist der schwerste Wirtschaftsschock seit der Großen Depression der 1930er Jahre. Die schwarze Null wurde beerdigt und die Schuldenbremse im Eiltempo durch Notfall-Kredite „ausgesetzt“. Die Corona-Krise offenbart wie ein Brandbeschleuniger die Fehler der Vergangenheit. Ob Renditemedizin, Investitionsstau oder Pflegenotstand: Die Kürzungspolitik in Europa macht die Krise teuer als nötig, weil die Wirtschaft wegen der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems gehemmt ist und die Unsicherheit nur mit großen Investitionen überwunden werden kann. Ohne staatliche Kredite (Schulden) wird die Krise teuer und die Brücke in die Zukunft reißt ab!
Forbach nahe Saarbrücken gehört zu den abgehängten Regionen Frankreichs und lebte jahrzehntelang vom Bergbau. 1995 war der Ort Schauplatz eines Bergarbeiterstreiks, von dem der Dokumentarfilm „Grève ou crève[1]“  von Jonathan Rescigno erzählt. Damals wendeten die Franzosen den Juppé-Plan des gleichnamigen Premierministers noch mit einem wochenlangen Generalstreik ab, doch der Sparkurs setzte sich fort, auch im Gesundheitswesen. Über die fatalen Folgen, die bis heute, besonders in Zeiten der Coronakrise, zu spüren sind, aber auch über Fragen von Gewalt und erfolgreichem Widerstand sprach Nathanael Häfner für die Redaktion mit dem Filmemacher.
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Neue Unsicherheiten in der Pandemie: Regierungshandeln und Alltagsbewusstsein in der Krise

Gut ein halbes Jahr ist vergangen, nachdem das neuartige Virus SARS-CoV-2 im Menschen entdeckt worden ist und sich rasch pandemisch verbreitete. In Europa scheint die erste Phase der exponentiellen Ausbreitung weitgehend durchschritten zu sein. Die Zahl der Neuinfektionen ist niedrig. Doch noch immer sind viele Aspekte des Virus wie die Übertragungswege, die Ansteckungswahrscheinlichkeiten oder die genaue Wirkungsweise im menschlichen Körper unbekannt, ebenso die Zahl der nicht entdeckten Infektionen und damit die tatsächlichen Todesraten. Einen Impfstoff zum Schutz vor Ansteckung und ein Medikament zur erfolgreichen Behandlung einer Infektion gibt es noch nicht.
Seit Sommer 2019 gibt es in Hongkong Massenproteste. Auslöser war ein geplantes Auslieferungsgesetz an die Volksrepublik China. Es schürte Ängste vor einer Aushöhlung des Prinzips "Ein Land, zwei Systeme", das den Status Hongkongs als Sonderverwaltungszone in China absichern soll. In den folgenden Wochen und Monaten nahmen über eine Million Menschen an Demonstrationen teil, die Bilder der kreativen Protestformen mit Regenschirmen, Barrikaden und Laserpointern gingen um die Welt. Bei den Kommunalwahlen im November 2019 verlor die pekingnahe Regierungspartei dramatisch an Zustimmung.
Die Darstellung der Unruhen in Hongkong ist in westlichen Medien oftmals von einer eher simplen Dichotomie geprägt: Auf der einen Seite stehen Bürger und Bürgerinnen, die nach Demokratie und Freiheit streben, auf der anderen Seite ein repressiver Staat, der diese unterdrückt. Da sich eine solche Leseart auch in das schablonenhafte Narrativ vom unheilvollen Aufstieg eines den Westen und seine Werte herausfordernden autoritären Chinas einfügt, wundert es nicht, dass die Proteste auf das eindimensionale Bild „pro-demokratischer“ Freiheitskämpfer gegen eine übermächtige Diktatur zusammenschnurren.
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Weder Washington noch Peking - Selbstbestimmung für die Menschen in Hongkong

Die westlichen Mainstream-Medien beschreiben die Lage in Hongkong oft eindimensional und präsentieren Hongkong als Opfer der Tyrannei Pekings und die USA und das Vereinigte Königreich als Verfechter der Autonomie Hongkongs und der Demokratie. Peking wiederum beteuert, weiterhin zur Autonomie und Demokratie in Hongkong zu stehen, sieht Hongkong jedoch aktuell durch eine »ausländische Intervention« bedroht. Die Argumente dieser beiden Lager spiegeln und ergänzen sich. Die Realität ist allerdings weitaus komplizierter.
Während sich der Ausstieg Großbritanniens aus der EU abzeichnet, überwinden Organisierungprojekte auf der Ebene lokaler Communities gesellschaftliche Spaltungslinien und geben der britischen Labour-Partei einen neuen Fokus. Boris Johnson und seine Berater*innen wollen, dass sich die nächsten Wahlen einzig und allein um den Brexit drehen. Aber jeder weiß, dass die  brennenden Probleme in Großbritannien woanders liegen, von unterfinanzierten Krankenhäusern bis zu skandalöser Ungleichheit.
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Autoritarismus in Frankreich – eine Anatomie perfider Strukturen

Teile der Öffentlichkeit schauen derzeit beunruhigt nach Frankreich. So wurde selbst in deutschen Medien zurückhaltend darauf hingewiesen, dass die Strategien zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Frankreich äußerst gewalttätig sind und einer Revision bedürfen. Aktueller Höhepunkt war der Tod des jungen Steve Maia Caniço, der während eines Polizeieinsatzes gegen die Besucher*innen eines Technokonzerts in Nantes in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni in der Loire ertrank, dessen sterbliche Überreste aber erst mehr als einen Monat später aus dem Fluss geborgen werden konnten.
Gibt es Anzeichen dafür, dass der spanische Staat in der Katalonien-Frage nachgibt? Vieles spricht dafür, nachdem das korrupte Rajoy-Regime durch ein Mißtrauensvotum auf den Müllhaufen der Geschichte befördert wurde. Es war allen voran Rajoy selbst, der den Katalonien-Konflikt anheizte, paramilitärische Polizeieinheiten in die Region schickte, um die katalanische Regierung absetzte und seine Gegner verhaften ließ. Mit der Minderheitsregierung der sozialdemokratischen PSOE unter Ministerpräsident Pedro Sánchez, toleriert von der Fraktion von Unid@s Podemos, ist eine Entschärfung des Konflikts wahrscheinlicher geworden. Nach Antritt der neuen Regierung kam es sogleich zu einigen symbolischen Gesten, um den Konflikt zu deeskalieren. Ein neues Abkommen zur Dezentralisierung von Aufgaben und Zuständigkeiten wurde in Aussicht gestellt. Ministerpräsident Sánchez sagte jedoch nichts über die fortgesetzte Internierung von neun politischen Gefangenen oder über die vielen im Exil, die Prozessen wegen ‚Rebellion‘ oder ‚Volksverhetzung‘ entgegensehen. Auch ein Referendum über die katalanische Unabhängigkeit lehnt er weiterhin als illegal ab.
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Für eine Demokratisierung der Klassentheorie

Die vielfältigen Formen des Widerstands im Zeitalter der Globalisierung und der ökologischen Krise legen nahe, dass nicht länger das Industrieproletariat das ›Subjekt der Geschichte‹ ist, sondern die Arbeiter*innen der sogenannten Meta-Industrien.

Das Projekt der Unabhängigkeit Kataloniens ist vorerst gescheitert. Am 21. Dezember finden in der Autonomen Republik Katalonien erneut Wahlen statt - erzwungen nach der Anwendung des Artikel 155 der Verfassung des spanischen Staates und der Absetzung der katalanischen Regierung durch die rechte Zentralregierung in Madrid. Seither wird das Land von Madrid aus zwangsverwaltet. Der Bürgerkrieg ist ausgeblieben, doch ebenso die großen Proteste. Und nicht nur die Unabhängigkeitsbewegung sieht sich mit schwierigen Zeiten konfrontiert. In der Polarisierung zwischen Kräften der Unabhängigkeit und zum Erhalt  der spanischen Einheit wurden jene zerrieben, die quer zu diesen Fragen der Nation stehen, insbesondere Catalunya en Comú (CeC) Podem, der Zusammenschluss aus den rebellischen Linken von Podemos und der munizipalistischen Bewegung. Sie «bezahlen den Preis für ihren Versuch politische Brücken zu bauen» (Tamames 2017) und sich dem Entweder-oder zu entziehen, auf Kosten von Verratsvorwürfen beider Seiten.
Die sogenannte öffentliche Meinung schenkt ihre Aufmerksamkeit mit Vorliebe den Ereignissen rund um die Wahl, der Vergabe von Posten, den Erklärungen führender Parteimitglieder, den durch nationale und internationale Presse geprägten Auseinandersetzungen oder dem polarisierten Gestikulieren der Vertreter*innen der staatlichen Institutionen. Aus diesem Grund verwundern die fortwährenden Lücken und Schwächen des Wissens um die Dimension der außerordentlichen Wirtschaftskrise des Landes nicht. Das Ergebnis ist das fehlende Bewusstsein über die Umstrukturierungen der Wirtschaft, die spätestens seit 2014 sukzessive ihren Lauf nehmen. Daraus resultiert ein sehr geringes Maß an Forderungen aus der Bevölkerung gegenüber den Regierenden bezüglich des Wirtschaftsprogramms und der entsprechenden Maßnahmen
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Flucht aus dem spanischen Staat - ein Symptom für den Zustand der Europäischen Union

Wenn die Wähler*innen Kataloniens am 1. Oktober zur Urne gehen, steht mehr auf dem Spiel als die Unabhängigkeit. Es geht auch um die Zukunft des spanischen Staates. Und zugleich ist das Referendum möglicherweise ein Präzedenzfall für den inneren Zerfall der Europäischen Union. In vielen Aspekten ist das Referendum eine sehr spezifische Angelegenheit, die bis zum Verlust der katalanischen Unabhängigkeit im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-14) zurückreicht. Die Katalan*innen verloren mehr als ihre politische Freiheit, als die vereinten Kräfte der französischen und spanischen Armee Barcelona einnahmen.
»Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten, die nach mutigen und kreativen Lösungen verlangen. Wenn es uns gelingt, uns eine ganz andere Stadt vorzustellen, dann werden wir es auch schaffen, sie grundlegend zu verändern.«– Ada Colau, Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau ist seit zwei Jahren Bürgermeisterin von Barcelona. Es gibt acht Dinge, die wir von ihr und Barcelona en Comú aus dieser Zeit lernen können.

»Man muss meiner Auffassung nach darauf verzichten, jedenfalls ich verzichte darauf, eine zeitlose Definition für die Linke und die Rechte anzubieten, die Gültigkeit für alle Länder und für alle Epochen beansprucht. Tatsächlich, so scheint es mir, lassen sich die Linke und die Rechte nur historisch und im Verhältnis zu der jeweiligen Epoche und den Problemen bestimmen, die sich in einer bestimmten Epoche stellen, sowie im Verhältnis zu denjenigen Kräften, denen sie sich entgegenstellen.« (Jean Touchard; Übers. d. A.)

Wenn sie Angela Merkels Rolle in der politischen Entwicklung der vergangenen 15 Jahre beurteilen, werfen ihre Kritiker*innen von rechts (teilweise auch von links) der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden oftmals fehlendes Können vor.
Was bleibt von den Piraten und ihrer Partei? Immer wieder taucht diese Frage auf. Gerade vor Wahlen. Sie ist insofern spannend, als sie zu Überlegungen anregt, wie es eigentlich zu den Piraten kommen konnte und was der kurze, heiße Erfolg dieser Partei über die gegenwärtige politische Landschaft verrät. Nicht zuletzt lohnt es darüber nachzudenken, was aus den Piraten und ihrem politischen Projekt gelernt werden kann.
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Flexible Architektur, variable Geometrie, differentielle Integration. Ein Ausweg aus den Krisen der EU

„Nicht die europäische Solidarität, sondern die internationale Solidarität, die sämtliche Weltteile, Rassen und Völker umfasst, ist der Grundpfeiler des Sozialismus im Marxschen Sinne. Jede Teilsolidarität aber ist nicht eine Stufe zur Verwirklichung der echten Internationalität, sondern ihr Gegensatz, ihr Feind, eine Zweideutigkeit, unter der der Pferdefuß des nationalen Antagonismus hervorguckt. Ebenso wie wir stets den Pangermanismus, den Panslawismus, den Panamerikanismus als reaktionäre Ideen bekämpfen, ebenso haben wir mit der Idee des Paneuropäertums nicht das Geringste zu schaffen.“

Rosa Luxemburg (1911), Friedensutopien

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Vergessene Orte. Die französischen Banlieues zwischen Revolte und Angst

Wann immer in Deutschland von französischen Banlieues die Rede ist, stehen die Themen Kriminalität und Gewalt im Vordergrund. Auch in der Linken haben sich bestimmte Eindrücke festgesetzt: einerseits von rebellischen Jugendlichen, mehrheitlich mit Migrationshintergrund, die jeden Anlass dafür nutzen, mit ›disruptiven Mitteln‹ ihrer Gegnerschaft zum bestehenden System Ausdruck zu verleihen; andererseits eine deklassierte Arbeiterklasse, meist ohne Migrationshintergrund, die sich schon seit Langem von der Politik abgewendet hat und – wenn sie sich überhaupt zu Wort meldet – mit dem Front National sympathisiert und sich an dessen Versprechungen klammert.
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Ohne Grundlage

Warum einem Erfolg der Sozialdemokratie die Voraussetzungen fehlen oder: Wer nicht kämpft, hat schon verloren

Der überwältigende Sieg des ›Neins‹ beim Verfassungsreferendum am 4. Dezember (59,11 Prozent zu 40,89 Prozent) hat endlich den Sumpf, in dem die italienische Politik seit einiger Zeit stecken geblieben war, in einen reißenden Strom verwandelt, der rasend schnell auf einen Abgrund zufließt: Den Abgrund der kommenden Parlamentswahlen. Das gesamte politische System Italiens befindet sich in einer Krise, und diese Krise des politischen Systems ist die direkte Folge der Krise des gesellschaftlichen Systems.
“Die Ergebnisse des Verfassungsreferendums vom 4. Dezember in Italien bezeugen die Fähigkeit der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen, sich die institutionalisierten Werkzeuge direkter Demokratie zugunsten fortschrittlicher Zielsetzungen zu eigen zu machen” schreibt Donatella della Porta in ihrem neuen Buch Referendums from Below.[1] Das jedoch ist keinesfalls sicher, betrachten wir die eifrige Beteiligung von Kräften wie den „mehrdeutigen Populismus“ von Grillos 5-Sterne-Bewegung an der Kampagne, oder der radikalen Rechten (einschließlich einiger faschistischer Gruppen) von Salvinis Liga, sowie die linke Minderheit der Demokratischen Partei. D.h., konservative und sogar reaktionäre Elemente haben ihren erheblichen Anteil am Nein gespielt.
Zwischen 10 000 und 15 000 Menschen gingen am 25. Mai 2016 in Belgrad unter dem Motto „Wem gehört die Stadt?“ auf die Straße. Die Organisatoren des Protests, „Ne da(vi)mo Beograd“, übersetzt etwa „Wir geben Belgrad nicht her“ und „Wir ertränken Belgrad nicht“, forderten den Rücktritt einer Reihe von Politikern und hochrangigen Beamten. Darunter beispielsweise Polizeiminister, Nebojša Stefanović, sowie Belgrads Bürgermeister, Siniša Mali, und der Polizeichef der Stadt, Vladimir Rebić. Anlass dieser für Belgrader Verhältnisse großen Demonstration war die illegale Zerstörung einer Reihe von Gebäuden im am Ufer der Save gelegenem Stadtteil Savamala, in unmittelbarer Nähe zum Belgrader Bahnhof.
Die Briten haben für den Austritt aus der EU gestimmt. Das ist ein Paukenschlag, ein ordentlicher Knacks für die europäische Herrschaftsarchitektur. Dieser Umstand zaubert einigen Linken ein Lächeln ins Gesicht. Andere jammern, es drohe ein Prozess des Zerfalls der Europäischen Union. Egal wie man zur EU steht: Über den Brexit zu jammern oder zu jubeln, bringt rein gar nichts. Wir müssen uns auf eine veränderte politische Konjunktur einstellen. Und darin eine populare Politik für eine linke Alternative entwickeln.
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Der Chilcot-Bericht und das produktive Misstrauen gegen die Eliten

Am 6. Juli 2016 – sieben Jahre nach ihrer Einrichtung – veröffentliche die Chilcot-Untersuchungskommission in London ihren Abschlussbericht zu den Hintergründen des britischen Eintritts in den Irakkrieg von 2003. Darin bestätigt sie weitestgehend die Bedenken und Argumente der damaligen Antikriegsbewegung auf der Straße sowie der zahlreichen Parlamentsabgeordneten, die gegen den Einsatz stimmten. Die Kommission kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, getroffen wurde, bevor alle nichtmilitärischen Optionen zur Vernichtung etwaiger irakischer Massenvernichtungswaffen ausgeschöpft worden waren.
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Stell Dir vor, es ist Europa – und keiner geht hin!

"Heute müssen wir zugeben, dass der Traum von einem gemeinsamen Europäischen Staat mit gemeinsamen Interessen, mit einer gemeinsamen Vision […] die geeinte Europäische Union eine Illusion war.” Es war kein notorischer Euroskeptiker, der diesen Befund formulierte, sondern Donald Tusk, Präsident des EU-Rates, Anfang Mai 2016.[1] Und Kommissionspräsident Juncker sprach schon bei seinem Amtsanritt im Januar 2015 von der „Kommission der letzten Chance.“

Welche Veränderungen der Kräfteverhältnisse haben sich nach den Wahlen ergeben? Der historische Sieg der Linken im Januar 2015 markierte nicht nur eine Veränderung im System der politischen Repräsentation, sondern brachte auch eine neue Dynamik der politischen Kräfte. Dennoch führten die Art, wie der Sieg errungen wurde, und die Schwierigkeiten, mit denen die erste linke Regierung zu tun hatte, zu dramatischen Konzessionen und letztlich zu einer Niederlage nach dem Referendum im Juli. Diese Niederlage müssen wir als zentralen Wendepunkt innerhalb eines langen Kampfes um die Staatsmacht begreifen. Diese wurde jedoch kaum kollektiv bearbeitet, sodass es zu Recht viele wütende Reaktionen und große Enttäuschung gab.

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Die kommenden Wahlen. Portugal, Spanien, Irland entscheiden über die Zukunft Europas

Nachdem nun Griechenland gewählt hat wird es im Zeitraum bis zum nächsten April in drei weiteren EU-Mitgliedsstaaten Parlamentswahlen geben. Sie werden maßgeblich beeinflussen, ob die Organisation der 28 Staaten weiterhin einem Wirtschaftsmodell wachsender Einkommensungleichheit folgen wird, das Reichtum für ganz wenige und Not für viele bedeutet. Es geht um die Wahl zwischen einer fast religiösen Fokussierung auf die „Sünde“ der Schulden und die „Erlösung“ von dieser durch Austerität - oder einer Neuorientierung auf ökonomische Impulse, öffentliche Wohlfahrt und Demokratie für alle.
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Die verbindende Kraft von #BlackLivesMatter

Vom 24. bis zum 26. Juli kamen auf dem Gelände der Cleveland State University mehr als 1000 AktivistInnen und Organisierende zur Versammlung »Bewegung für Schwarze Leben« (Movement for Black Lives ­– M4BL) aus den gesamten Vereinigten Staaten und anderen Ländern zusammen. Fast ein Jahr nach dem Tod von Michael Brown in Ferguson war es das Ziel des Zusammentreffens, den AktivistInnen einen Raum zu schaffen, in dem sie um den Verlust derjenigen trauern können, die von PolizistInnen umgebracht worden sind. Hier können sie die gegenseitige Unterstützung stärken und die Bewegung der M4BL, welche sich seit dieser Zeit exponenziell verbreitert hat, strategisch ausbauen.
Angela Merkels Behauptung, die Gläubiger hätten Griechenland zuletzt ein »außergewöhnlich großzügiges Angebot« gemacht, ist ein schlechter Witz. Die Position der Gläubiger ist im Wesentlichen seit dem ersten Tag der Verhandlungen mit der neuen griechischen Regierung unverändert. Die Regierungen der Euro-Gruppe und die Troika von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission beharren bis heute auf einer Fortsetzung der Austeritätspolitik in Griechenland, insbesondere auf weiteren gravierenden Mehrwertsteuererhöhungen und Rentenkürzungen, die zu einer weiteren Verarmung der breiten Masse der griechischen Bevölkerung führen würden.
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Im Zweifel Populismus

Über Podemos und die Gefahren populistischer Politik

Gespräch mit Íñigo Errejón und Alberto Garzón
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Die Datenzentren sozialisieren

Wie kamen Sie auf das Thema neue Medien? Ich schrieb an meinem ersten Buch The Net Delusion. Damals ging es mir darum, deutlich zu machen, dass viele von den Tools, Plattformen und Techniken, deren emanzipatorisches Potenzial wir bejubelten, just zum Schaden derselben Aktivisten, Dissidenten und Anliegen, die wir zu fördern versuchten, eingesetzt werden können.[1] Heute klingt das selbstverständlich. Aber damals nahmen die meisten Sponsoren und westlichen Regierungen an, Diktaturen ‒ oder wie auch immer sie autoritäre Regime zu bezeichnen pflegten ‒ würden niemals dazu in der Lage sein, das Internet zu »kontrollieren«, weil sie hierfür zu dumm, zu schlecht organisiert oder schlichtweg zu technikfeindlich wären.
Zum ersten Mal seit Beginn der weltweiten Finanzkrise, die 2008/09 begann, wird ernsthaft über eine Alternative zur autoritären Krisenbearbeitung und Kürzungspolitik diskutiert. Mit dem Wahlsieg von SYRIZA in Griechenland wurde eine linke Regierung in Europa in die Lage versetzt, eine Politik offensiv infrage zu stellen, die für soziale Verelendung, den Abbau von demokratischen und sozialen Rechten und Umverteilung von unten nach verantwortlich ist. Nun muss sich zeigen, ob es gelingen kann, diesen Moment für eine wirkungsvolle Verdichtung sozialer Proteste und des Widerstands in Europa und Deutschland zu nutzen.
Auch wenn man mit derartigen Prognosen fast immer falsch liegt: Der spanische Staat steht vor dem größten Bruch seit Ende der Franco-Diktatur. In mehreren Großstädten haben die linken radikaldemokratischen Listen der Guanyem/Ganemos-Initiativen realistische Chancen, die im Mai anstehenden Bürgermeisterwahlen zu gewinnen. In Katalonien waren in den letzten Monaten Millionen für ein demokratisches Selbstbestimmungsrecht auf der Straße, worauf Madrid nur mit immer neuen Verboten zu reagieren weiß. Vor allem aber wird die politische Landschaft in Spanien vom Phänomen Podemos beherrscht. Verschiedenen aktuellen Umfragen zufolge wäre die erst im Januar 2014 gegründete Linkspartei mit knapp 28 Prozent Wählerzuspruch heute, ein Jahr vor den Parlamentswahlen, stärkste Partei.
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»Wir treten nicht an, um einen Sitz im Gemeinderat zu bekommen. Wir wollen gewinnen«

Nachdem Ada Colau als Sprecherin der Plataforma de Afectados por la Hipoteca (PAH, Bewegung gegen Zwangsräumungen) zu einer Gallionsfigur der Krisenproteste im spanischen Staat geworden ist, hat sie ein neues Projekt in Angriff genommen. Sie ist eine der Sprecherinnen von Guanyem Barcelona (Barcelona gewinnen), einer Bürgerplattform, die sich Ende Juni in Barcelona vorgestellt hat und eine radikaloppositionelle Kandidatur für die Bürgermeisterwahlen 2015 vorschlägt. In diesem Interview spricht sie über die Initiative und die Situation in der Stadt und erklärt, wie sich das Projekt weiter entwickeln könnte.
Hier in Athen[1] über das Schicksal der heutigen Demokratie nachzudenken, ist irgendwie verunsichernd, weil es dazu zwingt, das Ende der Demokratie an dem Ort zu begreifen, an dem sie entstand. Tatsächlich möchte ich die Hypothese vorbringen, dass das Regierungsmodell, das heute in Europa vorherrscht, nicht nur undemokratisch ist – man kann es auch nicht als politisch betrachten. Ich will deshalb versuchen zu zeigen, dass die europäische Gesellschaft heute keine politische Gesellschaft mehr ist. Sie ist etwas ganz Neues – etwas, wofür uns die richtigen Begriffe fehlen und wofür wir deshalb eine neue Strategie zu entwickeln haben.
Europa ist mehr als die Europäische Union und die EU mehr als ihre neoliberale und zunehmend undemokratisch-autoritäre Gestalt. Doch ist Letztere die gegenwärtig existierende. Simple Bekenntnisse zu Europa oder gar ›mehr Europa‹ verfehlen den zu Recht skeptischen Alltagsverstand. Immer wieder wurde die europäische Ebene als Hebel genutzt, um Sozial- und Arbeitsrechte auszuhöhlen sowie Kapital- und Marktlogik zu stärken – und zwar nicht erst seit der Krise 2008, sondern spätestens seit dem Mitte der 1980er Jahre forcierten Projekt des europäischen Binnenmarktes.
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Last exit griechenland? Mit Syriza raus aus der Krise

Viele werfen der Allianz der Radikalen Linken (SYRIZA) in Griechenland vor, dass ihr Regierungsprogramm nicht radikal genug sei. Vergleicht man es etwa mit dem von François Mitterrand Anfang der 1980er Jahre, erscheinen die Forderungen von SYRIZA tatsächlich gemäßigt, denn vieles davon orientiert auf Sozialstandards, die im Verlauf der Krise erst zerstört wurden: Die Tarifautonomie soll wiederhergestellt und der Mindestlohn auf das Niveau von 2009 angehoben werden. Eine Reihe von Sofortmaßnahmen soll helfen, die größte Not in Griechenland zu lindern. Es geht um einen Zugang aller zu medizinischer Versorgung (jedeR Vierte ist ohne Krankenversicherung und hat nur im äußersten Notfall Zugang zu medizinischer Versorgung), die Nutzung staatlicher und kirchlicher Immobilien, um die Wohnungsnot abzufedern, und um Regelungen zur Tilgung von Bank- und Steuerschulden für niedrige Einkommensschichten sowie für kleine und mittlere Unternehmen. Vieles davon liegt schon als Gesetzentwurf vor – mit Finanzierungsberechnung.
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Warum Populismus

Der Populismusbegriff hatte in der wissenschaftlichen und politischen Literatur lange einen negativen Klang. Er wurde mit politischen Bewegungen verbunden, die große Bevölkerungsteile auf unstrukturierte Volksmassen reduzierten und aller Prinzipien rationalen Handelns beraubten. In diesen, heißt es, haben alle Formen der Demagogie freie Bahn. Nicht nur in konservativen Kreisen, sondern auch unter Linken ist diese Sicht verbreitet. So steht zum Beispiel im Marxismus die Rationalität der Klasse (der Klasseninteressen) im Gegensatz zum Begriff der Massen, die schnell als »Lumpenproletariat« abgetan werden.
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Vote NO! and the Meaning of Twenty Years Of Democracy

Pick up any newspaper or tune into any radio broadcast and before long you are likely to hear discontent about the state of the Nation and in particular the ANC. This is expressed through the militancy of strike action, campaigning outside government buildings, booing the powerful, and community protest actions ranging from tire burning, to stone throwing and even setting fire to government buildings. These are almost an everyday occurrence. Increasingly these expressions of discontent are coming from those who once (and some still do) identify with ANC.

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Soziales Europa? Demontage ff.

Die Politik der sozialen Phrase hat Tradition in der EU. Schon in der im Jahr 2000 von den europäischen Staats- und Regierungschefs beschlossenen Lissabon-Strategie wurde behauptet, »Vollbeschäftigung« und »deutliche Fortschritte bei der Überwindung von Armut und sozialer Ausgrenzung« seien zentrale Ziele der EU. Ein Dutzend Jahre später resümierte die EU-Kommission selbstgefällig: »Durch ihre Maßnahmen trägt die Europäische Union zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und zur Verbesserung der Qualität der Beschäftigung bei.«
Wer wie wir keine Wahlinteressen hat, ist in der besten Position, um die große Wichtigkeit der Wahlen zum Europaparlament 2014 für Europa zu erkennen. Es ist leicht, in den meisten betroffenen Ländern eine hohe Wahlenthaltung und eine signifikante Stärkung der „euroskeptischen“ Kräfte vorherzusehen, die vereint sind in ihrer Rhetorik über die Rückkehr zur „nationalen Souveränität“, der Feindschaft zum Euro und zu den „Technokraten in Brüssel“. Für uns ist das nichts Gutes.
2011 war ein außergewöhnliches Jahr, das irgendwann in einem Atemzug mit 1968 und 1848 genannt werden könnte. Das hängt allerdings davon ab, ob die kommenden Jahre sein Versprechen erfüllen werden und es im Rückblick als den Beginn von etwas Neuem erscheinen lassen. Um diesem spezifischen Versprechen auf den Grund zu gehen, sollte man sich bei der Analyse der Ereignisse so wenig wie möglich von den vielen falschen Mediendarstellungen leiten lassen, und auch nicht von den manchmal irreführenden Reflexionen der Protestierenden selbst. Anders ausgedrückt: Es geht darum, was die Menschen wirklich getan haben und tun, und nicht darum, was sie oder andere darüber denken. Nach Negris Diktum zu Lenin – »Organisation ist Spontaneität, die sich selbst reflektiert« – ist Spontaneität nie einfach formlos, sondern es kommt in ihr immer schon irgendeine Art von Organisation zum Ausdruck (Negri 2004, 42). Seit Langem leidet die Organisationsdebatte darunter, dass so getan wird, als müsse man sich zwischen absoluter Formlosigkeit (›spontaner‹ Bewegung) und einer strikten Form (der Partei) entscheiden. Was auf den ersten Blick als konturlos erscheint, birgt jedoch immer schon seine eigene Form in sich, auch wenn diese offen und veränderbar ist. 

Move Forward. Die Veränderung hat begonnen

Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten. Europa ist an einem kritischen Scheideweg angelangt, und es gibt zwei Richtungen, die es einschlagen kann: Entweder entscheiden wir uns für Stillstand oder wir bewegen uns vorwärts. Entweder wir finden uns mit dem neoliberalen Status quo ab und tun so, als könne die Krise mit derselben Politik gelöst werden, die sie hervorgerufen hat, oder wir machen uns mit der europäischen Linken daran, die Zukunft in unsere Hand zu nehmen. Denn der Neoliberalismus bedroht die Existenz der Menschen überall in Europa und damit ist auch die Demokratie in Gefahr, insbesondere durch das Erstarken der extremen Rechten.
Wie könnte eine linke Antwort auf die Krise in der Eurozone aussehen? Diese Frage hat eine Diskussion über die Option eines «geregelten Austritts» einzelner Länder aus dem Euro entfacht. Doch verschieben sich die Kräfteverhältnisse dadurch wirklich nach links? Oder was muss getan werden, um die Chancen eines demokratischen und sozialen Europas nicht endgültig zu verspielen? „Es ist spät doch noch ist es nicht zu spät für eine Umkehr. Doch mit jedem Tag, an dem an der alten gescheiterten Strategie festgehalten wird, schwinden die Chancen“, argumentieren die beiden Ökonomen Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas.
Obamas Wiederwahl glich einem RorschachTest, der vielfältigen Interpretationen offen steht. Im Wahlkampf wurden auf beiden Seiten Fragen diskutiert, die auch mich zutiefst beunruhigen: Zum einen die lang anhaltende Konjunkturschwäche, deren Ende nicht absehbar ist, und zum anderen die wachsende Kluft zwischen dem reichsten einen Prozent der Bevölkerung und dem Rest. Letztere bedeutet nicht nur eine Ungleichheit der Einkommen, sondern auch der Ausgangschancen. Für mich sind dies zwei Seiten derselben Medaille: Mit der größten sozialen Ungleichheit seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre ist eine stabile wirtschaftliche Erholung kurzfristig nur schwer möglich und der American Dream – der ein gutes Leben durch harte Arbeit verspricht – stirbt.
Verteilungsgerechtigkeit ist Wahlkampfthema. Bis zu 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland finden die Verteilung von Einkommen und Vermögen ungerecht. Wenn es ans Umverteilen geht, ist die Zustimmung nicht mehr so eindeutig. Umverteilen scheint ein böses Wort, schwingt doch mit, dass jemandem etwas weggenommen werden soll. Davor schrecken viele zurück. Sie haben einschlägige Erfahrungen oder sie glauben, hohe Vermögen oder Einkommen stünden für Leistungsgerechtigkeit.

Inequality and redistribution in the Greek crisis

Historical experience has shown that under capitalism a banking crisis is followed by an economic crisis, reducing the size of an economy, increasing unemployment.1 It has further shown that in such a situation, public expenditure increases, as a result of the automatic stabilizers coming into play, while public receipts decline, due to the drop in output. Thus, a banking crisis leads to deteriorating public finances.2

Bonapartist Coup in Egypt!

The near equality in strength of the two camps contending for power in Egypt led the army to stage a Bonapartist coup. It is not only the recent episode of unprecedented crowds in the millions coming out on 30 June that has made the army move. This struggle between the Muslim Brotherhood government of now deposed President Mohamed Morsi, on the one hand, and the opposition, represented by the National Salvation Front, and more recently by the Tamerod (Rebel) movement, on the other, has been going on since last November. This is, in fact, the third wave of spectacular demonstrations by the opposition within a cycle of the Egyptian revolution that has been going on since November.

Krisenkosten zurückdrängen! Das europäische Krisenregime

Die Krise in Europa zieht immer weitere Kreise. Mit der Zypernkrise entstand ein neuer Krisenherd, ein weiterer räumlicher Verdichtungspunkt der Widersprüche eines krisengeschüttelten Kapitalismus. Schon fast gewohnheitsmäßig schaltete sich die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF) ein, um wie in Irland, Portugal und Griechenland Sparauflagen und Austeritätspolitik zu diktieren. Auch die Einberufung eines Sondergipfels der EU-Finanzminister hatte bereits Routinecharakter. Also alles nur ‚same shit, different time‘?
Das Thema Steuern bestimmt den anlaufenden Bundestagswahlkampf. Sogenannte Neiddebatten werden beklagt, oder aber ein Kampf gegen die Armut beschworen. Wie viel Umverteilung braucht und verträgt die Bundesrepublik? Eine Gerechtigkeitsdebatte scheint auf; auch in der SPD. Deren Grundbegriffe wurden allerdings im Übergang vom Berliner zum 2007 verabschiedeten Hamburger Programm revidiert, und es wurde versucht, sie mit der Agenda 2010 sowie dem gesamten Regierungshandeln seit den 1980ern in Einklang zu bringen. Wie aber sieht Umverteilen sozialdemokratisch aus?
Als Hugo Chávez den »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« verkündete, ging ein Linksruck durch den gesamten lateinamerikanischen Kontinent. Weite Teile der Staatsapparate konnten der Kontrolle korrupter Eliten entzogen werden, Reichtum wurde umverteilt, Armut reduziert, städtische Arme und indigene Landbevölkerung ermächtigten sich in revolutionären Prozessen selbst. Die materiell-stoffliche Basis des neuen Sozialismus geriet jedoch schnell in die Kritik, basierten doch die ›revolutionären‹ Regierungen auf einer politischen Ökonomie der Extraktion. Ist dies nicht einfach eine Umverteilung der durch Raubbau an der Natur gewonnenen Ressourcen? Ein Raubbau, der im Kontext der globalen sozial-ökologischen Krise kaum ein zukunftsfähiges Projekt sein kann und in diesen Ländern hart umkämpft ist?
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Umverteilen und Neuverteilen

Das Gebot der Stunde lautet »Umfairteilen«. Linke, Grüne und Sozialdemokraten ziehen mit Programmen in den Bundestagswahlkampf, in denen – mal klar und deutlich, mal eher vernuschelt – eine steuerpolitische Kehrtwende verlangt wird. Auf rund 60 Milliarden Euro verzichten die öffentlichen Kassen jährlich, seit die Schröder-Fischer-Regierung Unternehmen, Vermögenseignern und Beziehern hoher Einkommen großzügige Steuergeschenke gemacht hat. Die Folgen sind am Zustand der öffentlichen Infrastruktur zu besichtigen – und an den ausgedünnten kommunalen Dienstleistungen für jene, die auf ihre Nutzung angewiesen sind, weil sie nicht zu den Beschenkten gehören.

Wohlstand von links?

Bilanz der Enquetekommission

Gespräch mit Sabine Leidig, Hermann Ott und Waltraud Wolff
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Praktizierte Demokratie in den Besetzungen: eine konstituierende Macht

Die Massenproteste in Tunesien und Ägypten zu Beginn des Jahres 2011 wurden vielerorts mit großer Sympathie begleitet. Aus »westlicher« Perspektive schienen diese völlig unvorhersehbar und zugleich doch in die abendländischen politischen Entwicklungsmuster einzuordnen: Im Arabischen Frühling kämpften die Menschen für die Einführung der liberalen repräsentativen Demokratie, um endlich die Unterdrückungsverhältnisse lang anhaltender Diktaturen abzuschütteln. Die Herrscher wurden verjagt. Und doch konnten erste verhältnismäßig freie Wahlen solche demokratischen Verhältnisse nicht einrichten.

Wie soll angesichts der Tatsache, dass viele Regulations- und Akkumulationsprozesse auf der globalen Ebene reproduziert werden, der Übergang, die Transformation organisiert werden?

„Gegen eine EU der Banken und Konzerne“

Interview mit Nikolaj Villumsen, europapolitischer Sprecher der rot-grünen Einheitsliste Dänemarks Nikolaj, wie würdest Du die Entwicklung des linken Widerstandes gegen die EU in Dänemark und seine Perspektiven beschreiben? NV: Es gibt seit der Gründung der Volksbewegung gegen die EG 1972 eine lange Tradition der Kritik und des Widerstandes von links gegen die EU. Dänemark ist ihr 1973 nach einem Referendum und einer Propagandaschlacht, die wir trotz großer Mobilisierungen nicht gewonnen haben, beigetreten. Wir haben immer betont, dass die Abgabe nationaler Souveränität an Brüssel einen massiven Abbau sozialer und demokratischer Rechte bedeuten wird. Diese Befürchtung ist leider bestätigt worden. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofes in den letzten Jahren bedeuten vor allem eine Beschränkung des Rechts der Gewerkschaften, Löhne und Arbeitsbedingungen ohne Einmischung von außen selbst zu verhandeln; etwas, was das „dänische Modell“ immer ausgezeichnet hat. Auch die restriktive Flüchtlingspolitik durch das Schengener Abkommen 1993 und der Aufbau einer Mauer um Europa ist von uns immer kritisiert worden; galt das dänische Aufenthaltsrecht von 1983 doch zurecht als eines der progressivsten in der Welt. Die brandaktuelle Auseinandersetzung (Juli 2012, S.G.) um Dumpinglöhne im Gaststättengewerbe und um das Recht der Gewerkschaften, Betriebe, die Niedriglöhne zahlen, zu blockieren, zeigt dies erneut.

Austerity, limited sovereignty and social devastation. Greece and the dark side of European Integration

by Panagiotis Sotiris [caption id="attachment_2239" align="alignright" width="300"] Athen, November 2011, Foto: Ed Yourdon[/caption] In the past two years Greek society has been under constant attack. The sovereign debt crisis has led to the imposition of severe austerity packages that have already created something very close to a social disaster. Average wages are already down by more than 20%,[1] schools and hospitals are facing difficulties to function properly, the official unemployment rate already exceeds 20%. Soup kitchens, homelessness and other manifestations of poverty are becoming integral parts of the urban landscape.

»Den Betrieb übernehmen« - Luxemburg 3/2011 ist erschienen

Globale Krise und Krisenpolitik können als Geschichte der Enteignung erzählt werden: Konjunkturprogramme und »Rettungsschirme« haben Mittel für Unternehmen und Banken mobilisiert, die durch Lohnverzicht und Kürzungen der öffentlichen Leistungen eingespielt werden müssen. Rating-Agenturen, »Gläubigerstaaten« und die EU als verallgemeinerte Finanzaufsicht verringern den Spielraum für demokratische Entscheidungen. Dabei könnte die Krise genutzt werden, um gesellschaftliche Teilhabe und Wirtschaftsdemokratie durchzusetzen.

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Aufstände, Revolution und Demokratie in Afrika

Interview mit Firoze Manji Wo liegen die Wurzeln der Aufstände?1 Hinter den allgemeinen Slogans stehen die Erfahrungen der letzten 30 Jahre, in denen die Errungenschaften der antikolonialen Kämpfe zurückgenommen worden sind: Gesundheitsversorgung, Bildung, Sozialversicherungen, Unterstützung der Kleinbauern. Stattdessen wurden die Ökonomien geöffnet für die Ausbeutung durch die Oligarchien und großen Unternehmen.
»Letztlich sind wir, was wir tun, um zu ändern, was wir sind. Unsere Identität ist kein stummes  Museumsstück in einer Vitrine, sondern die Synthese unserer alltäglichen Widersprüche, die stets aufs Neue überrascht.« (Galeano 1991, 117)

ÜBER DAS GEMEINSAME, UNIVERSALITÄT UND KOMMUNISMUS

Ein Gespräch zwischen Étienne Balibar und Antonio Negri, Auszüge [caption id="attachment_1272" align="alignleft" width="235" caption="JR-Art on Manette Street (Foyles), flickr/Nick J Webb"][/caption] In unterschiedlichen Traditionen linker Philosophie und Gesellschaftsanalyse wird in letzter Zeit um einen Begriff von Kommunismus im Sinne von commune-ism gerungen. Die Frage nach Kommunismus strukturiert auch dieses Gespräch: Wie lässt er sich denken, jenseits von essenzialistischen Konzepten und solchen, die historische Notwendigkeiten von Formationenabfolge postulieren? In der Tradition von Postoperaismus und Althusser etwa wird auf die selben Namen Bezug genommen: Marx’ Kritik der politischen Ökonomie, Spinozas Ontologie und eine Kritik am hegelianischen Historizismus. Gleichwohl unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Vorstellungen von commune-ism. Wir wollen Gemeinsamkeiten und produktive Divergenzen beider Traditionen untersuchen.
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EIN BISSCHEN STEUERN, KEINESFALLS BESTIMMEN

September 2010, Anton-Saefkow-Platz. Tag der Votierung zum Bürgerhaushalt: »Warum könn’ se nich wenichstns een Punkt für sichere Schulwege abgeben?«, rief die junge Frau und stemmte ihre Arme in die Hüften. Die angesprochene Siebzigjährige hatte gerade all ihre Punkte für die Neuanpflanzung von Bäumen eingesetzt. »Vielleicht, weil das nicht mein Problem ist?« »Und für die Seniornstätte? Sie sind doch selber alt!« »Eben«, lächelte die Alte und wich der Jungen behände aus.

Alles wird Gut - Editorial 2-2010

»Alles wird gut«: Machtlose und Mächtige versuchen sich an neuen Texten, Horizonten und neuer Emphase. Solange der Neoliberalismus als organisierende Ideologie des globalen Finanzkapitalismus gut fungierte, hat die Macht des Faktischen Zustimmung, zumindest Resignation organisiert. Das ist in Krisenzeiten anders. Dem wirtschaftspolitischen Vordenker der britischen Konservativen Philip Blond etwa schwebt ein »tugendhafter Kapitalismus« vor; hierzulande werden Konzepte eines »guten Kapitalismus« auch von links debattiert. »Verbesserungen sind möglich, Veränderungen müssen nicht an die Wurzeln gehen« scheint das Mantra; sogar: »Ein anderer Kapitalismus ist möglich« (Hengsbach). Sicherlich: Transformation über den Kapitalismus hinaus muss immer mit Veränderungen von Kräfteverhältnissen, der Ausweitung von Spielräumen hier und jetzt beginnen. Doch wenn das Andere im Grunde das Immergleiche ist – nur »gut« eben – wird der utopische Horizont besetzt und die transformatorische Fantasie begrenzt, ohne das ganz Andere in den Blick zu nehmen. Dieser »Wellnesskapitalismus« rechnet mit der Annehmlichkeit, dass die Widersprüche des Gegebenen ohne grundlegende Veränderungen verschwinden. Eine zähe Täuschung.

Kann aus den unterschiedlichen politischen Richtungen und Kulturen der Linken ein gemeinsames Projekt werden? Untersucht wird die Frage mit Blick auf die Partei Die Linke und auf internationale, globale Konstellationen. Hans-Jürgen Urban schlägt den Begriff der »Mosaik-Linken« vor: Nur wenn die (gesellschaftliche) Linke  unterschiedliche Traditionen und Kulturen nebeneinander stehen lassen kann, sie aber gleichzeitig zu einem gemeinsamen Projekt anordnen, hat sie Zukunft. Wie kann das gelingen?

Kapitalismus und Demokratie - Reflexionen über ein problematisches Verhältnis

von Frank Deppe In den frühen 1990er Jahren triumphierten die Marktwirtschaft (und das System der individuellen Freiheit) des Westens über das System der Staatswirtschaft (und des Kollektivismus) des Ostens. Francis Fukuyama schrieb, das »Jahrhundert, das voller Vertrauen auf die westlichen liberalen Demokratien begann, ist an seinem Ende [...] wieder zu seinen Anfängen zurückgekehrt: nicht zu einem ›Ende der Ideologien‹ oder einer Konvergenz von Kapitalismus und Sozialismus, wie man geglaubt hatte, sondern zu einem klaren Triumph des wirtschaftlichen und politischen Liberalismus« (1990, 3).

Editorial: Umkämpfte Demokratie. Luxemburg 2/2009

Die Bundesrepublik hat seit Anfang November eine schwarz-gelbe Regierung. Angela Merkel hat noch am Wahlabend den Anspruch erhoben, die Kanzlerin aller´Deutschen zu sein. Dies galt als eine Zurückweisung besonders radikaler Ansprücheder Liberalen. Nun wird das Projekt, das die drei bürgerlichen Parteien schon 2005 angekündigt hatten und das ihnen eine Niederlage einbrachte, in einer gemäßigten Weise verfolgt. Merkel hat »verstanden«, Westerwelle eher nicht. Die FDP will ihrer Kernwählerschaft ein enormes Steuergeschenk machen – ausdrücklich um den Preis der weiteren öffentlichen Verschuldung. Eingeführt werden soll die Kopfpauschale, die Krankenkassen sollen in den Wettbewerb um Beiträge und Leistungen eintreten können. Der Mieterschutz soll geschwächt, Nachtarbeitsund Wochenendzuschläge sollen abgeschafft werden. Die Solarenergie soll nicht weiter gefördert werden, die Nuklearenergie wird begünstigt. Die Bundeswehr ird kriegerischer.