Die Autobahn A40 zieht sich von Dortmund über Essen und Mülheim bis nach Duisburg – quer durch den größten Ballungsraum Deutschlands. Für Soziolog*innen ist sie mehr als eine Straße: Sie gilt als »Sozialäquator«. Denn sie teilt die Region in einen tendenziell wohlhabenden Süden, wo vornehmlich ältere Menschen deutscher Herkunft leben, und einen eher ärmeren Norden, wo die Bevölkerung stärker migrantisch geprägt ist. »Sozialer Brennpunkt«, das klingt für viele nach Drogen, Gewalt und Plattenbau. Im nördlichen Ruhrgebiet bedeutet hingegen der häufig wenig spektakuläre Alltag, dass viele Grundschulkinder außer dem Kantinenessen keine warme Mahlzeit am Tag bekommen, marode »Schrottimmobilien« überteuert an Menschen aus Rumänien und Bulgarien vermietet werden, weil diese auf dem regulären Wohnungsmarkt keine Chance haben, dass das lokale Hallenbad geschlossen hat und die Menschen nur noch befristete Arbeitsverträge haben oder bei Subunternehmen angestellt sind. Die von Kohle und Stahl geprägten Städte entlang der A40 standen lange für ein soziales Versprechen: dass gesellschaftlicher Aufstieg durch harte Arbeit möglich ist. Doch die Realität sieht heute anders aus. Studien zeigen: Wer im nördlichen Ruhrgebiet aufwächst, hat deutlich schlechtere Perspektiven – bei Schulabschlüssen, Gesundheit und Einkommen.
Äquator der Ungleichheit
Eine Fotoreportage von Daniel Chatard
Montagsdemo in Görlitz, August 2024
Rechte Demonstranten mit Reichsflaggen an der B96 beim sonntäglichen »stillen Protest«, einem Sammelpunkt für Wutbürger*innen aus dem Verschwörungs- und Reichsbürgermilieu. Ebersbach-Neugersdorf, August 2024
Dieses Projekt verfolgt die Trennlinie der A40 – quer durch das Ruhrgebiet, entlang des sozialen Bruchs. Es portraitiert Orte, Menschen, Lebensverhältnisse auf beiden Seiten der Autobahn. Es fragt: Wie sichtbar ist Ungleichheit? Und bis wohin sind Menschen bereit, sie zu ertragen?
Von oben nach unten, von links nach rechts:
Hochofen Schwelgern, Duisburg-Marxloh
Infrarot-Wärmetherapie in der Pferdepension Hufotel, Essen-Bredeney
Entspannen in der Salzgrotte Werden, Essen
Links: Yagmur Dumanli holt ihre Schwester vom Gymnasium ab. Aufgrund von Terrordrohungen bleiben im April 2025 in Duisburg 20 Schulen an mehreren Tagen geschlossen.
Rechts: Sabine, auf dem Straßenstrich in der Dortmunder Innenstadt-Nord
Oben: Sprengung eines Wohnblocks in Duisburg
Links: Auf dem Flugplatz, Mülheim Menden-Holthausen
Rechts: Villa Hügel, Essen-Bredeney
Unten: Halde Rheinelbe, Gelsenkirchen-Ückendorf. Die brennende Halde besteht aus Abraum und Kohleresten der stillgelegten Zeche Rheinelbe.
