Die deutsche Autoindustrie ist in der Krise, das exportorientierte Wachstumsmodell erodiert. Grün-kapitalistische Modernisierungsbestrebungen sind blockiert (Candeias 2024). Derweil eskaliert der Handelskrieg zwischen der »neuen Triade-Konkurrenz« – den USA, Europa und China. Der Zollkrieg ist vor allem eines: Ausdruck einer Neusortierung der Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus. Denn während der Westen am »grünen Kapitalismus« zu scheitern droht, gelingt China ein rasanter Aufstieg bei »grünen« Technologien. Die sogenannten neuen drei Industrien – E-Fahrzeuge, Batterien und erneuerbare Energien – steuern bereits schätzungsweise 40 Prozent zum chinesischen BIP-Wachstum bei. Chinas »grünes« Kapital dominiert nicht nur den wichtigen chinesischen Binnenmarkt und trägt damit – im Falle des E-Auto-Sektors – maßgeblich zur Krise der deutschen Automobilindustrie bei. Es drängt auch mit voller Kraft in die westlichen Märkte: Konzerne wie CATL produzieren bereits in Europa, BYD startet die Produktion in Ungarn und denkt sogar bereits über ein weiteres europäisches Werk nach. Der Fall China zeigt: »Grüner« Kapitalismus? Not dead yet! Doch die Neusortierung der Machtverhältnisse endet nicht bei E-Autos. Sie reicht bis ins Herzstück des »grünen« Kapitalismus: den Energiesektor. 

Der Wind hat sich gedreht: China als Vorreiter der Energiewende

Beim Blick auf den Westen zeigt sich: Hier läuft die Energiewende bestenfalls schleppend. In den USA stieg – angekurbelt durch die Subventionen des Inflation Reduction Act – zwar der Anteil der erneuerbaren Energien leicht an, doch fossile Energieträger und Kernenergie dominieren den Strommix weiterhin (knapp 80 %). Auch in Europa wächst der Anteil erneuerbarer Energien – besonders durch den Windkraft-Ausbau. Doch fossile Energieträger und Atomkraft machen noch immer die Hälfte der Stromerzeugung aus. Investitionen in Gas- und Ölinfrastruktur steigen im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine massiv an, der Kohleausstieg wird in Ländern wie Deutschland oder Frankreich verzögert. Angetrieben durch das unverändert durchsetzungsstarke fossile Kapital, die Radikalisierung des Konservatismus und den Aufstieg der radikalen Rechten droht zudem ein fossiler Backlash: Trumps Energiepolitik unter dem Motto »drill, baby, drill« fokussiert auf die Förderung der eigenen Öl- und Gasproduktion durch Offshore-Bohrungen und Fracking – mit zerstörerischen Schäden für Umwelt und Gesundheit. 

»Während sich die Erneuerbaren im Westen also zu einem Terrain des (rechten) Kulturkampfes entwickeln, treibt der »systemische Rivale« China ihren Ausbau ungebremst voran.«

Aber auch in Deutschland sieht Kanzler Merz (CDU) in Windrädern nur eine Übergangstechnologie, denn »sie sind hässlich und passen nicht in die Landschaft«. Alice Weidel (AfD) stimmt beim AfD-Parteitag in Riesa in den Anti-Windkraft-Gesang ein: »Wir reißen alle Windkraftwerke nieder! Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!« Während sich die Erneuerbaren im Westen also zu einem Terrain des (rechten) Kulturkampfes entwickeln, treibt der »systemische Rivale« China ihren Ausbau ungebremst voran. Das Tempo des Ausbaus ist beispiellos: War der globale Markt für Solar- und Windenergie bis Anfang der 2010er Jahre noch von den USA und der EU dominiert, ist er heute fest in chinesischer Hand: Mit 358 Gigwatt (GW) neu installierter Wind- und Solarenergiekapazität übertraf China im Jahr 2024 die EU-Zuwächse um das 5-Fache; allein der chinesische Zubau in 2024 übersteigt die gesamte Wind- und Solarenergieerzeugungskapazität der USA. Sieben der globalen Top 10 Solarmodulproduzenten und sechs der Top 10 Windturbinenhersteller kommen aus der Volksrepublik. Sie dominieren ganze Wertschöpfungsketten: 85 Prozent aller Solarzellen und 60 Prozent der Rotorblätter für Windkraftanlagen werden in China produziert. Das bedeutet: Selbst wenn in Europa der Anteil des Solarstroms am Strommix steigt – die Solarmodule kommen aus China. Wertschöpfung und Profite bleiben also in der Volksrepublik; das »grüne« Kapital des systemischen Rivalen expandiert weiter.

»Grüner« Parteistaatskapitalismus als Investitionsmotor 

Wie kam es in so kurzer Zeit zur Weltmarktdominanz? Der Investitionsboom bei Solar- und Windenergie ist das Resultat des parteistaatskapitalistischen Modells (vgl. auch Brie 2023). Zwar sind die führenden Solarmodulproduzenten (LONGi Green Energy Technology, Trina Solar, JinkoSolar) und Windkraftanlagenhersteller (Goldwind, Envision, Windey) mehrheitlich in privatem Eigentum. Doch sie agieren nicht frei von parteistaatlichem Einfluss: Windturbinenproduzenten wie Goldwind und Mingyang sowie Solarmodulhersteller wie LONGi, JinkoSolar oder Astronergy haben sogenannte Parteizellen in ihren Konzernzentralen eingerichtet, die strategische Unternehmensentscheidungen kontrollieren. Die Kommunistische Partei ist also auf Konzernebene institutionalisiert und kann zentrale Investitionsentscheidungen steuern. Die größten Stromerzeuger – allen voran die »Big Five«: Huaneng Group, Huadian Group, China Energy, State Power Investment Corporation und Datang Group – sind hingegen alle in staatlichem Eigentum. Durch sie konnte der Parteistaat gezielt koordinierte und großvolumige Investitionen lenken. 

Zentrale Triebfeder der Investitionen in Erneuerbare war auch die Preispolitik: Die ­Regierung zahlte – finanziert durch den Renew­able Energy Development Funds – großzügige Einspeisevergütungen für Wind- (onshore: ab 2009, offshore: ab 2014) und Solarstrom (ab 2011). Diese Vergütungen lagen über den Kosten der Stromproduktion und garantierten somit sichere und planbare Profite. Der Parteistaat legte auch die Endverbraucherpreise und die Netzentgelte für die Netzbetreiber fest. Dies verringerte Preisschwankungen, produzierte stabile, kalkulierbare Profiterwartungen und zog somit massiv Investitionskapital an, das den rasanten Aufbau der erneuerbaren Energien vorantrieb. Hinzu kam eine umfassende industriepolitische Förderung: Die Solar- und Windsektoren spielen seit dem 11. Fünfjahresplan (2006 – 10) eine zentrale Rolle und erhielten massive Subventionen – unter anderem für Forschung und Entwicklung, für die Installation von Wind- und Solarparks (z. B. im »Golden-Sun-Programm«) und für die Internationalisierung der Solarmodul- und Windturbinenproduzenten, gefördert durch vergünstigte Kredite staatlich kontrollierter Geschäfts- und Entwicklungsbanken. Mit diesen preis- und industriepolitischen Maßnahmen machte der Parteistaat erneuerbare Energien zu grünen »Kapitalsenken«: großvolumige Investitionsprojekte, in denen sich »grünes« Kapital sicher und profitabel reproduzieren kann. Dieses Modell katapultierte China an die Spitze der globalen Solar- und Windindustrie. 

Durch die Liberalisierung in die Krise 

Doch die Funktionsweise des »grünen« Parteistaatskapitalismus ist keineswegs statisch: Die chinesische Staatsklasse verfolgt – beginnend mit den Stromsektorreformen 2015 – einen Steuerungswandel, der primär auf die Liberalisierung der Preise und die Vermarktlichung des Stromhandels zielt. Nachdem die Energiebehörde das Defizit des Renewable Energy Development Funds Ende 2017 auf 15,6 Milliarden US-Dollar eingeschätzt hatte, wurden Einspeisevergütungen und Subventionen massiv gekürzt. Der Stromhandel wurde schrittweise vermarktlicht, »geplante Stromverkäufe« wichen Marktmechanismen. Zunehmend wurde er auf mittel- bis langfristige Direktabnahmeverträge zwischen den Erzeugern und den Endkund*innen umgestellt, bei denen diese die Preise weitgehend autonom aushandelten. Darüber hinaus führt der Parteistaat zunehmend spot markets nach westlichem Vorbild ein. Auf Spotmärkten wird Strom kurzfristig gehandelt. Stromerzeuger sind dabei hohen Preisschwankungen ausgesetzt – mit entsprechenden Unsicherheiten über die Preis- und Profitabilitätsentwicklung. Das System mit festen Einspeisetarifen wird zudem schrittweise durch ein Auktionssystem ersetzt: Den Zuschlag für Projekte erhalten dabei jene Solar- und Windstromerzeuger, die die günstigsten Stromerzeugungskosten anbieten. Seitdem liefern sich Stromerzeuger einen unerbittlichen Preiskampf und geben den Kostendruck an Solarmodul- und Windturbinenproduzenten und deren Zulieferer weiter. 

Diese Liberalisierung und Vermarktlichung intensiviert den Wettbewerb. Der Preis- und Kostendruck steigt immens. Die sich bereits seit Längerem akkumulierenden Überkapazitäten schlagen dadurch voll auf die Preise durch. Die Preise für Solarmodule und Windturbinen befinden sich im freien Fall, die Profite der größten Produzenten brechen ein. Bis zum dritten Quartal 2024 machten die größten Solarmodulproduzenten wie LONGi, Trina Solar oder Tongwei Verluste. Prominente Branchenvertreter*innen rufen den Parteistaat dazu auf, Maßnahmen gegen die Preisdeflation und den Fall der Profite zu unternehmen. So appellierte Gao Jifan, Vorsitzender von Trina Solar, an die Zentralregierung, die Industrie besser zu koordinieren und den überhitzten Wettbewerb abzukühlen: «Bei den aktuellen Auktionspreisen bleibt entlang der gesamten Wertschöpfungskette kein Gewinn, und so kann das auf Dauer nicht weitergehen« (Bloomberg 2023; Übersetzung: d. Verf.). 

Die Widersprüche der Liberalisierung treten offen zutage: Die anhaltende Abwärtsspirale von Preisen und Profiten – selbst bei den größten Produzenten – scheint sich ohne gezielte parteistaatliche Eingriffe weiter zu verschärfen. Es bleibt fraglich, ob die Branche, angesichts der hohen Überkapazitäten, ohne staatliche Preiskontrollen langfristig profitabel sein kann. Zwar verfügen die größten Produzenten noch über hohe Gewinnrücklagen und Zahlungsmittelbestände, doch es bleibt abzuwarten, wie sich die aktuelle Profitkrise auf die mittelfristige Investitionsfähigkeit der Branche auswirkt. 

Ökologische Widersprüche des »grünen« Parteistaatskapitalismus

Rettet Chinas »grüner« Parteistaatskapitalismus – ungeachtet seiner ökonomischen Widersprüchlichkeit – immerhin das Weltklima? Wohl kaum. Denn die Kehrseite der staatlichen Förderung erneuerbarer Energien ist die Kontinuität der Förderung fossiler Energieträger. Der »grüne« koexistiert mit einem anhaltenden »braunen« Parteistaatskapitalismus. 

Deutlich wird dies an der anhaltenden Abhängigkeit des chinesischen Kapitalismus von Kohle, denn China ist der größte Kohleproduzent und -konsument weltweit. Die Anzahl neu genehmigter Kohlekraftwerke hat sich in den Jahren 2022–23 gegenüber dem Zeitraum 2016–20 vervierfacht. Im Jahr 2024 begann China mit dem Bau von 94,5 GW neuer Kohlekraftwerke – die größte jährliche Zubaurate seit 2015. Damit entfielen 93 Prozent aller im Jahr 2024 weltweit neu gebauten Kohlekraftwerke allein auf China. Neben der Kohle treibt China auch den Ausbau der Kernkraft voran: Zwischen 2014 und 2024 hat sich die installierte Leistung von 19 auf 57 GW verdreifacht. Die Gleichzeitigkeit des Ausbaus von erneuerbaren Energien, Kohle und Atomkraft zeigt: Die ökologische Modernisierung des Energiesektors erfolgt nicht als Bruch mit dem fossilen (und nuklearen) Energieregime, sondern als Addition. Die Kohle kannibalisiert dabei gewissermaßen den Dekarbonisierungseffekt der Erneuerbaren. Denn trotz des schnellen Ausbaus erneuerbarer Energien stiegen Chinas CO2-Emissionen aufgrund des hohen Kohleverbrauchs auch 2024 weiter an, wenngleich der Anstieg gebremst ist. 

»Die Kehrseite der staatlichen Förderung erneuerbarer Energien ist die Kontinuität der Förderung fossiler Energieträger. Der »grüne« koexistiert mit einem anhaltenden »braunen« Parteistaatskapitalismus.«

Zudem ist der »grüne« Parteistaatskapitalismus eng mit extraktivistischen Investitionen in den Abbau von Rohstoffen und Mineralien verbunden: Ein erheblicher Teil der chinesischen Kapitalflüsse in die Länder der Belt and Road Initiative entfällt auf Metall- und Bergbaubranche. Dazu zählen Investitionen in den Abbau von Kupfer, Lithium, Eisenerz, Nickel und Kobalt – zentrale Rohstoffe für die »grüne Ökonomie« (Lithium-Ionen-Batterien, E-Fahrzeuge, Windturbinen, Solarzellen). Ihr Abbau findet überwiegend in (semi-)peripheren Ländern wie Chile, Bolivien, Indonesien und zahlreichen afrikanischen Ländern statt. Er hat zerstörerische Auswirkungen auf die Boden- und Wasserqualität, die Biodiversität und die Ökosysteme vor Ort. Chinesische Investitionen in den Rohstoffabbau erreichten zuletzt neue Rekordhöhen: allein im Jahr 2023 ganze 19,4 Milliarden US-Dollar im Metall- und Bergbau entlang der Belt and Road Initiative.

Chinas explodierende Energienachfrage – selbst das Resultat des kapitalistischen Wachstumsimperativs – erzeugt also fossile (und nukleare) Abhängigkeiten und ist eng mit Rohstoffausbeutung und ökologischen Zerstörungen in (semi-)peripheren Ländern verbunden. Dies steht in starkem Kontrast zur ökologischen Notwendigkeit, die (globale) Energiewende ernsthaft voranzutreiben, und ist Ausdruck der ökologischen Widersprüchlichkeit des »grünen« Parteistaatskapitalismus.

Wenn die eigene Energiewende vom systemischen Rivalen abhängt

Und wie reagiert die EU auf Chinas Aufstieg zur grün-kapitalistischen Führungsmacht? Die chinesische Dominanz in einem der Leitsektoren des »grünen« Kapitalismus, das Zurückfallen Europas und die Anforderungen der eigenen Energiewende erzeugen ein (geoökonomisches) Spannungsfeld. Denn die Umsetzung der ökologischen Ziele Europas ist von der Technologie des »systemischen Rivalen« China abhängig. Die europäische Debatte um die Stärkung protektionistischer und techno-nationalistischer Wirtschaftspolitik, die sich primär gegen die staatsgetriebenen chinesischen Produzenten richtet und seit 2019 an Fahrt aufgenommen hat, bekommt dadurch einen neuen Schub. 

Denn die EU versucht im Namen der Energiesicherheit nicht nur, ihre Abhängigkeit von Russland (Öl, Gas) zu verringern, sondern auch von China (Solarmodule, Windkraftanlagen). Sie reagiert mit einer Kombination aus Ansätzen protektionistischer Außenwirtschaftspolitik und Industriepolitik, die sich gegen die chinesische Konkurrenz richtet: Antisubventionsuntersuchungen gegen chinesische Solarmodul- und Windkraftanlagenproduzenten oder die Forced Labour Regulation sollen deren Zugang zum EU-Markt beschränken. Flankiert wird diese Strategie von vertikaler Industriepolitik: Maßnahmen wie der REPowerEU-Plan und der Green Deal Industrial Plan stellen Subventionen und andere Investitionsanreize bereit, um »grüne« Wertschöpfungsketten »zurück nach Europa zu holen«. Diese Maßnahmen sind Teil einer umfassenderen EU-Strategie zur Eindämmung des Aufstiegs des chinesischen »grünen« Kapitals, was sich jüngst auch in den Strafzöllen gegen chinesische E-Auto-Produzenten widerspiegelt. 

Doch auch China bleibt nicht untätig. Der Parteistaat nutzt dabei nicht nur seine Dominanz bei der Produktion von Solarmodulen und Windkraftanlagen, sondern auch bei der Extraktion und Verarbeitung strategischer Rohstoffe (z. B. bei Metallen der Seltenen Erden, Gallium, Germanium, Kobalt oder Lithium). Die EU und die USA sind bei diesen Rohstoffen in hohem Maße abhängig von China, das wiederum diese Abhängigkeit strategisch nutzt und mit Exportbeschränkungen – etwa bei Gallium, Germanium oder Seltenerdmagneten – reagiert. 

Die öko-imperialen Spannungen (Brand/Wissen 2024), die auf die Re-Territorialisierung »grüner« Wertschöpfungsketten abzielen, spitzen sich also zu. Die EU und auch die USA kämpfen darum, die Kontrolle über globale Wertschöpfungsketten in strategischen Sektoren vom »systemischen Rivalen« China (zurück)zugewinnen. Der chinesische Parteistaatskapitalismus verfügt jedoch über die höheren geoökonomischen Machtressourcen: Durch die Dominanz bei der Produktion von Solarmodulen und Windturbinen und bei der Kontrolle über strategische Rohstoffe ist es China gelungen, kritische Abhängigkeiten zu erzeugen. 

Trotz seiner Erfolge bei der Ausweitung der Kapazitäten für erneuerbare Energien wird auch der »grüne« Parteistaatskapitalismus den Ansprüchen einer nachhaltigen und öko-solidarischen Energiewende nicht gerecht. Einmal mehr zeigt sich: Es sind letztlich die strukturellen Barrieren des Kapitalismus selbst (Profitmotiv, Wachstumszwang, Konkurrenz der Einzelkapitale, internationale Staatenkonkurrenz), die die notwendigen radikalen kooperativen und öko-solidarischen Übergänge blockieren. 

Weitere Beiträge