INHALTLICHE PERSPEKTIVEN
Die inhaltlichen Perspektiven und Forderungen sind an anderer Stelle schon definiert und erläutert worden. In Kürze: 1 | Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten. Dabei geht es sowohl um die Lohnquote als auch um die Steuer- und Abgabenpolitik. 2 | Schutzschirm für Arbeitsplätze durch Erweiterung des Kündigungsschutzes, der Mitbestimmungsrechte (Vetorechte) der Betriebsräte, massive Arbeitszeitverkürzung, gesetzliche Mindestlöhne und Reregulierung der Arbeitsverhältnisse. 3 | Vergesellschaftung der Banken, Regulierung des Finanzsystems und öffentliche Kontrolle. 4 | Rückgängigmachung der Agenda 2010, Abschaffung von Hartz IV und Einführung einer Grundsicherung, Abschaffung der Rente mit 67, Einführung einer Bürgerversicherung und die Einbeziehung von Kapital- und Zinseinkommen zur Finanzierung der Sozialsysteme. 5 | Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. 6 | Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge, Ausdehnung des öffentlichen Sektors und Ausbau der Beschäftigung in Bildung, Sozialem und Ökologie. 6 | Die Linke kann an vorhandene Vergesellschaftungsprozesse anknüpfen und sie mit der Zukunftsvorstellung eines demokratischsozialistischen Gesellschaftsmodells verbinden. Von dessen Durchsetzung sind wir weit entfernt. Doch die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Bereitschaft wachsender Teile der Bevölkerung, zumindest über die Nachteile des finanzgesteuerten Kapitalismus nachzudenken, erhöht. Daran kann Die Linke ansetzen und über Ursachen und Zusammenhänge der Krise aufklären. Ohnehin ist der Vorteil einer politischen Partei, dass sie nicht, zumindest nicht in erster Linie, vom Auf- und Ab außerparlamentarischer Bewegungen abhängig ist. Sie kann mit ihren kontinuierlich arbeitenden Orts-, Kreis-, Landes- und Bundesverbänden dauerhaft in die Gesellschaft hineinwirken, für Aufklärung und, wenn die Voraussetzungen vorhanden sind, auch für die notwendige Mobilisierung sorgen. Das setzt jedoch Analysefähigkeit, die Fähigkeit zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven und Glaubwürdigkeit voraus. Dazu muss die Linke ihre Bedingungen für Regierungsbeteiligungen abklären und eine produktive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Standpunkten führen.REGIERUNGSBETEILIGUNGEN UND BÜNDNISFÄHIGKEIT
Lafontaine hat in seiner Neujahrsansprache darauf hingewiesen, dass es ein großer Irrtum ist, zu meinen, eine Partei müsse an der Regierung sein, um etwas zu erreichen: Die Beispiele der SPD in den 1950er Jahren und der Grünen in den 1980er Jahren belegen das. Als Gegenbeispiele nannte er die italienische Rifondazione Comunista, die in einem eher neoliberal ausgerichteten Linksbündnis während ihrer Regierungszeit dramatisch an Bedeutung und Wählerstimmen eingebüßt hatte. Die Haltelinien für Regierungsbeteiligungen sind keineswegs besonders revolutionär. Es sollte einer Partei, die sich dem demokratischen Sozialismus verpflichtet fühlt, keine besonderen Auseinandersetzungen abverlangen, sich gegen Personalabbau im öffentlichen Dienst, Tarifflucht, Sozialabbau und gegen Kriegsbeteiligungen auszusprechen – auch in Regierungen. Dass dem nicht so ist, zeigen sowohl die Praxis von Regierungsbeteiligungen als auch die Auseinandersetzungen darum. Ein wichtiges Element für die Glaubwürdigkeit einer linken Partei hat Lafontaine nicht genannt: die Beteiligung an außerparlamentarischen Bündnissen und Bewegungen. Dabei verträgt es sich nicht miteinander, wenn Die Linke in Regierungen etwas anderes macht, als sie in diesen Bündnissen vertritt. Das meint nicht die generelle Ablehnung von Regierungsbeteiligungen oder die Infragestellung notwendiger Kompromisse. Positionierungen gegen Sozialabbau oder Tarifflucht in Bündnissen nimmt jedoch niemand ernst, wenn man an deren Umsetzung beteiligt ist. Kurt Tucholsky hat in den 1920er Jahren gesagt: »Die SPD meinte, sie wäre an der Macht, dabei war sie jedoch nur an der Regierung. « Wahrscheinlich wollte er ausdrücken, dass eine Gesellschaft nicht nur in Parlament und Regierung verändert werden kann, nicht allein im Überbau der Gesellschaft. Die Veränderung der ökonomischen und sozialen Basis geschieht in hohem Maße in den sozialen und politischen Kämpfen, in denen sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen immer wieder neu herausbilden. Am Beispiel des politischen Streiks kann dies ganz gut verdeutlicht werden. Einerseits hat die Linke die Forderung nach politischem Streikrecht aufgenommen und bringt diese ins Parlament in Form von Gesetzentwürfen ein. Gleichzeitig nehmen sich Gewerkschaften in der Praxis dieses Recht – wie bei der Rente mit 67 oder dem Aussperrungsparagraphen 116 –, indem sie dagegen streiken, oder, wie sie es formulieren, ihr Demonstrationsrecht während der Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Die Partei Die Linke sollte diese Kräfte in den Gewerkschaften stärken.BUNDESWEITE DEMONSTRATIONEN AM 12. JUNI 2010
Das Bündnis der Krisenproteste mobilisiert zum 12. Juni 2010 zu bundesweiten Demonstrationen. Bei der Vorbereitung dieser Aktivitäten könnte Die Linke eine wichtige und produktive Rolle spielen, sowohl innerhalb des Bündnisses als auch außerhalb. Lafontaine hat vorgeschlagen, die Frage »Wer bezahlt die Zeche der Krise?« zum zentralen Wahlkampfthema in NRW zu machen. Dabei geht es nicht darum, permanent in Kassandrarufe auszubrechen, sondern über die Vorhaben der schwarz-gelben Regierung, über die Entwicklung in den Betrieben und die Krisen›lösungs‹strategien des Kapitals aufzuklären und dem die eigenen Forderungen und Alternativen entgegen zu setzen. Gleichzeitig sollte Die Linke ihre Mitglieder, Orts-, Kreis- und Landesverbände aufrufen, in den lokalen und bundesweiten Bündnissen mitzuarbeiten oder sogar zu deren Gründung aufrufen, wo es sie noch nicht gibt. Nicht, um die Bündnisse zu dominieren oder sie zu Wahlkampfzwecken zu benutzen. Die Partei könnte eine wichtige Scharnierfunktion zwischen den verschiedenen Gruppen insbesondere in die gewerkschaftlichen Gliederungen hinein erfüllen. Es ist nicht zu unterschätzen, dass sie über den SDS und teilweise über Solid ein wichtiger Akteur bei den Bildungsstreiks geworden ist. Die Bereitschaft der Schülerinnen, Schüler und Studierenden zu Bündnissen mit den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften ist erfreulich groß. Es gibt gelungene Beispiele gemeinsamer Aktionen, sogar Streiks. Die Partei Die Linke sollte ihren wichtigen Beitrag zum Erstarken der außerparlamentarischen Bewegung gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Beschäftigten, Erwerbslosen und Rentnerinnen und Rentner innerhalb und außerhalb der Parlamente leisten.Die Linke in Bewegungen und Bündnissen