Durch die geplante Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektromotor werden ganze Produktionsbereiche obsolet. Elektroautos benötigen kein Getriebe und keine Auspuffanlage. Eine Studie des Verbands der Automobilindustrie (VDA) schätzt, dass von 2019 bis 2030 etwa ein Drittel der Arbeitsplätze in der Produktion von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen wegfällt. Der VDA kalkulierte allerdings, dass gleichzeitig 110 000 Arbeitsplätze durch wachsende Bereiche, die für die Elektrifizierung und Digitalisierung der Fahrzeuge notwendig sind, entstehen könnten. Dennoch bliebe ein erheblicher Arbeitsplatzverlust aufgrund des per Saldo schrumpfenden Arbeitsvolumens, das für die Autoproduktion notwendig ist.
Um den Rückstand gegenüber der US-amerikanischen und chinesischen Industrie aufzuholen, sind hohe Investitionen notwendig. Dies stellt die Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Ihre Reaktion unterscheidet sich von den in den vergangenen Jahrzehnten eingeübten Mustern der Krisenbewältigung. Während die globale Finanzkrise und die Coronakrise noch mit einer Mischung aus Kurzarbeit, Entlassung von Leiharbeiter*innen, Ausnutzung der »natürlichen Fluktuation« etc. bewältigt wurden, stehen nun tiefere Einschnitte an. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zur Beschäftigungssicherung werden von den Unternehmen aufgekündigt, Massenentlassungen und Werksschließungen stehen plötzlich auf der Tagesordnung, größere Lohnsenkungen werden gefordert, ohne dass Gegenleistungen in Aussicht gestellt werden.
Besonders beunruhigend: Auch Bereiche, die für die digitale und ökologische Transformation benötigt werden, sind vom Abbau betroffen. So will der Autozulieferer ZF, der seine modernsten elektronischen Lenksysteme (steer-by-wire) inzwischen in China produziert, seine Entwicklungsabteilungen für Elektronik hierzulande abstoßen und die Sparte für Elektromobilität ausgliedern. Gründe sind die geringe Auslastung der Werke und die mangelnde Amortisierung der Investitionen, weil sich Elektroautos in Deutschland nicht wie geplant verkaufen.
Wachsende Zweifel an der »grünen« Transformation – Beispiel Stahlindustrie
Der notwendige ökologische Umbau der Industrie, der Industriearbeitsplätze sichern könnte, stößt in verschiedener Hinsicht auf Schwierigkeiten. Die Versuche der Bundesregierung, die einheimischen Großunternehmen durch eine stärkere Industriepolitik im Hinblick auf die weitere Digitalisierung und den »grünen« Industrieumbau gezielt zu fördern, riefen Widerstände innerhalb des deutschen Machtblocks hervor. Insbesondere das nichtmonopolistische Kapital, die kleinen und mittleren Unternehmen, befürchteten, dass ihnen diese Subventionen nicht zugutekommen würden und sie letztlich durch höhere Steuern negativ getroffen würden. Neoliberale Ideolog*innen sind per se gegen eine staatliche Industriepolitik. Die bisherigen Regierungen setzten klimapolitisch vor allem auf eine CO2-Bepreisung, versäumten es aber, die subalternen Klassen durch soziale Ausgleichsmaßnahmen für steigende Preise einzubinden. Nach dem Scheitern der Ampelkoalition blieb es der neuen Koalition von Union und SPD überlassen, die Widerstände gegen höhere staatliche Investitionen im Bereich der Infrastruktur und die stärkere Subventionierung von Großunternehmen zu überwinden. Dass nun im Laufe der nächsten Jahre durch eine zusätzliche Kreditaufnahme 500 Milliarden Euro für staatliche Infrastrukturinvestitionen mobilisiert werden können, ist allerdings auch keine hinreichende Bedingung für eine ökologische Transformation. Es sind vor allem private Investitionsentscheidungen, von denen abhängt, wie sich der deutsche Produktionsapparat entwickelt. Und hier zeigt sich, dass auch die Strategien der maßgeblichen Großunternehmen, die die Hauptprofiteure staatlicher Subventionen sind, nicht klar auf den ökologischen Umbau ausgerichtet sind. Sich verändernde und unsichere Weltmarktbedingungen erschweren auch die notwendigen langfristigen Investitionsentscheidungen.
Aus all diesen Gründen stößt die Durchsetzung des Projekts »grüner Kapitalismus« in Deutschland auf Schwierigkeiten. Ein Beispiel: Thyssenkrupp sollte zwei Milliarden Euro für den Bau und Betrieb einer neuen Direktreduktionsanlage für »grünen« Stahl in Duisburg von der Bundesregierung und dem Land Nordrhein-Westfalen erhalten. Der Konzern selbst wollte eine Milliarde Euro investieren. Die Europäische Kommission genehmigte die Beihilfen im Juli 2023. Wenig später wurde die Realisierung der Pläne jedoch in Zweifel gezogen. Die erwarteten Kosten für die neue Anlage waren inzwischen gestiegen. Aktionärsvertreter*innen und Branchenexpert*innen bezweifelten zudem, dass überhaupt genügend günstiger Strom bzw. »grüner« Wasserstoff für die Stahlproduktion zu akzeptablen Preisen produziert oder importiert und dass »grüner« Stahl in Deutschland profitabel produziert werden kann. Der Konzern schrieb aufgrund der weltweiten Überkapazitäten in der Stahlproduktion 2023 und 2024 Verluste. Den chinesischen Stahlherstellern werden Dumpingpreise vorgeworfen; die US-Regierung versucht, ihre Stahlindustrie mit Einfuhrzöllen zu schützen. Die EU kritisiert einerseits die US-Zölle, neigt aber selbst zum Protektionismus gegenüber China. In der EU ist die Stahlproduktion, die vor der Covid-19-Pandemie bei 160 Millionen Tonnen im Jahr lag, auf 126 Millionen Tonnen im Jahr 2023 gesunken. Während die Produktionskosten aufgrund steigender Energiepreise und der CO2-Bepreisung gestiegen sind, sind die Preise aufgrund der Überkapazitäten und sinkenden Nachfrage gefallen. Dies hat zu rückläufiger Produktion geführt, und die mangelhafte Kapazitätsauslastung drückt zusätzlich auf die Profitabilität. Inzwischen ist Thyssenkrupp dabei, die Hälfte der Anteile an der Stahlsparte an den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský zu verkaufen. Zudem will der Konzern die Produktionskapazität senken und 11 000 Stellen abbauen oder auslagern. Dies zeigt: Auf die Eigentümer*innen des Konzerns ist bei der Transformation hin zur »grünen« Stahlproduktion kein Verlass.
Vom »Green Deal« zum Militärkeynesianismus?
Die ambitionierte ökologische Modernisierung der selbsternannten »Fortschrittskoalition« von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP scheiterte vorzeitig an vielfältigen Widersprüchen und Widerständen. Parallel führte der Ukrainekrieg zu einer deutlichen Verschiebung der Prioritäten bei den Herrschenden – der »Green Deal« trat in den Hintergrund, während mit der Aufrüstung ein neues Projekt an Bedeutung gewann, hinter dem sich die verschiedenen Fraktionen des Machtblocks, die Wirtschaftsverbände und die staatstragenden Parteien vereinen konnten.
Wachsende staatliche Militärausgaben erhöhen zwar die Nachfrage in der Rüstungsindustrie und den vorgelagerten Industrien – manche sprechen deswegen auch von »Rüstungskeynesianismus« –, doch bewirken sie keine allgemeine Verbesserung der Produktionsbedingungen des Kapitals. Anders sieht es bei Investitionen aus, die die Arbeitsproduktivität bei der Produktion derjenigen Waren, die die Lohnabhängigen konsumieren, steigern. Investitionen, die die Reproduktion der Arbeitskraft rationeller gestalten, können letztlich zu einer Erhöhung des relativen Mehrwerts führen und so dem Kapital zugutekommen. Vom Standpunkt der Lohnabhängigen sind Investitionen in das Bildungs- oder Gesundheitswesen in jedem Fall einer Erhöhung der Militärausgaben vorzuziehen. Die gegenwärtigen Diskurse lassen jedoch befürchten, dass ein Großteil der staatlichen Mittel in die weitere Militarisierung fließt.