Im 21.Jahrhundert jagt eine Krise die nächste. Erst die Finanzmarktkrise und die Klimakrise, dann die Eurokrise, die so genannte Flüchtlingskrise, die Corona-Pandemi e, der russische Angriffskrieg und der Nahost-Krieg. Die Liste des Schreckens ließe sich beliebig fortsetzen. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Der Kapitalismus steckt in einer organischen Krise, aus der die politischen und ökonomischen Eliten keinen Ausweg finden.
Krieg ist heute wieder die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Nach dem Kollaps der Sowjetunion entstand eine Weltordnung unter Führung der USA. Anschließend wuchs die Zahl militärischer Konflikte. Der rasante wirtschaftliche Aufstieg Chinas und einiger Schwellenländer – Brasilien, Indien, Südafrika, etc. – forderte die US-Vorherrschaft heraus.
Washington reagierte auf seinen drohenden wirtschaftlichen Abstieg mit Industriepolitik, Sanktionen sowie Zöllen und weiteren Handelsschranken. Obama, Biden, Trump & Co wollten eine globale Technologieführerschaft Chinas um jeden Preis verhindern. In Reaktion darauf verbündete sich Peking mit Brasilien, Indien, Südafrika, Russland und weiteren Staaten (BRICS). So entstand eine neue multipolare Weltordnung.
Seitdem kämpfen die Großmächte und Wirtschaftsblöcke mit harten Bandagen um die wirtschaftliche und politische Vormacht. Es gilt das Recht des Stärkeren. Zudem ist mit Putins Angriff auf die Ukraine der kalte Krieg zurückgekehrt. Die so genannte liberale regelbasierte Weltordnung – wenn sie jemals existiert hat - ist Geschichte.
Der russische Angriffskrieg hat eine weltweite Aufrüstungsspirale in Gang gesetzt. Die NATO erhöhte ihre Militärausgaben seit 2021 um ein Fünftel. Nach Berechnungen des Stockholmer International Peace Research Institute liegen sie heute bei 1,3 Billionen Euro. Dies entspricht mehr als der Hälfte der weltweiten Militärausgaben.[1] Das neue 5%-Ziel des transatlantischen Militärbündnisses lässt die Verteidigungsausgaben der 32 NATO-Staaten auf insgesamt 11,5 Billionen Euro steigen.[2]
Auch die Berliner Republik ließ über Bundeswehr und Waffenschmieden Geld regnen. Die schwarz-rote Bundesregierung steckt dieses Jahr 86 Mrd. Euro ins Militär.[3] Das ist 2,5mal mehr als Berlin für Bildung und Gesundheit ausgibt. Deutschland hat inzwischen das weltweit viertgrößte Verteidigungsbudget.
Doch damit nicht genug. Die Merz-Regierung will den Verteidigungshaushalt bis 2029 auf 153 Mrd. Euro aufstocken.[4] Mitte der 2010er Jahre spendierten Merkel und von der Leyen dem Militär nur schlappe 38 Mrd. Euro. Folglich vervierfacht Berlin nun seine Militärausgaben. Ende dieses Jahrzehnts wird mehr als jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt ins Militär fließen.
Ferner hat Friedrich Merz auf dem letzten Nato-Gipfel zugesagt, ab 2035 fünf Prozent des Sozialprodukts fürs Militär zu springen zu lassen. Dies entspricht jährlich 215 Mrd. Euro – mehr als wir heute für Arbeit und Soziales ausgeben. Dieses Geld soll in Luftverteidigung, Luft- und Raumfahrt, Fregatten, U-Boote, gepanzerte Fahrzeuge und Munition fließen. Deutschland soll zukünftig über die stärkste konventionelle Armee Europas verfügen.
Aufrüstung auf Pump
Schwarz-Rot bezahlt die olivgrüne Shoppingtour mit der Kreditkarte. Nachdem das Parlament die Verfassung änderte, hat das Militär keinen Stress mehr mit der Schuldenbremse.
Die Große Koalition kann heute alle Militärausgaben über ein Prozent des Sozialprodukts auf Pump finanzieren. Oder in den Worten von Friedrich Merz: „What ever it takes“. Eine detaillierte Bedarfsplanung für das neue Kriegsspielzeug fehlt jedoch. Stattdessen spielt Kanzler Merz mit den Generälen „Wünsch Dir was“.
Die zusätzlichen kreditfinanzierten Militärausgaben könnten sich in den nächsten 10 Jahren auf 1,5 Billionen Euro summieren. Ferner erhält die heimische Armee 100 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Darüber hinaus ermöglicht ein 500 Mrd. Euro schwerer Infrastrukturfonds, Investitionen in die physische und soziale Infrastruktur. Auch diese Investitionen können in Form panzergerechter Brücken und Straßen, Militärkliniken sowie Katastrophenschutz einer militärischen Logik folgen.
Aus finanzpolitischer Sicht sind Militär- und Infrastrukturausgaben auf Pump für unsere Republik ein Paradigmenwechsel. Jahrzehntelang galten Schulden als Teufelszeug. Mit fatalen Folgen: Die Infrastruktur wurde auf Verschleiß gefahren und der Sozialstaat abgebaut. Nun darf der oberste Kassenwart nach aktueller Haushaltsplanung in den nächsten Jahren 850 Mrd. Euro neue Schulden machen.[5]
Merz und Klingbeil können dadurch verhindern, dass harte Verteilungskämpfe die Aufrüstungsanstrengungen gefährden. Denn eine höhere Mehrwertsteuer oder Rentenkürzungen für neue Panzer und Kampfflieger wären äußerst unpopulär.
Aufrüstung als Wachstumstreiber?
Aktuell streitet die ökonomische Zunft darüber, wie sich steigende Militärausgaben auf die Konjunktur auswirken. Sorgt der neue Rüstungskeynesianismus für ein olivgrünes Wirtschaftswunder?
Militärausgaben sind keine Investitionen, die später Erträge abwerfen. Rüstungsgüter sind totes Kapital. Aus ökonomischer Sicht sind Militärausgaben lediglich staatlicher Konsum. Diese unproduktiven Ausgaben ziehen zudem Ressourcen – Fachkräfte, Kapital, Boden - aus produktiven Bereichen ab. Das dämpft die mittelfristige wirtschaftliche Dynamik. Dennoch können Militärausgaben die Wirtschaft kurzfristig ankurbeln. Dafür müssen die neuen Waffen bei heimischen Rüstungsschmieden bestellt und produziert werden. Von steigenden Militärausgaben könnten neben der Rüstungsindustrie auch die Metallindustrie, der Metallhandel sowie Transport- und Logistikunternehmen profitieren. Aktuell arbeiten in den 230 Unternehmen der Rüstungsindustrie rund 70.000 Beschäftigte. Diese Zahl könnte in Zukunft kräftig steigen.
Das wirtschaftsliberale Kieler Institut für Weltwirtschaft behauptet in einer aktuellen Studie, dass eine Erhöhung der Militärausgaben der EU-Staaten von 2 auf 3,5% des BIP, die Wirtschaft um jährlich 0,9 bis 1,5% wachsen lässt.[6] Der Multiplikator von Rüstungsausgaben liegt angeblich zwischen 0,6 und 1,5. Mit anderen Worten: Jeder vom Staat für Rüstungsgüter ausgegebene Euro erhöht die heimische Wirtschaftsleistung um 60 Cent bis 1,5 Euro. Nur zum Vergleich: Der Multiplikator für Infrastrukturinvestitionen liegt bei 1,5, der von Bildungsausgaben bei 3.
