Im 21.Jahrhundert jagt eine Krise die nächste. Erst die Finanzmarktkrise und die Klimakrise, dann die Eurokrise, die so genannte Flüchtlingskrise, die Corona-Pandemi e, der russische Angriffskrieg und der Nahost-Krieg. Die Liste des Schreckens ließe sich beliebig fortsetzen.  Die Welt ist aus den Fugen geraten. Der Kapitalismus steckt in einer organischen Krise, aus der die politischen und ökonomischen Eliten keinen Ausweg finden.

Krieg ist heute wieder die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Nach dem Kollaps der Sowjetunion entstand eine Weltordnung unter Führung der USA. Anschließend wuchs die Zahl militärischer Konflikte. Der rasante wirtschaftliche Aufstieg Chinas und einiger Schwellenländer – Brasilien, Indien, Südafrika, etc. – forderte die US-Vorherrschaft heraus. 

Washington reagierte auf seinen drohenden wirtschaftlichen Abstieg mit Industriepolitik, Sanktionen sowie Zöllen und weiteren Handelsschranken. Obama, Biden, Trump & Co wollten eine globale Technologieführerschaft Chinas um jeden Preis verhindern. In Reaktion darauf verbündete sich Peking mit Brasilien, Indien, Südafrika, Russland und weiteren Staaten (BRICS). So entstand eine neue multipolare Weltordnung.

Seitdem kämpfen die Großmächte und Wirtschaftsblöcke mit harten Bandagen um die wirtschaftliche und politische Vormacht. Es gilt das Recht des Stärkeren. Zudem ist mit Putins Angriff auf die Ukraine der kalte Krieg zurückgekehrt. Die so genannte liberale regelbasierte Weltordnung – wenn sie jemals existiert hat - ist Geschichte.

Der russische Angriffskrieg hat eine weltweite Aufrüstungsspirale in Gang gesetzt. Die NATO erhöhte ihre Militärausgaben seit 2021 um ein Fünftel. Nach Berechnungen des Stockholmer International Peace Research Institute liegen sie heute bei 1,3 Billionen Euro. Dies entspricht mehr als der Hälfte der weltweiten Militärausgaben.[1] Das neue 5%-Ziel des transatlantischen Militärbündnisses lässt die Verteidigungsausgaben der 32 NATO-Staaten auf insgesamt 11,5 Billionen Euro steigen.[2]

Auch die Berliner Republik ließ über Bundeswehr und Waffenschmieden Geld regnen. Die schwarz-rote Bundesregierung steckt dieses Jahr 86 Mrd. Euro ins Militär.[3] Das ist 2,5mal mehr als Berlin für Bildung und Gesundheit ausgibt. Deutschland hat inzwischen das weltweit viertgrößte Verteidigungsbudget. 

Doch damit nicht genug. Die Merz-Regierung will den Verteidigungshaushalt bis 2029 auf 153 Mrd. Euro aufstocken.[4] Mitte der 2010er Jahre spendierten Merkel und von der Leyen dem Militär nur schlappe 38 Mrd. Euro. Folglich vervierfacht Berlin nun seine Militärausgaben. Ende dieses Jahrzehnts wird mehr als jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt ins Militär fließen.

Ferner hat Friedrich Merz auf dem letzten Nato-Gipfel zugesagt, ab 2035 fünf Prozent des Sozialprodukts fürs Militär zu springen zu lassen. Dies entspricht jährlich 215 Mrd. Euro – mehr als wir heute für Arbeit und Soziales ausgeben. Dieses Geld soll in Luftverteidigung, Luft- und Raumfahrt, Fregatten, U-Boote, gepanzerte Fahrzeuge und Munition fließen. Deutschland soll zukünftig über die stärkste konventionelle Armee Europas verfügen.

Aufrüstung auf Pump

Schwarz-Rot bezahlt die olivgrüne Shoppingtour mit der Kreditkarte. Nachdem das Parlament die Verfassung änderte, hat das Militär keinen Stress mehr mit der Schuldenbremse. 

Die Große Koalition kann heute alle Militärausgaben über ein Prozent des Sozialprodukts auf Pump finanzieren. Oder in den Worten von Friedrich Merz: „What ever it takes“. Eine detaillierte Bedarfsplanung für das neue Kriegsspielzeug fehlt jedoch. Stattdessen spielt Kanzler Merz mit den Generälen „Wünsch Dir was“.

Die zusätzlichen kreditfinanzierten Militärausgaben könnten sich in den nächsten 10 Jahren auf 1,5 Billionen Euro summieren. Ferner erhält die heimische Armee 100 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Darüber hinaus ermöglicht ein 500 Mrd. Euro schwerer Infrastrukturfonds, Investitionen in die physische und soziale Infrastruktur. Auch diese Investitionen können in Form panzergerechter Brücken und Straßen, Militärkliniken sowie Katastrophenschutz einer militärischen Logik folgen. 

Aus finanzpolitischer Sicht sind Militär- und Infrastrukturausgaben auf Pump für unsere Republik ein Paradigmenwechsel. Jahrzehntelang galten Schulden als Teufelszeug. Mit fatalen Folgen: Die Infrastruktur wurde auf Verschleiß gefahren und der Sozialstaat abgebaut. Nun darf der oberste Kassenwart nach aktueller Haushaltsplanung in den nächsten Jahren 850 Mrd. Euro neue Schulden machen.[5] 

Merz und Klingbeil können dadurch verhindern, dass harte Verteilungskämpfe die Aufrüstungsanstrengungen gefährden. Denn eine höhere Mehrwertsteuer oder Rentenkürzungen für neue Panzer und Kampfflieger wären äußerst unpopulär.

Aufrüstung als Wachstumstreiber?

Aktuell streitet die ökonomische Zunft darüber, wie sich steigende Militärausgaben auf die Konjunktur auswirken. Sorgt der neue Rüstungskeynesianismus für ein olivgrünes Wirtschaftswunder? 

Militärausgaben sind keine Investitionen, die später Erträge abwerfen. Rüstungsgüter sind totes Kapital. Aus ökonomischer Sicht sind Militärausgaben lediglich staatlicher Konsum. Diese unproduktiven Ausgaben ziehen zudem Ressourcen – Fachkräfte, Kapital, Boden - aus produktiven Bereichen ab. Das dämpft die mittelfristige wirtschaftliche Dynamik. Dennoch können Militärausgaben die Wirtschaft kurzfristig ankurbeln. Dafür müssen die neuen Waffen bei heimischen Rüstungsschmieden bestellt und produziert werden. Von steigenden Militärausgaben könnten neben der Rüstungsindustrie auch die Metallindustrie, der Metallhandel sowie Transport- und Logistikunternehmen profitieren. Aktuell arbeiten in den 230 Unternehmen der Rüstungsindustrie rund 70.000 Beschäftigte. Diese Zahl könnte in Zukunft kräftig steigen. 

Das wirtschaftsliberale Kieler Institut für Weltwirtschaft behauptet in einer aktuellen Studie, dass eine Erhöhung der Militärausgaben der EU-Staaten von 2 auf 3,5% des BIP, die Wirtschaft um jährlich 0,9 bis 1,5% wachsen lässt.[6] Der Multiplikator von Rüstungsausgaben liegt angeblich zwischen 0,6 und 1,5. Mit anderen Worten: Jeder vom Staat für Rüstungsgüter ausgegebene Euro erhöht die heimische Wirtschaftsleistung um 60 Cent bis 1,5 Euro. Nur zum Vergleich: Der Multiplikator für Infrastrukturinvestitionen liegt bei 1,5, der von Bildungsausgaben bei 3. 

»Militärausgaben sind keine Investitionen, die später Erträge abwerfen. Rüstungsgüter sind totes Kapital.«

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) geht davon aus, dass die Merz-Regierung durch die Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse bis 2028 zusätzliche Militärausgaben in Höhe von 400 Mrd. Euro mobilisieren kann. Das reale Bruttoinlandsprodukt würde durch diesen kurzfristen Nachfrageschub um geschätzte 5,4% steigen. Danach schwächen sich die Wachstumsimpulse ab. Ab 2029 würden die höheren Militärausgaben laut IW nichts mehr zum Wachstum beitragen.[7] 

Mittelfristig profitiert die Wirtschaft angeblich auch von den Spillover-Effekten der Rüstungsindustrie. Militärische Hightech-Forschung kann auf andere zivile Wirtschaftsbereiche übertragen werden. Dadurch wächst die gesamtwirtschaftliche Produktivität. Der US-militärisch-industrielle Komplex war bekanntlich der Geburtshelfer von Internet und GPS. Washington gibt 16 Prozent seiner Militärausgaben für F&E aus, die EU lediglich 4,5 Prozent. [8] Mehr Geld für Militärforschung könnte, dieser Lesart folgend, die Privatwirtschaft produktiver machen. 

Nur zur Erinnerung: Viele marktradikale Ökonomen, die heute behaupten, Militärausgaben auf Pump würden Konjunktur und Wachstum anschieben, haben in den letzten Jahren jegliche Form kreditfinanzierter staatlicher Konjunkturprogramme hart kritisiert. Staatsausgaben auf Pump würden nur private Investitionen verdrängen und lediglich ein Strohfeuer entfachen, so ihre Behauptung. Die so genannte Zeitenwende geht also offensichtlich auch mit einer ideologischen Knochenerweichung einher.

Eine andere Sicht auf die Wachstumseffekte von Militärausgaben haben die keynesianischen Ökonomen Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk.[9] Sie schätzen den Fiskalmultiplikator auf niedrige 0 bis 0,5. Aufgrund beschränkten Wettbewerbs und ausgelasteter Produktionskapazitäten würden höhere Militärausgaben kurzfristig nur die Inflation anheizen und die Gewinne der Waffenschmieden steigen lassen.

In der Rüstungsindustrie ist Wettbewerb ein Fremdwort. Ein Oligopol kontrolliert die Produktion von Rüstungsgütern. Konzentration und Zentralisation prägen die Branche. Die durchschnittliche Zahl der Angebote im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich ging von über sieben im Jahr 2009 bis auf knapp unter zwei pro Ausschreibung im Jahr 2017 zurück.[10] Fast jeder zweite Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr floss an die größte deutsche Rüstungsschmiede Rheinmetall. Die große Marktmacht der wenigen Rüstungsfirmen lässt ihnen freie Hand bei der Preisgestaltung. Einem internen Rüstungsbericht folgend, sind elf von 13 zentralen Rüstungsprojekten teurer als geplant. Die Mehrkosten belaufen sich auf insgesamt rund 13 Mrd. Euro.[11]

Kein Wunder, dass die Profite von Rheinmetall, Hensoldt, Diehl & Co explodieren. Die Nettoprofitmarge von Rheinmetall stieg auf 7 Prozent. Die Hensoldt AG hat eine Nettomarge zwischen 3 und 5%.[12] Tendenz steigend! Die Eigenkapitalrenditen der beiden Rüstungskonzerne liegen zwischen 10 und 20%. Die Dividendenzahlungen an die Aktionäre von Rheinmetall und Hensoldt vervierfachten sich zwischen 2020 und 2024. Der Wert der Rheinmetallaktie stieg von 74 auf fast 2000 Euro. Der Kurs der Hensoldt AG kletterte von 12 auf 100 Euro.

Darüber hinaus verpuffen die Konjunktur- und Wachstumseffekte zusätzlicher Staatsausgaben, wenn die öffentlichen Aufträge überwiegend an ausländische Unternehmen gehen. Fast 80% der europäischen Rüstungsgüter werden bei nicht EU-Unternehmen in Auftrag gegeben. Das ist gut für Lockheed Martin, Northrop Grumman, Boing & Co, belebt aber nicht die deutsche und europäische Konjunktur. 

Klar ist auch: Höhere Produktionskapazitäten in der Rüstungsindustrie können den Fachkräftemangel in anderen Industriebranchen verschärfen. Gleichzeitig ist der Beschäftigungsboom der kapitalintensiven Rüstungsindustrie nicht groß genug, um die Absatz- und Strukturkrise der Automobilindustrie abfedern zu können.[13]

Kurzum: Die gesamtwirtschaftliche Rendite der Militärausgaben ist sehr gering.[14] Im Klartext: Aufrüstung ist kein Wachstumstreiber. 

Aufrüstung stresst öffentliche Finanzen

Die heimischen Staatsfinanzen sind in einem schlechten Zustand. Die Steuereinnahmen decken nicht die Mehrausgaben. Im Gegenteil: Die schwarz-rote Regierung machte den Unternehmen milliardenschwere Steuergeschenke – Wachstumsbooster – und schwächte damit die staatliche Einnahmeseite. 

Klingbeils XXL-Schulden reichen nicht, um den Haushalt auszugleichen. Bereits 2027 droht eine Haushaltslücke von 34 Mrd. Euro. Doch damit nicht genug. In der Wilhelmstraße kalkuliert man bis 2029 mit einem 172 Mrd. Euro großen Haushaltsloch.[15]

Die Koalition streitet jetzt darüber, wie sie die Löcher stopfen will. Der Finanzminister hofft auf Wachstum, mehr Jobs und sprudelnde Steuerquellen. Merz, Reiche, Linnemann & Co wollen lieber Sozialleistungen – Bürgergeld, Wohngeld, Flüchtlingshilfe, etc. - kürzen. Steuererhöhungen schließen sie kategorisch aus. Doch auch Klingbeil hat seine Kabinettskollegen bereits aufgefordert, für den Haushalt 2027 konkrete Sparvorschläge auf den Tisch zu legen, um die Haushaltslücke zu schließen. Im schlimmsten Fall droht schon bald eine Agenda 2030 mit massiven Einschnitten bei Arbeit und Soziales.

Die kreditfinanzierten Militärausgaben lassen den Schuldendienst des Bundes kräftig steigen. Die Aufrüstung vergrößert den zukünftigen Schuldendienst. Der oberste Kassenwart zahlt heute bereits rund 30 Mrd. Euro Zinsen. Diese Zinslast wird sich in den nächsten vier Jahren voraussichtlich verdoppeln. Der Anteil der Zinsen an den Steuereinnahmen würde dann von 7,8% (2025) auf 15,7% (2029) steigen.

Zum Schuldendienst gehört auch die Tilgung. Zwar können alte Staatsschulden immer wieder durch neue Anleihen abgelöst werden. Der Staat muss also seine Kredite nicht tilgen. Die Merz-Regierung will jedoch die Notlagenkredite und Sondervermögen zurückzahlen. 

Dafür wurden detaillierte Tilgungspläne erstellt. Ab 2028 müssen die Coronakredite – 335 Mrd. Euro – abgetragen werden, 2031 folgt die Tilgung des Bundeswehrsondervermögens – 100 Mrd. Euro – und ab 2037 – spätestens aber 2044 ­ ist die erste Rate für das Sondervermögen Infrastruktur – 500 Mrd. Euro – fällig. In der Spitze muss Berlin zukünftig jährlich 30 Mrd. Euro zusammenkratzen, um diese Kredite abzubezahlen.[16] Plus Zinsen summiert sich der Schuldendienst dann auf einen fast dreistelligen Milliardenbetrag.

Um Missverständnisse auszuschließen: Ein 100 Mrd. Euro schwerer Schuldendienst pro Jahr verengt nicht zwangsläufig die staatlichen Handlungsspielräume. Schließlich können schuldenfinanzierte Investitionen und Konsum die Wirtschaft beleben. Ein größeres Sozialprodukt ermöglicht dann höhere Steuereinnahmen. Letztere könnten, trotz steigender Zins- und Tilgungszahlungen, ausreichen, um den Sozialstaat auskömmlich zu finanzieren. Wenn die Wirtschaft boomt, dann gehen Aufrüstung und Schuldendienst nicht zu Lasten des Sozialstaats. Dafür wäre aber ein durchschnittliches reales Wachstum von mindestens 2% notwendig. 

Wenn die Konjunktur aber weiter lahmt, dann fehlt jeder Euro, der für Panzer, Munition, Kampfflugzeuge, Zinsen und Tilgung ausgegeben wird, für Kitas, Krankenhäuser, Pflege, bezahlbares Wohnen oder Strom- und Bahnnetze. Gleichzeitig schrumpft der Verteilungsspielraum für die Tarifrunden des öffentlichen Dienstes. 

Aktuell ist kein kräftiger selbsttragender Aufschwung in Sicht. Die professionellen Auguren sagen für 2025 wirtschaftlichen Stillstand voraus. Für das nächste Jahr rechnen die Experten mit einer leichten bis mittleren wirtschaftlichen Erholung (1,0 bis 1,7% reales Wachstum). Ursächlich dafür sind nicht steigende Militärausgaben, sondern mehr öffentliche Infrastrukturinvestitionen. Die prognostizierte wirtschaftliche Erholung ist aber aufgrund der angespannten geopolitischen Lage mit hohen Risiken behaftet.

Zukunft des Sozialstaats

Die gesellschaftlichen Bedarfe werden in den nächsten Jahren, unabhängig von der Konjunkturlage, wachsen. Eine alternde Gesellschaft, viele unsichere und gering bezahlte Jobs, der Mehrbedarf an Kinderbetreuung, Kinderarmut, Wohnungsnot und die soziale Gestaltung des ökologischen Umbaus erfordern nicht weniger, sondern mehr Sozialstaat. 

Die Sozialversicherungen brauchen mehr Geld, um die aktuellen Leistungen aufrecht zu erhalten. Die gesetzlichen Krankenversicherungen und die Pflegeversicherung schreiben heute rote Zahlen. Ihre Beiträge und/oder die Bundeszuschüsse müssten erhöht werden, um ihre Finanzlage zu verbessern.[17] Wenn darüber hinaus die zentralen Lebensrisiken der Bevölkerung besser abgesichert werden sollen – höheres Rentenniveau, Pflegevollversicherung, bessere Personalausstattung und höhere Löhne für Sozialberufe -, dann nimmt der Finanzbedarf der Sozialkassen weiter zu. 

Der Sozialstaat ist aber mehr als soziale Sicherung. Wenn der Investitionsstau in der sozialen und physischen Infrastruktur aufgelöst werden soll, muss jedes Jahr ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag investiert werden. Hier hilft das Sondervermögen Infrastruktur. Zur Wahrheit gehört aber auch: 500 Mrd. Euro, wovon jeweils 100 Mrd. Euro an den Klima- und Transformationsfonds sowie an die Bundesländer fließen, gestreckt auf 12 Jahre, reichen dafür nicht aus. Allein die Städte und Gemeinden haben einen Investitionstau von über 216 Mrd. Euro.[18]

Zudem brauchen Kitas, Schulen, Universitäten, Kliniken und Altersheime mehr Personal. In den Krankenhäusern und in der Altenpflege fehlen jeweils über 100.000 Pflegekräfte. Die frühkindliche Erziehung und Betreuung benötigen schon bald 190.000 Fachkräfte. Im öffentlichen Dienst beläuft sich der Personalmangel auf über 300.000 Arbeitskräfte. Folglich müssten die Personal- und Sachausgaben ebenfalls um einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag erhöht werden.

Während die Anforderungen an den Sozialstaat steigen, fehlt ohne gute Konjunktur und mehr Steuergerechtigkeit, das nötige Kleingeld, um den notwendigen Ausbau der Daseinsvorsorge und sozialen Sicherung zu finanzieren. Die steigenden Militärausgaben und der einhergehende Schuldendienst drohen die Finanznot des Sozialstaats zu verschärfen. 

Folglich spitzt sich der Verteilungskonflikt um knappe Haushaltsmittel zu. Der Klassenkampf von oben hat bereits begonnen. Die Arbeitgeberverbände wollen die Axt an den Sozialstaat legen. Sie fordern eine Obergrenze des gesamten Versicherungsbeitrags, den Ausschluss weiterer Leistungsversprechen, eine Abschaffung der Rente mit 63, ein höheres Renteneintrittsalter und eine Streichung der Pflegestufe 1. Gleichzeitig lehnen BDA, BDI & Co im Schulterschluss mit den Unionsparteien höhere Steuern auf Spitzeneinkommen und Vermögen oder eine Übergewinnsteuer für Waffenschmieden ab. 

Auf diesen gesellschaftlichen Großkonflikt müssen sich Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbände, soziale Bewegungen sowie progressive Parteien jetzt vorbereiten, um für die anstehenden Abwehrkämpfe breit mobilisieren zu können. 

Die Gewerkschaften wollen nicht, dass Berlin dem Militär ein Füllhorn spendiert. Das Geld, das heute in Rüstung fliest, fehlt morgen für gute Bildung, soziale Sicherheit und Klimaschutz. Ohne kräftigen Aufschwung und eine gerechte Steuerpolitik drohen schon bald milliardenschwere Haushaltskürzungen und Sozialabbau. Der wirtschaftsliberale Ökonom und IFO-Chef Clemens Fuest redet Klartext: „Kanonen und Butter – das wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist Schlaraffenland. Das geht nicht. Sondern Kanonen ohne Butter“.[19] 

Die gewerkschaftliche Alternative zu grenzenloser Aufrüstung und Sozialabbau, ist eine Politik, die in die Zukunft investiert, den Sozialstaat ausbaut und den ökologischen Umbau sozial gestaltet. Geld ist genug da. Der öffentlichen Armut steht ein gigantischer privater Reichtum gegenüber. Während wir Investitionen in die soziale und physische Infrastruktur weiter mit der Kreditkarte bezahlen können, sollten die laufenden Personal- und Sachausgaben für Bildung, Gesundheit und Pflege über höhere Steuern auf große Einkommen und Vermögen – Vermögenssteuer, Vermögensabgabe, Erbschaftssteuerreform, höherer Spitzensteuersatz, Übergewinnsteuer - sowie über höhere Beiträge – höhere Beitragsbemessungsgrenze - finanziert werden.

Für diese sozial gerechte und klimafreundliche Politik lassen sich gesellschaftliche Mehrheiten gewinnen.

[1] Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI): Unprecedented rise in global military expenditure as European and Middle East spending surges, 28.4.2025

[2] Die NATO-Mitgliedsstaaten haben auf dem NATO-Gipfel in Den Haag beschlossen, zukünftig mindestens 5% ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Das 5%-Ziel setzt sich aus 3,5% für reine Verteidigungsausgaben und 1,5% für verteidigungsrelevante Ausgaben wie Infrastruktur zusammen.  Dieses Ziel soll bis 2035 erreicht werden.

[3] Bundesministerium der Verteidigung (BMVG): Verteidigungshaushalt, aufgerufen am 15.8.2025

[4] Ebenda

[5] Handelsblatt: Klingbeil plant Rekordschulden von fast 850 Mrd. Euro, 23.6.2025 

[6] Ilzetzki, Ethan: Waffen und Wachstum: Die wirtschaftlichen Folgen steigender Militärausgaben, Kiel Report 2/2025

[7] Hüther, Michael/Obst, Thomas: Makroökonomische Auswirkungen der Zeitenwende 2.0, in: IW-Kurzbericht 23/2025

[8] Ilzetzki, Ethan, siehe oben

[9] Krebs, Tom., Kaczmarczyk, Patrick: Wirtschaft­liche Aus­wirkungen von Militärausgaben in Deutschland, Universität Mannheim 6/2025

[10] Ebenda

[11] ZDF Heute, Sondervermögen Bundeswehr: Wer am meisten profitiert, aufgerufen am 15.8.2025

[12] Krebs, Tom., Kaczmarczyk, Patrick, siehe oben

[13] In der Automobilindustrie arbeiten aktuell 770.000 Beschäftigte. Jeder fünfte Arbeitsplatz ist vom Strukturwandel bedroht. 

[14] Krebs, Tom., Kaczmarczyk, Patrick, siehe oben

[15]  Handelsblatt: Klingbeil plant mit historisch großem Haushaltsloch, 29.7.2025

[16] Garbe, Sophie/Reiermann, Christian: König der Miesen, in: Spiegel 28/2025

[17] Aktuell liegt der Gesamtbeitrag für alle Sozialversicherungszweige bei knapp 42%. In den 2030er Jahren ist eine Anpassung auf über 44% notwendig, wenn keine Leistungen gekürzt werden sollen. Alternativ müsste die Regierung die Bundeszuschüsse um 32 Mrd. Euro pro Jahr erhöhen. Ein Beitragsprozentpunkt entspricht rund 16 Mrd. Euro. 

[18] KFW Research: Kommunen beklagen weiter steigenden Investitionstau, KfW Research: Kommunen beklagen weiter steigenden Investitionsstau | KfW, aufgerufen am 16.8.2025

[19] Lindner will Moratorium für Sozialausgaben | tagesschau.de, aufgerufen am 30.9.2025

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