Die Art und Weise, wie der Partei Die Linke im Frühjahr die Wiederauferstehung gelungen ist, sollte für die außerparlamentarische Linke Anlass sein, ihr Verhältnis zur Partei neu zu bestimmen. Bisher ist es der gesellschaftlichen Linken nicht gelungen, trotz vereinzelter erfolgreicher Klima-, Mieten- und Arbeitskämpfe eine emanzipatorische Repräsentation der weitverbreiteten gesellschaftlichen Unzufriedenheit zu organisieren. Es ist wichtig anzuerkennen, dass Parteien bei der Bestimmung der Konfliktlinien, an denen entlang sich politische Identitäten bilden, eine wichtige Funktion zukommt. Die Kämpfe sozialer Bewegungen allein reichen dafür nicht.
Die Partei Die Linke war aufgrund ihrer internen Streitigkeiten und der medial ausstrahlenden rechtsautoritären Politik von Sahra Wagenknecht und ihrer Entourage mindestens über das letzte Jahrzehnt nicht in der Lage, diese Repräsentation zu organisieren. Das hat sich nun geändert. Der Partei ist es gelungen, sich als antifaschistische Klassenpartei zu positionieren, die ganz selbstverständlich die Vielfältigkeit gesellschaftlicher Subjektivität lebt. Diese woke Klassenorientierung ermöglicht ihr, wichtige gesellschaftliche Repräsentant*innen der aktuellen gesellschaftlichen Konflikte an sich zu binden. Dies war die Voraussetzung für die enorme gesellschaftliche Mobilisierungsfähigkeit, durch die es der Partei wie keiner anderen gelungen ist, im letzten Bundestagswahlkampf eine alltägliche Präsenz herzustellen. Die wichtigsten Gesichter des Wahlkampfs, in Berlin Ines Schwerdtner, Gregor Gysi, Pascal Meiser und Ferat Koçak, haben Aktivitäten wie den organisierenden Haustürwahlkampf nicht als aktivistischen Klimbim denunziert (wie es Wagenknecht und andere getan haben), sondern haben den Effekt verstärkt, indem sie die Praxis der Tausenden Aktivist*innen zu einem Teil ihrer öffentlichen Erzählung gemacht haben.
Für die außerparlamentarische Linke ist dies Chance und Herausforderung. Chance, weil die Partei wieder mehr sein kann als eine nützliche Quelle für Ressourcen. Sie kann Teil einer (Klassen-)Organisierung und Mobilisierung für ein linkes politisches Projekt sein und dieses auch repräsentieren. Herausforderung, weil die außerparlamentarische Linke, damit das gelingt, sich mehr als bisher darüber verständigen muss, welche Erwartungen sie an einen parlamentarischen Akteur hat. Zugespitzt stellt sich diese Frage im Jahr 2026 in Berlin, wo eine Chance besteht, dass Die Linke aus den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 20. September als stärkste Kraft des Mitte-links-Lagers hervorgehen wird. Dabei zeigt Berlin wie im Brennglas die aktuellen Probleme (radikal-)reformistischer Projekte und möglicher Regierungsbeteiligungen.
Das Erbe …
Berlin blickt auf eine lange und wechselvolle Zeit linker Regierungsbeteiligungen zurück. In den 2000er-Jahren kam die Vorläuferpartei der Linken, die PDS, als Krisenverwalter zusammen mit der SPD an die Regierung, weil im Rahmen des Bankenskandals alle anderen Parteien moralisch und politisch abgewirtschaftet hatten. Der Bankenskandal hatte eine ausgewachsene Haushaltskrise zur Folge. Die PDS trug den Austeritätskurs in den Folgejahren weitgehend mit – inklusive Tarifflucht, Lohndumping und Verscherbelung des Tafelsilbers, darunter große Bestände von landeseigenen Wohnungen. Sie wurden zu Hunderttausenden an Investoren verkauft und landeten über Umwege bei großen finanzmarktorientierten Konzernen wie Vonovia & Co.
Ab 2016 regierte Die Linke als Juniorpartner in einer rot-rot-grünen-Koalition (r2g) unter den Bedingungen von Haushaltsüberschüssen. Die Stärke insbesondere der stadtpolitischen Bewegungen eröffnete ein Fenster für Experimente in der Stadtpolitik. Die Haushaltsüberschüsse ermöglichten etwa Rekommunalisierungen von Wohnungsbeständen (zu schmerzhaft überteuerten Preisen), die zuvor privatisiert worden waren. Der Druck hierfür kam unter anderem durch die offensive Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts, das vor allem vom grün regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vorangetrieben wurde.[1] In diese Zeit fielen jedoch auch uneingelöste Versprechen. Exemplarisch genannt sei hier die von der r2g-Koalition zugesagte Beendigung der Ungleichbehandlung der sogenannten Servicebeschäftigten durch Outsourcing an den öffentlichen Berliner Krankenhäusern. Es gelang nicht, die wachsende soziale Ungleichheit in der Stadt und die Gentrifizierung aufzuhalten oder gar zurückzudrängen und die kommunale Politik und Verwaltung zu demokratisieren.
