Kurz vor dem erneuten Amtsantritt Donald Trumps als US-Präsident sind auch die Posten im Weißen Haus verteilt. Anders als sein erstes Kabinett, das ursprünglich überwiegend aus bewährten Establishment-Figuren bestand, stellt Trump diesmal ein ideologisch weiter rechts stehendes und ideologisch kohärentes Team auf. Eine Sache hat sich allerdings kaum verändert: aus welcher Klasse das Team stammt und welcher es dient. Denn es sind diverse Multimillionäre und Milliardäre, die sich hier zusammenfinden.

Diese sehr spezielle Kapitalfraktion kann in Anlehnung an Marx als »Lumpenbourgeoisie« bezeichnet werden. Ihr »Instinkt« lehre sie, dass die Demokratie ihnen zwar den Zugang zur Macht ermögliche, sie aber »zugleich deren gesellschaftliche Grundlage unterwühlt«, so Marx in Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Also weg mit der Demokratie! Diese »Lumpen« verfolgen kein produktives Projekt. Stattdessen versuchen sie alle Schranken der Ausbeutung von Mensch und Natur nieder- und den Reichtum notfalls auch mit Gewalt an sich zu reißen. Raub oder »Akkumulation durch Enteignung«, wie es David Harvey nannte. Die neue Stellung der Lumpenbourgeoisie ist also selbst Ausdruck der Krise der Kapitalismus wie der mit ihr verbundenen liberalen Demokratie.

Die sicherlich schillerndste Figur aus diesem Kreis ist Elon Musk. Der Tech-Milliardär gab schon mal einen Vorgeschmack auf die neue Regierungspraxis. Über seinen Kanal X führte er medial Krieg gegen die britische Regierung, unterstützte mit Millionen auch die radikale britische Rechte – und nun auch offen den Wahlkampf von Alice Weidel und der AfD. Jenseits der schwerreichen Gefolgsleute Trumps gibt es aber auch hierzulande weniger bekannte Gesichter in der neuen Regierung. Einige aus dem engsten Beraterkreis von Trump sind Rechtsintellektuelle und gelten als Vordenker seiner Agenda. Max Böhnel wirft einen Blick auf diese »Lumpen«.


(Mario Candeias für Redaktion)

 

Russell Vought

Russell Vought, Jahrgang 1976, sieht mit seinem gestutzten grauen Bart und seiner Allerwelts-Brille eher wie ein Buchhalter als ein MAGA-Extremist aus. In Wirklichkeit ist er beides. Im November 2024 kündigte Trump an, ihn zum Direktor des Office of Management and Budget (OMB) zu ernennen. Die Behörde legt die Ausgabenprioritäten für die gesamte Bundesregierung fest. Bewilligt wird das Budget davor vom Kongress. Aber wie das Geld ausgegeben oder wem es vorenthalten wird, fällt dem OMB-Direktor zu, der damit eine Menge Macht auf sich vereint. Sollte eine Senatsmehrheit Voughts Nominierung zustimmen, wovon momentan ausgegangen wird, dann wird dieser Technokrat im MAGA-White House 2.0 zu einer Schlüsselfigur werden.

Im Gegensatz zu den meisten nominierten Mitgliedern im neuen Trump-Kabinett verfügt Vought über weitreichende Vorkenntnisse. Denn sein neuer Posten ist der alte. Schon unter Trump 1.0 arbeitete er im OMB, erst als stellvertretender Direktor, dann als kommissarischer Leiter. Nach dem Ende der Trump-Präsidentschaft gründete er 2021 das Center for Renewing America, das unter anderem jegliche Art von Antidiskriminierungsmaßnahmen – Stichwort »Critical Race Theory« – abschaffen will. Das Center war federführend am Project 2025 beteiligt, einer von der Heritage Foundation orchestrierten Blaupause für eine zweite Trump-Präsidentschaft. 

Zwar haben auch frühere Präsidenten die Kontrolle über die Verwaltungsbehörden zentralisiert. Das Project 2025 legt jedoch auf einem ganz neuen Niveau unkontrolliert die Macht in die Hände von Trump. Der verkündete bereits, er werde »Diktator sein« – wenn auch »nur für einen Tag«. Gleichzeitig hat Trump im Wahlkampf alle Verbindungen zum Project 2025 abgestritten. Denn der darin entworfene Fahrplan mit dem Ziel einer extrem aggressiven Machtkonzentration in der Exekutive kam in Meinungsumfragen nicht so gut an.

Mithilfe obskurer juristischer Argumentationshilfen soll der Präsident ermächtigt werden, das Militär zur inländischen Strafverfolgung gegen Demonstrant*innen einzusetzen.

Vought hat für Project 2025 das Kapitel über das zukünftige OMB verfasst. Ihm weist er eine Schlüsselrolle bei der Machtübernahme eines autoritären Präsidenten zu. Bedrohlich schreibt Vought: »Die große Herausforderung, vor der ein konservativer Präsident steht, ist die existenzielle Notwendigkeit, die enormen Befugnisse der Exekutive aggressiv zu nutzen, um die Macht  ̶  einschließlich der Macht, die derzeit von der Exekutive ausgeübt wird  ̶  an das amerikanische Volk zurückzugeben.« Das klingt widersprüchlich und ist auch so gemeint: Voughts »Machtrückgabe an das Volk« sieht nicht vor, das Volk zu unterstützen, wenn es auf die Straße geht. Ganz im Gegenteil, siehe zum Beispiel Black Lives Matter: Zitat Vought: »Bei George Floyd ging es offensichtlich nicht um Rassismus. Es ging darum, die Trump-Regierung zu destabilisieren.« 

Entsprechend stellte der künftige OMB-Chef das Drehbuch zusammen. Mithilfe obskurer juristischer Argumentationshilfen soll der Präsident ermächtigt werden, das Militär zur inländischen Strafverfolgung gegen Demonstrant*innen einzusetzen. Dasselbe Szenario stellt sich Vought vor, wenn es um die gerichtlich nicht anfechtbare Umsetzung von Trumps Hauptversprechen geht: die massenhafte Abschiebung unter Einsatz des Militärs, um Flüchtlinge in Lager und Internierungszentren zu stecken und außer Landes zu schaffen. 

Peinlich für Vought: Im August tauchte ein Undercover-Video mit ihm und zwei Reportern auf. Sie hatten sich als Verwandte eines wohlhabenden konservativen Spenders ausgegeben. Vought prahlte, wohl auf Spendengelder hoffend, vor versteckten Kameras mit seinen engen Beziehungen zu Trump. Der könne die Pläne des Project 2025 direkt übernehmen. »Es gibt Leute wie mich, die sein Vertrauen genießen und die in der Lage sein werden, sie ihm zukommen zu lassen, egal in welcher Position wir uns befinden«, so Vought. Gänzlich ungeniert plauderte er über sein Vorhaben, die Bürokratie dem Trumpismus gefügig zu machen, etwa die US-Umweltbehörde. O-Ton Vought: »Wir wollen die Bürokraten traumatisieren. Wenn sie morgens aufwachen, sollen sie nicht mehr zur Arbeit gehen wollen, weil man sie als Schurken ansieht. Wir wollen, dass EPA keine Vorschriften mehr gegen unsere Energieindustrie erlassen kann.“ Einschüchterung und finanzielle Austrocknung also. 

Ein weiterer Plan besteht darin, das vom Obersten Gericht gekippte bundesweite Abtreibungsrecht weiter einzuschränken. Trump bezeichnete er als den Winston Churchill der Anti-Abtreibungsbewegung. »Gebt ihm etwas Zeit, aber vertraut dem Mann so, als würden wir Churchill zu seinen Ansichten über das Ende des Zweiten Weltkriegs befragen«, Trump habe die »beste Pro-Life-Bilanz aller Zeiten“ vorzulegen, so Vought. Um das Recht auf Abtreibung weiter zurückzudrängen, hat der MAGA-Technokrat bereits Pläne in seiner Schublade liegen. Dazu gehört die finanzielle Blockade der größten US-Familienplanungsorganisation Planned Parenthood. 

Mit Vought und seinen Konzepten für eine autokratisch erstarkte zweite Präsidentschaft Trumps ist das Project 2025 von ganz rechts außen im politischen Machtzentrum der USA angekommen. Dass es auch umgesetzt wird – dafür kann die graue Eminenz Vought von exponierter Stelle aus sorgen. 

Stephen Miller

»It’s Miller Time!« steht unter dem Bild des nicht mehr ganz jungen Mannes mit dem kreisrunden Haarausfall. Im schwarzen Anzug und einer Fliegerbrille sieht er ein wenig aus wie ein schüchterner Buchhalter, der sich als Geheimagent verkleidet hat. Der Slogan spielt auf einen Werbespruch eines amerikanischen Bierherstellers an, mit dem er seinen Namen teilt. Stephen Miller heißt dieser, und es ist seine Zeit, weil er am 20. Januar als Berater für Innere Sicherheit von Donald Trump und stellvertretender Stabschef ins Weiße Haus ziehen wird. 

»Das Einreiseverbot für Menschen aus muslimischen Staaten, das Trump nach seinem ersten Amtsantritt verhängte, sowie die Einschränkungen im Asylrecht und bei der Aufnahme von Flüchtenden werden maßgeblich der stillen Arbeit Millers zugeschrieben.«

Für Miller wie Trump bedeutet dies eine Rückkehr. Denn schon unter Trump 1.0 war Miller als Redenschreiber und Berater dauerpräsent. 1985 im kalifornischen Santa Monica zur Welt gekommen, gehört Miller zur jüngeren Generation der MAGA[1]-Chefetage und zweifellos zu einer ihrer radikalsten Stimmen. Das Einreiseverbot für Menschen aus muslimischen Staaten, das Trump nach seinem ersten Amtsantritt verhängte, sowie die Einschränkungen im Asylrecht und bei der Aufnahme von Flüchtenden werden maßgeblich der stillen Arbeit Millers zugeschrieben. 

Seine Heimatstadt Santa Monica liegt am wohlhabenden Ende des Großraums Los Angeles und schmiegt sich malerisch an den Pazifik. Hier wuchs Miller als Sohn eines Immobilieninvestors auf. Als Jugendlicher musste er den herzzerbrechenden Abstieg seiner Familie aus der Oberschicht in die obere Mittelschicht erleben. Eine Reihe von geschäftlichen Niederlagen seines Vaters erzwang den Umzug in ein etwas kleineres Eigenheim. Der ohnehin gepeinigte Zögling musste daraufhin auch noch das Martyrium einer öffentlichen Schulbildung durchlaufen. 

Im heterogenen Umfeld der Santa Monica High-School profilierte sich Miller schnell als Rassist. Spanisch sprechende Mitschüler*innen forderte Miller auf, gefälligst Englisch zu sprechen oder in ihre Heimatländer zurückzukehren. Einem Klassenkameraden kündigte er wegen dessen nicht-weißer Herkunft die Freundschaft. Als 16-Jähriger schickte Miller an die Lokalzeitung einen Leserbrief, dessen Hauptthesen wohl bis heute unter seinem zurückweichenden Haaransatz kreisen. In dem Traktat jammert er, der spanischsprachige Unterricht würde die »amerikanische Leistung« untergraben. Er echauffiert sich über Verhütungsmittel, die seine Schule bereitstellt, und darüber, dass sie eine Organisation für LGBTIQ-Schüler*innen duldet, ohne deren Eltern über ihre Teilnahme zu informieren. 

Der junge Miller fordert nicht nur mehr Ehrfurcht vor den Veteranen und eine breitere Unterstützung für den damals begonnenen Krieg in Afghanistan ein. Er mahnt auch mehr Respekt für das Andenken der tapferen Kolonialisten an, die in ihren Kämpfen gegen »die Indianer« gefallen sind. Als Alternative zum Krieg »hätten wir ja auch Tipi-Bau und Fingermalen lernen können und das Skalpieren der Frontiers-Männer vergeben können«, überlegt er. 

Während seiner Zeit an der Duke-Elite-Universität in North Carolina konnte sich Miller mit gleichgesinnten Privilegierten vernetzen, darunter auch dem Alt-Right-Chefdemagogen und Erben einer Baumwoll-Dynastie Richard Spencer. Dass sich der Neonazi Spencer und Miller, der von vertriebenen Jüd*innen aus Weißrussland abstammt, so gut verstanden, ist wohl ein Indikator der Flexibilität einer Ideologie, die sich im Zweifelsfall immer auf den Hass auf nicht-weiße Menschen einigen kann. 

Diesem kann Miller nun wieder freien Lauf lassen. Denn als zukünftiger stellvertretender Stabschef von Donald Trump hat er bisher ungeahnte Möglichkeiten, seinen Rassismus auf das gesamte Land ausstrahlen zu lassen. Massenabschiebungen, Abschaffung des Asylrechts und die rückwirkende Ausbürgerung von allen, die nicht in die engstirnige Vorstellung der USA passen, an die sich der Buchhalter seit seiner Schulzeit klammert, sind nun Regierungsprogramm.

Vivek Ramaswamy

Vivek Ramaswamy reiht sich ein in Trumps Anti-Elite-Gefolgschaft, die aus eben jenen Eliten besteht, die man zu bekämpfen vorgibt. Geboren und aufgewachsen als Sohn indischer Einwanderer in Ohio, studierte Ramaswamy an der Harvard University und der Yale Law School. Im Jahr 2014 gründete er das Biotech-Unternehmen Roivant Sciences, ein NASDAQ-Unternehmen mit einem Börsenwert von heute mehr als sieben Milliarden US-Dollar. 

Die Wertsteigerung des Unternehmens machte ihn kurzfristig zu einem der 20 jüngsten US-Milliardäre – doch wie gewonnen, so zerronnen, als es an der Börse wieder abwärtsging. Seitdem wird Ramaswamy nicht müde herauszustreichen, wie Schicksalsschläge sich positiv auf den amerikanischen Charakter und die unternehmerische Widerstandsfähigkeit auswirkten. 

»Ramaswamy reiht sich ein in Trumps Anti-Elite-Gefolgschaft, die aus eben jenen Eliten besteht, die man zu bekämpfen vorgibt.«

Wiederbelebung der nationalen Identität und eine »America First«-Agenda standen auch im Mittelpunkt seiner kurzlebigen Präsidentschaftskandidatur. Der feurige Anti-Woke-Kämpfer war mit 38 Jahren der jüngste Herausforderer Trumps bei den Vorwahlen der Republikaner. Zwar hat Ramaswamy Trump beispielsweise für dessen Fokus auf den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko kritisiert, im Großen und Ganzen hat er sich jedoch als Unterstützer des ehemaligen Präsidenten und seiner Bewegung dargestellt. Und so war es nur folgerichtig, dass er sich in einem Republikaner-Wahlkampf, an dem auch Trump teilnahm, nicht durchsetzen konnte. Im Januar 2024 gab er seine Kandidatur auf, wechselte mit fliegenden Fahnen ins Lager der glühenden Trumpisten über und verbreitet seitdem deren Slogans.

Hierzu gehört, den Klimawandel als »Schwindel« zu bezeichnen und ein Ende der automatischen US-Staatsbürgerschaft für Kinder von Einwanderer*innen ohne Papiere zu fordern. Auch liegt er auf einer Linie mit rechtsextremen Verschwörungstheorien – etwa, dass der Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 ein »Insider-Job« gewesen sei. Ramaswamy hat sich selbst als Absolutist des Rechts auf Waffenbesitz bezeichnet und will auch verurteilten Straftätern erlauben, Waffen zu tragen.

In einigen Punkten geht Ramaswamy noch über Trump hinaus: Während dessen erster Präsidentschaft hatten Steuersenkungen in Höhe von 1,5 Billionen Dollar dazu beigetragen, dass Milliardäre zum ersten Mal in der Geschichte einen niedrigeren Steuersatz zahlen als die normal arbeitende Bevölkerung. Ramaswami will diese MAGAnomics – Steuererleichterungen für die Superreichen und Großunternehmen auf Kosten aller anderen – noch weiter ausbauen.

Trumps Versprechen, nationale Bürokratien abzubauen, übertrumpfte er mit dem Vorschlag, die Belegschaft der Bundesbehörden durch Massenentlassung um 75 Prozent zu reduzieren. Das Bildungsministerium, das FBI und die Steuerbehörde sollen per Präsidentschaftsdekret sogar sofort geschlossen werden.

Unerhört wie diese Vorschläge erscheinen mögen, bei Trump blieben sie nicht ungehört. Als Trostpflaster dafür, dass er so früh aus dem Rennen ausschied und auch bei der Vizepräsidenten-Nominierung übergangen wurde, bekam Ramaswamy, zusammen mit Elon Musk, die Aufgabe, ein »Department of Government Efficiency« zu gründen. Erstmalig soll eine neue Bürokratie eingerichtet werden, um den Regierungsapparat abzubauen. Da diese neue Abteilung jedoch Beratung und Anleitung von außerhalb der Regierung bieten soll, könnte es Ramaswamy ergehen wie vielen andere Beratern vor ihm: Keine Befugnisse, kein Budget, keine Leute – dafür aber auch (anders als bei offiziellen Ernennungen) keine Rechenschaftspflicht über finanzielle Interessenkonflikte. 

Ramaswamy repräsentiert eine eisenharte, aber äußerlich weniger abstoßende Version der nächsten »America First«-Generation. Seine Rolle in der zweiten Trump-Präsidentschaft ist unklar. Denn zwischen Trump und Musk wird nicht viel Luft für ihn übrigbleiben. Sollten sich, wie viele spekulieren, die beiden Egomanen zügig zerstreiten, könnte auch Ramaswamy mit unter die Räder geraten. Alternativ überlebt er den Hahnenkampf als lachender Dritter in einer bedeutungslosen Beraterrolle. Beide Szenarien würden seiner weiteren politischen Karriere wohl kaum Abbruch tun. Ramaswamy ist noch jung und könnte zukünftige Wahlkämpfe notfalls aus eigener Tasche bestreiten. Allen Schicksalsschlägen zum Trotz wird sein Vermögen aktuell auf 900 Millionen Dollar geschätzt.

Marco Rubio

Für etliche von Trumps Wunschkandidat*innen wird es im Senat, der ihrer Nominierung zustimmen muss, wegen Kompetenzmangel und fragwürdiger politischer Biographien eng werden. Nicht so bei Marco Rubio. Denn der 53-Jährige ist seit Jahren ein Washingtoner Schwergewicht: Seit 2010 Senator im Kongress hat sich der in Florida geborene Politiker auf außenpolitische Schlüsselstellen hochgearbeitet. Er ist stellvertretender Leiter des Geheimdienstausschusses sowie Mitglied im Ausschuss für Außenpolitik und jetzt Trumps designierter Chef des US-Außenamtes. Nicht nur aus den Rängen der Republikaner ertönte Lob, sondern auch von sogenannten moderaten Demokraten. Senator Fetterman aus Pennsylvania nannte Rubio als »eine starke Wahl«, ein paar Kongress-Demokraten gaben sich »entzückt« von Rubios »Kaliber«. Nur von ganz Rechtsaußen schwappte Kritik herein: Donald Trump Junior, der gern seinen MAGA-Kumpel Richard Grenell – unter Trump 1.0 US-Botschafter in Deutschland – zum Außenminister gemacht hätte, empörte sich über Rubios »Establishment«-Herkunft. 

Marco Rubios soziale Herkunft ist das Gegenstück zu den privilegierten Fox-Moderatoren, Wrestling-Vorsitzenden, christlichen Nationalisten und milliardenschweren Geldsäcken, die sich Trump sonst aus seinem Loyalisten-Fundus ausgesucht hat. »Babyface« Rubio wuchs als Kind kubanischer Einwander*innen auf. Geboren in Miami verbrachte er seine Kindheit in Las Vegas. Dort ackerte sein Vater als Barkeeper, seine Mutter schuftete als Hotel-Zimmermädchen, Fabrikarbeiterin und vierfache Mutter. Die Rubio-Eltern waren 1956 aus der Batista-Diktatur geflohen – eine Tatsache, die der Rubio-Sohn immer wieder als »Flucht vor dem Castro-Regime« zurecht zu lügen versuchte, um seine antikommunistische Credibility unterstreichen.     

»Wird der zukünftige US-Außenminister seinem dänischen Kollegen zum Verkauf von Grönland die Pistole auf die Brust setzen? Und im Süden der USA, wo Trump den Panama-Kanal »zurückerobern« will? Dass Rubio Trumps Wasserträger bleiben wird, ist zu befürchten.«

 Von der exilkubanischen Republikaner-Community von Miami aus erklomm Marco Rubio die Karriereleiter. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Politikwissenschaften wurde er Jurist und Mitarbeiter bei der kubastämmigen Kongress-Abgeordneten Ileana Ros-Lehtinen, 1998 Mitglied im Stadtrat von Miami und als 34-Jähriger Speaker im Landesparlament von Florida. 2010 spülte die Rechtsaußen-Tea-Party-Bewegung Rubio, der den Braten früh gerochen hatte, in den Washingtoner Senat. Als Obama seine Öffnungspolitik gegenüber Kuba mit einem Besuch in Havanna unterstrich, kofferte der junge Senator, es handele sich »um eine der würdelosesten Auslandsreisen eines US-Präsidenten aller Zeiten«. Fraglos, dass Rubio als US-Außenamtschef Kuba noch weiter in die Zwinge nehmen wird als gehabt.  

Im Senat verteidigte Rubio die Irak-Invasion noch als notwendig, lange nachdem Ex-Befürworter sie zur Katastrophe erklärt hatten. Er war federführend am gescheiterten Umsturzversuch in Venezuela beteiligt. In der China-Politik betätigte er sich als Falke und rief zu direkten und offenen Lieferungen von US-Munition und Hightech-Waffensystemen an Taiwan auf sowie zur Sanktionierung chinesischer Unternehmen. »Maximal-Druck« auf den Iran ist sein Nahost-Motto. Er wandte sich gegen einen US-Truppenrückzug aus Syrien und Afghanistan 2019. »Das sind nicht die Kriege anderer Völker, das sind unsere«, sagte er. Offenbar gibt es keinen einzigen US-Krieg, den Rubio abgelehnt oder wenigstens skeptisch kommentiert hätte.   

Rubio-Fans bezeichneten ihn wegen seiner Kommunikationsfähigkeiten früh als »modernen Reagan« und als Zukunft der Republikanischen Partei. Doch seine Ambitionen auf die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten bereitete Trump in Florida 2016 ein jähes Ende, als dieser ihn mit 46 zu 27 Prozent schlug. Beide hatten sich im Vorwahlkampf unter der Gürtellinie duelliert. Als »choke artist«, ein politisches Leichtgewicht, das unter Druck versagt, und als »Little Marco« hatte Trump ihn beleidigt. Rubio kofferte zurück, Trump sei ein choke artist, dem mit Atomwaffen nicht zu trauen sei. Außerdem wäre Trump ohne das Millionenerbe von seinem Vater »bloß Uhrenverkäufer in Manhattan« geworden. Als Rubios Kandidatur aussichtlos geworden war, ging er noch einmal unter die Gürtellinie: Trump habe »kleine Hände, und man weiß, was es mit einem Mann mit kleinen Händen auf sich hat...«. Was der siegesgewisse Trump großmännisch abtat. Er habe keine kleinen Hände, und »da unten ist alles in Ordnung, glauben Sie mir.«

Doch Pack schlägt sich, Pack verträgt sich: Rubio passte sich Trump schnell an. Von einem entschiedenen Gegner wurde er in den darauffolgenden Jahren zum Gefolgsmann. Trotz seiner Abfuhr für das Vizepräsidentenamt, das Trump JD Vance zusprach, blieb Rubio an seiner Seite. Als Trump in den letzten Wahlkampftagen Puerto Rico in einem seiner Ausfälle als »Müllinsel« beschimpft hatte, besänftigte Rubio empörte Wähler*innen auf Spanisch. Trump habe „das faszinierendste, diverseste Bündnis von Amerikanern jeglicher Herkunft, Ethnie, aus jedem Lebensbereich in der modernen amerikanischen Geschichte« zusammengestellt, so Rubio.   

Ob seine »Geschmeidigkeit« und »Glaubwürdigkeit« – die ihm auch in deutschen Mainstream-Medien attestiert werden – weit genug reichen, um Trumps außenpolitische Vorstellungen diplomatisch verkaufen zu können? Wird Rubio vor dem Einmarsch von US-Elitetruppen in Mexiko Präsidentin Sheinbaum eine Depesche zukommen lassen? Wird der zukünftige US-Außenminister seinem dänischen Kollegen zum Verkauf von Grönland die Pistole auf die Brust setzen? Und im Süden der USA, wo Trump den Panama-Kanal »zurückerobern« will? Dass Rubio Trumps Wasserträger bleiben wird, ist zu befürchten.            

Chris Wright

Mit Chris Wright weht frischer Wind nach Washington, D.C., und der riecht nach faulen Eiern. Sollte ihm der Senat wie erwartet seine Zustimmung erteilen, wird mit Wright ein Prinz der Öl- und Gasindustrie zum machtvollsten amerikanischen Bürokraten in Sachen Energieversorgung. Als »Secretary of Energy« wird Wright die Herrschaft über große Programme zur Energiewende übernehmen, sowie die Aufsicht über das Atomarsenal der Vereinigten Staaten. 

Wer ein wenig an Wrights Ausdünstungen schnuppern möchte, kann dies in einigen abgelegenen Landstrichen der USA tun, etwa im sogenannten Permbecken, einem Gebiet in Texas und New Mexico von gigantischen Ausnahmen. In seinen trockenen Ebenen durchdringt der Geruch von Schwefel selbst geschlossene Räume, er geht auf die Bohrungen zurück: Im Permbecken werden rund 40 Prozent des amerikanischen Öls produziert, und 15 Prozent des natürlichen Gases gefördert. 

»Mit Chris Wright weht frischer Wind nach Washington, D.C., und der riecht nach faulen Eiern. Sollte ihm der Senat wie erwartet seine Zustimmung erteilen, wird mit Wright ein Prinz der Öl- und Gasindustrie zum machtvollsten amerikanischen Bürokraten in Sachen Energieversorgung.«

Chris Wrights Aroma ähnelt dem eines leckenden Gasküchenherds. Doch das Bouquet, das der 59-Jährige verströmt, hat etwas Eigenes. Denn wenn der Herd nach faulen Eiern oder auch verrottendem Gemüse stinkt, tut er das meist wegen der sogenannten Odorierungsmittel Tetrahydrothiophen oder Mercaptane, die dem eigentlich geruchlosen Gas als Warnmittel beigemischt werden, um auf etwaige Lecks hinzuweisen. Dem Odeur des Wright hingegen geht auf Schwefelwasserstoff zurück, der direkt aus den Bohrlöchern entweicht und selbst in kleinen Mengen tödlich sein kann. Darauf weisen im Permbecken am Straßenrand gelbe Warnschilder hin, die davor warnen, die nächsten Schritte ohne Gasmaske könnten die letzten sein. 

Chris Wright bohrt wohl selbst keine Bohrlöcher. Doch sein Konzern Liberty Energy, der zweitgrößte der Branche in Nordamerika, ist einer der Profiteure des Fracking-Booms, der aus dem einst als versiegt verdammten Permbecken wieder eine Geldquelle machte. Beim Fracking wird ein Sand-Wasser-Chemikalien-Gemisch unter Hochdruck in Bohrlöcher gefüllt, um darunterliegende Ölvorkommen wortwörtlich aufzuknacken. Die Methode ist besonders dafür geeignet, schwer zugängliche Reservoire für die Förderung zugänglich zu machen, und ist in vielen Teilen der Welt wie auch in Deutschland de facto verboten. Denn Fracking führt zu weitreichenden Verschmutzungen anliegender Wasserspeicher. Ein weiteres Problem sind die Erdbeben, die in letzter Zeit im eigentlich seismisch inaktiven texanischen Westen registriert werden. Sie gehen auf die Entsorgung von altem Frackwasser in versiegten Bohrstellen zurück. Und eben der Schwefelwasserstoff.

Fracking hat aus den Vereinigten Staaten wieder einen Energieexporteur gemacht, der über den transatlantischen LNG-Handel mittlerweile auch nach Deutschland liefert. Das verflüssigte Gold aus dem Permbecken wird dank großer Investitionen der Bundesregierung auch in das deutsche Gasnetz eingespeist. Das Becken ist laut einigen Studien inzwischen die größte CO2-Quelle der Welt und eine der größten Einzelquellen für den globalen Methanausstoß. Aus Chris Wright machte es einen Multimillionär mit einem Vermögen von gut 171 Millionen Dollar. 

Seine Firma Liberty Energy verdient ihr Geld als Zulieferer für diese Frackingindustrie. Liberty bietet logistische Dienstleistungen, geologische Untersuchungen sowie Sand, Wasser und Chemikalien. Seit der Nominierung ihres Chefs durch Trump ist ihr Aktienkurs gestiegen, wie auch der von Oklo, einem Start-Up, in das Wright investiert hat. Es will winzige Atomanlagen für die KI-Industrie bauen. Wer sich Sorgen um die Folgen seiner Nominierung – oder der langfristigen Nutzung fossiler Brennstoffe – macht, darf sich entspannen. »Es gibt keine Klimakrise«, beruhigte Wright im letzten Jahr über ein Video auf seiner LinkedIn-Seite. Dann ist ja alles gut. Im Vergleich zu manch anderen Kandidaten der zweiten Trump-Präsidentschaft gilt Wright noch als relativ unkontrovers. Schafft er es durch den Senat, darf er mit seinem Geruch nach Washington. Unter den neuen Regierungskollegen wird sich daran wohl niemand stören.

[1] MAGA steht als Abkürzung für »Make Amerika great again«, dem Wahlslogan von Trump, den bereits Ronald Reagan 1980 nutzte.

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