Nicht erst seit den Wahlen in Wien am letzten Sonntag, bei der die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) mit 4,1 Prozent ihr Ergebnis verdoppeln konnte, gelingt es der Partei, deutlich zu punkten. Bereits seit einigen Jahren kann sie auch in anderen Städten und Kommunen bemerkenswerte Erfolge zu erzielen.  [1]  In Graz kam die Partei 2021 auf ein Ergebnis von 28,8 Prozent bei den Gemeinderatswahlen. Seither stellt sie dort mit Elke Kahr die Bürgermeisterin und regiert in einer Koalition mit Grünen und SPÖ. Dabei verfügt sie allein über mehr Mandate als ihre beiden Koalitionspartnerinnen zusammen (vgl. Stadt Graz 2021). 

Auch in Salzburg zog die KPÖ Plus mit Kay-Michael Dankl 2019 in den Gemeinderat ein. Im April 2023 gelang der Partei schließlich mit 11,7 Prozent erstmals seit 1949 der Einzug in den Salzburger Landtag (vgl. Land Salzburg 2023). Im März 2024 erhöhte sie ihre Vertretung im Salzburger Gemeinderat von einem auf zehn Mandate und Dankl wurde Vizebürgermeister der Stadt (vgl. Kahlweit 2024). Über die Wahlerfolge hinaus ist bemerkenswert, dass die KPÖ in großem Ausmaß Nichtwähler*innen mobilisiert. Entsprechend inspirierend ist ihr Erfolg für eine Perspektive der Erneuerung der Linken auch in anderen Ländern. 


Lange Zeit wurde der Erfolg der KPÖ als ein lokales Spezifikum klassifiziert, jedoch handelt es sich um ein politisches Konzept, das nicht an lokale Besonderheiten gebunden ist. Als eine Partei mit »gesellschaftlichem Gebrauchswert« (KPÖ Steiermark 2022, 4 f.) bemüht sie sich in beiden Städten um eine Politik, die für den Alltag der Menschen eine Hilfe darstellt. In diesem Sinne widmet sie sich vor allem verschiedenen Formaten der Sozialhilfe und -beratung sowie Kampagnen für eine soziale Bildungs-, Wohnungs- und Gesundheitspolitik. Ein elementarer Baustein bildet dabei der Sozialfonds, der unter anderem durch eine Gehaltsobergrenze für die Mandatsträger*innen der Partei finanziert wird. Darüber hinaus bemüht sie sich um eine solide Verankerung in den jeweiligen Stadtbevölkerungen.


Weder Sozialberatungen noch eine soziale Gesundheits- oder Wohnpolitik sind Neuerfindungen für linke Parteien. Wir wollen daher einen genaueren Blick auf die Erfolgsbedingungen und die Praxis der KPÖ werfen. Dazu haben wir insgesamt 18 Interviews geführt. Die Interviewten sind alle Parteimitglieder und in dieser haupt- bzw. ehrenamtlich aktiv oder gewählte Mandatsträger*innen (sie kommen im Folgenden in Zitaten zu Wort).[2] 

Eine alte Partei ganz jung

Die historischen Wurzeln der KPÖ liegen wie die der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die Partei wurde im Jahr 1918 gegründet und war 1945 neben der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) an der Neugründung der österreichischen Republik beteiligt. Nichtsdestotrotz konnte die KPÖ ihre Position im Verlauf der 1950er Jahre nicht konsolidieren und erlag in ihrer poststalinistischen Ausrichtung einem zunehmend antikommunistischen Trend in Österreich. Im Jahr 1959 schied sie schließlich aus dem Nationalrat aus (vgl. Vogt 2022, 57 – 65). In den folgenden Jahrzehnten war ihre Politik durch marxistisch-leninistischen Dogmatismus und eine stetig sinkende Mitgliederzahl geprägt. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks brachen auch für die kommunistische Partei in Österreich unsichere Zeiten an. Ab den 1990er Jahren versuchte sich die steirische KPÖ, die als besonders verknöchert galt, an einer Neuausrichtung ihrer Politik. Sie entwickelte eine »Gebrauchswertorientierung«, die heute auch zum Vorbild für andere Organisationen der Partei in Österreich geworden ist. 

»Ich muss ihnen irgendwas anbieten können, was in ihrem Alltag einen Unterschied macht, was ihnen das Leben jetzt erleichtert«

Spätestens zur Jahrtausendwende war ein Großteil der lokalen Organisationen der KPÖ weitestgehend inaktiv geworden und verlor noch weiter an gesellschaftlichem Standing. Daher blickt die Grazer KPÖ als Sonderfall zwar durchaus auf eine jahrzehntelange Aktivität und parlamentarische Praxis zurück, die KPÖ in Salzburg jedoch erfuhr erst zwischen 2017 und 2019 eine Wiederbelebung. In diesen Jahren näherte sich die KPÖ auf Bundesebene den Aktiven der Jungen Grünen, die zuvor aus der Grünen Partei ausgeschlossen wurden, immer weiter an. Aus der Absplitterung entstand der neue Jugendverband Junge Linke. In Salzburg fusionierten die beiden Organisation in Gänze und stehen seither als KPÖ Plus in der Stadt sowie im Land den etablierten Parteien als neuer politischer Player gegenüber. Heute hat die KPÖ rund 2 500 Mitglieder und ist darauf aus, zu wachsen, allerdings funktioniert sie noch immer nach dem – wenn auch modifizierten – Modell einer Kaderpartei. Dazu wird innerparteilich das Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus verfolgt: 


»Natürlich, ist Kader-Parteien ein recht antiquierter ML-Begriff, aber hat, glaube ich, durchaus so seine Berechtigung, weil man halt schaut, dass man Leute, wo man weiß, die […] sind in dem Umgang mit anderen Menschen gut und sind verlässlich usw. Die versucht man dann halt auf entscheidende Positionen zu bringen. […] Andererseits ist es auch total wichtig, die breite Basis der Mitgliedschaft in die entscheidenden Punkte einzubinden.« 


Gleichwohl muss betont werden, dass der parteipolitische Aufbau stets lokalpolitisch von unten betrieben wird. Die Interviews sind geprägt durch ein Narrativ des wertschätzenden Umgangs untereinander, weshalb mehrfach der Stellenwert interner Sozialarbeit für die erneuerten und verjüngten Parteistrukturen hervorgehoben wurde. 


In der Praxis bedeutet dies, dass umfangreiche politische Entscheidungen wie das gemeinsame Regieren mit SPÖ und Grünen in Graz mit allen Mitgliedern gemeinsam gefällt werden. Entscheidungen im alltäglichen politischen Prozess hängen aber vornehmlich an den Führungsmitgliedern. So kann beispielsweise nicht jede Person einfach Mitglied der KPÖ werden. Ein Parteieintritt ist immer mit einem persönlichen Gespräch verbunden. Darüber hinaus stellen die Kommunist*innen den Anspruch, dass die Mitgliedschaft auch mit konkreter Aktivität einhergeht. 


Grundsätzlich manifestiert sich in der Partei heute ein Nebeneinander von hundertjähriger kommunistischer Tradition und einem recht neuen und jungen Charakter, der sich gerade aufmacht, weitere Städte und Kommunen zu erobern. Die Besonderheit des Politikansatzes zeigt sich einerseits in Aspekten wie den konkreten Hilfsleistungen für Menschen in Not oder der Gehaltsbegrenzung bei KPÖ-Parlamentarier*innen – Praktiken, die teilweise bis auf die Pariser Kommune zurückgeführt werden können (vgl. Grams 2021, 5f); andererseits hat die KPÖ von heute wenig mit der dogmatischen KPÖ des 20. Jahrhunderts zu tun. 

Programmatik & Aktivität

Grundsätzlich unterscheidet sich die KPÖ in ihrer Programmatik und gesellschaftlichen Zielsetzung nicht von anderen sozialistischen oder kommunistischen Parteien. Der Bezug zum Kommunismus geht bei den meisten Mitgliedern mit dem Interesse einher, eine grundlegend andere Gesellschaft aufbauen zu wollen. Die alltägliche Praxis hingegen ist durch eine ständige Präsenz und auch Dauermobilisierung gekennzeichnet. Davon unabhängig äußern viele Mitglieder, dass sie in der Partei einen Ort gefunden haben, an dem sie sich willkommen und wertgeschätzt fühlen, weshalb sie auch bereit sind viel ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Viele der Interviewten berichten von einem solidarischen Binnenklima und einer warmen Atmosphäre, so auch ein Genosse aus Salzburg: 


»Mir persönlich geht es so, dass ich einfach sehr viel Energie daraus ziehe. Also mir gibt es einfach total viel, wenn ich da mehr einbringen kann und das Gefühl habe, das wird so geschätzt.« 


Die Leistungsbereitschaft und das Arbeitspensum der KPÖler*innen ist dementsprechend sehr hoch, vor allem in Wahlkampfzeiten. Neben einer ständigen Präsenz in den Straßen von Graz und Salzburg durch Infostände und Petitionen bringen sie außerdem eigene Lokalzeitungen heraus, die in regelmäßigen Abständen durch die Mitglieder an alle Haushalte verteilt werden. Weiterhin halten die Aktiven ihr Volkshaus bzw. -heim in Schuss oder organisieren Feste, Brunches und Bildungsveranstaltungen. Viele dieser Tätigkeiten unterscheiden sich nicht von denen anderer linker Parteien, gehen für die relativ kleine KPÖ jedoch mit einem entsprechenden Maß an Arbeitsfülle einher. 

Eine nützliche Partei für das alltägliche Leben

Ein zentraler Punkt ihres politischen Verständnisses ist der Begriff des »Gebrauchswerts«. Die KPÖ formuliert für sich den Anspruch eine nützliche Partei für das alltägliche Leben zu sein. Dies drückt sich vor allem in Miet- und Sozialberatungen sowie in einem ihr eingerichteten Sozialfonds aus, der Menschen in Notlagen unterstützen soll. 


Die Philosophie des Gebrauchswerts lässt sich auf Debatten der steirischen KPÖ zu Beginn der 1990er Jahre zurückverfolgen. Vor dem Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung und des Zusammenbruchs der Sowjetunion sah sich auch die KPÖ gezwungen, die »Daseinsberechtigung« und »Notwendigkeit« linker Parteien neu zu diskutieren: 


»Und die Antwort […] war eben, wir müssen eine Partei sein mit einem Gebrauchswert, insbesondere für die arbeitende Bevölkerung, für jene, die keine Lobbys haben, die soziale Benachteiligungen erfahren. Und aus dem heraus ist dann sehr viel Gutes, was für die weitere politische Praxis der KPÖ bis heute entscheidend ist, entstanden. Beispielsweise Anfang der 90er Jahre der Mieternotruf, eine Telefonnummer, die es in der Form bis heute gibt.«


Ausgehend von diesem Verständnis politischer Praxis hat die KPÖ Graz eine inzwischen dreißigjährige Erfahrung im Bereich der Miethilfe entwickelt. Heute sind die Sozialberatungen das Markenzeichen der Partei in Graz und Salzburg. Sie umfassen verschiedene Aspekte des alltäglichen Lebens wie Miete, Heizkostenzuschüsse und Kita-Plätze ebenso wie kaputte Waschmaschinen und überfällige Stromrechnungen. Gleichzeitig wird die KPÖ aber auch für kollektive Aspekte des Gemeinschaftslebens aufgesucht und nicht nur für individuelle Anliegen: »Jeder weiß, dass es dort Hilfe gibt, auch in den Bezirken. Die meisten Menschen wenden sich an die KPÖ, sei es ein Zebrastreifen, sei es ein Verkehrsspiegel, da ist einfach das authentische Gefühl da, die tun was.« 


Besonders bekannt geworden und auch kontrovers diskutiert wurde ihr Ansatz, in Fällen, in denen eine Beratung allein nicht mehr ausreicht, durch einen finanziellen Zuschuss auszuhelfen. So suchen Menschen, die von Zwangsräumung und anderen Repressionen bedroht sind, die Partei auf. Diese Zuschüsse stammen aus dem erwähnten Sozialfonds, der durch die Gehaltsabgaben der Mandatsträger*innen finanziert wird. 


Von Skeptiker*innen und politischen Gegner*innen bekommt die KPÖ oft den Vorwurf zu hören, Wähler*innen zu bestechen oder im Prinzip nicht mehr als eine bessere Sozialarbeiter*in zu sein (vgl. Vogt 2021, 96). Die KPÖler*innen selbst argumentieren jedoch, dass sie den Anspruch verfolgen, den Menschen in ihren konkreten Lebenslagen zur Seite zu stehen, sich zu kümmern und letztlich auch zu vermitteln, »dass es einen Unterschied macht, ob die KPÖ da ist oder nicht«. Sie erklären dazu, dass sie als Kommunist*innen die Menschen nicht auf eine »sozialistische Zukunft vertrösten« wollen: »Ich muss ihnen irgendwas anbieten können, was in ihrem Alltagsleben einen Unterschied macht, was ihnen das Alltagsleben jetzt erleichtert«. 


Darüber hinaus ordnen sie die Sozialberatungen auch als eine spezifische Form der Basisverankerung ein. Jede* Politiker*in der KPÖ soll mindestens einmal die Woche mit Leuten außerhalb des Büros und der eigenen Partei ins Gespräch kommen. Viele Menschen, die die Beratungen aufsuchen, erzählen dies ihrem Familien- und Bekanntenkreis. Folglich ist vielen in Graz und Salzburg die Sozialberatung ein Begriff. Andersrum erhalten die Parteimitglieder einen beständigen Input von den Aufsuchenden und erfahren so von Problemlagen in der Stadt, die sie wiederum kommunalpolitisch adressieren. Die Beratungen fungieren quasi als eine Rückbindung der Partei und vor allem der Parlamentarier*innen an die Lebensrealitäten der Bevölkerung. Die Genoss*innen beschreiben ihre Sozialhilfe und kommunalpolitischen Bemühungen als »ehrliche Arbeit«, die den Menschen zeigen soll, dass »man sich nicht zu stolz [ist], sich auch der kleinen Dinge anzunehmen«. Letztlich ist damit der Gebrauchswert auch unmittelbar an ihre Glaubwürdigkeit als eine Partei der arbeitenden Menschen gebunden, die den »kommunistischen Mythos ein bisschen entzaubert« und die soziale Utopie greifbarer macht. 

Durch Fachkompetenz überzeugen

Die Tatsache, dass die KPÖ in erster Linie eine konsequente Wohnungspolitik verfolgt, brachte ihr lange Zeit den Ruf einer »Ein-Themen-Partei« ein. So konnte die Partei in Graz als auch in Salzburg eine beachtliche Fachkompetenz aufbauen.


Früh wurde erkannt, dass sich im Thema Wohnen eine Systemfrage kristallisiert, bei der das Einhegen von Profitinteressen für Menschen unterschiedlicher Milieus und Berufe von Interesse wird. Dabei werden von der Partei über dieses zentrale Thema auch Ableitungen in andere Themenbereiche getroffen. So argumentieren sie, dass »Mieterschutz [...] in Salzburg der beste Klimaschutz« sei, weil er die Zersiedelung des Umlandes und ein hohes Pendler*innenaufkommen verhindert. Oder wenn Bildungschancen an den prekären Wohnverhältnissen von Familien in der Stadt festgemacht werden können oder Kulturpolitik den Leerstand in der Stadt adressiert, gelingt es der Partei immer wieder, ihre Zuschreibung als Wohn-Partei zu verfestigen. Das heißt aber auch, dass man sich "nicht zu zehn kontroversen Themen positioniert, wo man sich überall nur halb auskennt, sondern lieber auf eine Sache konzentriert und die gut macht.« 


Um in der stadtpolitischen Arena an Relevanz zu gewinnen und letztlich auch erfolgreich zu sein, wurde bewusst auf ein sachverständiges Auftreten gesetzt: 


»Es war unsere Einschätzung, dass es ohne [Expertise] halt nicht geht, weil wenn wir zum Beispiel Presseaussendungen ausschicken, wo man in drei Absätzen die eigene Meinung ausführt, ist es für Journalisten uninteressant. Wir versuchen da tatsächlich empirisch fundiert zu arbeiten. [...] Man braucht Zahlen, die für Menschen überzeugend sind, die noch nicht unsere Weltanschauung teilen.« 


Um diese Fachkompetenz zu generieren, nutzt die KPÖ Plus in Salzburg auch explizit Kontakte in die Wissenschaft und bezieht diese Ressource in sachpolitische Themenkomplexe ein. Dabei geht es den Aktiven nicht nur darum, Menschen mit »paradiesischen« Visionen zu überzeugen, sondern umsetzbare Wege aufzeigen zu können. Dieser Ansatz zeigt sich auch in konkreten Politikvorschlägen, die die Eigentumsfrage berühren. In Salzburg erarbeiteten sie eine Position, den stadteigenen Energieversorger umzubauen und auf seine Gemeinnützigkeit zu verpflichten. Das börsennotierte Unternehmen hatte in den vergangenen Jahren zwar Rekordgewinne für die Stadt- und Landesregierung erzielt, diese bei steigenden Energiepreisen aber auf dem Rücken der Bevölkerung erwirtschaftet. Hieraus resultierte für die Partei jedoch nicht die blinde Forderung nach rigoroser Verstaatlichung, »weil die österreichische Nachkriegsgeschichte ist schon auch eine abschreckende Geschichte, was passiert, wenn man alles verstaatlicht«. Stattdessen suchten sie nach einer im Hier und Jetzt gangbaren Alternative zum Energieversorger als Aktiengesellschaft. 

Arbeitskreise – zwischen Expertise und Basisverankerung

Ein weiterer Baustein der Parteiarbeit sind die Arbeitskreise. Hier steckt die KPÖ viel Energie hinein, um auch zu anderen gesellschaftlichen Themen Expertise zu entwickeln und sprechfähig zu werden. In den Arbeitskreisen werden nicht nur Kompetenzen zusammengetragen, sondern sie bilden zugleich einen Organisierungsort für Beschäftigte verschiedener Berufe und ermöglichen der Partei eine Verankerung in diesen Bereichen. 


Die KPÖ Graz hat als erste einen Arbeitskreis Pflege gegründet, der eng verschränkt ist mit der Arbeit des Ressorts Gesundheit im Gemeinderat, welches wiederum in der Hand der Partei ist. Für die Parteimitglieder geht es in diesen Zusammenhängen in erster Linie um das »Zusammentragen arbeits- und lebensweltlicher Expertise«. Für die politische Organisation bedeutet das, dass sie trotz ihres Rufs als »Ein-Themen-Partei« durchaus auch zu thematischen Kampagnenwechseln fähig ist. 


Es folgten in Salzburg schließlich die Arbeitskreise »Bildung«, »Kunst und Kultur« sowie »Frauen«. Die Grundidee ist, dass sich hier Menschen entlang ihrer Arbeits- und Berufstätigkeit organisieren, ihre Erfahrungen zusammentragen und sich vernetzen. Letztlich sendet die Partei über die Arbeitskreise vor allem ein Signal, sich an die Beschäftigten der jeweiligen Branchen als die Expert*innen ihrer eigenen Arbeit zu wenden. Verschiedene Mitglieder schildern, dass sie über diesen Weg zur KPÖ Plus gefunden haben. Und es ist auffällig, dass analog zu den Arbeitskreisen in Salzburg viele der Aktiven aus dem sozialen Dienstleistungsbereich stammen. Sie sind Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen oder Kulturschaffende. Für viele von ihnen besteht ein Zusammenhang zwischen der Leidenschaft, die sie für ihre Profession aufbringen, dem Wunsch, das System der öffentlichen Daseinsvorsorge zu verbessern, und ihrer Aktivität in der KPÖ Plus. 

Das Erlangen von Glaubwürdigkeit 

Über den Anspruch hinaus, eine nützliche Partei zu sein, die täglich ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellt, kämpft die KPÖ um das Vertrauen der Menschen, die sie vertreten will. Neben der Gehaltsobergrenze der kommunistischen Mandatsträger*innen spielt auch die starke Personalisierung für das Auftreten als nahbare und bodenständige Partei eine wichtige Rolle:


»Nach 1998 ist mit Ernest Kaltenegger das erste Mal ein Kommunist in die Grazer Stadtregierung gekommen und hat dort dann natürlich die üppigen Diäten, die einem Regierungsmitglied zustehen, bekommen. […] Das kann man als Kommunist so nicht mittragen. Auf ihn geht die Obergrenze zurück, die sich an einem Facharbeitergehalt orientiert und alles darüber wird dazu verwendet, Menschen in Notlagen zu unterstützen.[3] Das ist mittlerweile auch statuarisch festgehalten.« 


»Abgehobene Gehälter führen zu abgehobener Politik«, ist inzwischen ein populärer Slogan der KPÖ geworden. Für sie ist es enorm wichtig, dass ihre eigenen Mandatsträger*innen niemals den Bezug zur Lebensrealität der arbeitenden Bevölkerung verlieren. Daher sollen sie sich auch nicht durch ihren Lebensstandard oder ihr Einkommen von »normalen Bürger*innen« abheben. Ein Gemeinderat der KPÖ in Graz sagt dazu: 


»In meinem Fall sind es 6 000 Euro netto monatlich, die ich bekomme. Wenn mir gegenüber eine Heimhilfe oder Mindestpensionistin sitzt und ich würde das ganze Geld mir behalten, ich könnte nicht glaubwürdig sagen: ›Ich weiß, wie Sie sich fühlen.‹« 


Viele Interviewpartner*innen berufen sich wiederholt auf die Außenwirkung der Gehaltsobergrenze. Sie wird als Kernaspekt ihrer politischen Glaubwürdigkeit benannt. Dass dies Früchte trägt, zeigen Rückmeldungen von Passant*innen an Infoständen: »Alle anderen schauen ja eh nur, dass sie Geld scheffeln und sich selber irgendwie gut darstellen, und ihr seid so die einzigen, denen man vertrauen kann.« 


Der zweite Faktor in der Mission »Glaubwürdigkeit« ist die starke Personalisierung der Partei. Dabei geht es primär nicht um den Aufbau von bloßen Promis, sondern um die Vermittlung eines ganz bestimmten Images. Es dreht sich um charismatische Persönlichkeiten, die der Bevölkerung sehr nahe sind. Sowohl in Graz als auch in Salzburg wird auf die zentrale Rolle verwiesen, die die Spitzenkandidat*innen spielen: 


»Also ich habe jetzt keine genauen Zahlen dazu, aber jetzt gefühlsmäßig. Jeder Zweite wählt eigentlich nicht die KPÖ, sondern Elke Kahr als Spitzenkandidatin, als Person. Die hat ein enormes Standing. Die ist seit den 90ern in der Kommunalpolitik. [...] Jeder kennt sie.« 


Die Personalisierung hilft, die KPÖ als Partei zugänglich und nahbar zu machen, wenn ihre Spitzenkandidat*innen als vertrauenswürdig und integer gelten. So bei Elke Kahr, die in der Öffentlichkeit als eine sehr bodenständige Person wahrgenommen wird, die wie jeder andere Mensch in der Straßenbahn oder auf dem Fahrrad unterwegs ist. Finden Feste oder Veranstaltungen im Volkshaus der Partei statt, ist Elke Kahr ebenso wie jedes andere Mitglied der KPÖ beim Abspüldienst anzutreffen. 


Ähnlich funktioniert es bei Kay-Michael Dankl in Salzburg:


»Der Kay ist wahnsinnig, ein idealer Spitzenkandidat, also der ist rhetorisch auch wirklich der Oberwahnsinn. Er ist absolut authentisch. Und obwohl er sehr geschult ist, empfinden ihn Menschen als ganz, ganz natürlich […]. Das ist ein sehr großer Vorteil. Der Kay macht sicher einen bedeutenden Teil unseres Erfolges aus.« 


Konkret zeigt das Vorgehen der KPÖ Plus in Salzburg, dass der Aufbau von Persönlichkeiten keinesfalls dem Zufall überlassen wird. Im Zuge der Landtagswahlen 2023 wurde kein Flyer in der Stadt verteilt, auf dem nicht das Gesicht und der Name von Kay-Michael Dankl abgedruckt waren. Dabei wurde absichtlich nur dieser als zentrale Person gesetzt: »weil uns bewusst war, wir haben nur eine einzige Person im Bundesland, die annähernd bekannt werden kann.« Seine Prominenz soll wiederum als »Trägerrakete« fungieren, um letztlich auch weitere Kandidat*innen prominent machen zu können: »Vor der Wahl war klar, da ist alles sehr auf [Kay-Michael] zugeschneidert. Seit der Wahl können wir die Natalie viel stärker sichtbar machen.« 


Neben den Galionsfiguren der Partei verfolgen aber auch die übrigen Mandatsträger*innen ein integres Auftreten in der Öffentlichkeit. So bleiben beispielsweise die Landtagsabgeordneten in Salzburg während der Ausübung ihrer politischen Mandate weiterhin in ihren Berufen aktiv. Die Nebentätigkeit außerhalb des Parlaments stellt für sie einen wichtigen Realitätsbezug dar, der es ihnen ermöglicht, über den Tellerrand des Parlaments hinauszuschauen. Der Verbleib im Beruf bietet aber auch eine Absicherung für die Zeit nach der Parlamentsarbeit. 


»Nein, ich finde, dieses Modell mit man arbeitet nebenbei schon auch ganz gut, weil erstens mal, ich mache meinen Job gerne, [...] und gleichzeitig halt ich es für wichtig, im realen Leben zu bleiben. Weil ich finde es nicht so gescheit, wenn ich mich nur mit Menschen da in meiner sehr solidarischen Blase unterhalte die ganze Zeit. Und man muss halt so realistisch sein, dass nur, weil man jetzt mal ein Mandat hat für die KPÖ, dass das nicht heißt, dass man sein ganzes Leben politisch da fest im Sattel sitzt und ausgesorgt hat, weil es kann bei der nächsten Wahl auch wieder anders werden.«


Letztlich ist der abschätzbare Effekt, dass die nebenberufliche Tätigkeit nicht nur ein Signal von Bodenständigkeit ist, sondern Außenstehenden den Eindruck vermittelt, dass die Abgeordneten eine arbeitsweltliche Expertise mitbringen und diese auch weiter pflegen. Darüber hinaus erscheint die parlamentarische Arbeit selbst weniger professionalisiert. 

Das Vermeiden von Triggerpunkten und die Einheit nach außen

Vieles, was die KPÖ praktiziert, wird abgewogen und strategisch entschieden. Dazu zählt auch, zu welchen politischen Themen die Partei arbeitet und sich öffentlich äußert. Es gelingt ihr als eine Partei wahrgenommen zu werden, die die soziale Frage bearbeitet. Um dies zu erreichen, entscheidet sich die Organisation bewusst dafür, andere linke Themen wie Migration, Klimakrise oder Feminismus öffentlich wenig bis gar nicht zu bespielen. Geschieht dies doch, findet die Aktivität in einem Rahmen statt, in welchem sie beispielsweise von Bürger*innenbündnissen getragen wird. Die Proteste gegen den Bau des Mur-Kraftwerks in Graz sind ein markantes Beispiel: »Es gibt, glaube ich, in der Politik Dinge, über die man redet. Und dann gibt es Dinge, die man einfach macht.« So oder ähnlich schildern viele der KPÖ-Mitglieder ihr Verhältnis zu linken Streitthemen. Dabei sollen vor allem »Triggerpunkte« (s. o.) vermieden werden, die polarisierend wirken oder im gesellschaftlichen Diskurs verpönt sind: »Ich glaube, du gewinnst halt als Linke nichts, wenn du die ganze Zeit über Migration und Umwelt redest«, so ein Genosse aus Salzburg. 


Zu diesem Zweck wägen die Verantwortlichen auch die Themen und Sprachformen ihrer politischen Kommunikation ab. Sie wollen mit ihrer Politik einen Teil der Bevölkerung erreichen, der zu vielen gesellschaftskritischen und linken Konzepten keinen Bezug hat und kritisieren wiederum linke Organisationen, die vor allem zu szenebezogener Ansprache und Kommunikation neigen: 


»Die KPÖ übernimmt […] fast ausnahmslos alle Forderungen der Queer-Szene und auch der Trans-Community. […]  Aber ob man jetzt statt Frauen überall FLINTA hinschreibt, ist eine strategische Frage. Und da gehen wir nicht mit. Weil die Leute, die hier wohnen, wissen nicht was FLINTA ist. Und die schließen wir nicht aus, sondern genau die wollen wir haben.« 


Die KPÖ-Mitglieder argumentieren dazu auch, dass der öffentliche Diskurs in Österreich stark von rechts geprägt sei, weshalb man u.a. in Bezug auf Migration aktuell »keine linke Position unterbringen« könne. »In den Medien wird man da einfach zerrissen«, meint ein Genosse aus Salzburg. Allerdings werden die Meinungen und Standpunkte der KPÖ deshalb keinesfalls dem rechten Diskurs angepasst. Forderungen nach offenen Grenzen oder sexueller Selbstbestimmung finden sich im Wahlprogramm und werden weder klein geredet noch delegitimiert. Nur öffentlich werden sie kaum geäußert. 


Als politische Gegner*innen adressiert die KPÖ in erster Linie die ÖVP als mächtigste Partei des Landes, die lange Zeit in der Regierungsverantwortung stand. Die KPÖ verfolgt das Ziel, an einer Rechts-Links-Polarisierung in der Gesellschaft vorbeizuarbeiten. Um auch frustrierte Wähler*innen der FPÖ für eine kommunistische Politik (zurück) zu gewinnen, wird die FPÖ daher selten angegriffen und eher ignoriert.  


Die KPÖ übt sich eher in einer subtilen politischen Praxis, die beispielsweise darauf abzielt, durch das Organisieren von Stadtteilfesten Menschen über Milieugrenzen hinweg zusammenzuführen und so möglicherweise auch latentem Rassismus entgegenzuwirken. Gleichermaßen leistet sie Hilfe für Migrant*innen und Geflüchtete, indem beispielsweise Sachspenden an die slowenische Grenze transportiert werden. Allerdings geschehen solche Aktionen eher »im Stillen«. 


In der Partei besteht Einigkeit über die Priorisierung sozialer Themen und einer eher spärlichen Positionierung zu den sogenannten »Kulturkämpfen«. Dennoch lässt sich ein gewisser Meinungskorridor feststellen, innerhalb dessen strittige Themen von den Parteimitgliedern allerdings nur intern debattiert werden. Die Aussparung von gesellschaftlichen Triggerpunkten ist auch mit dem Anspruch verbunden, Themen wie Frauenquoten und gendersensible Sprache in Verbindung mit den sozialen Strukturen zu bearbeiten, die sich hinter diesen Themen verbergen. 


Doch unabhängig davon, aus welcher Brille die Mitglieder strittige Themen betrachten, wird von allen an einer gemeinsamen Kommunikation und politischen Arbeit festgehalten: »Streiten tut man im Wohnzimmer und nicht am Balkon.« Die KPÖ hält sich strikt an eine Form der Parteidisziplin, denn: »Niemand will bei einer zerstrittenen Truppe dabei sein. [...] es geht schon darum, ein einheitliches, geschlossenes Bild herzustellen, so eine gemeinsame Perspektive aufzumachen.« 

Fazit

Der KPÖ gelingt es an Popularität und Mitgliedern zu gewinnen. Sie schafft es, im parlamentarischen Betrieb die Perspektive der arbeitenden Bevölkerung stark zu machen. Dieser Erfolg rührt daher, dass es ihr gelingt, sich gegen einen Trend der politischen Unzufriedenheit durchzusetzen und das Vertrauen der Wähler*innen zu gewinnen. Die Parteimitglieder präsentieren eine Einheit nach außen und eine Kohärenz zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie politisch tun. 


Unabhängig vom aktuellen Erfolg bleiben Fragen nach der Zukunft der Partei offen. Außerhalb der Steiermark ist sie in vielen Teilen eine neue und junge Partei, die nun ihren Weg finden muss. Eine nützliche, glaubwürdige Politik, die durch Expertise und gute Vorschläge überzeugt, ist sicherlich zeitlos und wird durch einen breiten Konsens getragen. Doch welcher gesamtgesellschaftlichen Entwicklung wird auch sie sich stellen müssen? Noch ist der Triggerpunkte vermeidende Duktus der Partei relativ unumstritten. Wird sich daran etwas ändern, wenn die KPÖ auf Bundesebene in die österreichische Politik zurückkehren sollte? Die Bekämpfung des Klimawandels und des wachsenden Rassismus in der Gesellschaft spielen aktuell in Österreich keine hervorgehobene Rolle, doch muss sich das nicht verändern, wenn ein Kulturkampf von rechts immer vehementer geführt wird, die FPÖ sich als stärkste Partei konsolidiert? 


Auch die Parteidisziplin der Mitglieder wird ab einem bestimmten Wachstum sicherlich stärker herausgefordert werden. Aktuell befindet sich die KPÖ in einem Spannungsverhältnis zwischen Kaderpartei und angestrebtem Wachstum. Dabei ist das Mitgliederwachstum sicherlich dringend notwendig, schon allein um Arbeit und Aktivitäten auf mehr Schultern verteilen und das Ausbrennen von Aktiven verhindern zu können. Gleichzeitig gestaltet sich innerparteiliche Demokratie mit vielen Mitgliedern schwieriger als mit wenigen. Dennoch bietet die Politik und Praxis der Partei Anregungen für eine erfolgreiche linke Politik und die Erneuerung einer sozialistischen Bewegung von unten.

[1] Gekürzter Beitrag aus dem von der RLS gefördertem Projekt und Band »Sozialismus von unten? Emanzipatorische Ansätze für das 21. Jahrhundert“, hgg. v. Klaus Dörre, Anna Mehlis, Stephan Humbert u. Bruno Saar. Das Buch erscheint im Mai beim VSA Verlag in Hamburg. Der Artikel ist entstanden aus dem Kontext des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs „Strukturwandel des Eigentums“ unter der Projektleitung von Klaus Dörre.

[2] Zehn Interviews wurden in Graz geführt, sieben in Salzburg und eins in Wien, entweder vor Ort oder per Zoom. 

[3] Die Gehaltsobergrenze ist sowohl in Graz als auch in Salzburg ein fest verankertes Prinzip und entspricht einem durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn. Zwischen 2 200 und 2 500 Euro netto behalten die Abgeordneten als Gehalt, das überschüssige Geld wird wie bereits erwähnt in den Sozialfonds der Partei eingezahlt, durch welchen wiederum die Sozialhilfe und -beratungen finanziert werden.

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