Die Autoindustrie präsentiert sich als Vorreiter und globaler Leitmarkt. Von den Krisen wird geschwiegen: Seit Jahrzehnten wird zu viel produziert. Das verschärft die Konkurrenz – die in erster Linie die Beschäftigten trifft. Die Hersteller in Europa und Nordamerika wollen die Produktion von Autos verdoppeln; die machtvollen Konkurrenten in Asien verfolgen dasselbe Ziel. Das Go Green der Autoindustrie soll den alten Weg individueller Mobilität verlängern und das Geschäftsmodell mit verändertem Antrieb fortführen. An den Problemen und Strukturen des Individualverkehrs ändert das wenig: viele Tote und Verletzte, rasch wachsende Verkehrsdichte, Versiegelung der Böden, wachsender Verbrauch von zum Teil hoch giftigen und umkämpften Ressourcen wie Lithium. Um profitable Positionen auf dem Weltmarkt zu gewinnen, kaufen sie Arbeitskräfte; um sich in den neuen Krisen halten zu können, entlassen sie sie wieder. »Wettbewerbskorporatismus« sichert keine Arbeitsplätze: Global Player wie Daimler oder VW behaupten sich gut in der globalen Konkurrenz, »zuhause« bauen sie seit Jahrzehnten Beschäftigung ab. Dieses Heft untersucht Kultur, Ökologie und Ökonomie der Autogesellschaft, die Krisen, Kämpfe und Strategien in der Automobilindustrie.

Welche Veränderungen sind denkbar, wie können Einstiege gefunden werden, betriebliche, branchenweite, regionale und gesellschaftliche? Wie werden sie attraktiv, nützlich – und helfen die zentralen Probleme von Ökonomie, Arbeit und Ökologie zu lösen? Betriebliche Mitbestimmung, regionale Räte – wie kann der Verkehr und das Eigentum an den Verkehrsmitteln demokratisiert werden? Wenn in der Konversion die Strukturen umgearbeitet werden, verlieren Menschen die gewohnte Arbeit. Welche Formen eines gerechten, sozialen Übergangs – just transition – gibt es? An einige gewerkschaftliche Erfahrungen kann angeknüpft werden: Beschäftigungsgesellschaften, Qualifizierungen, Arbeitszeitverkürzung und Konversion unter der Regie der Beschäftigten.

Konversion bedeutet nicht einfach, Elektroautos oder Windräder zu bauen. Eine ganze Palette neuer Produkte, Technologien und gesellschaftlicher Bedürfnisse ist notwendig: neue Mobilitätskonzepte, neue Formen von Leben und Arbeiten, von Rohstoff- und Energienutzung, Konsum usw. Eine sozial-ökologische Transformation ist zugleich eine kulturelle Revolution. Konkrete Utopien einer alternativen, postfossilen Mobilität sind gefragt, solidarisch, demokratisch, öffentlich organisiert: go public!

Sozial-ökologische Transformation ist nicht nur eine technische oder organisatorische Frage. Sie kann nur als politische Praxis einer Mosaiklinken gelingen (vgl. Luxemburg 1/2010). Bislang agieren die unterschiedlichen Gruppen getrennt. Partei- und Bewegungslinke, Gewerkschaften und Betriebsgruppen, ökologische, feministische und soziale Bewegungen brauchen Räume, um gemeinsame Praxis zu entwickeln, Ansatzpunkte auszuloten. Die Konferenz Auto.Mobil.Krise – Arbeit. Konversion.Bewegung will hier einen Anfang machen.

Soziale Infrastrukturen öffentlicher Gesundheit, Erziehung und Bildung, Forschung, soziale Dienste, Ernährung(ssouveränität), Pflege und Schutz unserer natürlichen Umwelten sind zentrale Bedürfnisse, in allen diesen Bereichen herrscht Mangel. Schon jetzt sind diese Bereiche der Ökonomie die einzigen mit relevantem Beschäftigungswachstum. Zählt man die unbezahlten Arbeiten hinzu, dann zeigt sich, dass der größte Teil gesellschaftlich notwendiger Arbeit in der Care Economy geleistet wird. Ein »Abschied von der Macho-Ökonomie« (Bullard, Luxemburg 1/2009) ist überfällig. Reproduktionsarbeit gehört ins Zentrum eines Transformationsprojektes. Eine solidarische Gesellschaft muss die »Akkumulationslogik« durch eine »Wohlfahrtslogik« (Masha Madörin) ersetzen.