In Oregon werden »Antifa-Aktivist*innen« beschuldigt, für die Waldbrände verantwortlich zu sein – nicht die Brand- und Anstifter*innen des Kahlschlags am Amazonas. In Texas werden die Schneestürme und Stromausfälle den Umweltschützer*innen zur Last gelegt und dem »Green New Deal«, der nirgendwo umgesetzt wird. Dabei macht sich die Ideologie der Verleugner*innen trotz des darin enthaltenen okkultischen Todestriebs die materiell-symbolischen Bestrebungen von Hunderten Millionen von Menschen zunutze, darunter nicht nur den Wunsch nach »Wohlstand«, nationaler Entwicklung, sozialem Aufstieg und individueller Autonomie, sondern auch den nach sozialer Distinktion. Die Klimaleugner*innen stellen die Klimawissenschaft als eine List Chinas bzw. der Dritten Welt dar, deren Zweck eine Umverteilung des globalen Wohlstands sei. Damit verspricht ihre Ideologie denen, die an der Spitze des Weltsystems stehen und für die es nur noch bergab gehen kann, und denen, die die Leiter der Entwicklung hochgeklettert sind und nun zu fallen drohen, dass sie nicht in die gleiche desolate soziale Lage abstürzen werden wie das Gros der Menschheit.
Die Linke hat sich derweil über ihre eigenen Versäumnisse Rechenschaft abzulegen. Mit der Abkehr von den ursprünglichen Zielen des »Roten Oktobers« der Arbeiter*innen ging die Unterdrückung eines aufkeimenden ökologischen Bolschewismus einher, mit dem sich der historische Materialismus seiner produktivistischen Anteile hätte entledigen können, so wie er sich faktisch von jeglichen Ansätzen einer proletarischen Demokratie befreit hat. Die Vorstellung vom Sozialismus als einer neuen und besseren Form des Wachstums ist immer noch weit verbreitet, ungeachtet des Zusammenbruchs der Sowjetunion 1991. Was den Streit zwischen auf Modernisierung setzenden Ökosozialist*innen und ihren Widersacher*innen betrifft, so bestehen wir darauf, dass die Ersteren nicht prometheisch genug sind. Es ist die grundlegende Annahme des historischen Materialismus, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Wer sind wir – die Opfergenoss*innen des Zu-spät-Kapitalismus –, dass wir uns anmaßen, Gesetze für diejenigen zu erlassen, die (hoffentlich) nach uns kommen werden? Der Wandel, den wir brauchen, um eine bewohnbare Biosphäre zu erhalten, ist so gewaltig, dass, wenn er uns gelingen sollte, unsere Nachkommen – sollten sie solche Texte lesen – sich ähnlich wie wir bei der Lektüre von Epen aus der Bronzezeit fragen werden: Waren das überhaupt Menschen?
Ist menschlich heute überhaupt noch der richtige Begriff für uns? Das allgemeine Verständnis von »Anthropozän« impliziert, dass es einen gemeinsamen »Anthropos« gibt, dem eine Gesamtverantwortung und -schuld zugeschrieben werden kann. Aus guten Gründen heben die Kolonisierten, die Ausgeschlossenen und die Unterdrückten hervor, dass nicht sie es waren, die das Klima zerstört haben, und von daher auch nicht von ihnen erwartet werden kann, die Kosten dafür zu tragen. Hier liegt der wahre Kern der Fixierungen auf Kosmologien indigener Bevölkerungsgruppen als Quellen der Resilienz, als eine Art welthistorischem Achtsamkeitstraining, mit dem der Katastrophe begegnet werden kann. Doch der Klimakollaps des Kapitalozäns ist eine reale Abstraktion, nicht eine ethische Wahl oder eine epistemologische Vorliebe. Die auf der Wertform basierende Welt existiert bereits – dazu beigetragen haben nicht zuletzt die wahrlich prometheischen Bemühungen der Bourgeoisien der Länder des globalen Südens –, und es sind keine anderen Welten übrig. Der einzige Weg führt durch diese Welt hindurch, nicht aus ihr heraus.
Aus dem Englischen von Hannah Schurian.