Wir erleben einen schleichenden Prozess, in dem sich die extreme Rechte über Jahre – wenn nicht Jahrzehnte – normalisieren konnte. Diesen Prozess, der langsam aber stetig voranschreitet, können wir als Faschisierung der Gesellschaft begreifen. Mit jedem weiteren Wahlerfolg, jeder weiteren Verschiebung des Sagbaren, jeder rassistischen und/oder antifeministischen Mobilisierung sowie der permanenten Übernahme extrem rechter Begrifflichkeiten und Versatzstücke in den Mainstream Diskurs schreitet diese voran. Diese Entwicklung verläuft weder geradlinig, noch ist ihr Ausgang heute schon klar. Ebenso wenig werden genau jene aus der Vergangenheit verschiedener Länder bekannte Faschismen wiederkommen. „Die Ideologeme“ des Faschismus „dienen als Rohmaterial für eine je spezifisch konkrete (nicht-beliebige) Artikulation“ (Candeias 2024, 50). Wenngleich sich Parteien wie die AfD oder auch außerparlamentarische Gruppierungen wie die Identitären um Distanzierung von der sogenannten Alten Rechten und rhetorische Erneuerungen bemühen, zeigt sich hinter der Modernisierung rechtsextremer Ideologie auch ein ideologisch unveränderter Kern. 

»Der Kulturkampf fungiert als Motor der Faschisierung, um autoritäre Sehnsüchte zu normalisieren und den Boden für repressive Politik zu bereiten.«

Parteien der extremen Rechten haben heute in der Regel auch keine Massenbasis, dafür aber die Zustimmung der Massen für das Projekt einer autoritären Neuordnung der Gesellschaft. Der Prozess muss folglich nicht notwendigerweise im Faschismus enden, aber er treibt die autoritäre Transformation voran. Dies geschieht dabei nicht nur durch autoritäre Politik, sondern vor allem durch Befriedigung „identitärer Bedürfnisse“ (Mense 2024), vermeintliche Krisenlösungen sowie gezielte ideologische Umdeutungen gesellschaftlicher Konflikte. Die extreme Rechte setzt dabei auf einen Kulturkampf im Sinne eines ideologischen Aushandlungsprozesses von hegemonialen Werten und Normen. Er fungiert als Motor der Faschisierung um autoritäre Sehnsüchte zu normalisieren und den Boden für repressive Politik zu bereiten. Im Folgenden soll die zentrale Relevanz von Gender-Themen in diesem Prozess der Faschisierung aufgezeigt und das große Mobilisierungspotential von Antifeminismus erklärt werden.

Konstruktion eines Ausnahmezustands

Im Zentrum der Kulturkämpfe der extremen Rechten wie des radikalisierten Konservatismus steht heute vor allem eine ideologische Mobilisierung, die gesellschaftliche Konflikte entlang von Identitätsfragen verhandelt. Die Kultur der „normalen“ Bevölkerung und damit einhergehenden binär-hierarchischen Geschlechtervorstellungen sollen dabei gegen all jene verteidigt werden, welche die scheinbar „natürliche“ Ordnung in Frage stellen oder gar bedrohen. Parteien wie die AfD und die FPÖ nutzen den Kulturkampf besonders in den Bereichen Geschlecht, Familie, Migration und nationale Identität, indem sie über Untergangs- und Angstszenarien das Bild einer durch linke, feministische Kräfte bedrohten Gesellschaft zeichnen. Gerade in diesen Kontexten zeigen sich klassische faschistische Muster: Durch Polarisierung und Bedrohungskonstruktionen wird ein Ausnahmezustand suggeriert, in dem autoritäre Lösungen plötzlich als notwendig erscheinen, um Sicherheit und Stabilität wiederherzustellen. Der Kulturkampf wird dabei nicht nur als gesellschaftliche Auseinandersetzung präsentiert, sondern auch als ein existenzieller Konflikt, der das Überleben der Nation, der Traditionen und der Ordnungen sichern soll. Letztlich dient die dadurch hervorgerufene Dynamik nicht nur der Identifikation von Feindbildern und Schuldigen für gesellschaftliche Probleme, sondern auch der Konstruktion eines Klimas der Angst und Unsicherheit, welches autoritäre Maßnahmen legitimieren soll.

Rechte Identitätspolitik

Antifeminismus und die damit verbunden LGBTQIA+- und Queerfeindlichkeit sind schon lange kein Nebenschauplatz mehr, sondern zu einer zentralen ideologischen Säule rechter und konservativer Politiken und ihrer Kulturkämpfe avanciert. Entsprechend stellen Geschlechter- und Identitätsfragen einen bedeutenden Referenzpunkt dar. Auch Thorsten Mense betont, dass „die extreme Rechte heute nicht mehr in erster Linie mit Inhalten punkten würde, sondern mit einem Identitätsangebot“. Dies wiederum hat vor allem deshalb Erfolg, „weil es in großen Teilen der Bevölkerung ein identitäres Bedürfnis gibt“ (Mense 2024, 65).Die extreme Rechte setzt folglich gezielt darauf, gesellschaftliche Konflikte anhand von Identitätsfragen in Kombination mit Untergangs- und Bedrohungsrhetoriken zu verhandeln. Gerade vor dem Hintergrund multipler Krisen und Verunsicherungen eignen sich binär-hierarchische Geschlechterentwürfe mit klaren Rollen und Aufgaben als attraktives Identitätsangebot wie auch als autoritäre Krisenlösungsstrategie. Über die Ablehnung der vom Feminismus angestoßenen gesellschaftlichen Veränderungen und die Verteidigung der vermeintlich natürlichen Geschlechterordnung können nicht nur durch Prekarisierung entstandene Scham-, Angst- und Frustrationserfahrungen kanalisiert und verarbeitet, sondern auch Privilegienansprüche sowie Vorrechte geltend gemacht werden. Durch die Darstellung feministischer Errungenschaften und Forderungen als Störung und Bedrohung, werden letztlich auch disziplinierende, repressive und autoritäre Vorgehensweisen dagegen legitimiert. Wie Birgit Sauer beschreibt, zielt maskulinistische Identitätspolitik darauf ab, alte Gewissheiten wiederherzustellen und damit auch Kontrolle und Ordnung (Sauer 2023). Vereindeutigte Geschlechteridentitäten und damit verbunden naturalisierte soziale Organisationsformen wie Familie oder Volk’ versprechen in unsicheren Zeiten Sicherheit, Stabilität und Zugehörigkeit oder sogar Geborgenheit. Sie eröffnen einen scheinbaren Ausweg aus der Unsicherheit, der jedoch mit einem normativen und autoritären Entwurf von Geschlechterverhältnissen einhergeht, weil er Machtverhältnisse naturalisiert und jene disziplinieren möchte, die sich nicht unterwerfen wollen.

Mainstream durch Antifeminismus

Geschlechts- und Sexualitätsthemen eignen sich zudem für die extreme Rechte hervorragend, um innerhalb der Kulturkämpfe über Appelle an den „gesunden Menschenverstand“ Konsens und Vergemeinschaftung herzustellen. Viele – nicht notwendigerweise rechtsextrem eingestellte – Menschen teilen ein diffuses Unbehagen gegenüber dem Konzept Gender sowie Vorbehalte gegen die Pluralisierung von geschlechtlichen Identitäten und Begehrensformen und erweisen sich aufgrund von großem Unwissen als anfällig für Angst- und Bedrohungskonstruktionen., So hat die extreme Rechte ein leichtes Spiel, in diesem Kontext zu punkten und ihre politischen Forderungen und Angebote als Mainstream zu inszenieren. Einigkeit wird beispielsweise über Narrative hergestellt, dass doch jedes Kind wisse, dass es nur zwei Geschlechter gebe und alles andere ,unnatürlich’ sei. Auf diese Weise gelingt es, einen scheinbaren Konsens über die vermeintliche Normalität und normale Ordnung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen herzustellen. Das damit einhergehende Identitätsangebot, Teil dieser „normalen“ heteronormativen Menschen sein zu wollen und zu können, beinhaltet zudem auch ein Versprechen von Zugehörigkeit und Vergemeinschaftung, die sich letztlich auch immer über jene definiert, die nicht dazugehören können und sollen.

Neue Identitätsangebote

Attraktiv sind aktuelle antifeministische Identitätsangebote aber nicht nur aufgrund des Versprechens der Wiederherstellung der vermeintlich natürlichen Geschlechterordnungen, damit verbundener Privilegiensysteme und männlicher Vorherrschaft. Anders als häufig behauptet, zielen antifeministische Angriffe nicht ausschließlich auf eine Rückkehr zu traditionellen Ordnungen, da rechtsextreme Akteur*innen auch eine auf die Gegenwart ausgerichtete, politische Agenda verfolgen. Im Zuge ihrer „rhetorischen Modernisierung“ (Angelika Wetterer, 2005) streben sie nach einer „anderen Moderne“ bzw. „antimodernen Moderne“ (Näser-Lather et. al., 2019, 25) . Gerade Phänomene wie Tradwives oder auch die rechtsextremen Bezugnahmen auf Frauenrechte und rassistisch motivierte Patriarchatskritik verdeutlichen die Einflechtung traditioneller, antiquierter Werte und Normvorstellungen in eine modernisierte Welt. 

 

»Gerade die rassistischen Vereinnahmungen von Frauenrechten, beispielsweise im Nachgang der Silvesternacht von Köln verweisen zudem darauf, dass Antifeminismus seine Wirkung vor allem über die mit ihm verwobenen Ideologien wie Rassismus entfalten kann.«

Aus der Überbrückung scheinbarer Widersprüche im rechtsextremen Denken (Engagement von Frauen in antifeministischen Parteien, antifeministischer Bezug auf Frauenrechte etc.) ergibt sich letztlich auch eine weitere Attraktivität ihrer Angebote. Der extremen Rechten ausschließlich ihre Widersprüche, Rückschrittlichkeit und ihre Rückwärtsgewandtheit vorzuwerfen, reproduziert folglich das Bild der bösen, eindeutig identifizierbaren Rechten, verschleiert die Anschlussstellen in der sogenannten Mitte und erschwert, die Modernisierung bzw. das Neue ihrer Identitäts- und Ideologieangebote zu erkennen. Nicht zuletzt helfen derartige Einordnungen ihnen auch, sich als weniger rückständig darzustellen als sie sind. 

Intersektionaler Antifeminismus

Antifeminismus erweist sich für die extreme Rechte auch deswegen als so mobilisierungsfähig, weil er als geteiltes Feindbild Allianzen mit anderen politischen Spektren wie z.B. konservativen, christlichen Akteur*innen ermöglicht. Hinzu kommt, dass Antifeminismus mit anderen Ideologien der Ungleichheit wie Rassismus, Sexismus oder auch Nationalismus eng verwoben ist und sich daher in Anlehnung an Karin Stögners (2018) Überlegungen als eine intersektionale Ideologie einordnen lässt. Gerade die rassistischen Vereinnahmungen von Frauenrechten, beispielsweise im Nachgang der Silvesternacht von Köln verweisen zudem darauf, dass Antifeminismus seine Wirkung vor allem über die mit ihm verwobenen Ideologien wie Rassismus entfalten kann. Durch die intersektionale Perspektive wird es möglich, die vermeintliche Sexismuskritik der extremen Rechten als rassistisch zu entlarven und darin eingeschriebene antifeministische Denkweisen aufzuzeigen. Gleichzeitig verweist sie auch auf die Fähigkeit antifeministischer Narrative unterschiedliche Diskriminierungs- und Benachteiligungsformen zu verschränken und über eine scheinbar einheitliche ideologische Klammer zu verhandeln.

Feminismus als Krisenursache

Bedroht werde die autochthone Bevölkerung nicht nur, wie der Verschwörungsmythos des „Großen Austausch“ suggeriert, durch eine imaginierte Islamisierung und einen „Bevölkerungsaustausch“, sondern auch, so ein weiterer Verschwörungsmythos, durch eine angebliche „Gender-Ideologie“, deren Ziel es sei, die vermeintlich natürliche binär-hierarchische Geschlechterordnung zu zerstören. Damit einher geht auch die Darstellung der „Gender-Ideologie“ als Angriff auf traditionelle Familienwerte und als Bedrohung der gesellschaftlichen Stabilität. Feminismus fungiert im rechtsextremen Denken folglich nicht nur als Feindbild, sondern wird auch als Ursache gesellschaftlicher Krisen ausgemacht. Der Fokus auf diese vermeintlichen „Probleme“ bringt für die extreme Rechte vor allem den Vorteil mit sich, von sozialer und insbesondere auch ökonomischer Ungleichheit und deren eigentlichen Ursachen abzulenken. 

Obgleich rechtsextreme Parteien im Grunde genommen eine durchweg neoliberale und leistungsorientierte Politik betreiben, inszenieren sie sich als Vertreter*innen des „kleines Mannes“ bzw. der „normalen Menschen“. Indem sie auf die Bekämpfung des imaginierten „Genderwahns“ oder der Rechten von trans Personen setzen, müssen sie aber keine Kapitalismuskritik betreiben. Stattdessen werden Klassenthemen unter nationalistischen und heteronormativen Vorzeichen bearbeitet. Einen besseren Mindestlohn soll es nur für Angehörige der Dominanzgesellschaft geben und ebenso steuerliche Vergünstigung für autochthone, kinderreiche heterosexuelle Familien. Dadurch werden letztlich die Fundamente sozialer und ökonomischer Ungleichheit zementiert. In Anlehnung an Ingar Solty lässt sich sagen: „der Faschismus behebt nicht die Ursachen der von ihm lamentierten gesellschaftlichen Missstände und Widersprüche. Im Gegenteil, er befördert sie und damit zugleich die Bedingungen seines eigenen Aufstiegs zur Macht“ (Solty, 2018, 52).

Strategische Flexibilität des Antifeminismus

Antifeministische Rhetoriken spielen gerade wegen ihrer strategischen Flexibilität und der Gleichzeitigkeit durchweg konträrer Argumentationsmuster eine entscheidende Rolle in Kulturkämpfen. So wird Feminismus gleichzeitig als bedrohlich oder überflüssig konstruiert und Männer treten in antifeministischen Narrativen sowohl als bedrohte, entrechtete Opfer als auch als potente Retter, welche die Ordnung und Normalität gegen Verweiblichung, Verweichlichung, Feminisierung oder Gender-Diktatur verteidigen, in Erscheinung. Diese Flexibilität sollte allerdings nicht als ideologische Schwäche interpretiert werden, ihre Stärke ergibt sich, wenn antifeministische Narrative flexibel in größere ideologische Projekte eingebettet werden. Im Kontext von Kulturkämpfen macht diese Vielseitigkeit Antifeminismus zu einem mächtigen Instrument, um Debatten zu polarisieren und moralische Panik zu erzeugen. Sie ermöglicht es der extremen Rechten auch, sich an unterschiedliche Zielgruppen und wechselnde politische Kontexte anzupassen.

Fazit

Der gegenwärtige Kulturkampf kann als eine bewusste politische Strategie der extremen Rechten verstanden werden, die darauf abzielt, ihr autoritäres politisches Projekt weiter zu normalisieren und dadurch letztlich auch den Prozess der Faschisierung voranzutreiben. Antifeminismus fungiert dabei als zentraler Motor und ideologischer Knotenpunkt, der verschiedene rechte Denkmuster und Diskurse miteinander verknüpft. Feminismus dient als Bedrohungs- und Schreckensbild sowie als gemeinsamer Feind dazu, feministische Verbesserungen zurückzudrängen und autoritäre Krisenlösungen zu legitimieren. Dabei erweist sich Antifeminismus als ein konsensfähiges, vergemeinschaftendes Projekt, das sich aufgrund der Flexibilität der eingesetzten Argumente leicht in größere Erzählungen einbinden und mit anderen Ideologien der Ungleichheit verbinden lässt. Vor diesem Hintergrund fungiert der Kulturkampf als eine kalkulierte Entdemokratisierung, die autoritäre und nationalistische Kräfte nicht nur als legitim erscheinen lässt, sondern als die einzig gangbare Antwort auf die von ihnen mitverursachten Krisen. 

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