Ein Gespenst geht um in der Welt – das Gespenst des rechten Autoritarismus.[1] Dieser hat sich gewandelt: vom Rechtspopulismus hin zum Faschismus des 21. Jahrhunderts, den manche als »Postfaschismus«, andere als »Neofaschismus« und wieder andere als »konstitutionellen Faschismus« bezeichnen. Hierbei wird anerkannt, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Form des Faschismus heute und der Form, die nach dem Ersten Weltkrieg aufkam. 

Linke in den USA tendieren zu einer übermäßigen Verwendung des Begriffs »faschistisch«. Sie neigen dazu, grundsätzlich jedes rechte repressive Regime so zu benennen. Wir schlagen vor, zu differenzieren und sich für die USA das Verhältnis zwischen »autoritärem Neoliberalismus« und Faschismus in der Geschichte des US-Imperialismus, dem Rechtspopulismus und den Kräften, die die weiße Vorherrschaft wiederherstellen und umgestalten wollen, genauer anzuschauen.

In den USA hat der Rechtspopulismus eine lange Tradition, sein Beginn wird meist mit der Präsidentschaft von Andrew Jackson (1829–37) in Verbindung gebracht. Seine Wurzeln reichen aber weiter zurück, bis zum Ursprung der USA als einer auf Sklavenwirtschaft basierenden Siedlerkolonie sowie der damit zusammenhängenden Konstruktion von »race« (vgl. Berlet/Lyons 2000). Ferner sind sogenannte traditionelle Geschlechterrollen und die Unterdrückung von Frauen schon immer wichtige Bestandteile des Rechtspopulismus. Um die gegenwärtige Situation in den USA besser zu verstehen, ist es notwendig, die nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861–65) entstandenen Widersprüche stärker in die Anaylse einzubeziehen, aber auch die gesamte »demokratische« Geschichte der USA zu entmythologisieren. Erst dann lässt sich klarer erkennen: Was wir seit den beiden Wahlsiegen von Trump und mit dem Aufstieg der MAGA-Bewegung (»Make America Great Again«) erleben, fließt von Anfang an wie Gift durch die Adern der USA.

Während der Begriff Faschismus häufig mit europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts wie denen von Mussolini und Hitler assoziiert wird, sind Elemente faschistischer Ideologie und Praxis auch in bestimmten Phasen der US-amerikanischen Geschichte und Politik auszumachen. Diese sind eng mit dem Erbe der weißen Vorherrschaft, der Rassenhierarchie und des Autoritarismus verwoben, die aus der Dynamik zwischen den Kräften der »Reconstruction« und der »Redemption« hervorgingen. Ihr Zusammenspiel von »Reconstruction« und »Redemption« kann als Grundlage für eine spezifische US-amerikanische Variante des Faschismus betrachtet werden (vgl. ebd.). Solange Menschen in den USA noch immer an die Existenz einer biologischen »weißen Rasse« und untergeordneter »farbiger Rassen« glauben und dies als Teil einer »natürlichen Ordnung« begreifen, spukt die »Alte Konföderation« weiter in den Köpfen herum.

»Was wir seit den beiden Wahlsiegen von Trump und mit dem Aufstieg der MAGA-Bewegung erleben, fließt von Anfang an wie Gift durch die Adern der USA.«

Mit der Reorganisation der Rechten kam es in den zurückliegenden Jahrzehnten innerhalb des autoritären Neoliberalismus zu einer Reartikulierung bestimmter faschistischer Elemente. MAGA entwickelte sich von einer rechtspopulistischen Bewegung zu einer neuen faschistischen Kraft. Angesichts eines krisengeschüttelten US-Imperialismus und einer gespaltenen herrschenden Klasse versuchen Trump und seine Verbündeten, einen neuen Block zu bilden. Dieser stützt sich auf das, was wir als »imperialistischen Populismus« bezeichnen, und bewegt sich auf eine neue hybride Form des Faschismus zu, mit dem Ziel, ein autoritäres »Neo-Apartheid-Regime« zu errichten. 

»Redemption«, weiße Vorherrschaft und Spuren des »amerikanischen Faschismus«

Die »Reconstruction« bezeichnet eine Phase (1865–77) nach dem US-Bürgerkrieg, in der es um den Wiederaufbau des Südens und die Integration ehemals versklavter Afroamerikaner*innen zusammen mit ihren Verbündeten, den armen weißen Scalawags,[2] in das politische, wirtschaftliche und soziale Gefüge der Nation ging. Die Gegenbewegung, das Redemption Movement (Erlösungsbewegung), hatte ihre Wurzeln ausdrücklich in der Ideologie der weißen Vorherrschaft und wollte die Rassenhierarchie wiederherstellen, die durch die »Reconstruction« vorübergehend aufgehoben worden war. W.E.B. Dubois bezeichnete diese Bewegung als die »Konterrevolution des Eigentums«. Dazu gehörte der Einsatz von Gewalt, Terror und der Justiz, um Schwarze US-Amerikaner*innen zu entrechten und zu unterwerfen. Der Sturz der Regierungen, die für die »Reconstruction« standen, und die Einführung von sogenannten Jim-Crow-Gesetzen[3] gingen mit der Übernahme und Festigung der Macht der weißen Eliten in den Südstaaten und dem systematischen Ausschluss Schwarzer von politischer Teilhabe einher. Selbst harmlose Versammlungen wurden oftmals mit Gewalt unterbunden.

Die Phase der »Reconstruction«, der staatlichen Neuordnung der ehemaligen Staaten der Konföderation, die viele als »zweite amerikanische Revolution« betrachten, endete 1877. Ihre Errungenschaften wurden mithilfe des Stimmzettels und von Gewehrkugeln wieder zunichte gemacht, um es mit den Worten von Malcolm X auszudrücken. Diese Repression richtete sich nicht nur gegen Afroamerikaner*innen, sondern auch gegen arme Weiße und allgemein gegen die organisierte Arbeiterschaft. Zu den repressiven Instrumenten gehörten Gesetze gegen Landstreicherei sowie eine Kopfsteuer, deren Zahlung Voraussetzung für die Teilnahme an Wahlen war. Das war ein wirksames Mittel, um Armen und insbesondere armen Afroamerikaner*innen ein demokratisches Grundrecht vorzuenthalten. Und es kam zum gezielten Einsatz extralegaler Gewalt, um Gegner*innen einzuschüchtern. Gewehrkugeln spielten immer dann eine Rolle, wenn es darum ging, Jim-Crow-Kräfte an die Macht zu bringen, zum Beispiel beim gewaltsamen Sturz der demokratisch gewählten Kommunalregierung von Wilmington, North Carolina (bekannt geworden als das Wilmington-Massaker von 1898), oder darum, starke Schwarze Communities wie die in Tusla, Oklahoma anzugreifen (Tusla-Pogrom von 1921). Immer wieder traf es auch die Arbeiterbewegung wie 1914 in Ludlow, Colorado, als die Nationalgarde auf streikende Bergarbeiter schoss. Zu den internen Instabilitäten des bürgerlich-kapitalistischen US-Staates, die uns nahe an den Abgrund einer autoritären Machtübernahme brachten, gehörte die politische Verschwörung aus dem Jahr 1933/34 gegen Präsident Franklin Roosevelt, um die USA in eine Diktatur zu überführen.

Diese Beispiele zeigen, wie anfällig Gesellschaft und Staat auch in den USA in der Geschichte für einen rechtsgerichteten Autoritarismus immer waren. Entsprechend kam der Putschversuch vom 6. Januar 2021 in Washington, D.C. auch nicht einfach aus dem Nichts und ist keineswegs »unamerikanisch«, sondern kann vielmehr als Wiederholung des versuchten Regierungssturzes von Wilmington, North Carolina, im Jahr 1898 gedeutet werden.

Autoritärer Neoliberalismus und die Neuaufstellung der extremen Rechten 

Seit den 1960er Jahren arbeiten die Rechtsextremen an einer Strategie, die darauf abzielt, die Macht an sich zu reißen und die Errungenschaften des 20. Jahrhunderts »abzuwickeln«. Dieses Ziel zieht sich wie eine gerade Linie bis zum Aufkommen von MAGA durch. Ein Zusammenschluss aus erzkonservativen Christ*innen, Vertretern der fossilien Industrien, des Immobiliensektors und Teilen der ausgemusterten weißen Arbeiterschaft und der von sozialem Abstieg bedrohten Mittelschichten – man könnte es als den neokonföderativen Block, organisiert von der extremen Rechten, bezeichnen – hat, ausgestattet mit ausreichend Geld, konzertierte Anstrengungen unternommen, um eine neue soziale Massenbewegung zu erschaffen und diese medial starkzumachen. Dieser neokonföderative Block war bereits zu Zeiten von Ronald Reagan mächtig und wichtiger Teil seiner Unterstützer- und Wählerbasis. 1994 wurde er auf neue Weise aktiviert, als die Republikaner mit dem sogenannten Contract with America des Kongressabgeordneten Newt Gingrich die Kontrolle über den Kongress erlangten. Die Republikaner verfolgten von nun an einen konfrontativeren Ansatz mit dem ausdrücklichen Ziel, die Regierung von Bill Clinton zu schwächen, wenn nicht gar zu stürzen. Seit Anfang der 1990er Jahre traten verstärkt rechtsgerichtete Milizen öffentlich in Erscheinung, insbesondere nach dem 1995 erfolgten rechten Terroranschlag in Oklahoma City. Von diesem Zeitpunkt an sah das republikanische Establishment in der radikalen Rechten ein Instrument, von dem es annahm, es kontrollieren zu können, während es ihm die Tore zur Macht öffnete. Wie sich herausstellte, wandte sich das Monster, das sie geschaffen hatten, bald gegen sie.

Ein zweiter kritischer Moment war die Phase nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001. Bushs Strategie für die USA, die auf das »Project for the New American Century«, einem neokonservativen Thinktank, zurückging, war ähnlich aggressiv, fand unter den Rechten aber keine ungeteilte Zustimmung. Ein Teil haderte mit den geopolitischen Visionen von Bush und lehnte die Einmischung der USA in globale Angelegenheiten ab. 

Der dritte und entscheidende Moment war die Wahl von Barack Obama zum 44. Präsidenten der USA. Diese Wahl war essenziell, zog eine Neuordnung der extremen Rechten nach sich und sorgte dafür, dass Donald Trump die politische Bühne betrat. Die Wahl Obamas stellte einen Kern des Ursprungsmythos der Vereinigten Staaten infrage: die USA als rassistisch geprägter Siedlerstaat und folglich als eine von Weißen beherrschte Republik, in der kein Farbiger und insbesondere kein Afroamerikaner jemals regieren sollte.

Dass die Tea-Party-Bewegung so viel Zuspruch erhielt und so einflussreich werden konnte, hatte ebenso viel mit dieser Stimmung zu tun wie mit dem Versagen Obamas und seiner Verbündeten, gegen die Rechte vorzugehen. Ihre soziale Basis hatte diese Bewegung vor allem in der weißen Mittelschicht und nicht so sehr in der weißen Arbeiterschaft oder bei den weißen Armen, obwohl diese zum Teil auch ihren Weg in die Tea Party fanden. Die Tea-Party-Bewegung und die anschließende Birther-Bewegung (die Obamas Staatsbürgerschaft anzweifelte) waren rechtspopulistische und reaktionäre Bewegungen, die auf die Wahl von Obama und den wirtschaftlichen Zusammenbruch von 2008 reagierten. Sie enthielten Elemente dessen, was wir heute in der MAGA-Bewegung sehen, aber sie waren nicht völlig kohärent. Dennoch waren Proteste mit Forderungen wie »Aufgepasst Regierung: Hände weg von unserem Medicare« nicht ganz so lächerlich, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Hier protestierten Menschen gegen Obamas Bemühungen, das Gesundheitswesen zu reformieren, aus Sorge, dass das, worauf sie glaubten, allein Anspruch zu haben, nämlich Medicare,[4] geschwächt werden könnte, wenn in Zukunft auch aus ihrer Sicht randständige und irrelevante Bevölkerungsgruppen Zugang zu einer öffentlichen Krankenversicherung hätten. Das hätten erste Warnzeichen dafür sein können, was noch bevorstehen sollte, denn hier wurden bereits neue Grenzen gezogen zwischen relevanten, im Sinne von verdienstvollen Bevölkerungsgruppen und denjenigen, die man als unterstützungsunwürdig betrachtete.

»Das republikanische Establishment sah in der radikalen Rechten ein Instrument, von dem es annahm, es kontrollieren zu können, während es ihm die Tore zur Macht öffnete.«

Die Neukonfiguration der extremen Rechten in den USA ist Teil des globalen Aufstiegs des autoritären Neoliberalismus, einer Entwicklung, die sowohl rechte als auch Mitte-links-Kräfte umfasst und politische Krisen schürt. Mit dem Aufkommen des Neoliberalismus hat sich die Rolle des Staates verändert. Zunehmend lag der Fokus auf den Repressions- und Wirtschaftsapparaten, während seine Umverteilungs- und Ausgleichsfunktion und das sogenannte soziale Sicherheitsnetz immer weiter geschwächt wurden. 

Der neoliberale autoritäre Staat rief widersprüchliche Reaktionen von Kräften aufseiten der Rechten und Linken hervor. Die Rechten begrüßten weitgehend das Wachstum des repressiven Apparats, während die aufkommenden Rechtspopulisten zumindest politisch das ablehnten, was sie als den Aufstieg des Globalismus betrachteten und den sie für die Schwächung des Nationalstaates verantwortlich machten. Die Haltung zur Globalisierung und zum Neoliberalismus ist ein anhaltender Konflikt im rechten Lager und hat immer wieder zu Spaltungen geführt. Im Trumpismus ist diese Spaltung noch nicht überwunden, obwohl die neuen Oligarchen alles daran setzen, das neue Regime sowohl neoliberal als auch autoritär auszurichten, während sie zugleich versuchen, eine Massenbasis zu mobilisieren, die sich gegen sämtliche Fortschritte und Errungenschaften progressiver Kräfte im 20. Jahrhundert richtet. Das Verhältnis der transnationalen Kapitalistenklasse zu rechten Befürworter*innen eines starken Nationalstaates und einer nativistischen, rassistischen und an traditionellen Geschlechterrollen orientierten Wirtschafts- und Sozialpolitik führt zu Spannungen innerhalb dieses neuen Blocks an der Macht.

Weil sich traditionelle rechte Parteien sowie ein Großteil der linken Mitte als überzeugte Verfechter der neoliberalen Globalisierung erwiesen, ergab sich für rechtspopulistische Bewegungen eine einmalige Chance, hier in eine Lücke zu stoßen. Auf die zunehmende Ungleichverteilung von Reichtum, und das im globalen Maßstab, haben Rechtspopulist*innen überall auf der Welt mit Schuldzuweisungen an den Neoliberalismus reagiert, wobei zu ihren bevorzugten Sündenböcken Migrant*innen zählen. Da im Zuge der neoliberalen Umverteilung von unten nach oben und aufgrund der Auswirkungen der vielen Umwelt- und Klimakatastrophen die materiellen Spielräume schrumpfen, vertritt die radikale Rechte eine nationalistische Agenda der Verteidigung und des Ausschlusses. Die Parteien der Mitte, sowohl aufseiten der Linken als auch aufseiten der Rechten, haben dem wenig entgegenzuhalten. Um sich selbst vor dem Untergang zu bewahren, kapitulierte die Republikanische Partei vor Donald Trump. Aufgrund des undemokratischen Zweiparteiensystems in den USA haben Trump und die MAGA-Kräfte entschieden, die Republikanische Partei zu kapern, statt außerhalb von ihr eine neue rechte politische Kraft zu etablieren (wie dies etwa in Deutschland und Italien der Fall war). Die radikale Rechte profitiert von den Katastrophen, die der autoritäre Neoliberalismus produziert.

MAGA – eine faschistische Bewegung? 

Die MAGA-Bewegung entstand als rechtspopulistische Bewegung und ist weitgehend aus der Verschmelzung der Tea-Party- mit der Birther-Bewegung und der Dynamik hervorgegangen, die die erste Präsidentschaftskandidatur Trump im Jahr 2016 ausgelöst hatte. Die MAGA-Kräfte verstehen sich selbst als die Stimme »des Volks«, die einer »Elite« entgegentritt, und sehen sich im permanenten Krieg mit denen, die sie für Eindringlinge und Feinde der USA halten. Ganz oben auf der Liste standen bisher unerwünschte Migrant*innen, aber auch progressive soziale Bewegungen. Wenn sie sich auf die Eliten an der Ostküste oder auf kosmopolitische Kräfte beziehen, hängt dem immer ein Hauch von Antisemitismus an, obwohl sie sich grundsätzlich pro Israel positionieren, was zum Teil auf die wichtige Rolle christlicher Zionisten zurückzuführen ist (die zutiefst verkappte Antisemiten sind). Zum offenen Rassismus kommt eine schamlose Frauenfeindlichkeit hinzu. Die MAGA-Bewegung unterstützte zunehmend Trump in seiner Rolle als »böser Bube«, der Frauen gern zu Sexualobjekten degradiert, während sie sich gleichzeitig bemühte, konservative und rechte Frauen für sich zu gewinnen.

Wenn man die MAGA-Bewegung mit einem Wort kennzeichnen müsste, dann lautete dies revanchistisch. Es ist eine Bewegung, die ihrem Wesen nach auf einer Politik der Rache, der Missgunst und des Ressentiments beruht. Sie ist überzeugt davon, dass den »relevanten Bevölkerungsgruppen« etwas gestohlen wurde, und das Ziel von MAGA ist es, dieses »Gestohlene« mit allen Mitteln wieder zurückzuholen. Um dies zu erreichen, müssten die progressiven Reformen des 20. Jahrhunderts rückgängig gemacht bzw. überwunden werden. MAGA war während der ersten Amtszeit von Trump im Kern eine rechtspopulistische Bewegung, die allerdings schon damals faschistische Elemente in sich trug. Sie war keine konservative Bewegung im herkömmlichen Sinne, sondern verstand sich als eine Kraft, die versprach, dramatische Veränderungen im System herbeizuführen und sich entschieden progressiven sozialen Bewegungen entgegenzustellen. 

Die Covid-Pandemie und die Präsidentschaftswahlen 2020 scheinen ein entscheidender Moment gewesen zu sein, um die MAGA-Bewegung in Richtung Faschismus zu lenken. Schlüsselelemente davon sind Irrationalismus und Desinformation, etwas, was während der ersten Amtszeit von Trump an Bedeutung gewonnen hat. In dem Maße, wie immer mehr republikanische Politiker*innen und Angehörige der MAGA-Bewegung Trump ewige Loyalität schworen, nahm der Irrationalismus zu. Trump setzte sich an die Spitze derjenigen, die in der Öffentlichkeit die Covid-Pandemie verharmlosten, und ließ sich immer absurdere Vorschläge für die Bekämpfung des Virus einfallen, während er im privaten Umgang durchaus auf bewährte Methoden setzte. Dieser Irrationalismus wurde Teil eines neuen ideologischen Rahmens der MAGA-Bewegung, hinzu kamen weitere Verschwörungstheorien, wie zum Beispiel Behauptungen über die Verbreitung von Pädophilie im Establishment der Demokratischen Partei oder Warnungen vor dem sogenannten »tiefen Staat«.

»Die Covid-Pandemie und die Präsidentschaftswahlen 2020 scheinen ein entscheidender Moment gewesen zu sein, um die MAGA-Bewegung in Richtung Faschismus zu lenken.«

Als die Präsidentschaftswahlen von 2020 näherrückten, legte Trump den Grundstein für einen Aufstand gegen das, was er zunehmend als Versuch der Demokraten bezeichnete, den Willen der vermeintlichen Mehrheit zu ignorieren bzw. zu verraten. Damals verdichteten sich die Hinweise darauf, dass Trump bereit war, jeden Anschein aufzugeben, er halte sich an die Regeln einer verfassungsmäßigen Demokratie. Er machte deutlich, dass er nur gewillt war, diese Regeln anzuerkennen und zu befolgen, solange er dabei gewinnt. Der Putschversuch vom 6. Januar 2021 war nur der Beginn eines Weges zum Faschismus.

Und wo stehen die Kapitalfraktionen? 

An dieser Stelle wird die Angelegenheit etwas kompliziert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben die herrschenden Klassen in den meisten fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten kein Interesse an einer Aufkündigung der konstitutionellen Demokratie. Sie scheinen aber besorgt zu sein, weil zu erwarten ist, dass die Konvergenz der wirtschaftlichen Widersprüche (Krise des Neoliberalismus, zunehmende Polarisierung des Reichtums), die Legitimitätskrise des bürgerlich-kapitalistischen Staates und die Klimakrise zu einer wachsenden Instabilität führen werden. Das demokratische Aufbegehren während des Arabischen Frühlings, die Platzbesetzungen der Empörten und Occupy Wall Street nach 2010ff waren ein Hinweis darauf, was passieren kann, wenn Menschen unzufrieden sind. Deswegen stehen sie hinter der Stärkung des neoliberalen autoritären Staates und befürworten sicherheitspolitische Präventivmaßnahmen, um Massenaufständen vorzubeugen.

Und doch gehen faschistische Bewegungen in der Regel nicht auf die Initiative der führenden kapitalistischen Klassen zurück. Wie Poulantzas in seinem bemerkenswerten Werk »Faschismus und Diktatur« aufgezeigt hat, beginnt der Faschismus als eine soziale Bewegung, die vor allem in den Mittelschichten verankert ist. Dabei handelt es sich um eine rechtsradikale Bewegung, die den demokratischen Kapitalismus zerstören und durch eine ganz andere Staatsstruktur und Ideologie ersetzen will, um damit, wie sie hofft, den Kapitalismus zu erneuern. Die MAGA-Bewegung hat sich, was ihre Ziele anbelangt, inzwischen in Richtung Faschismus bewegt. Sie will den kapitalistischen Staat der USA radikal umgestalten, hat sich aber dafür entschieden, dies über die Kontrolle der Strukturen des bestehenden bürgerlich-kapitalistischen Staates zu tun – zumindest für den Moment. Deswegen steckt in der oxymoronischen Bezeichnung »konstitutioneller Faschismus« auch mehr als ein Körnchen Wahrheit. Mit anderen Worten: Statt zu versuchen, mithilfe des Drucks von der Straße, also etwa mit Sturmtruppen oder Schwarzhemden, die Macht zu ergreifen, werden die Instrumente und In­stitutionen des bürgerlich-kapitalistischen Staates für die eigenen Zwecke genutzt, während man zugleich alles darauf anlegt, dieselben Institutionen zu schwächen, wenn nicht gar zu zerschlagen, indem man ausgesprochen und unausgesprochen mit dem Einsatz extralegaler Gewalt droht. 

Die Kapitalistenklasse in den USA scheint in Bezug auf die MAGA-Bewegung gespalten zu sein. Es gibt Teile, die weiterhin die Demokratische Partei unterstützen und in offener Opposition zum Trumpismus stehen. Es gibt Segmente, die sich in verschiedener Form in »vorauseilendem Gehorsam« üben, was bedeutet, sie unterwerfen sich freiwillig dem Trump-Regime, bevor sie zu seiner Zielscheibe werden. Dann gibt es diejenigen, die sich ganz offen auf dessen Seite geschlagen haben, wie zum Beispiel Musk. Was ihnen und anderen Teilen der kapitalistischen Klassen in den USA zunehmend wichtig ist, ist Stabilität und Ordnung, notfalls auch ohne Demokratie. Was MAGA derzeit anzubieten hat, ist vor allem Chaos, Korruption und Unsicherheit – eine Kombination, die Kapitalisten selten gefällt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein faschistischer Staat einer gespaltenen und geschwächten Kapitalistenklasse aufgezwungen werden kann, insbesondere wenn – wie in unserem Fall – so einflussreiche Tech-Oligarchen die Regierung stützen (unabhängig davon, ob man sie nun für Techno-Feudalisten oder einfach nur für Mega-Kapitalisten hält). Doch ohne eine bedeutende Basis innerhalb der Kapitalistenklasse ist es unwahrscheinlich, dass ein »Faschismus an der Macht« (im Gegensatz zu einem einzelnen »Faschisten an der Macht«) Erfolg haben und sich institutionalisieren kann. Wahrscheinlicher ist, dass uns umfassende politische Turbulenzen bis hin zu einem Bürgerkrieg bevorstehen. 

Die Ziele der MAGA-Bewegung

Es gibt sehr spezifische Ziele der MAGA-Bewegung, die man im »Projekt 2025«, dem rechten Plan zur Umgestaltung der Exekutive des US-Staates, nachlesen kann. Zum Zeitpunkt der Verschriftlichung dieses Beitrags ist die Trump-Regierung gerade dabei, völlig unverfroren diese Ziele zu verfolgen und umzusetzen: die Umgestaltung der USA hin zu einem autoritären Staat, der auf einer Art imperialistischem Populismus beruht. Trump und die MAGA-Kräfte haben sich vorgenommen, sämtliche Regeln neu zu schreiben. Ihr Ansatz ist dem der Redemption-Bewegung des 19. Jahrhunderts nicht unähnlich, da sie offenbar versuchen, unter dem Deckmantel der Demokratie die Demokratie zu untergraben. Dafür betreiben sie die Herausbildung eines neuen hegemonialen Blocks, der einen Bruch der USA mit dem Völkerrechtssystem und zugleich die Errichtung eines Neo-Apartheidsystems im eigenen Land vorsieht, mit dem Versprechen, den Lebensstandard der »unterstützungswürdigen« und »relevanten« Teile der Bevölkerung in dem Maße abzusichern, wie sie sich hinter das imperialistische populistische Programm stellen.

Trumps Antrittsrede im Januar 2025 enthielt alle Elemente. »Making America Great Again« wurde dahingehend präzisiert, dass das aktuelle Regime vorhat, die Regeln des Völkerrechts auszuhebeln (inklusive des Verbots der territorialen Ausweitung), Migrant*innen massenhaft abzuschieben (als erster Schritt in Richtung einer ethnischen Säuberung), alles zu zerschlagen und abzuwickeln, was auch nur annähernd mit Antidiskriminierung und Antirassismus zu tun hat (im Namen meritokratischer Vorstellungen), die männliche Vorherrschaft wiederherzustellen und Menschen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität zu bekämpfen. Dies ist die US-Version des Faschismus im 21. Jahrhundert. Und hinter der Bühne halten sich diverse paramilitärische Einheiten bereit, über deren Einsatz vermutlich noch genauer nachgedacht wird, die aber der Trump-Administration bereits ihre Dienste bei der Hatz auf Migrant*innen angeboten haben. Wir müssen uns darauf einstellen, dass solche rechten Paramilitärs irgendwann von der Leine gelassen werden – spätestens dann, wenn das Trump-Regime feststellen sollte, dass der bestehende Repressionsapparat nicht zuverlässig das tut, was von ihm verlangt wird.

Was 2025 jedoch von der Zeit der »Redemption« unterscheidet, sind die vielen demografischen Verschiebungen und politischen Entwicklungen, die seit dem 19. Jahrhundert stattgefunden haben. Die verstärkte Einwanderung nach 1965 und das Aufkommen verschiedener sozialer Bewegungen, unter anderem der wirkmächtigen Bürgerrechtsbewegungen von People of Color, haben das Terrain grundlegend verändert. Obwohl es innerhalb der radikalen Rechten Strömungen gibt, die die vollständige Auslöschung von People of Color anstreben, ist eine andere Art von »Rassenpolitik« entstanden. Inzwischen gibt es ein Phänomen, das einige als »ethnien- und rassenübergreifende Rechte« und wir als »Neo-Apartheid-Rechte« bezeichnen würden.

Die »Neo-Apartheid-Rechte« und demografischer Wandel 

Um diese Strategie zu verstehen, muss man die Auswirkungen der Einwanderungswellen in die USA nach 1965 berücksichtigen sowie die Veränderungen des Mainstream-Narrativs bezüglich »race«, die auf die sozialen Bewegungen und Kämpfe von People of Color zurückgehen. Jim-Crow-Positionen sind heute einfach nicht mehr opportun. Aber es geht um mehr als das. Wachsende Teile der politischen Rechten, einschließlich der extremen Rechten, sind sich durchaus bewusst, dass der demografische Wandel in den USA unumkehrbar ist. Die US-Bevölkerung wird immer divers sein. Welche Art von »Reconstruction« (man verzeihe uns diesen Ausdruck) rassistischer und nationalistischer Unterdrückungsverhältnisse wäre dann für den heutigen US-Kapitalismus denkbar? 

Eine Antwort bietet eine Politik der Apartheid. Obwohl das südafrikanische Apartheidsregime weitgehend auf den Erfahrungen der USA mit den Jim-Crow-Gesetzen beruhte, war das, was in Südafrika eingeführt wurde, in gewisser Weise mit dem spanischen Casta-System in Lateinamerika vergleichbar, obwohl es viel weniger durchlässig war. Für die Buren waren die Europäer die Weißen, die an der Spitze der Rassenhierarchie standen, unter ihnen befanden sich die Inder/Südasiaten, die sogenannten Coloureds, und schließlich ganz unten die Natives/Schwarzen. Das Apartheidsystem sah für jede Bevölkerungsgruppe spezifische Bedingungen und Erwartungen vor und schuf sogar eine Kategorie der »ehrenthalben Weißen«, und zwar für die Japaner, mit denen man Handel treiben wollte. Diejenigen, die dem Apartheidsregime dienlich waren, hatten ihren Platz in der Gesellschaft und konnten auf Belohnungen hoffen.

Innerhalb der US-amerikanischen Rechten haben sich inzwischen Vorstellungen durchgesetzt, die mit einem solchen Apartheidsregime sympathisieren. Zwar werden weiterhin rassistische Codes verwendet, zugleich schließt man Nicht-Weiße nicht länger aus den eigenen Kreisen aus und bietet bestimmten Gruppen die Möglichkeit an, »in das weiße Lager überzuwechseln«, zum Beispiel Angehörigen der südamerikanischen und asiatischen Communities. Der Preis dafür ist jedoch, dass diese Bevölkerungsgruppen die Vorherrschaft der Weißen nicht herausfordern dürfen. So kommt es etwa zu einem Phänomen, das als »Hindu-Rechte« in der MAGA-Bewegung bekannt geworden ist. Tulsi Gabbard, die neue Koordinatorin der US-Geheimdienste, steht für diese neue Rechte. So versucht die politische Rechte in den USA derzeit, das System der sozialen Kontrolle und Unterdrückung in ihrem Sinne zu verändern und anzupassen, ohne dessen rassistische und natio­nalistische Grundlagen zu beseitigen. 

Die Alternative

Inzwischen hat sich fast überall in progressiven Kreisen die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir dringend eine breite antifaschistische Front gegen die extreme Rechte brauchen – auch wenn damit häufig ein gewisses Unbehagen verbunden ist. Es muss alles getan werden, um die Faschist*innen zu schwächen. Gegenwärtig wächst der Widerstand gegen MAGA, allerdings fehlt es an einer Gesamtkoordination, damit er effektiver wird. Zudem fällt es den progressiven Bewegungen in den USA schwer, sich gemeinsam für eine andere Politik und Gesellschaft einzusetzen. Dabei könnte das 2024 in Frankreich gegründete linke Wahlbündnis Nouveau Front populaire (Neue Volksfront) dafür ein Vorbild sein. Denn es verbindet Opposition gegen die extreme Rechte mit einem proaktiven Eintreten für ein fortschrittliches Programm, in dem ausformuliert ist, was die konkreten Voraussetzungen für eine wirkliche Demokratie sind. Einen solchen Ansatz könnte man, so unser Vorschlag, unter dem Begriff »dritte Reconstruction« fassen. 

»Der Widerstand gegen MAGA und Faschismus erfordert eine Kritik des real existierenden Kapitalismus, wie er sich in den USA manifestiert.«

Die »erste Reconstruction« bezieht sich, wir erinnern uns, auf den Zeitraum 1865 bis 1877. Die Bezeichnung »zweite Reconstruction« rekurriert meist auf die Zeit von 1954 bis Anfang der 1970er bzw. 1980er Jahre. Dies war eine Zeit, in der soziale Bewegungen eine Reihe von wichtigen sozialen und politischen Kämpfen gewannen, insbesondere die Frauenbewegungen und die Bewegungen von People of Colour, befeuert durch den afroamerikanischen Befreiungskampf. Dagegen war die Zeit ab 1980 für alle fortschrittlichen und linken Kräfte eine Phase der Rückschläge und der großen Verteidigungskämpfe. Die »dritte Reconstruction« sollte sich an der Geschichte und den demokratischen Prinzipien der Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei im 19. Jahrhundert orientieren – sie sollte jedoch noch darüber hinausweisen und einige der Beschränkungen der ursprünglichen »Reconstruction« hinter sich lassen.

Der Widerstand gegen MAGA und Faschismus erfordert eine Kritik des real existierenden Kapitalismus, wie er sich in den USA manifestiert. Diese Kritik sollte in einem allgemeinverständlichen Grundsatzprogramm gebündelt werden, das die Linke bei ihren Bemühungen, die antifaschistische Front zu koordinieren und anzuführen, leiten kann. Es wird nicht unbedingt das Programm einer Einheitsfront sein, denn um die MAGA-Kräfte zu besiegen, muss unsere Front sehr breit aufgestellt sein. Sie muss sich mit der Klimakatastrophe und den Wirtschaftskrisen (Überproduktion und Überakkumulation) befassen, aber sie darf auch nicht davor zurückscheuen, sich klar gegen die Unterdrückung und soziale Kontrolle von bestimmten Bevölkerungsgruppen zu positionieren. Das Programm einer »dritten Reconstruction« muss sich für eine konsequente Demokratisierung einsetzen und darüber hinaus für: Umverteilung des Reichtums, Entmilitarisierung, Abschied von fossilen Brennstoffen, Schutz von Natur und bedrohten Arten, Unterstützung von Opfern von Kolonialismus, Neokolonialismus und Umweltkatastrophen im globalen Süden, demokratische Flächennutzungsplanung, bezahlbaren Wohnraum, Gesundheitsversorgung für alle, Behebung der Schäden, die durch Rassismus und Unterdrückung von anderen Ländern entstanden sind, Grundsätze der Vereinten Nationen zur friedlichen Koexistenz, Verteidigung des Rechts von Frauen, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, Verteidigung des Rechts, frei von staatlichen Eingriffen die eigene Identität zu leben, freie und faire Wahlen, die Abschaffung von Wahlkampfspenden von Unternehmen sowie das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, ohne jegliche Einmischung der Arbeitgeber. 

Die »dritte Reconstruction« könnte einen wichtigen Schritt darstellen, um die Macht der subalternen Klassen zu stärken. Mit ihr könnten wir den Befürworter*innen eines Faschismus im 21. Jahrhundert das Wasser abgraben. Sie könnte darüber hinaus aber auch den Übergang zu einem neuen Sozialismus einleiten.


Aus dem Englischen von Britta Grell

[1]    Der Beitrag wurde für das Heft gekürzt. Eine Langfassung kann nachgelesen werden unter: www.zeitschrift-luxemburg.de/artikel/maga-trump.

[2]    Schimpfwort für Weiße in den Südstaaten, die nach dem Sezessionskrieg die Reconstruction unterstützten (Anm. d. Übersetzerin).

[3]    Als Jim-Crow-Gesetze werden solche Gesetze bezeichnet, die in der Zeit zwischen der Abschaffung der Sklaverei in den USA (1865) und dem Inkrafttreten des Civil Rights Acts und des Voting Rights Acts Mitte der 1960er Jahre hauptsächlich in den Südstaaten in Kraft waren und der Aufrechterhaltung der systematischen Diskriminierung von Schwarzen dienten (Anm. der Übersetzerin).

[4]    Medicare ist die öffentliche und bundesstaatliche Krankenversicherung für über 65-Jährige und Menschen mit bestimmten körperlichen Beeinträchtigungen (Anm. d. Übersetzerin).

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