Öffentliche Wahrnehmung ist nicht alles. Folgen wir den erfolgreichen Erfahrungen der KPÖ Steiermark oder der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, an der Mitglieder der Linkspartei mal mehr, mal weniger beteiligt waren, dann ist das Entscheidende die Basisarbeit, das Kleinklein der direkten Gespräche und alltäglichen Kämpfe in der Versammlung, auf der Straße und an der Haustür. Dafür braucht es viel Ausdauer und Zeit. Nicht ganz so wichtig, aber auch nicht ganz unwichtig ist hingegen das Spektakel der Repräsentation, also die Darstellung und Wahrnehmung in den konventionellen und sozialen Medien, in den Kurznachrichten und Schlagzeilen. Darum soll es im Folgenden gehen.
Wer politische Talkshows, bei denen Vertreterinnen aller Parteien, also auch der AfD, eingeladen sind, mit nur einem Ohr und Auge verfolgt, kann zuweilen den Eindruck erhalten, dass es hier eigentlich nur eine Opposition gibt, nämlich die rechte. Was auf der inhaltlichen Ebene als Konsens der demokratischen Parteien gegenüber der antidemokratischen Partei verstanden wird, kann auf der Form- und Zeichenebene als Zusammenschluss der etablierten Parteien erscheinen, die sich gegen die outlaws oder underdogs stellen. Flüchtig betrachtet fügen sich Vertreter der Linkspartei oft allzu leicht in dieses Bild: professionell und routiniert, höflich und ruhig. Sie kennen ihre Zahlen und behalten angesichts der irrsinnigsten Ungerechtigkeiten die Fassung. So bieten sie der Presse am nächsten Tag wenig Anlass, über die Sprecherinnen der Linken viele Worte zu verlieren. Ihre Äußerungen verstoßen nicht gegen die bundesrepublikanischen Konventionen, provozieren kaum und polarisieren wenig. Fast wirkt es so, als hätte die Linkspartei Angst davor, Aufsehen zu erregen. Und so ist es tatsächlich: Sie fällt einfach nicht auf. Dabei ist die Angst vor Skandalen nicht völlig unberechtigt. Meist, wenn die LINKE in der Vergangenheit zum großen Medienthema wurde, hatte es irgendetwas mit Stasi oder SED zu tun. Das liegt objektiv im politischen Erbe der Partei begründet, das sich weder leugnen noch abschütteln lässt. Es kann nur mit ehrlichem, offenem und radikalem Antistalinismus durchgearbeitet werden. Falls Parteimitglieder deswegen jedoch bei öffentlichen Äußerungen vorsichtiger geworden sein sollten, hat es ihnen nichts genützt. In den letzten Jahren ist die Partei immer wieder in den Schlagzeilen oder Twittertrends gelandet, hat für Aufregung und Empörung gesorgt. Allerdings aus anderen Gründen. In den meisten Fällen, weil sich ihr Parteimitglied Sahra Wagenknecht mit nationalistischen, gegen Antirassismus und Queerfeminismus gerichteten oder die Pandemie verharmlosenden Parolen zu Wort gemeldet hat. Vertreterinnen der Hufeisentheorie können sich amüsieren,[1] Sprecherinnen der Linkspartei müssen sich distanzieren – mit mehr oder weniger gequälter Diplomatie. Die LINKE produziert weiterhin Skandale, aber nicht mit linken, sondern mit rechten Positionen.
Mehr Provokation wagen
Will die LINKE wieder in die Spur finden, muss sie an ihrem Profil arbeiten und mutiger in die Öffentlichkeit gehen.