Geschlechter- und Sexualitätsverhältnisse nehmen in der Mobilisierung der autoritären Rechten seit den letzten beiden Dekaden eine prominente Rolle ein – wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Deutlichkeit in einzelnen europäischen Ländern. Autoritär-rechte Kräfte schlossen sich einer globalen Bewegung an, die unter den Labeln »Anti-Genderismus«, »Gender-Ideologie« oder »Gender-Theorie« (kritisch Hark/Villa 2015; Kuhar/Paternotte 2017) Gender und das damit verbundene Verständnis von Geschlecht als sozial konstruiert bekämpft. Darüber hinaus greift sie auch Gender Mainstreaming, Gender Studies, sexuelle und Gender-Vielfalt sowie reproduktive Rechte von Frauen an. Diese Bewegung wurde 1995 vom Vatikan als Reaktion auf das Abschlussdokument der UN-Frauenkonferenz in Beijing initiiert (Paternotte 2015). Erst eine Dekade später »entdeckten« rechtsautoritäre Akteur*innen in Deutschland und Österreich den Anti-Gender-Kampf als ein Instrument für ihre antagonistische Mobilisierung. Programme der AfD und FPÖ, aber auch Veröffentlichungen der »Identitären« reflektieren diesen anti-feministischen Impetus. Barbara Rosenkranz (2008) von der FPÖ war eine der ersten rechten Politiker*innen, die im Jahr 2008 zentrale Anti-Gender-Narrative in ihrem Buch »MenschInnen. Gender Mainstreaming. Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen« aufgriff. Mit der Panikmache vor der Auflösung aller gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung durch die Dekonstruktion von hierarchischer Zweigeschlechtlichkeit waren schon in frühen Anti-Gender-Kampagnen disziplinierende autoritäre Politikvorschläge verbunden – etwa das Verbot von Gender Studies an Universitäten. Sowohl AfD wie FPÖ versprechen, dass kein Geld mehr für diese »Agendaforschung« – ein Begriff, den die Sprecherin des »Netzwerks Wissenschaftsfreiheit« Sandra Kostner (2020) prägte –, also für diese vermeintlich politisierte und ideologische Forschungsrichtung verschwendet werden würde. Ein solcher Angriff auf kritische Wissenschaft wird von der Regierung Trump auf eine absurde Spitze getrieben: Bestimmte Begriffe – wie gender oder female underrepresentation – sollen in wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsanträgen nicht mehr benutzt werden dürfen.

Weiße Männer als Opfer

Warum fungieren und funktionieren Geschlecht und Sexualität als zentrale Topoi in der rechten Mobilisierung? Die Veränderungen, die der Neoliberalismus in Arbeit und Gesellschaft mit sich brachte – wie Prekarisierung und die wachsende Schere zwischen Arm und Reich – werden von autoritär-rechten Parteien in Deutschland und Österreich in Bedrohungsdiskurse umgedeutet, um so von den komplexen materiellen Ursachen ökonomisch-kapitalistischer Natur abzulenken: Migration und Flucht bedrohen vermeintlich den Wohlstand in westlichen Ländern, der Islam verdränge christliche Religionen. Der Geschlechter- und Sexualitätsdiskurs ist ein Teil dieser »Metapolitik« der autoritären Rechten, also ein Element ihres Kampfes um kulturelle Hegemonie und politische Macht. Mit dem Bezug auf Geschlecht und Sexualität soll eine moralische Panik befeuert werden, die nur durch die affektiven Sicherheitsversprechen rechtsautoritärer Akteur*innen »gelöst« werden könne. So soll die Wähler- oder Anhänger*innenschaft erweitert oder gar eine Massenbasis aufgebaut werden. 

Autoritär-rechte Parteien sprechen spezifisch Männer an und sehen in ihrer antagonistischen Kommunikation von »wir da unten« gegen »die da oben« das »Volk« als Opfer der politischen Eliten, von Medien, Gleichstellungspolitik und Feminist*innen. Weiße Männlichkeit sei in der Krise – bedroht durch Feminismus, Gleichstellungs- und Diversitätspolitik, Homosexualität, aber freilich auch durch migrantische männliche Sexualität. 

Aggressiver Maskulinismus und Nekromännlichkeit

Maximilian Krah, der einstige Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahl 2024, bejammert den Testosteronmangel in Europa, macht sich in einem Twitter-Video über Softies und Sojaboys lustig. Wie sein Parteifreund Björn Höcke, der die Erringung von männlicher »Wehrhaftigkeit« beschwört, schlägt Krah rechte Männlichkeit als Lösung aus der Krise vor. Weiße Männer bekommen in diesen Narrativen ein Notwehrrecht zugesprochen – sie haben ein Recht auf Aggressivität und Gewalt.

Diese Männlichkeit vertritt im Phantasma der rechten Akteur*innen maskulinistische und nationalistisch-völkische Werte: Es geht um die Wiedererringung von soldatischen Haltungen, körperlicher Stärke, um legitime Aggressivität. So will etwa der AfD-Intellektuelle Marc Jongen, seinem Lehrer Peter Sloterdijk folgend – Thymos, also den »Kampfgeist« als eine treibende, nach Überlegenheit strebende gesellschaftliche Kraft wiederbeleben.[1] Jongen betont dies insbesondere im Kontext von Flucht und Migration. In Anlehnung an Achille Mbembes Konzept der Nekropolitik, also einer für den Kapitalismus prägenden Gewalt, nämlich eine »Politik des Sterben-Machens«, begreife ich aktuelle rechte »Männerphantasien« (Theweleit) als Hervorbringung einer soldatischen Nekromännlichkeit. Sie grenzt sich von als weiblich betrachteten Menschen ab, konstruiert ein Ideal komplementärer Heterosexualität und eindeutiger Zweigeschlechtlichkeit – und setzt alle »jenseits dieser Grenze« mutwillig dem Tod aus. 

Diese gewaltförmige Resouveränisierung von Männlichkeit geht einher mit Nationalismus, dem Kampf um nationale Souveränität und Wiedererweckung. Nekromännlichkeit verbindet sich nicht zuletzt im offensiven Eintreten für Geschlechterhierarchien mit nationalistischen Identitätspolitiken, mit Biopolitiken der Reinhaltung des autochthonen Volkes und der Ausgrenzung von als »anders« Markierten. Nicht nur gelten diese »Anderen« als Bedrohung weißer Männlichkeit, sondern die strikte Grenzziehung setzt auch sie tödlichen Gefahren und dem Sterben aus. 

Geschlecht eignet sich als Transport- oder Brückendiskurs, als ein »leerer Signifikant« (Laclau 2010), um Panik und Chaos zu schüren und auf diese Weise Disziplin und Autoritarisierung notwendig erscheinen zu lassen und plausibel zu machen, also im Common Sense zu verankern. Aggressiver Maskulinismus, Nekromännlichkeit und das Opfernarrativ begleiten Prozesse der Faschisierung, indem Gewalt, wenn nicht propagiert, so salonfähig gemacht und gegenüber Migrant*innen (Deportationen, Lager außerhalb der EU) wie auch Trans*Personen (tolerierbare physische Gewalt trotz, oder vielleicht sogar wegen, rechtlicher Anerkennungsfortschritte) ausgeübt werden darf und soll. 

Gerade im Zusammenkommen und in der diskursiven Verknüpfung der unterschiedlichen Elemente sind die Gender- und Sexualitätsdiskurse wie auch -politiken der autoritären Rechten als Teil von Faschisierung zu begreifen. Im Anschluss an Nicos Poulantzas spreche ich vom Faschisierungsprozess, da der Faschismus »nicht wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel« kommt (Poulantzas 1973, 66). Faschisierung entsteht in ideologisch-politischen Krisenprozessen und einem widersprüchlichen Kontext der Radikalisierung der Programmatik autoritär-rechter Parteien, der jedoch in unterschiedlichen Ländern und Kontexten spezifisch verläuft (ebd., 24). Aktuelle Faschisierungsprozesse in Deutschland und Österreich zeigen sich auf verschiedenen Ebenen: in der Tolerierung und Mobilisierung von Gewalt gegen als »kulturell anders« Bezeichnete im nekropolitischen Projekt, in der Betonung soldatischer Männlichkeit als Ideal der Vergemeinschaftung sowie in offenen Feindschaftserklärungen gegen linke wie liberale Kräfte und gegen das Parteiensystem. Obwohl diese Entwicklungen in Ländern wie den USA oder Ungarn offensichtlicher sind, sind sie auch hierzulande deutlich sichtbar. 

Longevity oder die Rettung der Erlesenen

Faschisierung als widersprüchlicher Prozess hat darüber hinaus eine biopolitische Komponente, die besonders in der Tech-Branche der USA präsent ist. Konzepte wie »Transhumanismus« und »Longevity«, die von Elon Musk oder Peter Thiel vertreten werden, sind im Kern eugenische Vorstellungen: Die Optimierung menschlicher Körper ist nur jenen vorbehalten, deren Leben als wertvoll betrachtet wird. Auch nur jenen soll im Fall von Katastrophen auf der Erde ein Ausweg eröffnet werden – z.B. im Weltall, auf dem Mars. Und in der Dystopie der »Longevity« verdienen es nur jene Körper, ewig zu leben, die genügend finanzielle Ressourcen haben. Diese Vorstellungen sind ohne Zweifel rassistisch und klassistisch und daher anschlussfähig an rechtsautoritäre Vorstellungen des Ethnopluralismus. Martin Sellner von den österreichischen »Identitären« wandte sich allerdings in einem philosophisch aufgeschwurbelten Vortrag im rechten Think Tank »Institut für Staatspolitik« in Schnellroda im Mai 2022 gegen transhumanistische Vorstellungen. Dabei nutzte er die Gelegenheit, um mit seinem Eingangsstatement Lacher auf seine Seite zu ziehen: »Wo ‚Trans‘ draufsteht, ist meistens was Blödes drin.« Trans*Feindlichkeit kann auch so transportiert werden. Alberto Toscano (2023, 147) spricht vom border fascism der autoritären Rechten. Dieser ziele darauf ab, die Kontrolle über die Grenzen des Körpers zu erlangen, die Grenzen zwischen den Geschlechtern zu bewachen, so Toscano. Ungleichheit ist gewollte Folge dieser Grenzziehungen und zugleich in immer wieder neuen Konstellationen Nahrung weiterer Faschisierung.

Faschisierung als Teil von Krisenprozessen

Faschisierung sollte daher als Teil der widersprüchlichen, allerdings autoritär geformten Krisenprozesse des neoliberalen Kapitalismus begriffen werden. Faschisierung, Maskulinismus, Nekromännlichkeit und autoritär-ausgrenzende Geschlechtlichkeit basieren auf fundamentalen Verschiebungen sozialer Kräfteverhältnisse in Richtung Autoritarisierung. Der Hintergrund ist die jahrelange neoliberale Restrukturierung des Verhältnisses von Markt, Staat und Gesellschaft zugunsten einer Dominanz der Ökonomie. Allerdings gerieten neoliberale Transformationen spätestens 2008 mit der Finanzkrise an ihr Ende und produzieren seither Kaskaden multipler Krisen mit gleichsam offenem Ende. Noch ist nicht klar, welche Strategie der politischen und sozialen Regulation sich herausbilden wird. Dass der Zugriff auf das Leben und damit auf Geschlecht und Sexualität – wie in allen bisherigen kapitalistischen Regulationsweisen – eine bedeutende Rolle spielen wird, ist m.E. das einzig Sichere, wenn auch die konkrete Form noch unklar ist. 

Das Gespenst der Faschisierung als Projekt autoritär-rechter Akteur*innen ist freilich sichtbar. Sie präsentieren ihre Vorschläge als Lösungen von Krisen des Alltags, aber auch als Lösungen politischer und multipler Krisen. Ihr Programm macht Faschisierung zur Möglichkeit der Überwindung der gegenwärtigen »Unübersichtlichkeit« und eines imaginierten gesellschaftlichen Verfalls.

Auch dass sich ein Pfeiler des rechten autoritären Faschisierungsprojekt stabilisiert – nämlich soldatisch-aggressive Männlichkeit – ist unübersehbar. Angesichts des Kriegs in der Ukraine vollzieht sich eine militaristisch-imperiale »Zeitenwende«, die von den Parteien des liberalen Zentrums vorangetrieben wird. Militarisierung und soldatische Männlichkeit gehören spätestens mit der neuen deutschen Bundesregierung zum infrastrukturellen Erneuerungsprogramm. Auch wenn sie sich als widerständig gegen die Ukraine-Politik der Regierung geriert, kann die AfD daran ideologisch anschließen. 

Politische Sorge als Gegenperspektive 

Welche Gegenstrategien gibt es angesichts dieser Entwicklungen? Wie lassen sich die Grundlagen der kapitalistischen Gesellschaft so erschüttern und verändern, dass Grenzen und Ausschluss überwunden werden? Wichtig ist es, kapitalistische Trennungen – z.B. von Produktion und Reproduktion, Mensch und Natur, dem Eigenen und dem Fremden – in ihrer zerstörerischen Kraft in den Alltagspraxen von Menschen sichtbar und so Gleichheit als Perspektive erfahrbar und lebbar zu machen. Sorge als politisches Programm ist dafür ein geeigneter Einsatzpunkt. Politische Sorge will Demokratisierung vom kapitalistisch Abgespaltenen, vom Externalisierten her denken. Menschen müssen daher Zeit bekommen, um für sich selbst zu sorgen, ohne dass ihnen die Konkurrenz mit anderen Menschen die Luft zum Atmen nimmt. Sie sollen Räume und kostenlose Infrastruktur zur Verfügung gestellt bekommen, um füreinander zu sorgen, nicht nur im familiären Kontext, sondern auch am Erwerbsarbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in Schulen. Dazu zählt auch Sorge im Umgang mit der Natur. Dafür gilt es zu kämpfen. Ein Fokus auf Sorge kann kapitalistische Rationalität und rechtsautoritäre Aggressivität unterbrechen und die Basis für gemeinsame Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung und Privilegierung bilden. Und ein solcher Fokus kann die gegenwärtigen ungleichen und diskriminierenden Geschlechter- und Sexualitätsverhältnisse als Teil der kapitalistischen Lebensweise enttarnen. Dies kann und sollte ein Ausgangspunkt für die Gemeinsamkeit linker Kräfte werden. »Buen vivir« – ein gutes Leben als Prozess und Bewegung kann Binaritäten und Trennungen auflösen und zu einem Programm gegen Nekropolitik werden.