Um mit dem Positiven zu beginnen: Die Ampelkoalition plant eine Kampagne zur Einbürgerung und wird die Hürden dafür deutlich senken. Endlich! Die Regierungsbeteiligung von CDU/CSU hat im Staatsangehörigkeitsrecht über 16 Jahre hinweg für eine bleierne Zeit gesorgt. Erleichterungen in diesem Bereich wurden von der Union trotz einer, auch im europäischen Vergleich, beschämend niedrigen Einbürgerungsquote konsequent abgelehnt. Die deutsche Staatsbürgerschaft dürfe nicht „verramscht“ werden, formulierte Staatssekretär Ole Schröder 2013 im Parlament – als ginge es um ein kostbares, edles Gut, dessen sich die Eingewanderten als würdig zu erweisen hätten, und nicht um eine gleichberechtigte Zugehörigkeit von Menschen, die längst Teil der Gesellschaft geworden sind. Im Ergebnis dieser Politik leben heute 11,5 Mio. Menschen nicht-deutscher Staatsangehörigkeit in Deutschland, mehr als doppelt so viele wie 1990. Schon damals hatte das Bundesverfassungsgericht befunden, dass es ein Demokratieproblem sei, wenn so viele dauerhaft hier lebende Menschen nicht an politischen Wahlen teilnehmen können.
Hier kommt es nun tatsächlich zu einem Paradigmenwechsel: Grundsätzlich ist es künftig erlaubt, nach der Einbürgerung mehrere Staatsbürgerschaften zu besitzen. Mit dieser Mehrstaatigkeit fällt für viele Eingewanderte, insbesondere aus der Türkei, ein Haupthindernis bei der Einbürgerung weg. Auch wird die geforderte Aufenthaltsdauer, ab der eine Einbürgerung möglich ist, von acht auf fünf Jahre deutlich verkürzt. Bei „besonderer Integration“ soll dies schon nach drei Jahren möglich sein. Außerdem wird ein Schritt auf die „Gastarbeitergeneration“ zugegangen, von denen geringere Sprachkenntnisse verlangt werden sollen, um die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen zu können. Auch das ist überfällig, hatte doch die Bundesrepublik gegenüber diesen Menschen, die ihr Leben lang hart für den Wohlstand in Deutschland gearbeitet haben, jahrzehntelang auf kalte Ausreiseprämien statt auf Integrationsförderung und Sprachkurse gesetzt.
All das ist ein starkes Signal für eine offene und gleichberechtigte Ausgestaltung der Einwanderungsgesellschaft. Damit hier ein echter Forschritt gelingt, müssen allerdings Einbürgerungsbehörden deutlich besser ausgestattet und organisiert werden, um jahrelange Verfahren und entsprechende Enttäuschungen zu vermeiden. Aktuell wurde dies beispielsweise von der neuen Regierung in Berlin so vereinbart. Im Ergebnis wären mittelfristig Millionen Einwander*innen nicht mehr Bürger*innen zweiter Klasse. Zumindest rein rechtlich, denn für eine tatsächliche Gleichstellung in der sozialen Lebenswelt und im Alltag reicht all das noch nicht. Um strukturelle Diskriminierungen und rassistische Ablehnungsmuster überwinden zu können, wird es unter anderem auf die konkreten Inhalte des von der Ampelkoalition angekündigten Partizipationsgesetzes ankommen. Noch wichtiger wären jedoch wirksame Verbesserungen im Bereich der prekären Beschäftigung, von der Migrant*innen überdurchschnittlich negativ betroffen sind, oder Initiativen für bezahlbaren Wohnraum – doch das wurde nicht vereinbart, FDP sei Dank.
Sprachkurse für alle — Verbesserungen beim Familiennachzug
Einen Paradigmenwechsel wird es auch bei den Integrationskursen geben: Diese sollen künftig allen Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an offenstehen. Das ist insbesondere im Umgang mit Schutzsuchenden eine deutliche Abkehr von der gängigen Praxis. Bisher wird nur Geflüchteten mit einer angeblichen „Bleibeperspektive“ ein Zugang zu Sprachkursen ermöglicht. Diese selektive Integrationspolitik führt bislang dazu, dass viele Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben werden (etwa weil viele Asylablehnungen von den Gerichten korrigiert werden oder Abschiebungen wegen der Lage im Herkunftsland nicht möglich sind), über Jahre hinweg ausgegrenzt werden. Auch auf Arbeitsverbote als Mittel der Abschreckung oder Bestrafung gegenüber Geflüchteten soll künftig verzichtet werden.
Zur positiven Bilanz gehört schließlich, dass es beim Ehegattennachzug nicht mehr nötig ist, bereits im Ausland einen Deutsch-Test erfolgreich bestanden zu haben. Diese sozial extrem diskriminierende Regelung hat in den 15 Jahren ihres Bestehens in zehntausenden Fällen zu unermesslichem Leid geführt und sich liebende Menschen auf brutale Weise voneinander getrennt. Auch die menschenrechtswidrige Beschränkung des Familiennachzugs bei subsidiär Geschützten[1] wird wieder zurückgenommen. Diese war mit grotesk übersteigerten Prognosen begründet worden. Das Nachgeben an dieser Stelle dürfte der FDP leichtgefallen sein, ist doch die Zahl der noch ausstehenden Familiennachzüge so überschaubar, dass die Rechtsänderung in der Praxis kaum Auswirkungen haben wird.