Das Bankensystem wurde mit staatlich mobilisierten Rettungsfonds vor dem Bankrott systemrelevanter Finanzakteure bewahrt. Die Verschuldung der Staaten, durch Steuersenkungen zu Gunsten der Reichen und Wachstumsschwäche bereits genährt, wuchs durch Kreditaufnahmen weiter an. Letztere sollten das Wachstum stützen und führten in eine Staatsschuldenkrise. Diese wurde wiederum zum Geschäft der Banken und Finanzinvestoren, die den Staaten erneute Kredite einräumten. Finanzkapital und Staaten sind in eine Abwärtsspirale wechselseitiger Rettung und gefährlicher Verschuldung geraten. Die Zeche zahlen mit Niedriglöhnen, prekärer Beschäftigung und durch Abbau sozialer Leistungen überwiegend die Lohnabhängigen. Austeritätspolitik vollstreckt dieses neoliberal-finanzkapitalistische Entwicklungsmodell. Sie wird in der Europäischen Union auf die Zwänge der Maastricht-Kriterien gestützt und in der Eurozone mithilfe des Fiskalpakts durchgesetzt. Nur diejenigen Euro-Staaten können "unter angemessenen Auflagen" eine Stabilitätshilfe aus dem Euro-Rettungfonds ESM bekommen, die den Fiskalpakt unterzeichnet haben. Hier ist festgelegt, dass das jährliche Defizit von Staatshaushalten 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen darf. Bei Überschreiten dieser Grenze greift automatisch eine Schuldenbremse gefolgt von Sanktionen. Den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen entsprechend läuft dies auf eine erhebliche und in den schwächeren Staaten dramatische Verschlechterung der sozialen Lage großer Teile der Bevölkerung, auf Legitimationsverluste für die Herrschenden und als Konsequenz daraus auf postdemokratische Verhältnisse, auf eine Trennung von Kapitalismus und Demokratie hinaus. Das ist der Hintergrund für den neu aufbrechenden Diskurs über die Zukunft des Euro.

Hoffnungen auf Abwertung

Ein entscheidendes Instrument in diesem Mechanismus ist der Euro als gemeinsame Währung. Eine Abwertung nationaler Währungen als Mittel des Ausgleichs von Konkurrenzschwächen einzelner nationaler Volkswirtschaften ist damit ausgeschlossen. Wolfgang Streeck schreibt: "Die Einführung des Euro [...] schuf [...] eine politische Ökonomie ohne Parlament und Regierung, zusammengesetzt zwar aus nach wie vor formal unabhängigen Nationalstaaten, die aber für immer auf eine eigene Währung und damit auf die Möglichkeit verzichtet hatten, zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation ihrer Bürger das Mittel der Abwertung einzusetzen." (Streeck 2013, 237) Da die Gesamtheit der Verhältnisse der Alternative einer "Demokratie ohne Kapitalismus" entgegenstünden, müsse den Staaten das Instrument der Abwertung durch die Möglichkeit des Ausstiegs aus dem Euro zurückgegeben werden. Streeck wie Heiner Flassbeck und andere erwarten, dass dies für wettbewerbsschwache Staaten ein – wenn auch mit allerlei Gefahren verbundener – Ausweg aus der gegenwärtigen neoliberalen Politik in Europa sei. Die abwertenden Staaten würden ihre Exportchancen erhöhen, ihre Märkte durch die sich versteuernden Importe besser gegen die Konkurrenz schützen können, dadurch Arbeitslosigkeit zurückdrängen und ihre wirtschaftspolitische Souveränität gegen internationale Mächte zurückgewinnen. Weil sie in ihrer eigenen Währung dann die Euroschulden schon gar nicht mehr begleichen könnten, müssten sie durch einen Schuldenschnitt zulasten der Gläubiger stabilisiert werden. Die EU-Länder würden, so Flassbeck, "ein Sicherheitsnetz für die Euro-Aussteiger aufspannen und enorme politische Konflikte vermeiden." (Berliner Zeitung, 11./12.5.2013) Die neuen nationalen Währungen dürften eben nicht dem Markt überlassen werden. Ein der von Flassbeck vorgeschlagenen Wechselkursregulierung ähnliches System gab es allerdings bereits vor dem Euro - es brach unter spekulativen Attacken zusammen. Vom Ausstieg aus dem Euro wird Handlungsfähigkeit zu Gunsten sozialer Problemlösungen in Abkehr von neoliberalen Marktmechanismen erwartet, deshalb muss sich die gesellschaftliche und die parteiförmige Linke der sachlichen Diskussion dieser Option stellen.

Wird eine Rückkehr zur Abwertung die Kräfteverhältnisse tatsächlich gegen den neoliberalen Kapitalismus wenden?

Im Diskurs über einen Euro-Ausstieg entsteht eine Kernfrage: Warum soll die Rückkehr zur Abwertung nationaler Währungen plötzlich für breite Bevölkerungsschichten zu einer funktionierenden Sicherheitsgarantie durch das internationale Kapital führen? Was soll plötzlich multinationale Konzerne, das internationale Finanzkapital und ein künftiges internationales Wirtschaftssystem, das Abwertungen zulässt, veranlassen, anstelle neoliberaler Grundprinzipien eine Vielfalt von Wirtschafts- und Lebensweisen zu tolerieren und ein "autonomieschonendes Nebeneinander mit behutsamer Koordinierung an den Rändern" (Streeck a.a.O., 248) einzuführen? Eher wäre die systemische Reaktion des Kapitals auf das Vorhaben eines Euro-Ausstiegs und der Abwertung in wettbewerbsschwachen Ländern eine massenhafte Kapitalflucht. Dann müssten eben wirksame Kapitalverkehrskontrollen her, lautet das Argument dagegen. Aber warum sollten solche Kontrollen, die bisher gegen Steuerflucht nicht durchsetzbar sind mit einem Mal realisierbar sein? Und was sollte deutsche Unternehmen davon abhalten, als Reaktion auf den Verlust von Märkten in den abwertenden Ländern wie auch sonst den Druck auf die Lohnabhängigen in Deutschland zu erhöhen? Warum sollten anstelle gerade gescheiterter internationaler Arrangements neue Regelungen plötzlich in der Lage sein, beispielsweise eine explosive Aufwertung der Währung in Deutschland mit der Folge von Exportverlusten und antisozialen Unternehmerreaktionen darauf zu verhindern? Oder allgemeiner formuliert: Ist zu erwarten, dass durch die Wiedereinführung von Abwertungsoptionen die Kräfteverhältnisse in Europa derart verändert werden, dass der neoliberale Kapitalismus seine Politik nicht mehr oder nur sehr geschwächt durchsetzen kann? Ist eine Schwächung der Europäischen Union nicht auch eine Schwächung eines einheitlichen Bezugsrahmens für Kämpfe der internationalen Linken? Wachsen nicht die Schwierigkeiten für die Gegenmächte in den einzelnen Nationalstaaten, wenn sie sich verstärkt mit unterschiedlichen Wirtschafts- und Sozialpolitiken ihrer Staaten auseinandersetzen müssen? Wird die Auflösung der Eurozone nicht nationalistische Strömungen verstärken und Friedenspotenzen der Europäischen Union schwächen? Meine Vermutung ist, dass mögliche soziale Vorteile und potentieller Souveränitätsgewinn für Nationalstaaten durch eine Abwertung ihrer Währungen wahrscheinlich von den andauernden neoliberalen Machtverhältnissen überlagert werden. Die Kräfteverhältnisse werden durch einen Euro-Ausstieg nicht nach links verschoben. Den transnationalen Konzernen und Hauptakteuren der internationalen Finanzmärkte bliebe ihre Übermacht und ihr Erpressungspotenzial gegenüber einzelnen Staaten. Gemeinsame Kämpfe sozialer, ökologischer und demokratischer Akteure für gerechte Umverteilung von Lebenschancen und Macht, für sozialökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, für deren demokratische Umgestaltung, für umfassende internationale Solidarität und Frieden bleiben das Gebot. Die jüngste europäische Initiative gegen den geplanten EU-Wettbewerbspakt zielt genau darauf. Die Abkehr vom Euro würde die Bewältigung dieser Herausforderungen kaum fördern.   Literatur: Streeck, Wolfgang, 2013: Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, Frankfurt/M