Wasser ist die Grundlage des (Über-)Lebens urbaner und ländlicher Räume und strukturiert diese Räume weit stärker, als wir häufig bemerken: Für die Klimaanpassung in urbanen Räumen müssen sogenannte blaugrüne Infrastrukturen gestärkt werden, es braucht also mehr Stadtgrün und mehr städtisches Wasser. In ländlichen Räumen müssen die Biodiversität gestärkt und die Infrastrukturen der Wasserver- und -entsorgung erneuert und verbessert werden. 

Durch die Klimakrise steht der selbstverständliche Zugang zu Trinkwasser in Europa immer stärker in Frage. Dabei geht es verstärkt um die Frage der Verteilung. Darauf muss eine progressive Wasserpolitik neue Antworten geben. Entsprechend zieht sich die Frage nach der Verfügbarkeit über Wasser wie ein roter Faden durch die aktuellen Kämpfe der Klimabewegung: Sei es der Konflikt um Bewässerung in der Landwirtschaft in Frankreich oder die Auseinandersetzung um den Wasserverbrauch von Tesla in Brandenburg. Um in diesen Kämpfen erfolgreich zu sein, brauchen wir als Klimabewegung ein Verständnis davon, was Wasser (für uns) ist und müssen neue Visionen und Organisationsformen einer linken, kooperativen Wasserpolitik entwerfen, die mehrheitsfähig werden könnte. 

Dafür Mehrheiten zu gewinnen, dürfte nicht schwer sein: Bei der Vergesellschaftungskonferenz 2024 wies ein*e Teilnehmer*in darauf hin, dass Vergesellschaftung sexy sein müsse. Es brauche einen guten Diskurs und eine entsprechende ästhetische Ansprache. Das „Gastgeben“, die Einladung, an den Gütern unter der eigenen Verfügung teilzuhaben, sei ein Mittel um das zu erreichen. Doch auch das Gut, das vergesellschaften werden soll, muss für eine breite Öffentlichkeit attraktiv sein. Auf Wasser trifft das zu: Es ist nicht nur ein begehrenswertes Gut, es ist so essenziell, dass jedes Kind weiß, dass es niemandem gehören darf. Die allermeisten würden zustimmen, dass es nicht privat organisiert werden sollte. 

Wenn wir an einer progressiven Wasserpolitik arbeiten wollen, müssen wir Wasser aber noch besser verstehen. Wasser ist nicht einfach ein Commons, ein Gemeingut, sondern es ist Leben. Als lebenserhaltende Grundlage kann es als Menschenrecht verstanden werden, auch wenn dieses Recht in der Realität weit davon entfernt ist, durchgesetzt zu werden. Wasser kann durch eine entsprechende kooperative Handhabe zu einem Commons werden. Das würde es ermöglichen, das Menschenrecht auf einen Zugang zu Wasser zu verwirklichen. In einer vergesellschafteten Form kommt Wasser einem Gemeingut am nächsten, im Sinne eines öffentlichen Eigentums unter demokratischer Verfügung durch die relevanten Gruppen. In einer komplexen Gesellschaft kann aber auch Commoning komplex sein.

Wie würde also eine progressive Wasserpolitik aussehen und was bedeutet Vergesellschaftung im Fall von Wasser? Diese Frage umfasst einerseits das Ringen um öffentliches oder privates Eigentum an Wasserinfrastrukturen, zum anderen die Frage nach demokratischen Entscheidungsmöglichkeiten im Management von Wasser. Unter den Folgen der Klimakrise muss Wasser vorsorgend und gerecht koordiniert werden und das geht am besten unter demokratischer, also öffentlicher Kontrolle, die mit technischer und sozialer Expertise gepaart wird. Eine progressive Wasserpolitik, die das ermöglicht, könnte aus drei Bausteinen bestehen: Transparenz, demokratische Entscheidung und sozial gerechte Verteilung. 

Transparenz

Um über das (phasenweise) knapper werdende Gut Wasser zu entscheiden, ist Transparenz grundlegend. Recherchen von Correctiv haben gezeigt, wie wenig Transparenz darüber besteht, nach welchen Kriterien die Bundesländer ihr Recht an Grundwasser vergeben. In Phasen der Knappheit muss klar sein, welche Akteure welches Recht am Wasser haben. Rechtlich ist die Daseinsvorsorge in Deutschland hier priorisiert. Die Praxis weicht, wie der Fall Tesla zeigt, von dieser Priorisierung ab. 

Transparenz lässt sich auch als Wissen um die politischen Prozesse rund um Wasser verstehen: Es geht etwa um die Frage, in welchen Strukturen die Konzessionsverträge für kommunale Unternehmen aufgesetzt werden, die wiederum darüber entscheiden, wie die Eigentumsstruktur gestaltet ist. Hier kann auch die Transparenz über die Besetzung von Posten und den Einbezug von Expert*innen in der Wasserver- und -entsorgung eine Rolle spielen. 

Versorgungsunternehmen vermitteln schon jetzt in Bildungsprogrammen die Funktionsweisen von Wasserinfrastrukturen. Ein öffentliches Verständnis von Wasserinfrastrukturen kann dabei helfen, Wasser zu wertschätzen und einen Zugang zu gewinnen. Das ist grundlegend für eine progressive Wasserpolitik und eine Demokratisierung von Wasser im Kontext der Klimakrise. Dabei geht es auch um eine möglichst breite Diskussion von Richtungsentscheidungen: Wie sinnvoll ist es, Salzwasser zu entsalzen? Welche Vor- und Nachteile hat Wasserwiederverwendung an einigen Stellen? 

Denn schon jetzt brodelt es unter der Oberfläche der sichtbaren Wasserinfrastrukturen. In der Klimakrise müssen sie auf große Wassermassen und längere Trockenheitsperioden reagieren, um unsere grundlegendste Versorgung zu gewährleisten. Es bedarf umfangreicher Investitionen. Obwohl Wasser teilweise gespart werden muss, würde es aber zu technischen Problemen führen, wenn es in geringerem Umfang durch die Rohre der Ver- und -entsorgungssysteme fließt. Weniger Verbrauch ist damit ein technisches Problem und Wasserwiederverwendung finanziell aufwendig. 

Diese Fragen müssten breiter diskutiert werden, um Wasser aus einer rein technokratischen Handhabe zu befreien. Nicht jede Rohrverlegung muss öffentlich diskutiert werden. Aber das Interesse daran, wo das eigene Trinkwasser herkommt, ist in kleineren Gemeinden und auch Städten durchaus vorhanden. Änderungen in der Wasserinfrastruktur wirken sich auf das Leben der meisten direkt aus. Damit die Bedeutung der Infrastruktur sichtbar wird und öffentlich verhandelt werden kann, gilt es, öffentlich zu unterstreichen; Wasser gehört niemandem, und alle brauchen es. So ließe sich womöglich ein „Versorger*innenstolz“ stärken, der aus den kommunalen Unternehmen auf die städtische Zivilgesellschaft übergehen könnte: Unsere Wasserversorgung wird von uns (mit)entschieden, von uns gemacht. 

Demokratische Entscheidung und gerechte Verteilung

Demokratische Entscheidung und sozial gerechte Verteilung müssen eng zusammenhängen.  Ein Mittel dafür wäre die Repräsentation von gesellschaftlichen Gruppen in kommunalen Wasserräten. Nicht alle haben Zugang zu technischem Wissen und ein grundlegendes Verständnis von Infrastrukturen. Nicht alle verstehen politische Prozesse und juristische Bestimmungen oder Unternehmensformen. Aber auch nicht alle, die über Wasser sprechen, brauchen Expertise in allen Bereichen. Einige sind auch nur Expert*innen ihres eigenen Bedarfs. Vor allem im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit muss die Auseinandersetzung öffentlich geführt werden.

Wie genau solche Gremien besetzt werden, muss der jeweilige kommunale Fall bestimmen. So ist in einigen Fällen eine Vertretung von peripheren Räumen, die an dem jeweiligen Versorgungsnetz hängen, relevant, in anderen Fällen ist die Vertretung öffentlicher Einrichtungen wie Schulen und Kitas besonders wichtig. Teilweise müssen die landwirtschaftlichen Nutzer*innen vertreten sein und natürlich die Arbeitenden in den Unternehmen, die die Wasserver- und -entsorgung technisch umsetzen. 

Die Angestellten in Versorgungsunternehmen sind häufig nicht begeistert von mehr öffentlicher Beteiligung und Mitbestimmung. Daher müssen auch ihre Arbeitsbedingungen mit einbezogen werden. Wie bei den Teslaprotesten sichtbar wurde, ist es zudem möglich, internationale Kontakte über einen gemeinsamen Kampf um das Wasser aufzubauen und von internationalen Perspektiven zu lernen. Auch in etablierten Gremien wäre es möglich, Fürsprecher*innen einer globalen Perspektive einzubinden, ebenso wie Perspektiven, die zukünftiges Leben und den Schutz von Biodiversität vertreten. 

Für die Ermittlung von kommunalen Expert*innen für verschiedenste Versorgungsbereiche und Lebenswelten gibt es Konzepte und erprobte Möglichkeiten. Klar ist, dass diese Prozesse strukturiert vorbereitet und durch wissenschaftliche Perspektiven ergänzt werden müssen. Die Transparenz und das Wissen um Wasserverteilung sind grundlegend für die demokratische Entscheidung darüber, was mit ihm geschehen soll. Die betreffenden Gremien könnten Entscheidungen über den Bau von Talsperren oder die Zusammenlegung von verschiedenen Versorgungsnetzen vorbereiten, so dass sie danach von der betreffenden Bevölkerung abgestimmt werden können. 

Wassergremien in der Praxis 

Es gibt bereits heute Ansätze der „partizipativen Raumplanung“, die jedoch vor allem den Charakter der Information bzw. der öffentlichen Debatte haben. Für wirkliche Macht, die bei Verteilungsfragen entscheidend ist, braucht ein Gremium, das sich mit Wasser befasst, eine fest institutionalisierte Befugnis. Die Fragen „Können wir uns den Wasserverbrauch einer bestimmten Industrie vor Ort leisten? Sollten wir die Daseinsvorsorge priorisieren?‘ müssen in Bezug auf die maßgeblichen technischen und Gerechtigkeits-Aspekte gut vorbereitet und dann öffentlich entschieden werden. 

Praktiker*innen und Theoretiker*innen von Partizipationsprozessen haben Schemata entwickelt, um besser zu verstehen, wie umfangreich die ‚öffentliche‘ Aneignung eines Themenfeldes für bestimmte Gruppen in dem jeweiligen Prozess tatsächlich ist. Sie können dabei helfen, genau hinzuschauen: Geht es nur um einseitige Informationskampagnen, geht es um eine Debatte und (unverbindliche) Empfehlungen oder geht es um wirkliche Entscheidungsbefugnisse?

Wenn wir fordern, die Verteilung von Wasser im Kontext der Klimakrise zu demokratisieren, müssen wir überlegen, wie das konkret aussehen kann. Die politischen Ebenen, die die Verfügung über Wasser regeln, sind komplex verwoben. Die Kommunen haben zwar die konkrete Umsetzung der Daseinsvorsorge in der Hand, aber die Länder die Handhabe über die meisten Wasserressourcen. Folgende Schlaglichter zeigen, wie eine Annäherung an die Demokratisierung von Wasser und seinen Infrastrukturen aussehen kann. 

Paris: Observatoire de l‘eau 

Paris hat 2010 seine Wasserversorgung rekommunalisiert und konnte damit eine Senkung der Preise und umfangreiche Investitionen in Innovationen erreichen. Das Observatoire de l’eau besteht seit 2006 und wurde ursprünglich durch den Bürgermeister selbst eingesetzt, um die städtische Wasserwirtschaft in Paris öffentlich zu kontrollieren. Es ist für alle offen und soll ein Raum der Debatte für wasserbezogene Themen sein, der alle relevanten Akteur*innen in dem Sektor zusammenbringt. 

In dem Gremium sind vier repräsentative Gruppen vertreten: ‚Gewählte Pariser*innen‘ aus jedem Bezirk und jeweils ein*e Vertreter*in aus jeder im Stadtrat vorhandenen politischen Gruppe. Die Seite der Nutzenden wird durch Verbraucherzentralen, Akteure der öffentlichen Versorgung und des Umweltschutzes sowie durch Wissenschaftler*innen vertreten.

Das Observatoire wird über alle Handlungen, Berichte und behördlichen Verfahren der Versorgung und Entsorgung von Wasser in Paris informiert und gibt Stellungnahmen dazu ab. Sie müssen dem Gremium bekannt sein, bevor sie im Pariser Stadtrat behandelt werden. 

Es wird durch die Stadt und damit durch die öffentliche Verwaltung getragen. Das heißt, die Stadt sorgt für die Logistik und die Organisation des Gremiums, das dennoch inhaltliche Unabhängigkeit genießt. 

Das Observatoire hat zwar keine eigene Entscheidungsmacht, aber verfügt zumindest über eine wichtige Rolle im kommunalen Entscheidungsprozess zu Wasserfragen und stellt vor allem Transparenz her. Das ausführende Unternehmen, Eau de Paris, überlässt zudem Vertreter*innen von NGO und einer repräsentativen Person aus dem Observatoire Posten im Aufsichtsrat. 

Paris ist damit eine Art Aushängeschild öffentlich kontrollierter Wasserversorgung unter öffentlichem Eigentum geworden.

Terrassa: Observatori de l’Aigua

An dem Pariser Modell hat sich unter anderem die katalonische Wasserbewegung für Rekommunalisierung orientiert. Im Kontext der Proteste für eine Entprivatisierung der Wasserversorgung ist ein progressives institutionelles Modell entstanden, in dem zivilgesellschaftliche Vertreter*innen festes Stimmrecht genießen. 

Das Gremium ist durch Akteur*innen der Rekommunalisierungsbewegung eingesetzt worden und wurde dann im weiteren Verlauf durch die Stadtpolitik unterstützt. 

Wie in Paris ist das Gremium fest in den Entscheidungsprozess zu Wasser eingebettet. Es bildet einen Winkel des Dreiecks der Wassergovernance in Terrassa, neben der Stadt und dem kommunalen Versorgungsunternehmen. Gleichzeitig sind seine Entscheidungen so wie im Pariser Modell nicht bindend. Es sitzen aber ebenso wie in Paris zwei Vertreter*nnen aus dem Observatori de l’Aigua im Aufsichtsrat des Versorgungsunternehmens. Die 36 Teilnehmenden setzen sich aus verschiedenen sozialen Gruppen, Gewerkschaften, Universitäten, Schulen, politischen Gruppen, ökonomischen Verbänden und Regierungsvertreter*innen zusammen.

Ähnlich wie das Pariser Observatoire wird das Gremium in Terassa mit kommunalen Geldern versorgt, um gut handlungsfähig zu sein. Eine fest angestellte Person koordiniert die Prozesse. Gleichzeitig ist es autonom gegenüber der städtischen Verwaltung und Politik. 

Die italienische Wasserbewegung hat in Neapel ein ähnliches Modell hervorgebracht. Auch der Berliner Wasserrat orientierte sich in seinem Ringen gegen die Beteiligung von RWE an der öffentlichen Wasserversorgung an diesen Beispielen, wo Versorgungsunternehmen unter stärkerer öffentlicher Kontrolle stehen und eine gewisse Transparenz herrscht, die eine sozial-ökologisch gerechtere Verteilung ermöglicht. Die Forderung des Berliner Wasserrats nach fester institutioneller Verankerung in den Entscheidungsprozessen ist bisher nicht erfüllt.[1] 

Wasser in die Öffentlichkeit! 

In diesen Beispielen bildetet die Privatisierung oft den Ausgangspunkt der öffentlichen Auseinandersetzungen. Im Zuge der Bestrebungen einer Rekommunalisierung der jeweiligen Wasserbetriebe bildeten sich ein stärkeres öffentliches Interesse und eine größere öffentliche Kontrolle heraus. Denn das Ringen um eine progressive Wasserpolitik ist im Endeffekt ein Ausfechten des öffentlichen Zugriffs auf das Leben. Diese Auseinandersetzung wird konkret, wenn private Gewinne mit Grundwasser erwirtschaftet werden, das umsonst abgezapft werden kann. Sie zeigt sich auch, wenn private Rechtsformen kommunaler Versorgungsunternehmen weniger transparent und zugänglich für die Öffentlichkeit sind als kommunale Eigenbetriebe. Die Veränderung von Eigentumsstrukturen (an Land, Infrastrukturen und Wissen), die das Wasser und seine Wege formen, ist bei einer progressiven Wasserpolitik eng verzahnt mit der Möglichkeit demokratischer Entscheidung. 

Mehr Transparenz und eine Abkehr von einem technokratischen Wassermanagement, das Wasser als eine selbstverständlich verfügbare Ressource voraussetzt, bedürfen auch mehr Erklärung und Verhandlung. Das kann Entscheidungsprozesse verlangsamen. Viele Fragen sind technische Fragen und brauchen eine gute Vorbereitung und Einschätzung. Doch es gibt viel zu gewinnen: einen sorgsamen, transparenten und gerechten Umgang mit dem Wasser auf kommunaler Ebene, der ein gutes Leben ermöglicht.