John: Marlene! Ich darf doch Marlene sagen? 
Ich bin der persönliche Finanzberater deiner Großmutter, und somit auch deiner! Ich erkläre dir alles. Mach dir keine Sorgen. Es gab ein Liquiditätsevent - was sage ich, es gab jede Menge Liquiditätsevents, deine Großmutter hat Vermögenswerte liquidiert, das Geld ist da! Es wartet nur auf dich. 

Marlene: Ja?  Äh, danke. Das ist sehr nett?

John: Kein Problem.

Marlene: Wie heißt du denn?

John: John. Ich bin der John. 

Marlene: Hallo, John. Ich bin Marlene.

John: Ich weiß. Mich schickt das Family Office. Und ich bin ab jetzt immer für dich da, 24 Stunden, rund um die Uhr. 

Marlene: Okay, cool. Danke? Aber wieso?

John: Ich sorge dafür, dass alles, was du besitzt, erhalten, und wenn möglich, vergrößert wird! Dein Vermögen wird wachsen, aber es wird beschützt und behütet aufwachsen.
Wie ein kleines Kind. Das ist ein Versprechen!

Marlene: Also John, ich bin doch kein kleines Kind mehr!

John: Das stimmt! Marlene, Marlene, ich mag dich. Wir beide werden uns prima verstehen! Bevor du dich versiehst, komme ich zu deinen Geburtstagen und deiner Hochzeit, und am Ende kommst du auf meine Beerdigung. Ich gehöre zur Familie. Wir sind alle eine große Familie!

Marlene: John.

John: Ja. Marlene?

Marlene: Warum muss es wachsen? Ich meine, es ist schon wirklich viel Geld!

John: Sehr richtig, Marlene! Aber was passiert mit schon wirklich viel Geld, wenn man es liegen lässt? Es verliert an Wert. Das nennt man Inflation! Und irgendwann wird es schon wirklich wenig Geld. Um das Geld, das du hast, zu erhalten, brauchst du immer mehr Geld! Verstehst du?

Marlene: John. Hör bitte zu. 

John: Marlene, schau mal. Dieses Vermögen hat deine Familie seit Jahrzehnten erhalten. Es wird wiederum dich erhalten, und du hast doch auch eine Pflicht es zu erhalten!
Denn irgendwann wird es für deine Kinder da sein. Und für deren Kinder! Denk doch an die Kinder, die du einmal haben wirst!

Marlene: John! Was redest du da? Ist meine einzige Aufgabe, als Frau Erb*innen zu produzieren? Das ist ja ekelhaft, das ist ja 19. Jahrhundert!

John: Aber du willst doch nicht eines Tages arm sein, oder? Willst du zur Sparkasse gehen und sagen, ich lasse das alles Cash liegen? 
Das machen die nicht. Die sagen, du bist bescheuert! Protect and Grow, so sagen wir! Beschützen und vermehren! Marlene -

Marlene: Du willst mir also sagen, ich soll zum Beispiel 25 Millionen in Finanzprodukte, also Ressourcen, investieren, wie Aktien, Fonds, Häuser?

John: Ja, Marlene! Du stellst den Menschen die Ressourcen zur Verfügung!

Marlene: Und die sollen mir dann Miete zahlen, nehme ich an. Zugangsgeld.

John: Ja, natürlich sollen sie das!

Marlene: Aber was bedeutet das für die? Die können ja nicht nicht wohnen!

John: Ja! Äh, nein. Können sie nicht.

Marlene: Mit meinem Eigentum errichte ich dann eine Paywall!

John: Ja Marlene, das ist die rechtliche Grundlage! Anders geht es ja nicht.

Marlene: Warum kann ich nicht gar kein Geld verlangen, und z.B. nur einen unentgeltlichen Nutzungsvertrag schließen?

John: Du willst nicht vermieten?

Marlene: Du willst, dass die Leute dafür zahlen, dass sie in meinem Haus wohnen, du willst, dass sie dafür zahlen, dass sie in meinem Supermarkt einkaufen, 
mit meinem Strom heizen, dass sie mir permanent Eintrittsgeld für alles zahlen, was sie brauchen.

John: Du bist nicht auf deren Seite, Marlene. Du bist auf der anderen! Da kann doch niemand was dafür!

Marlene: Doch, John. Doch! Das ist eine Verteilungsentscheidung, eine politische Entscheidung, die dafür sorgt, dass ich so vermögend bin, die dafür sorgt, dass ich Macht über Leute habe, John.

John: Aber es ist doch besser, du hast sie als irgendjemand anders! Du bist ein wirklich nettes Mädchen! Und Ich mache mir einfach Sorgen um dich. Ich will, dass du versorgt bist!

Marlene: Das reicht jetzt John! Du fängst an, mir richtig auf die Nerven zu gehen. Du machst dir Sorgen? Du verstehst mich nicht? Ja klar, weil du noch nie mit jemand ein ehrliches Gespräch über Geld geführt hast. Weil niemand bei uns jemals ehrlich über Geld spricht. Ich will keine Macht. Ich will keine Rendite!

John: Ja, aber was willst du dann?

Marlene: Ich will meine verdammte Ruhe! Oder wenigstens negative Rendite. Ich will keine Millionen, ich will diese Macht nicht! Sie steht mir nicht zu.
Sie soll weg! All das muss weg!

John: Was? Das geht doch nicht! Alles? 

Marlene: Alles. Und zwar, ohne dass ich diese Macht ausnutze, einen Machtgestus reproduziere, John. Ich möchte die Millionen zurückgeben. Woher kommt denn das Geld?

John: Von deiner Großmutter, Marlene!

Marlene: Aus der Gesellschaft! Und dahin muss es zurück. Besorg es mir cash, so wie es da liegt.

John: Ja, aber wofür?

Marlene: Ich bin reich geboren. Aber es kann mich keiner zwingen, reich zu sterben. Ich will es loswerden! 

John: Okay. Okay, alles klar, gut! Gut, ich verstehe. Dann machst du irgendetwas Philanthropisches, Marlene. Okay?
Du gründest eine Stiftung. Ich gründe sie für dich! Da schiebst du Geld hinein, und dann gehört es rechtlich, rein formal, nicht dir. Und trotzdem sagst du als die Stifterin genauestens, wohin es geht! Die Marlene-Engelhorn-Stiftung für krebskranke Kinder! Oder für krebskranke Inder. Oder für krebskranke indische Kinder! Ich mach dir das, ich hab das oft gemacht, das machen viele, ich kenne mich sehr gut aus. Du hast die volle Kontrolle! Und wenn wir es richtig schlau anstellen –

Marlene: Philanthropie? Das ist eine Investition in mein eigenes moralisches Wohlbefinden. Ich will das nicht. Ich will keine Kontrolle! Ich will das los sein! Ich will, dass es aufhört!

John: Marlene –

Marlene: Schluss! Aus! Sei ruhig jetzt! Es ist alles dasselbe. Kaufen, Ressourcen, Eintrittsgeld verlangen, Macht ausüben – ich will das nicht. Ich verteile das zurück!

John: Du verrätst deinen Großvater. Der hat das alles für dich aufgebaut!

Marlene: Das ist es ja! Mir fällt das einfach in den Schoß. Ich habe nichts dafür getan! Ist das gerecht? Ich will das nicht!

John: Aber du wirst den Zugang zu allen Netzwerken verlieren! Privatbanken werden nicht mehr mit dir arbeiten! Du wirst nirgendwo mehr eingeladen, wo du wirklich etwas bewegen kannst mit deinem Geld!

Marlene: Aus Einladungen mache ich mir nichts. Netter Versuch, John.

John: Marlene! Du weißt nicht, was du tust. Tu Gutes, wenn du willst, das finde ich gut. Aber dafür brauchst du doch dein Geld! Geld ist klasse!

Marlene: Ja, John. Ich weiß. Geld ist Klasse. Genau das ist das Problem.

Fortsetzung folgt