In der argentinischen Krise wurde der Protest auf der Straße mit einer anderen Art des Arbeitens und Wirtschaftens verbunden: »Besetzen, Widerstand leisten, Produzieren « (vgl. die Beiträge auf www.zeitschrift-luxemburg.de). Aus der Niederlage im Neoliberalismus ist eine Bewegung an der Basis entstanden, die Betriebe besetzt oder weiterführt, die geschlossen oder verlagert werden sollen: um Abfindungen zu verhandeln, Arbeitsplätze zu erhalten – oder als Einstieg in gesellschaftliche Transformation. In Deutschland forderte die IG Metall Gegenleistungen für Zugeständnisse und staatliche Krisenhilfen: Erweiterte Mitbestimmung, Belegschaftseigentum und Wirtschaftsdemokratie wurden gegen den Shareholder Value gestellt. Auch in den USA ist auf den Ruinen fordistischer Produktionsstätten eine vielfältige Bewegung von Kooperativen und Genossenschaften in Belegschaftseigentum entstanden. »Ohne Boss« zu arbeiten, war eine neue Erfahrung, für viele befreiend. Marx sah in der selbständigen Organisation der Produktion durch die Produzenten, in Genossenschaften einen ersten Schritt zum Kommunismus. Doch gleichzeitig werden die Arbeitenden in Widersprüche verwickelt, sie müssen lernen, wie Kapitalisten zu denken und zu handeln: Marktlogik und Konkurrenz treten nicht zurück, weil ein Unternehmen von der Belegschaft geleitet wird (vgl. den Beitrag von Vishwas Satgar). Gewerkschaften stehen Belegschaftseigentum und selbstverwalteten Betrieben oft kritisch gegenüber: Selbstausbeutung und Druck auf die Löhne bei vergleichbaren Betrieben sind zu befürchten. Auch »Belegschaftseigentum« kann bedeuten, Schulden zu erben, die andere gemacht haben. In Brasilien haben sich Gewerkschaften an die Spitze der Bewegung für solidarische Ökonomie gesetzt. Die größte Metallgewerkschaft in den USA und Kanada, United Steel Workers, hat ein Abkommen mit Mondragón geschlossen, der Kooperative aus dem Baskenland, die inzwischen ein transnationales Netzwerk von Produktionsstätten, Universität und Bank ist. Gemeinsam werden Belegschaftsbetriebe gegründet. Die Geschichte der Aufhebung von privatem Eigentum ist keine Erfolgsgeschichte der Demokratisierung (im Heft: Jugoslawien, DDR, Sowjetunion, China). Zentralisierung und Planung wurden vielfach als Entfremdung erlebt, übergingen unzulässig die Bedürfnisse und Interessen der Beteiligten an tatsächlicher Selbstbestimmung. In Deutschland sind Betriebsbesetzungen und Arbeiterselbstverwaltungen nach dem Abebben der Projekte- und Kollektivbewegung der 1970er Jahre selten geworden. Viele Versprechen auf »Selbstverwirklichung« und kooperative Formen sind von neoliberalen Diskursen gekapert, das Potenzial einer gesellschaftlichen Transformation abgeschnitten worden. Internationale Erfahrungen sollen Horizonte öffnen: Fragen der alltäglichen Produktion des Lebens rücken wieder ins Zentrum, machen sie zum Gegenstand demokratischer Fragen: Was wird produziert? Wie wollen wir arbeiten? Wie werden Interessen zwischen Arbeitsplatzerhalt und Klimaschutz vermittelt? Wie überschreiten die geteilten Interessen der Wenigen den Horizont des eigenen Betriebs, sodass die Demokratisierung ausgreifen kann in die Region, den Staat, die globalen Produktionsverhältnisse? Transnationale Netzwerke von Kooperativen und Genossenschaften könnten ökonomische Alternativen sein, Perspektiven auf eine solidarische Ökonomie. Dann könnten die vielen kleinen Erfahrungen vielleicht doch in eine »kommunistische« Bewegung fließen, die der Enteignung der Vielen die Enteignung der Wenigen entgegenstellt.