Die neu entfachte Debatte um Planung und Planwirtschaft zeigt konkrete Alternativen zum Kapitalismus auf. Es geht ihr aber weder um einen Masterplan noch um ein »Auspinseln« von Utopien, deren Vorgaben reale Bewegungen dann zu befolgen hätten. Stattdessen geht es darum, postkapitalistische Alternativen jenseits der Marktwirtschaft wieder denkbar zu machen und dem weit verbreiteten kapitalistischen Realismus konkrete Modelle gegenüberzustellen. Eine solche Debatte bietet zudem die Möglichkeit, kritisch von den autoritären Verwerfungen der sowjetischen Zentralplanung zu lernen.

Was heißt eigentlich »demokratische Planung«?

Die Begriffe »demokratische Planung« oder »demokratische Planwirtschaft« werden in der Debatte teils unterschiedlich verwendet. Viele meinen damit eine systematische Alternative zur Marktwirtschaft, während andere Planung als ein einzelnes Element des Postkapitalismus neben vielen anderen verstehen, etwa der Demokratie am Arbeitsplatz, der Abschaffung des Arbeitszwangs oder der Überwindung der Trennung zwischen Produktion und Reproduktion. Gemeinsam ist beiden Vorstellungen die systematische, radikal demokratische Überwindung von zwei kapitalistischen Grundprinzipien: der Atomisierung der Betriebe und der Trennung der Wirtschaft vom demokratischen Gemeinwesen. Das heißt, den Zustand zu überwinden, dass Unternehmen in Konkurrenz zueinander rein profitorientierte Entscheidungen treffen, obwohl sie allseits voneinander abhängig sind. In der Marktwirtschaft verheimlichen Unternehmen Informationen und Innovationen voreinander oder lassen sie patentieren, Produkte haben eine bewusst kurze Lebensdauer und Sektoren arbeiten nicht aufeinander abgestimmt. Anstatt bewusst miteinander zu planen, müssen Unternehmen getrennt voneinander produzieren. Sie müssen die Nachfrage und Dynamiken in Lieferketten schätzen, ohne zu wissen, was die Konkurrenz produziert und wie sie investiert.

Dieser chaotische Prozess und die ihm zugrunde liegenden privaten Produktions- und Investitionsentscheidungen einiger weniger Unternehmen bestimmen dabei auch (undemokratisch) über grundlegende gesellschaftliche Fragen: Was wollen wir wie produzieren? Welche Sektoren sollen wachsen, welche schrumpfen? Wollen wir in der Summe überhaupt Wachstum? Zudem ist der Prozess ineffizient: Wenn zu viel investiert wurde, kommt es zu Stillstand und Verschwendung – Gebäude und Maschinen wurden umsonst gebaut und Arbeiter*innen umsonst ausgebildet. Wenn zu wenig investiert wurde, können Bedürfnisse längere Zeit nicht befriedigt werden. Auch kommt es zwangsläufig zu zyklischen Krisen, Monopolstellungen und großer Ungleichheit. Die Illusion, dass sich die Marktwirtschaft durch besondere Effizienz auszeichnet, lässt sich nur aufrechterhalten, wenn man zusätzlich die vielen externalisierten Kosten ausklammert: die unvergütete Sorgearbeit, globale Enteignungsprozesse, die Unterfinanzierung öffentlicher Güter und Infrastrukturen und die Zerstörung nicht-menschlicher Natur.

 

»Wie entscheiden wir in unserem begrenzten ökologischen Spielraum über gesellschaftliche Prioritäten?«

Die Alternative wäre, dass Unternehmen sich anders aufeinander beziehen, ihre Pläne aufeinander und auf gesellschaftliche Ziele ausrichten anstatt auf geschätzte Profitabilität und dass sie Informationen und Innovationen frei teilen sowie ihre Produktion generell an sozialen und ökologischen Bedürfnissen orientieren. Über zentrale Fragen von Produktion und Reproduktion wird dann demokratisch entschieden. Das bedeutet, dass es Mechanismen der kollektiven Entscheidungsfindung braucht, mit denen gesellschaftliche Bedürfnisse ermittelt und entsprechende Planungsentscheidungen getroffen werden.

Ob eine solche Art der nicht-marktförmigen Vermittlung möglich sei, wurde das gesamte 20. Jahrhundert über unter dem Label socialist calculation debate heiß diskutiert. Ausgangspunkt der jüngeren Debatte ist die wiederkehrende Beobachtung, dass auch im Kapitalismus bereits relativ viel geplant wird und diese Formen der Planung historisch qualitativ und quantitativ zugenommen haben. Als neuer Strang der Debatte stellt sich die Frage, ob digitale Technologien neue Formen der Planung ermöglichen. Supercomputer und lineare Programmierung könnten demzufolge eine Art digitale Zentralplanung ermöglichen. Verbreiteter ist aber der Ansatz, Modelle für eine Art kollektive Selbstverwaltung zu entwerfen, die von digitalen Netzwerktechnologien profitieren. Anfangs wurden dabei ökologische Fragen weitgehend ausgeklammert, wie auch in älteren Debatten um demokratische Wirtschaftsplanung. Vor dem Hintergrund der rapide eskalierenden Klimakrise hat sich der Schwerpunkt der Planungsdebatte aber hin zu ökologischen Themen verschoben: Wie entscheiden wir in unserem begrenzten ökologischen Spielraum über gesellschaftliche Prioritäten und stellen dabei eine gleiche Verteilung sicher? Wie schaffen wir eine sichere Infrastruktur für erneuerbare Energien? Darauf suchen verschiedene neuere Ansätze Antworten, von einem geplanten Postwachstum über eine geplante Kreislaufwirtschaft bis hin zu dem in der Öffentlichkeit durch Andreas Malm, Ulrike Herrmann und Kohei Saito popularisierten Konzept einer ökologischen Kriegswirtschaft.

Modelle: Wie kann demokratische Planung konkret funktionieren?

Im Zuge des Niedergangs des Staatssozialismus wurden mehrere Planungsmodelle entworfen, als eine Art dritter Weg zwischen Marktwirtschaft und sowjetischer Zentralplanung. Es handelt sich um umfassende Entwürfe einer sozialistischen Gesellschaft, die ich im Folgenden vor allem im Hinblick auf ihr Verständnis von Koordination und Planung gegenüberstellen möchte.


1 // Participatory economics (Parecon): Die Parecon-Schule entstand 1991 durch Robin Hahnel und Michael Alberts. Die beiden schlagen vor, dass direktdemokratisch verwaltete und in sektoralen Föderationen organisierte Produktionsräte in einem Bottom-up-Planungsprozess das gesellschaftliche Angebot ermitteln (Albert/Hahnel 1991). Die jeweilige Nachfrage wird parallel dazu von Konsumräten bestimmt, die ebenfalls auf unterschiedlichen Ebenen, von den Haushalten bis hin zur Nationalökonomie, organisiert sind. Ein mit einem rein technischen Mandat ausgestattetes facilitation board vermittelt zwischen beiden Räten, indem es auf Basis der vorgeschlagenen Produktions- und Konsumpläne aktuelle Preise erhöht oder senkt. So erhalten die Räte Informationen über die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite und können ihre Pläne anpassen. Nach einigen wiederholten Durchläufen soll ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage entstehen und produziert werden können. Dieses Modell hat einen eher libertären Charakter und legt den Fokus auf die (Selbst-)Organisation »von unten nach oben« und Koordination durch Gleichgewichtspreise.


2 // Cyber-Sozialismus: Im starken Gegensatz zu diesem dezentralen Modell schlagen der Informatiker Paul Cockshott und der Ökonom Allin Cottrell (1993) eine Art computergestützte Zentralplanung vor, die gestiegene Rechenpower nutzt und Planung via linearer Programmierung »optimiert«. Die Vernetzung aller Arbeitsplätze ermöglicht in diesem Modell einem zentralen Planungsbüro, eine gesamtökonomische Input-Output-Tabelle zu erstellen und damit aktuelle Verfahren und Kapazitäten zu erfassen und zu bewerten. Es entwirft verschiedene Produktionspläne mit unterschiedlicher Gewichtung verschiedener Sektoren, über die dann abgestimmt wird. Die so genehmigten Pläne stellen rechtlich verbindliche zentrale Output-Vorgaben und Input-Zuweisungen für die Betriebe dar, die diese zu erfüllen haben. Das Modell hat also einen stark zentralistischen Charakter und es stellt sich die Frage, wie die Kooperation von Betrieben und die Motivation einzelner Arbeitskräfte demokratisch bewerkstelligt werden sollen.


3 // Ausgehandelte Koordination (negotiated coordination): Der sozialistische Ökonom Pat Devine (1988) hält Investitionen für zentral, da sie über die Grundstruktur der Wirtschaft und die Produktion der Zukunft entscheiden. Sie beeinflussen das Wachstum, die regionale Verteilung und die Kapazitäten verschiedener wirtschaftlicher Sektoren. Im Gegensatz zum Cybersozialismus einigt sich die politische Gemeinschaft nicht auf einen detaillierten Zentralplan, sondern lediglich auf nationale Prioritäten, die Preise der wichtigsten Inputs (Arbeitskraft, Kapital und Naturressourcen) sowie die regionale und sektorale Verteilung von Investitionen. Letzteres soll eine Balance zwischen Konsum und Investition herstellen und bestimmen, welche Sektoren grundlegend wachsen (zum Beispiel erneuerbare Energien, öffentlicher Verkehr) oder schrumpfen (zum Beispiel Individualverkehr) sollen. Über die Ausgabe von Investitionen entscheiden sogenannte negotiated coordination bodies, in denen Repräsentant*innen der von den Entscheidungen betroffenen Interessengruppen vertreten sein sollen: Arbeiter*innen, Konsument*innen, regionale Gemeinschaften, Unternehmen. Die Betriebe selbst sind relativ autonom, setzen selbst die Preise ihrer Produkte und konkurrieren um Absatzmärkte. Das Modell betont Autonomie und Dezentralität und legt den Fokus auf demokratische Verteilung der Investitionen. Das Ziel ist es, durch Marktaustausch Informationen für gesellschaftliche Planung zu generieren, ohne dass Letztere von den unpersönlichen Kräften des Marktes dominiert wird.


4 // Demokratisch-iterative Multi-Ebenen-Koordination (multi-level democratic iterative coordination): Beim marxistischen Ökonom David Laibman (1992; 2002) steht der kontinuierliche Feedback-Prozess zwischen dezentralen und zentralen Institutionen im Fokus. Die dezentrale Ebene hat Zugang zu lokal eingebettetem Wissen und die Zentrale den Überblick, wobei alle Ebenen demokratisch strukturiert sein sollen. Die Zentrale soll Informationen aggregieren und auf dieser Basis Preise zentral planen und nicht nur die Preise der grundlegenden Inputs wie im Modell von Pat Devine. Die »Dezentrale« soll durch die vom Zentrum geplanten Preise Informationen erhalten, die sie in die Lage versetzen, autonom zu planen und trotzdem gemäß dem gesellschaftlichen Gesamtinte­resse zu handeln. So sollen die Stärken vom zentralen Gesamtüberblick und vom lokalen Spezialwissen fruchtbar verbunden werden.


Die vier oben vorgestellten Ansätze wurden bislang eher in kleinen Fachzeitschriften diskutiert. Der marktsozialistische Ansatz, der Demokratie und Gemeineigentum am Arbeitsplatz mit dem Wettbewerb zwischen Arbeitsplätzen verbindet, war in den letzten Jahrzehnten sicherlich der dominante kapitalismuskritische Ansatz. Mit dem Aufkommen der neuen Planungsdebatte werden die älteren Planungsansätze aber wieder beliebter. Zudem kamen zwei neue umfassende Ansätze dazu und der (eigentlich sehr viel ältere) Ansatz der Arbeitszeitrechnung erlebt gerade ein Revival:


5 // Digitaler Sozialismus: Im Modell des Ökonomen Daniel Saros (2014) sollen Konsument*innen digitale Wunschlisten erstellen (in einer Art sozialistischem Amazon), auf deren Basis Betriebe Produktionspunkte erhalten, mit denen sie Ressourcen, Arbeitskräfte und Produktionsmittel »kaufen« können. Die von den Verbraucher*innen gewünschten Konsumprodukte müssen nicht zwangsläufig auch von ihnen gekauft werden, werden aber auf diese Weise billiger angeboten, was zu einer guten Planung der Konsumtion anregen soll. Arbeiter*innen erhalten für ihre Arbeit kein Geld, sondern Creditpoints, mit denen sie Konsumgüter und Dienstleistungen erwerben können. Der Ansatz war zunächst sehr populär, wohl auch weil er die Möglichkeit der dezentralen Vermittlung durch neue Technologien illustrierte. Inzwischen wird die Praktikabilität von digitalen Wunschlisten häufig angezweifelt, und Saros selbst hat sich inzwischen von seinem Ansatz distanziert und ist mittlerweile dem rechts-libertären Lager zuzurechnen.


6 // Common-ismus: Der Informatiker Stefan Meretz und der Soziologie Simon Sutterlütti (2018) entwickeln eine Utopie, in der das oft mit der lokalen Ebene und zwischenmenschlichem Kontakt verbundene Prinzip der Commons gesellschaftlich verallgemeinert werden soll. Es soll weder einen gesellschaftlichen Plan noch eine Zentralinstanz geben, sondern eine kollektive Selbstorganisation der Betriebe. Zur Vermittlung von Konflikten dienen verschiedene Gremien, doch die Lösungen wählen die weitgehend autonomen Betriebe selbst. Eine zentrale Recheneinheit (wie etwa die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit) existiert nicht. Stattdessen entscheiden Betriebe anhand einer Vielzahl von Informationen wie der benötigten Arbeit(szeit), den notwendigen Produkten, ökologischen Faktoren Dezentrale Planung von unten soll horizontale Selbstorganisation stärken.


7 // Arbeitszeitrechnung (AZR): Der Ansatz, die durchschnittliche Arbeitszeit als grundlegende Recheneinheit der Planung zu verwenden, prägt die Debatte von Anfang an. In Anlehnung an Ideen des holländischen Rätekommunismus versuchen Autor*innen rund um die Initiative Demokratische Arbeitszeitrechnung seit einigen Jahren, ihn neu zu beleben. Die Arbeitszeit als Rechnungseinheit soll es einer rätedemokratischen Gesellschaft ermöglichen, die Kosten verschiedener Produkte abzuschätzen. Räte sollen sich in verschiedenen Sektoren zusammenschließen, miteinander konkurrieren und selbstständig Produktionspläne erstellen. Diese müssen von einer selbstverwalteten öffentlichen Buchhaltung bewilligt werden, die dem Betrieb dann ein entsprechendes Kontingent an Arbeitszeit überweist.

Streitpunkte und Leerstellen der Debatte

Die Unterschiede zwischen den Modellen verweisen auf wichtige Diskussionspunkte, insbesondere mit Blick auf die historischen Erfahrungen der keynesianischen Planung, des jugoslawischen Marktsozialismus und der staatssozialistischen Zentralplanung. Es zeigen sich Differenzen zwischen eher dezentralen Ansätzen (Parecon, Saros, Commons und AZR), einem zentralistischen Ansatz (Cock­shott/Cottrell) und zwei Mittelwegen (Devine und Laibman). Wenn zentrale Institutionen zu viele Entscheidungen treffen, geht dabei nicht nur lokalspezifisches Wissen verloren, sondern auch Möglichkeiten der Partizipation und Selbstbestimmung. Gleichzeitig braucht es vermittelnde Instanzen, sonst ist dezentrale Entscheidungsfindung blind für Makroprozesse und es entstehen Hierarchien zwischen den Einheiten.

Bei der Frage nach der konkreten Vermittlungsform zwischen den Ebenen und Akteuren zeigt sich eine Spannung zwischen denjenigen Ansätzen, die interpersonelle Aushandlung betonen (etwa Devine und Commons), und denen, die stark auf quantitative (»parametrische«) Vermittlung setzen (Parecon, Cockshott/Cottrell, Saros und AZR). Deliberative Aushandlung ist für demokratische Planung zentral, denn es geht um eine politische Verständigung über die grundlegenden Fragen des Lebens und elementare Interessen, an der alle beteiligt werden müssen. Da das Zeit kostet und Komplexität reduziert werden muss, sind Verfahren und Techniken notwendig, mit denen sich Menschen ohne direkten Kontakt aufeinander beziehen können. Dazu gehören das Preissystem des Markts (Devine), aber auch andere, weniger bekannte Methoden wie Algorithmen (Cockshott/Cottrell und Saros), stigmergische Signale (Commons) und »parametrische Formeln« (Laibman).[1] Mit ihrer Hilfe kann sich die interpersonelle Aushandlung zwischen Personen innerhalb von demokratischen Gremien auf zentrale politische Fragen konzentrieren.

Auch die Basis, auf der lokale und zentrale Einheiten Entscheidungen treffen, ist in den Modellen sehr unterschiedlich. Eine grundlegende Differenz besteht zwischen Ansätzen, die zum Zweck der Kommensurabilität (Vergleichbarkeit) verschiedener Werte eine zentrale Recheneinheit vorschlagen, wie etwa die Arbeitszeitrechnung (AZR) oder Preissteuerung (Parecon und Saros). Andere Ansätze (Commons) folgen (implizit oder explizit) Otto Neuraths (1919) berühmter Kritik an der Pseudorationalität einer einzelnen Recheneinheit, die niemals in der Lage sei, die Wirklichkeit abzubilden. Sie schlagen eine Berechnung »in natura« vor, die direkt mit den physischen Größen verschiedener Güter arbeitet. Wieder andere verbinden Arbeitszeit (Cockshott/Cottrell) oder Preise (Devine und Laibman) mit einer solchen »In-natura«-Kalkulation.

Eng mit der Frage der Recheneinheiten ist das Thema der Bedürfniserfassung verbunden. Lassen sich Bedürfnisse dezentral erfassen und einfach aggregieren (Saros)? Braucht es Deliberation in Konsumräten (Parecon)? Oder können Konsummärkte in das Planungssystem integriert werden, zum Beispiel in Kombination mit algorithmischer Vorhersage (Cockshott/Cottrell) oder mit der Deliberation verschiedener Interessengruppen (Devine)? Hier schließt unmittelbar die Frage an, wer seine Bedürfnisse wie befriedigen darf: Wird der Tausch von Arbeit gegen Lohn komplett abgeschafft (Commons-Modell) oder gibt es einen Arbeitszwang (alle anderen Modelle)? Gibt es einen Mittelweg, der alle Grundbedürfnisse unabhängig von der Arbeitsleistung deckt, etwa durch eine Mischung aus kostenlosen öffentlichen Leistungen und Grundeinkommen, und der die Übernahme unbeliebter Arbeiten mit dem Recht auf mehr Konsum belohnt? Widerspricht das Prinzip völliger Freiwilligkeit dem Bedarf an Verbindlichkeit?

Eine große Leerstelle der Debatte ist weiterhin die Frage der sozialen Reproduktion. Feministische Stimmen in der Planungsdiskussion haben etwa die Frage aufgeworfen, wie eine materiell gleichwertige Anerkennung von bezahlter wie unbezahlter Sorgearbeit sichergestellt werden kann. Dabei geht es auch darum, wie die Trennung zwischen »privater« und »öffentlicher Sphäre«, Produktions- und Reproduktionssphäre durch Vergesellschaftung überwunden werden kann, und damit um die Überwindung der (geschlechts- und klassenspezifischen) Arbeitsteilung zwischen sorgender, denkender, administrativer, kreativer und repetitiver Arbeit. In diesem Sinne wäre es auch Gegenstand demokratischer Planung, auszuhandeln, welche Arbeiten in Haushalten, Gemeinschaft oder Gesellschaft verrichtet werden oder wie Sorge- und Hausarbeit durch Vergesellschaftung und Technologie angenehmer gestaltet, reduziert oder besser verteilt werden könnte. Auch hier ist zentral, dass sich alle in diese Aushandlungen einbringen können. Neben einzelnen wertvollen Interventionen in die Debatte (siehe z. B. Lutosch in diesem Heft) steht eine systematische Integration von feministischen Utopien noch aus. Darum ist offen, ob die bestehenden Ansätze feministisch erweitert werden können oder ob demokratische Planung von Grund auf anders gedacht werden muss.

[1]       Stigmergische Signale sind Spuren, die hinterlassen werden, um anschließende Tätigkeiten nahezulegen. Als Beispiel wird häufig der rote Wikipedia-Link gegeben, der anderen Autor*innen sagt, dass ein bestimmter Artikel erst noch geschrieben werden muss. Parametrische Formeln meinen die Koordination durch zentral geplante Preise und Anreizsysteme.

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