Immer wieder wird an die ›soziale Verantwortung‹ der Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR) appelliert, werden Verhaltenskodizes für den ›guten Unternehmer‹ entwickelt – weitgehend folgenlos. Unternehmen akzeptieren ›ihre‹ Verantwortung nur, solange sie auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht. Dagegen fordern Gewerkschaften ein verbindliches internationales Regelwerk zur Durchsetzung sozialer und ökologischer Mindeststandards bei der Globalisierung, verbunden mit Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen. Internationale Sozialklauseln – wirkungslose Appelle? Die Diskussion um eine soziale Dimension der Weltwirtschaft hat eine fast 40-jährige Geschichte. Auf Gewerkschaftsseite wird zum ersten Mal 1970 durch den damaligen Generalsekretär der Internationalen Textil-, Bekleidungs- und Lederarbeiter-Vereinigung (ITBLAV), Charles Ford, die Forderung der Implementierung einer so genannten Sozialklausel in alle internationalen Handelsverträ- ge erhoben. Dabei geht es um die Einhaltung völkerrechtlich verbindlicher Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): das Recht, freie Gewerkschaften zu gründen und Kollektivverhandlungen zu führen, das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sowie das Diskriminierungsverbot. Die Forderung nach einer Sozialklausel wird 1991 vom Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) aufgegriffen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften beschlie- ßen 1994, diese Position zur Grundlage ihrer Politik zu machen. Alle Ministerkonferenzen der mächtigen Welthandelsorganisation (WTO) machen aber deutlich, dass Erwartungen an eine soziale Agenda und mehr Demokratie und Transparenz in der WTO nicht erfüllt werden. Auf der 4. Ministerkonferenz in Doha (Katar) zeigt sich die unveränderte Position der WTO: »Wir bekräftigen [unsere] Erklärung zu international anerkannten Kernarbeitsnormen. Wir nehmen die bei der ILO hinsichtlich der sozialen Dimension der Globalisierung begonnene Arbeit zur Kenntnis.« Diese Unverbindlichkeit wird auch von der ILO vertreten: in ihrem Bericht zur sozialen Dimension der Globalisierung 2004 bekräftigt sie die Notwendigkeit sozialer Regelungen, die Operationalisierung erschöpft sich aber in Empfehlungen und Appellen.

›SOZIALE VERANTWORTUNG‹ DER UNTERNEHMEN

Parallel wird seit langem über so genannte freiwillige Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften diskutiert – als vermeintlich zweitbester Weg, um die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der ILO zu gewährleisten und die soziale Situation der Lohnabhängigen in Europa und weltweit zu verbessern. Begleitet werden diese Diskussionen durch jahrzehntelange Bemühungen, Labels zu schaffen oder Zertifizierungen durchzuführen, etwa das Rugmark-Siegel zum Verbot von Kinderarbeit in der Teppich-Industrie. In der so erreichten Sensibilisierung der Öffentlichkeit sahen sich viele Unternehmen – z.B. Sportartikelhersteller wie Adidas, Puma, Nike – genötigt, ihr soziales Engagement zu entdecken. Ende der 1990er Jahre erlebte die Debatte eine regelrechte Konjunktur. UN- Generalsekretär Kofi Annan stellte 1999 seinen Global Compact vor, einen Verhaltenskodex für transnationale Konzerne. Diese Empfehlungen sind völlig unverbindlich. Die OECD überarbeitete 2000 ihre Leitsätze für multinationale Unternehmen, die Kernarbeitsnormen enthalten; die Leitsätze selbst werden »als zwar nicht rechtsverbindlich, aber auch nicht unverbindlich« verstanden. Auch die Einrichtung von Nationalen Kontaktstellen bei einzelnen Mitgliedsstaaten erfolgt – z.B. in Deutschland – zögerlich.

DIE PRAXIS IN DEUTSCHLAND

In Deutschland wurde im Jahre 2001 ein nationaler »Runder Tisch Verhaltenskodizes« unter Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiiert, der unter Beteiligung von Unternehmerverbänden, Nicht-Regierungsorganisationen und Gewerkschaften ein zentrales Thema hat: »ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, wie freiwillige Verhaltenskodizes wirksam, transparent und partizipativ eingeführt und umgesetzt werden können«. Nach fast zehn Jahren wird dem Ziel, die Verbindung von Dialog und praktischem Handeln herzustellen, immer noch ungenügend Rechnung getragen. So begründet die Kampagne für saubere Kleidung (CCC) ihren Rückzug vom »Runden Tisch Verhaltenskodizes« damit, dass man der Durchführung gemeinsamer Pilotprojekte kaum näher gekommen ist, was vor allem dem Verhalten der Unternehmen geschuldet sei. Die Hoffnung, z.B. des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Verhaltenskodizes als »effiziente Alternative zu rechtlichen Regelungen« zu verstehen, erfüllt sich nicht. Um die gesellschaftliche Debatte über das wirtschaftliche und politische Handeln von Unternehmen zu verstärken und für verbindliche Instrumente einzutreten, mit denen Unternehmen verpflichtet werden, die Menschenrechte sowie international anerkannte soziale und ökologische Normen zu respektieren, tritt die IG Metall im März 2007 dem »Netzwerk für Unternehmensverantwortung« (CorA – Corporate Accountibility) bei. Konkrete Forderungen des Netzwerkes sind Rechenschafts- und Publizitätspflichten von Unternehmen bei sozialen Fragen sowie Menschenrechten zu verlangen und z.B. die Vergabe öffentlicher Aufträge mit konkreten gesellschaftlichen Anforderungen zu verknüpfen. Dieser Schritt erfolgte in Kenntnis der Mitteilung der EU-Kommission 2006 an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur »Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung von Unternehmen führend werden«. Darin betont der damalige EU-Kommissar Verheugen die alleinige Verantwortung der Unternehmen und blendet die anderen Stakeholder wie Gewerkschaften und NGOs schlicht aus. Leitlinie der IG Metall ist die Empfehlung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Globalisierung der Weltwirtschaft vom Juli 2002, dass freiwillige Vereinbarungen rechtliche Regelungen immer nur ergänzen, sie aber niemals ersetzen können. Der Staat trägt weiterhin die Hauptverantwortung, unternehmerisches Verhalten durch Rahmen und Prozesspolitik zu steuern. Mit diesem Verständnis hat die IG Metall in Zusammenarbeit mit den globalen Gewerkschaftsverbänden (GUFs) den Abschluss internationaler Rahmenvereinbarungen zu einem strategischen Element ihrer internationalen Arbeit gemacht. Internationale Rahmenabkommen unterscheiden sich von einseitigen Firmenverhaltenskodizes dadurch, dass sie das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmen darstellen. In der Praxis haben sich diese internationalen Rahmenabkommen als relativ belastbar erwiesen. Vor dem Hintergrund, dass bis März 2010 20 Vereinbarungen abgeschlossen wurden, es aber laut UNCTAD circa 64000 transnationale Unternehmen gibt, ist dies in der Tat eine Politik der kleinen Schritte – für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen im Ausland waren sie von existenzieller Bedeutung. Gewerkschaften sind bereit, pragmatische Wege mit Unternehmen zu gehen, die wirklich willens sind, im In- und Ausland auf transparente Weise Rechenschaft über die sozialen und ökologischen Folgen ihres Handelns abzulegen. Unternehmen, die damit prahlen, weltweit in ihrer Zuliefererkette die Qualität ihrer Produkte kontrollieren und garantieren zu können, die aber im Bereich sozialer Rechte keinerlei Zugeständnisse machen, nutzen die Debatte um soziale Verantwortung offensichtlich dazu, eigene Tatenlosigkeit zu kaschieren. Angesichts der oben genannten Zahlen sind solche CSR-Vereinbarungen allein nicht geeignet, das notwendige Niveau zum Schutz der Rechte der Lohnabhängigen und Gewerkschaften zu gewährleisten.

FÜR EINE VERBINDLICHE REGULIERUNG PLUS

Es müssen verbindliche und sanktionierbare zwischenstaatliche Regelungen realisiert werden, basierend mindestens auf den ILO-Kernarbeitsnormen und insbesondere der Erklärung der ILO von 1998 über »Grundlegende Rechte und Prinzipien bei der Arbeit« – diese sind bereits völkerrechtlich verbindlich. Zusätzlich zu den Kernarbeitsnormen und weiteren ILO-Normen, die lediglich Mindeststandards darstellen, können zusätzliche Effekte in freiwilligen Vereinbarungen mit Unternehmen erreicht werden, d.h. Core Labour Standards (CLS) plus Corporate Social Responsibility (CSR). Die IG Metall kämpft gegen die Privatisierung sozialer Rechte und gegen alle Tendenzen, einen Sozialpaternalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu restaurieren. Ende 2008 wurde ein CSR-Forum unter Leitung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingerichtet. Das Grundproblem wird besonders im Kontext des Entwurfs eines Empfehlungsberichts an die Bundesregierung vom Januar 2010 deutlich. Die Forderung der Gewerkschaften, »die Bundesregierung sollte prüfen, ob aner kannte Standards (OECDLeitsätze, drei gliedrige Grundsatzerklärung der ILO und Global-Compact-Prinizipen) stärkeren Eingang in den Kriterienkatalog für die Vergabe staatlicher Exportkredite, HermesBürgschaften und für weitere staatliche Unterstützungsmaßnahmen für ausländische Direktinvestitionen und Außenhandel finden können«, wurde mit dem Hinweis versehen, dass diese Maßnahme nicht von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft (BDI/ BDA/DIHK) mitgetragen wird. Dann sollten die sozialen Mindeststandards eben ohne Zustimmung der Unternehmensverbände durchgesetzt werden – die G8-Arbeitsminister (Dresden, Mai 2007) erklärten schließlich: »Es ist vor allem Aufgabe des Staates, Menschenrechte und Arbeitsnormen umzusetzen und zu verbessern.« Gewerkschaften und soziale Bewegungen werden weiter dafür streiten.