Die Tea Party haben wir als tendenziell ›führungslos‹ eingeordnet. Ausgehend von deren Reaktion auf Präsident Barack Obama jedoch zeigt sich noch ein besonderer Aspekt von Schmitts Argument: Legitimer Führer kann nur sein, wer dem ›Volk‹ angehört und daher imstande ist, dessen Identität und Souveränität zu verteidigen. Die Anhänger der Tea Party seien, so Christopher Parker und Matt Barreto (2013, 6), weniger als »konventionelle« denn als »reaktionäre Konservative« zu betrachten, da sie über den wirtschaftlichen Libertarismus hinaus bemüht sind, »die Uhren zurückzudrehen« und eine imaginäre – in erster Linie weiße, protestantische und heterosexuelle – nationale Identität wiederherzustellen. Entsprechend dämonisieren die Anhänger der Tea Party alle, die in ihren Augen für die ›Einheit des Volkes‹ eine Bedrohung darstellen – dazu gehören Arme, Migrantinnen, Sozialhilfeempfänger und Muslime. In Präsident Obama sehen sie deren Repräsentanten (und sogar Verkörperung). Auch wenn rechte politische Bewegungen heute nicht offen rassistisch auftreten, genügt es, den Deckel ein wenig anzuheben, und schon kommt das Kernanliegen zum Vorschein: die Verteidigung eines imaginären Volkes und seiner ethnischen, nationalen oder religiösen Identität gegen ›Fremde‹.
Populismus und rassisiertes Eigentum
Rechte populistische Bewegungen, insbesondere solche in den dominanten Ländern des globalen Nordens, stellen die Analyse häufig vor Rätsel, weil sie widersprüchlich agieren. So richten sie sich in der politischen Auseinandersetzung rhetorisch gegen Eliten, während sie zugleich an gesellschaftlichen Hierarchien festhalten. Ein Weg, diese Verwirrung aufzulösen, besteht darin, der Idee des Eigentums nachzugehen, wie sie für den rechten Populismus grundlegend ist, einer Idee, die vollkommen durchdrungen ist von Vorstellungen einer ›Rassenidentität‹. Tatsächlich gründet der Populismus nicht einfach nur auf der Liebe zur Identität (eine fürchterliche, zerstörerische Form politischer Liebe, wie wir meinen), sondern hinter der Identität lauert das Eigentum. Souveränität und rassisiertes Eigentum sind die Male am Körper des rechten Populismus.
Rechte politische Bewegungen sind, wie bereits festgestellt, in einem doppelten Sinn reaktionär: insofern sie die Wiederherstellung einer gesellschaftlichen Ordnung anstreben, die der Vergangenheit angehört, und insofern sie (in häufig verzerrter Form) auf das Protestrepertoire, das Vokabular und bisweilen sogar auf manifeste Ziele linker Widerstands- und Befreiungsbewegungen zurückgreifen. »Der rechte Populismus«, so beschreibt Corey Robin (2011, 55) die Strategie, »macht es sich zur Aufgabe, an die Massen zu appellieren, ohne die Macht von Eliten wirklich infrage zu stellen: Er nutzt dabei die Energie der Massen, um die Macht von Eliten zu festigen oder wiederherzustellen. Dies ist beileibe keine neue Erfindung der christlich-fundamentalistischen Rechten oder der Tea-Party-Bewegung, vielmehr zieht sich der reaktionäre Populismus von Anfang an wie ein roter Faden durch konservative Diskurse.«
Zum einen sind es die vermeintliche Missachtung und Herabsetzung durch bürgerlich-liberale Eliten, die rechte populistische Bewegungen antreiben – und tatsächlich lassen sich unschwer Belege dafür finden, dass Eliten die Belange der Armen und der arbeitenden Klassen ignorieren und instrumentalisieren. Wir wollen vielen rechten Protesten gegen die Eliten im Finanzsektor, gegen globale Institutionen und nationale Regierungen ihre Ernsthaftigkeit und ihren Scharfblick gar nicht in Abrede stellen. (Tatsächlich sollten sich intelligente linke Bewegungen manche der populistischen Elemente zurückholen.) Die populistische Wendung gegen Eliten drückt sich häufig als Empörung gegen die Herrschaft des Eigentums aus, das als ein mobiles, körper- und identitätsloses Eigentum identifiziert wird. Die populistische Kritik richtete sich so zum einen insbesondere gegen die Macht des Geldes, des Weltmarktes und auch nationaler Notenbanken, denen vorgeworfen wird, als »Währungshüter« zu versagen. Zum anderen affirmieren populistische Bewegungen in ihrem Bemühen um das – in der Regel ethnisch, religiös oder kulturell bestimmte – Volk durchaus das Eigentum: namentlich als Immobilien- und anderes gegenständliche Eigentum sowie letztlich in allen seinen mit Identität verknüpften Formen. Grund und Boden sind dementsprechend ein wiederkehrendes Thema, aber auch die Geldwertstabilität (gemessen etwa am Goldpreis).
Identität und Eigentum werden hauptsächlich auf zwei Arten miteinander verknüpft: Erstens soll Identität ein privilegiertes Recht auf Eigentum und entsprechenden Zugang gewähren. Ein wesentlicher Anspruch populistischer Bewegungen ist die Wiederherstellung angeblich eingebüßter ökonomischer Macht (wie gering diese auch sein mag) und verlorenen gesellschaftlichen Ansehens. Begründet wird ein solcher Anspruch durch den expliziten oder impliziten Bezug auf ethnische Identität. Sowohl bei offen faschistischen Bewegungen wie Chrysi Avgi in Griechenland oder Casa Pound in Italien, die Migrantinnen und Migranten unmittelbar und brutal angreifen, als auch bei ihren ›respektableren‹ Entsprechungen wie dem Front National oder den Sverigedemokraterna ist die rassistische, migrantenfeindliche Rhetorik von dem Versprechen begleitet, den vermeintlich verloren gegangenen gesellschaftlichen Status ihrer Anhänger wiederherzustellen, insbesondere den auf ›Rasse‹ basierenden Vorrang einer weißen Arbeiterklasse und ihre »Löhne des Weißseins«, um einen durch W.E.B. Du Bois (1935) und David Roediger (1991) geprägten Ausdruck zu übernehmen.
Zweitens ist Identität selbst eine Form des Eigentums, und zwar eine, in der Ökonomie, Kultur und ›Rasse‹ eine unentwirrbare Verbindung eingehen. Identität impliziert den Besitz eines exklusiv Eigenen, um es in der Sprache der Eigentumstheorie zu formulieren. Und dabei sollten wir uns nicht daran stören, dass Identität im Wesentlichen immateriell ist, zumal auch Eigentum in materieller wie immaterieller Form vorliegt. Das Rechtssystem garantiert den »Eigentümern des Weißseins«, wie Cheryl Harris (1993, 1758) feststellt, auf die gleiche Art Vorrechte und Vorteile wie Eigentümern anderer Art: »Der Ausschluss der subalternen ‹Anderen› war und bleibt ein wesentlicher Aspekt der Verrechtlichung von Weißsein als Eigentum und ist tatsächlich Teil des Schutzes, den der [Oberste] Gerichtshof Weißen und ihrer begründeten Erwartung ständiger Bevorzugung gewährt.« Weißsein gehört einem, es ist Eigentum – ein Eigentum, das andere auszuschließen erlaubt und eigene Souveränität verspricht. In der Tat sind Eigentum und Souveränität eng miteinander verwoben, insbesondere in der Funktionsweise von Besitz und Ausschluss.
Ein solches Konzept des rassisierten Eigentums bietet ein brauchbares Gerüst, um zu verstehen, was Teile der weißen Armen und der weißen Arbeiterklasse dazu bringt, politische Gruppen am rechten Rand zu unterstützen, selbst wenn diese gegen ihre ökonomischen Interessen agieren. Die verspürte Notwendigkeit, Identität und Vorrechte zu verteidigen – und das vermeintlich verlorene rassisierte Eigentum wiederherzustellen – drängt mitunter alle anderen Ziele in den Hintergrund. Identität und Eigentum sind somit im rechten Populismus auf doppelte Art miteinander verknüpft: Identität dient als Privileg und Mittel des Zugangs zu Eigentum, zugleich ist Identität selbst eine Form des Eigentums, die verspricht, die Hierarchien der gesellschaftlichen Ordnung aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.4