Das Gewitter, das Bier, der Streit. Dass sich »da was zusammenbraut«, ist ein altes deutsches Sprichwort und könnte kaum aktueller sein. Im Juni 2023, dem weltweit heißesten Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, wurden auch viele Teile Deutschlands von Überschwemmungen heimgesucht. Sturm und Hagel hinterließen im August in Bayern ein Bild der Verwüstung. Beim politischen Gillamoos-Fest Ende August fiel jedoch kaum ein Wort über das Starkwetterereignis. Menschen saßen in Bierzelten, die Humpen gefüllt, die Köpfe schon frühmorgens rot. Kurz vor der Bayernwahl kämpften die Parteien hier um Wähler*innenstimmen.
Angesichts ihres bundesweiten Höhenflugs zeigten sich die bayrische AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner und Parteivorsitzende Alice Weidel siegesgewiss. Doch im Auftreten hätten sie kaum unterschiedlicher sein können. Ebner-Steiner sprach im niederbayrischen Dialekt, trug Dirndl, nannte die Bundesregierung eine »Ampelmissgeburt«, ihre Wähler*innen »geisteskrank« und schlug vor, das »klimareligiöse, heimatfeindliche Pack« auf den Mond zu schicken. Weidel erschien im typischen Blazer auf weißer Bluse, um sich über die Wirtschaftspolitik der Ampel auszulassen, die planwirtschaftlich agiere und dabei Großinvestoren das Spielfeld überlasse. Ebner-Steiner kommt aus dem völkisch-nationalen Lager der AfD und fuhr mit dem Faschisten Björn Höcke in den Wanderurlaub. Weidel lässt sich dem rechten Rand des schrumpfenden ordoliberalen Lagers der Partei zuordnen und möchte am liebsten Kanzlerin werden. Die beiden stehen nicht nur in Bayern stellvertretend für die zwei Gleise, auf denen die AfD klimapolitisch in die Zukunft rollt.
Die zwei Gesichter der AfD: Vordergründig ordoliberal...
Der Ordoliberalismus bildete einen Grundstein der AfD, die bei ihrer Gründung im Jahr 2013 von ihrem wirtschaftsliberalen Flügel dominiert war und oft »Professorenpartei« genannt wurde. Lucke, Petry, später Meuthen und Weidel – sie alle waren und sind strenge Vertreter*innen des Ordoliberalismus, einer Strömung des Neoliberalismus, die in Deutschland insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg wirkmächtig wurde. In der Abgrenzung zum Laissez-faire-Liberalismus soll im Ordoliberalismus ein starker (National-)Staat die Rahmenbedingungen des freien Marktes absichern, um den perfekten Wettbewerb zu ermöglichen. Dieses ordoliberale Skript, das von Sahra Wagenknecht über die Grünen und die SPD bis zur CDU und AfD bedient wird, geht mit unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Vorstellungen von Wirtschafts- und Sozialpolitik einher: Während die Grünen einen erneuerten »sozial-ökologischen Ordoliberalismus« fordern, ist ein fossiler Ordoliberalismus die offizielle Parteilinie der AfD. Mit marktradikaler Rhetorik wettert sie gegen Subventionen für erneuerbare Energieträger, die den »natürlichen« Wettbewerb verzerren und dem Staat zu viel Lenkungsmacht geben würden. Der konstante Vorwurf des Ökosozialismus an die Grünen ist zwar angesichts von deren zutiefst kapitalistischer Ausrichtung lächerlich, doch sie folgt der ordoliberalen Unterscheidung zwischen »markt-konformen« und »wettbewerbsschädigenden« Interventionen oder Gesetzen. Als Kriterium dafür zieht die AfD das Bild einer »normalen« Wirtschaft und »normaler« Konsument*innen heran. »Deutschland, aber normal« – der Slogan, mit dem die AfD 2021 für die Bundestagswahlen antrat, stilisiert die Auto- und Kohleindustrie zum unantastbaren Fundament der deutschen Wirtschaft: Der Fossilismus ist Grundlage für die internationale Dominanz der deutschen Exportwirtschaft und gilt als Garant für Wohlstand und ein kapitalistisches patriarchal-rassistisches System. Die Abkehr vom Fossilismus und die staatliche Förderung von erneuerbaren Energien stellen aus Sicht der AfD daher eine Bedrohung dar. Sie werden, so schwach sie auch ausfallen, als wettbewerbsverzerrend, gar sozialistisch diffamiert. Wie es in einer Publikation von Weidels Bundestagsfraktion heißt: »Das EEG ist ein planwirtschaftlicher Fremdkörper in der sozialen Marktwirtschaft, der zu massiven Fehlallokationen, Preissteigerungen sowie zu einer volatilen Stromproduktion (›Zappelstrom‹) führt, die sich nicht am Bedarf orientiert.«