»Berlin, lass dir das Auto nicht verbieten« plakatierte die CDU anlässlich der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Offensiv positionierte sie sich für den Ausbau der A100, gegen eine City-Maut und damit für den motorisierten Individualverkehr im Stadtgebiet – mitten in der Klimakrise. Mit ihrem Pro-Auto-Kurs ist die CDU nicht allein. Die von einem bekennenden Porsche-Fahrer angeführte FDP erwirkte im März eine Verwässerung des Ausstiegs aus dem Verbrennungsmotor auf europäischer Ebene. Und die AfD, selbsterklärte Verteidigerin der (Mobilitäts-)Freiheit des sogenannten kleinen Mannes, warnt gar vor einer »Öko-Diktatur«. Im rechten Spektrum überbieten sich die Parteien regelrecht in ihrer Autofreundlichkeit.
Das Magazin Der Spiegel verortete diese Buhlerei um die Gunst der Pkw-Fahrer*innen in einem »Kulturkampf ums Auto«, der das Land spalte: »Die einen verteufeln den Pkw als Dreckschleuder, die anderen stilisieren ihn zur Ikone der Freiheit. Die einen leben eher in den Zentren der Großstädte, die anderen eher an der Peripherie oder auf dem Land«, wird die Konstellation des Kampfes im Leitartikel beschrieben und auf die Formel »Lastenrad kontra Diesel« zugespitzt (Book u. a. 2023,9). Zwar liegen die Autoren richtig darin, den Kampf ums Auto und insbesondere um den Verbrennungsmotor nicht auf technische oder wirtschaftspolitische Fragen zu reduzieren, sondern die Bedeutung von alltäglichen Lebensrealitäten und Werthaltungen anzuerkennen. Eine, wenn nicht sogar die zentrale Dimension im mobilitätsbezogenen Transformationskonflikt findet dabei allerdings keine Erwähnung: Geschlecht.
Beim Versuch rechter Parteien, mit Autofreundlichkeit auf Stimmenfang zu gehen, handelt es sich nicht zuletzt um eine petromaskulinistische Identitätspolitik, die eng mit einer Lebensweise verknüpft ist, die auf fossilen Brennstoffen basiert. Sie adressiert spezifische Männlichkeiten, die aktuell um eine soziale Ordnung besorgt sind, die ihnen Macht und Privilegien sichert – oder zumindest symbolisch zugesteht. Die darin aufgerufenen Begehren, Affekte und Identitäten sind der Treibstoff der aufgehitzten Debatten um eine Verkehrswende. Sie müssen daher auch in den Fokus all jener, die für diese werben und kämpfen.
Mobilitätswende? Nein danke!
Kulturkämpferische Wahlkampfslogans sind nur die Spitze des Eisbergs einer mobilitätsbezogenen »Politik des Kulturellen«. Unter Letzterer verstand der Soziologe Stuart Hall (2016, 190) das aktive Bemühen sozialer und politischer Kräfte, flottierende Gefühlslagen, Alltagserfahrungen, kulturelle Strömungen und Identitäten in einen politisch wirksamen Bedeutungszusammenhang zu bringen. Dies sah Hall als notwendige Vorbedingung für den politischen Kampf im engeren Sinn. Im Autoland Deutschland rumort es nämlich schon seit Längerem rund um die Dekarbonisierung des Mobilitätssystems. Mit dem Hoch von Fridays for Future wurde Mobilität zum Kampfplatz. Pro- und anti-transformative Milieus, am lautstärksten jene aus der gesellschaftlichen Mitte (vgl. Eversberg 2023, 148ff), ringen dort darum, was richtige und gute Mobilität in Zeiten der Klimakrise heißt.
Zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen eine Verkehrswende wurde etwa mit den Protesten gegen Dieselfahrverbote in deutschen Innenstädten laut, die sich ab 2019 von Stuttgart aus verbreiteten. Parallel dazu formierte sich mit Fridays for Hubraum in den sozialen Medien eine lose organisierte Gegenbewegung zu den Schulstreiks und gewann binnen weniger Wochen Zehntausende Followers. In Reality-TV-Serien wie »Diesel Brothers« oder »Steel Buddies« schrauben harte Typen an überdimensionierten Dieselfahrzeugen und lassen diese auch mal extra stark rußen. Schließlich zeigt die Beliebtheit von Influencern wie anytv89 oder ey-longi, dass sich auch in den hiesigen Auto-Subkulturen eine neue Nische herausbildet. Anders als beim klassischen Tuning geht es dort nicht um Geschwindigkeit, sondern um Größe, Kraft und eine klimarebellische Ästhetik.
In allen diesen Beispielen spielt Männlichkeit eine zentrale Rolle: Das Bild der Dieselproteste ist von Männern mittleren bis höheren Alters aus der Mittelklasse dominiert (Arning/Ziefle 2020). Fridays for Hubraum konstituierte sich in aggressiver Gegnerschaft zu einer selbstbewussten jungen Frau, Greta Thunberg, und ist durchweg von toxischer Männlichkeit geprägt (Kunze 2022, 393f). Auch die erwähnten Reality-TV-Serien zeichnen sich durch eine geschlechtsidentitäre Semantik aus. Aber wieso ist die Ablehnung einer Dekarbonisierung des Mobilitätssystems derart ans Mannsein gekoppelt?
Petromaskulinität
Folgt man der feministischen Politökologin Cara Daggett (2023), haben sich fossile Brennstoffsysteme und die moderne patriarchale Geschlechterordnung in einer engen Wechselbeziehung herausgebildet. Fossile Brennstoffsysteme wurden unter der Regie und nach den Bedürfnissen privilegierter weißer Männer gestaltet. Diese materielle Verfügungsgewalt hat sich als kulturelles Vorrecht etabliert. Massig Öl, Kohle und Gas zu verbrennen sind machtvolle Handlungen, die in ihrer tradierten Symbolik männliche Dominanz zum Ausdruck bringen.
Fossilismus lässt sich demzufolge weder auf den Profithunger fossiler Konzerne noch auf die Absicherung von Jobs oder Energieversorgung reduzieren. Fossile Energieträger sind weit mehr als nur Brennstoffe im fossilen Kapitalismus. Sie sind auch kulturelle Bedeutungsträger und Rohstoffe für Identitäten– allen voran männliche. Und diese petromaskulinen Identitäten formen sich je nach Klassenposition und raumzeitlichem Kontext unterschiedlich aus.
Werden diese männlichen Privilegien infrage gestellt, sei es durch Klimaschutzbestrebungen oder feministische Bewegungen, nimmt die Verschränkung von Fossilismus und Patriarchat zunehmend die Form eines reaktionären Hypermaskulinismus an. Ob vom starken Mann verordnet oder vom kleinen performt, das mutwillige Verbrennen fossiler Energieträger kann unter diesen Umständen »zu einer bewusst gewaltsamen Erfahrung werden, zu einer neuerlichen Bekräftigung weißer maskuliner Macht auf einem widerspenstigen Planeten, der als einer gewaltsamen, autoritären Ordnung zusehends bedürfend wahrgenommen wird« (Daggett 2023, 27).