Einen Bruch gibt es nicht. Der neuen Führung gibt das auch angesichts bedrohlich leerer Parteikassen, schlechter Umfragewerte und einer fehlenden Verankerung im Parteiapparat Zeit zur organisatorischen, programmatischen und personellen Konsolidierung, allerdings um den Preis von politischer Dynamik und Glaubwürdigkeit. Ihr mittelfristiges bzw. „perspektivisches“ Ziel (wie eine gern genutzte Formulierung lautet) ist eine Mehrheit links der Union. Für die LINKE bietet das die Chance, ihr Profil zu schärfen: indem sie sozialdemokratische Umverteilungspolitik stärker mit grundsätzlichen Macht- und Eigentumsfragen verbindet und als linker Antrieb eines Politikwechsels im Bund ihre Gestaltungsfunktion unter Beweis zu stellt. Man findet ja immer etwas, das noch etwas mehr und deutlicher hätte sein können, aber die Bewerbungsreden der neuen Vorsitzenden, Norbert Walter Borjans („Nowabo“) und Saskia Esken auf dem Parteitag in Berlin hätten über weite Strecken auch auf einem LINKEN-Parteitag gehalten werden können: Klare Absage an Austerität, Aufrüstung und schwarze Null, Forderung nach massiver Umverteilung von oben nach unten und der Überwindung des „Fehlers Hartz IV“, Bestimmung der eigenen Funktion als „Partei der Verteilungsgerechtigkeit“ und „Betriebsrat der digitalen Gesellschaft“, der Politik „für Millionen nicht für Millionäre“ macht. Mit „klarer Kante, klarem Kurs und klarer Sprache“ gelte es „aus Wandel für die Wenigen wieder Fortschritt für die Vielen zu machen“. Zwar hat es ähnliche Töne bei der SPD in den letzten Jahren, gerade vor Wahlen, immer wieder gegeben – ohne dass das nennenswerten Einfluss auf ihr Handeln in Bundesregierung und Bundestag gehabt hätte. Schon SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte etwa Ungleichheit und Finanzmärkte gegeißelt und mehr soziale Gerechtigkeit gefordert. Neu ist nun aber, dass es nicht mehr um Moral, sondern um konkrete Konzepte und sogar Selbstkritik bezüglich der Rolle der Sozialdemokratie in Deutschland in den letzten Jahren geht. Ungewohnt deutliche Worte also, von Anwärter*innen auf den Parteivorsitz, die danach mit sehr ordentlichen Ergebnissen bestätigt wurden. Alles andere wäre für die Partei allerdings auch ein kollektives Himmelfahrtskommando gewesen. Der Wunsch nach „innerer Einheit“ (Gesine Schwan) und einem „versöhnlichen Jahresausklang“ war über die Spektren hinweg deutlich. Esken/Borjans hatten sich beim ersten Mitgliedervotum der Partei zudem überraschend deutlich mit 53,6 Prozent gegen Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz sowie die Brandenburgerin Klara Geywitz durchgesetzt. Angesichts einer Wahlbeteiligung von nur 54,9 Prozent (gegen 78 Prozent bei der Abstimmung über die Beteiligung an der Groko 2018) war der deutliche Vorsprung zur Wahl Andrea Nahles (damals 66% Zustimmung) aber doch überraschend, insbesondere angesichts der massiven Stimmungsmache einiger Leitmedien gegen eine jetzt (!) vermeintlich drohende „Selbstverzwergung der Partei“ (Sigmar Gabriel). Mehr noch: Einigkeit bestand auch in der Kritik an den „Egoshootern“ und „breitbeinigen Typen“ an der Seitenlinie, wie es Generalsekretär Lars Klingbeil, der Fraktionsvorsitzende Ralf Mützenich und der neue stellvertretende Parteivorsitzende Kevin Kühnert in Anspielung auf den ehemaligen Bundeskanzler Schröder und den ehemaligen Parteivorsitzenden Gabriel in bemerkenswertem Gleichklang formulierten. Die Unterschiede in den Wahlergebnissen für Esken und Borjans waren eine Folge ihres Auftretens: Borjans (89,2 Prozent) hatte explizit versucht, auch den rechten Teil der Partei anzusprechen, etwa mit Formulierungen zu Kriminalitätsbekämpfung, Islamismus, Europa und internationaler Sicherheit, oder einem persönlichen Dank an Kabinettsmitglieder wie Außenminister Heiko Maas. Zudem hatte er sich im Vorfeld weniger skeptisch zur Großen Koalition geäußert – was ihn allerdings nicht daran hinderte, einen Frontalangriff auf die „schwarze Null“ und damit die Politik von Olaf Scholz zu fahren. Eskens (75,2 Prozent) hielt eine deutlich linkere Rede: Eine Hommage an die sozialdemokratische Seele mit Verweisen auf Willy Brandt, ihrem eigenen Bildungsaufstieg und das Versprechen einer Kehrtwende in der Sozialpolitik („Wir sind die Partei, die Hartz IV eingeführt hat, wir werden auch die Partei sein, die Hartz IV überwindet“). Zudem forderte sie den Niedriglohnsektor in Deutschland „auszutrocknen“. Und sie erwähnte die Bundesregierung nur in Abgrenzung und formulierte Kritik an CDU-Wirtschaftsminister Altmaier. Der Spagat zwischen linkem Aufbruch und Zusammenhalt der Partei zeigte sich auch im Leitantrag. Er wurde mit deutlicher Mehrheit verabschiedet. Entgegen Aufrufen und Anträgen der Parteilinken wie Hilde Mattheis und Franziska Drohsel, das „Momentum jetzt nicht zu verspielen“ und die Groko zu verlassen, ist im Leitantrag nach zahlreichen Umformulierungen nur noch von „Gesprächen“ (also keine Nachverhandlungen) mit der Union die Rede. Zwar werden dort – im Einklang mit Gewerkschaften und Arbeitgebern – gegen die schwarze Null massive öffentliche Investitionen (450 Milliarden Euro in Zehn Jahren), eine „perspektivische“ Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, ein gesetzlich verankerten Ausbau der erneuerbaren Energien auf 65% bis 2030 und ein Sofortprogramm für die Schiene sowie eine gesetzliche Verpflichtung für Internetkonzerne, ihre Daten zu teilen, gefordert. Das sind allerdings ausdrücklich keine roten Linien. Stattdessen wurde von ehemaligen Groko-Kritiker*innen, etwa einigen Jusos, das Vertrauen in die neuen Vorsitzenden beschworen. Die genannten Projekte eignen sich ohnehin nicht zur Kommunikation eines Koalitionsbruchs. Und Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 wird im Antrag selbst als wesentlicher Punkt zur Umsetzung des relativ stark sozialdemokratisch geprägten Europa-Abschnitts im Koalitionsvertrag genannt. Dazu kommt: Die Entscheidung über die Fortsetzung der Koalition nach den Gesprächen, die von den Parteivorsitzenden sowie den sozialdemokratischen Mitgliedern des Koalitionsausschusses (Fraktionsvorsitzender, Vizekanzler) mit der Union geführt werden, trifft statt eines Parteitags nun der Parteivorstand – und in dem haben die Groko-Befürworter erneut eine Mehrheit. Bei den Vorstandswahlen setzten sich überwiegend Vertreter des Establishments durch, viele Bekannte aus Kabinett, Bundestagsfraktion und Landtagen sind wieder vertreten. Im Vorfeld verhinderte die neue Parteispitze eine Kampfkandidatur zwischen Arbeitsminister Hubertus Heil und Jusos-Chef Kühnert durch die Erhöhung der Anzahl der Stellvertreterposten auf fünf. Die Präsidiumsposten wurden alle mit annehmbaren Ergebnissen gewählt: Heil bekam 70 Prozent der Stimmen. Am besten schnitt die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Serpil Midyatli mit 79,8 Prozent der Stimmen ab. Die Brandenburgerin Klara Geywitz, die mit Scholz für das Führungsduo angetreten war, konnte 76,8 Prozent der Delegierten von sich überzeugen. Die Saar-Landeschefin Anke Rehlinger erhielt 74,8 Prozent der Stimmen und Kühnert 70,4 Prozent. Traditionelle Linke wie Ralf Stegner, Cansel Kiziltepe und Michael Mülller flogen dagegen mit teilweise überraschend schlechten Ergebnissen aus dem Vorstand bzw. kamen nicht rein. Heiko Maas wurde abgestraft und erst im zweiten Wahlgang gewählt. Neben den neuen Vorsitzenden wurden „neue Linke“ an prominenter Stelle in den Vorstand gewählt: Stellvertreter Kühnert und Midyatli oder Gewerkschafter wie der ehemalige Direktor des Institutes für Makroökonomie (IMK), Gustav Horn. Neben der Bestätigung der alten Machtgruppen wurde die moderate parlamentarische Linke zu Lasten des klassischen linken Flügels gestärkt. Allerdings spielte dieser Rest des linken Flügels machtpolitisch in den letzten Jahren keine Rolle und war auch insgesamt wenig ausstrahlungsfähig. Nur 5,8 Prozent der Vorstandsmitglieder haben Migrationshintergrund –– trotz einer Selbstverpflichtung auf 15 Prozent. Insgesamt zeigen die Vorstandswahlen, dass der programmatische Linksschwenk nicht mit einer Machtübernahme durch den linken Parteiflügel einhergeht, sondern von einem fragilen Bündnis aus moderaten Linken, Jusos und Parteiestablishment getragen wird. Das Konzept „Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit“ wurde hingegen einstimmig beschlossen. Es geht auf die Initiative von Nahles zurück, die erklärt hatte, es gelte „Hartz IV hinter uns zu lassen“. Zunächst stellt das Konzept als regulative Idee, klassisch sozialdemokratisch, ein „Recht auf Arbeit“ in den Mittelpunkt. Folglich spricht sich die SPD nun explizit gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) aus. Die Abschaffung der Sanktionen umgeht das Konzept mit einem Formelkompromiss, der zwischen Kühnert und Heil ausgehandelt wurde, um eine offene Abstimmung darüber zu verhindern. Der Kompromiss ist auslegungsfähig. Demnach sind „die Mitwirkungspflichten verbindlich. Das sozio-ökonomische und soziokulturelle Existenzminimum muss jederzeit gesichert sein“; eine Definition oder eine Aussage zur Höhe der Regelsätze fehlt aber. Zudem verspricht das Konzept, was das Bundesverfassungsgericht ohnehin beschlossen hat: keine Kürzungen von mehr als 30 Prozent oder der Wohnkosten. Eine Änderung der Zumutbarkeitsregeln, ein Verbot von Leiharbeit oder eine Erhöhung des Rentenniveaus sieht der neue Sozialstaat der SPD nicht vor. Trotzdem geht diese Korrektur der Agenda-Politik über rein kosmetische Veränderungen hinaus. Die ist zwar auch dabei, z.B. bei der Umbenennung der „Eingliederungs-“ in „Teilhabevereinbarungen“ oder der „Bundesanstalt für Arbeit“ in „Bundesanstalt für Arbeit und Qualifizierung“. Aber: Die SPD will den Sozialstaat nun aus der Perspektive derjenigen, „die ihn brauchen und nicht diejenigen, die ihn missbrauchen“ gestalten. Das „fordern und fördern“ soll perspektivisch verändert werden, hin zu einem Sozialstaat, der z.B. mit Qualifizierungsangeboten eher Anreize setzt als straft. Hartz IV soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden. So soll der Sozialstaat den Menschen als Partner begegnen indem er einen sozialpartnerschaftlichen Rahmen setzt und die Gewerkschaften stärkt. Wenngleich offen ist, wie tragfähig diese Re-Sozialdemokratisierung der SPD ist und sich darin zum Teil die gute Wirtschaftslage spiegelt: Sie ist ein Erfolg des jahrelangen Drucks von links. Selbst der „neue Sozialstaat“ ist für die SPD allerdings nicht Ausdruck eines bedingungslosen Grundrechts auf Teilhabe für alle Menschen – z.B. als Ausgleich der Machtdifferenzen zwischen den Klassen und damit als Bedingung einer materiellen Demokratie. Weiterhin steht das Grundrecht auf eine menschenwürdiges Existenz unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Konjunktur, der staatlichen Haushaltslage und des individuellen Wohlverhaltens gegenüber auferlegten Pflichten. Denn die sozialdemokratische Version eines „Rechts auf Arbeit“ geht letztendlich doch mit entsprechenden „Pflichten“ einher. Allerdings verschiebt sich mit dem neuen Sozialstaatskonzept der Schwerpunkt vom „fordern“ auf das „fördern“ und dort, wo zunehmend auch die Mittelschichten – wie in der Wohnungsfrage, bei der Lohnentwicklung oder in der Pflege – von den Härten des jahrelangen Neoliberalismus betroffen sind, ist nun zumindest der Anspruch erkennbar, hier zwar erst perspektivisch, aber dafür einigermaßen effektiv gegenzusteuern. Mit Union und FDP wird das selbst in Zukunft kaum machbar sein. Außenpolitisch ist allerdings kein neuer Ansatz zu erwarten. Zwar fordert die SPD, wie schon im Europawahlkampf, nun eine Mindestbesteuerung von Konzernen, eine Finanztransaktionssteuer, einen Rahmen für europäische Mindestlöhne und einen Eurozonen-Haushalt. Zudem räumt Borjans einer massiven Kritik an den Aufrüstungsplänen und der „Militarisierung der Außenpolitik“ durch die Union überraschend viel Raum ein. Er kritisierte in Berlin das Nato-Aufrüstungsziel von 2% und machte dagegen die Höhe der Entwicklungshilfe zum Maßstab. Allerdings schob er hinterher: „Ausrüstung ja, Aufrüstung nein“. Wie genau man sich das Verhältnis zwischen „moderner Ausrüstung“ (gut) und „pauschaler Erhöhung der Rüstungsausgaben“ (schlecht) vorstellen kann, blieb offen. Rüstungsexporte, die Abschottung Europas gegen Geflüchtete inklusive der Kriminalisierung der Seenotrettung und das Vorgehen der Türkei in Syrien wurden in Anträgen kritisiert. Zu mehr als der Forderung nach einer „solidarischen Flüchtlingspolitik in Europa“, einer europäischen Seenotrettungsmission und der Forderung, dass deutsche Waffen zwar „nicht in Krisengebiete und Diktaturen“, aber „an Nato-Staaten“ (wie die Türkei) und „in begründeten Ausnahmen“ faktisch überall hin geliefert werden sollen, reicht es jedoch nicht. Das Vorgehen Erdogans kritisiert die SPD als völkerrechtswidrig, fordert aber nicht den Rückzug der türkischen Truppen, sondern einen „Waffenstillstand“ – was einer Anerkennung von Annexionspolitik und ethnischer Säuberung in Syrien gleichkommt. Ein Antrag der Parteilinken, den Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei zu kündigen, wurde nach einer Intervention der Antragskommission („bei aller Kritik, das geht nun wirklich nicht“) mit breiter Mehrheit abgelehnt. Insgesamt besteht also kein Anlass zur Euphorie. Aber es gibt in der SPD nun – endlich – eine Akzentverschiebung. Zwar ist der „Regelungsgehalt“ vieler Beschlüsse beschränkt. Wer beispielsweise „die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form perspektivisch überwinden“ will, kann auch in ein paar Jahren nur kleinere Korrekturen vornehmen. Und die Partei selbst bleibt umkämpft: Kevin Kühnert und Hubertus Heil wurden jeweils mit gut 70 Prozent gewählt. Jeweils fast ein Drittel der Delegierten hat also einen der beiden nicht gewählt. Das heißt: Es gibt grob drei „Lager“. 30 Prozent für eine deutlich linke Orientierung, 30 Prozent klar dagegen und 40 Prozent „dazwischen“, die unentschieden sind. Bisher hat diese „umkämpfte Mitte“ in der SPD die „Rechts-Verschiebung“ ihrer Führung stets mitgemacht, also die Agenda 2010 verteidigt, die GroKo zumindest toleriert, für schwarze Null und Schuldenbremse gestimmt. Mit der Wahl von Borjans und Esken hat sich das geändert: Nun wirbt die Parteispitze für einen (moderat) linken Kurs, für Vermögenssteuer und gegen die Schuldenbremse. Die „nicht festgelegte Mitte“ in der SPD tendiert zu „klassischeren“ Sozialdemokratie, zumindest bei den Kernthemen. Die Situation ist fragil, weil die Minderheit der „Parteirechten“ mit der medialen Stimmung und der Macht eines Großteils der Staatsapparate im Rücken weiterhin für die Schuldenbremse eintritt und auf ihre Chance wartet. Nach Scholz dürfte nun die designierte Vorsitzende des Berliner Landesverbandes, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ihr Aushängeschild werden. Der angedeutete wirtschafts- und sozialpolitische Pfadwechsel und die Orientierung auf Mehrheiten ohne die Union sind allerdings vielversprechend. Kevin Kühnert appellierte bei seiner Rede an die Partei, Mehrheiten für fortschrittliche Politik nach der Groko zu organisieren und sich nicht mehr „kirre“ machen zu lassen von „Rote Socken-Kampagnen“ – und wurde dafür mit Standing Ovations gefeiert. Die Entwicklung der letzten Wochen bestätigt den Gesamteindruck. Enttäuschungen über den ausgebliebenen Aufbruch versucht vor allem Esken mit linken Signalen, etwa zur Investitionspolitik, aber auch mit vorsichtiger Kritik an der Polizeistrategie an Silvester in Leipzig, aufzufangen. Doch die Groko bleibt insgesamt stabil, ihre Politik wie sie war und die SPD-Umfragewerte im Keller. Der Umgang mit den sozialdemokratischen Nachforderungen wurde im Koalitionsausschuss auf März vertagt. Spannend wird sein, wie der neuen SPD-Führung die organisatorische und programmatische Konsolidierung ihres Kurses gelingt. Dass der Aufbruch bisher ausblieb, heißt jedenfalls nicht, dass ein neuer Aufschwung schon wieder ausgeschlossen ist. Denn Veränderung muss in einer derartig vermachteten Staatspartei wie der SPD notwendigerweise anders aussehen als in einer linken Bewegungspartei. Offen bleibt allerdings weiterhin, was jenseits der Einzelforderungen die neue sozialdemokratische Erzählung in der Krise des Kapitalismus ist. Und bis es darauf eine Antwort gibt, dürfte das grüne Versprechen seiner ökologischen Modernisierung ausstrahlungskräftiger bleiben. Für die LINKE bedeutet die Entwicklung in der SPD trotzdem eine doppelte Chance: Sie braucht zum einen keine Angst vor einem Funktionsverlust im Parteiensystem zu haben. Im Gegenteil: Wenn radikalere Forderungen, wie beispielsweise die Eigentumsfrage, eingebettet werden in konkrete Umsetzung, wie das in Berlin mit Mietendeckel und Volksbegehren gelungen ist, dann können sich Spielräume für linke Politik öffnen. Wenn wieder Hoffnung entsteht, dass Verbesserungen machbar sind, gibt es auch Raum für soziale Bewegungen, die solche Verbesserungen einfordern. Und wenn die Resonanzräume für soziale Politik erweitert werden – wenn z.B. an mehr Orten über soziale Rechte und öffentliche Infrastruktur geredet wird – ist das gut. Zentrale Beschlüsse der SPD sind zum anderen auf absehbare Zeit nur in einer Regierung mit der LINKEN umsetzbar. Ohne Konfliktbereitschaft in der Auseinandersetzung mit wirtschaftlicher Macht gibt es heute keine sozialdemokratische Politik, geschweige denn einen sozial-ökologischen Entwicklungspfad. Das aber heißt angesichts der machtpolitischen Unentschiedenheit der SPD: Wer es ernst meint mit neuem Sozialstaat, Umverteilung und einem sozialökologischen Umbau setzt auf DIE LINKE. Die sollte jetzt aktiv ausstrahlen, dass „die neue Zeit“ nur mit ihr und neuen linken Mehrheiten kommen wird – auch wenn an der Regierung zu sein, bekanntermaßen nicht bedeutet, die Macht zu haben.