Das Zerwürfnis, das die Auflösung des politischen Entwurfs von SYRIZA auch in ihrem Inneren ausgelöst hat, ist nicht nur deshalb von Bedeutung, weil es die Frage nach Neuwahlen und der abzusehenden Formulierung widerstreitender politischer Entwürfe aufwirft, sondern primär weil sie reale und neue, entgegengesetzte Standpunkte im Inneren der Linken an die Oberfläche bringt: Welche sind die „neuen“ Charakteristika, die die Linke in der „neuen“ Zeit (in der Weltanschauung, in der Organisationsform, in der Beziehung zu ihrer eigenen Tradition) aufweisen muss? Wie detailliert muss ihr Alternativvorschlag für die Ökonomie, aber auch für die Gesellschaft, die Umwelt, die Art zu leben und die Wünsche der Menschen beschaffen sein, so dass all das miteinander verflochten wird? Gibt es einen Unterschied zwischen einer neoliberalen Regierung, die für Memoranden votiert, weil sie an sie glaubt, und einer linken Regierung, die es tut, weil sie erpresst wird (einen Unterschied, der zumindest eine andere Reaktion auf sie erzwingt)? Das ist der erste Einschnitt, der sich dieser Tage ereignet und bedacht werden muss. Ein zweiter betrifft den Charakter Europas. Wesentliche Mittel, mit dem die europäische Integration, qua EU, Zustimmung von den Kräften erlangte, die sich dem Kapitalismus und der Marktwirtschaft widersetzten (Linke, aber auch Grüne, Piraten u. a.), war, dass Europa dazu in der Lage war, die Saat seiner Veränderung in seinem Inneren auszuhalten (Vorsicht, nicht die Veränderung selbst, die Resultat von Machtverhältnissen ist, sondern derer, die sie artikulieren). Mit der Erpressung Griechenlands und dem Versuch des Sturzes bzw. der Herabwürdigung der griechischen Regierung demonstriert die EU hingegen nicht nur, dass keinerlei Abweichung vom herrschenden Dogma hinzunehmen ist, sondern auch, dass keine Möglichkeit mehr zur Koexistenz mit all jenen besteht, die sich ein anderes Europa wünschen. Und so ist die Linke dazu aufgerufen, eine neue Strategie zur Fortentwicklung und Förderung ihrer Politik zu entwerfen, die dieser nunmehr greifbaren Sachlage (und nicht dem Produkt theoretischer Einschätzungen) Rechnung trägt. Diese beiden geschichtliche Einschnitte – durch die historischen Bahnen von SYRIZA und Europa – sie treffen in den Ereignissen dieser Tage aufeinander. Je nachdem, wie sie wahrgenommen und wie wir sie handhaben werden, können sie entweder am Punkt ihres Aufeinandertreffens einen „neuen“ politischen Entwurf hervorbringen (mit Eigenschaften, die den „neuen“  Bedingungen in Griechenland und Europa gerecht werden) – was der Existenz von SYRIZA und einer breiteren Linken in der „neuen“ Phase einen Sinn gibt – oder zum vollständigen Riss der Leinwand und zum Auftauchen kleiner politischer Entwürfe führen, deren Fokus sich jeweils  (möglicherweise aussagekräftig) auf einen Teil der Wirklichkeit richtet, nicht aber auf das Ganze. Die Linken und besonders die politischen Initiativen, die in den kommenden Tagen und Wochen ergriffen werden (oder nicht) von all denen, die dazu die Kraft haben, werden auch den Ausgang der Dinge bestimmen.   Der Artikel erschien am 23.07.2015 unter: www.mehrineoteras.wordpress.com. Übersetzung aus dem Neugriechischen: Céline Spieker