Wie war das für dich, als der Brief mit der Modernisierungsankündigung kam? 

ILONA VATER: Mein erster Gedanke war: Oh Schreck,170 Euro Mieterhöhung. Ein richtiger Hammer. Dazu kommt: Die regulären Mieterhöhungen werden nicht gestoppt, sondern gehen weiter. Dadurch steigt der Mietspiegel unheimlich an. Die Eigentümer könnendann immer noch sagen, dass sie sich an den Mietspiegel halten, und das finde ich nicht richtig. Das Haus, in dem ich wohne, gehörte früher dem öffentlichen Wohnungsunternehmen GEHAG, wurde aber verkauft. Dann kam prompt die erste Mieterhöhung. Die Besitzer haben mehrfach gewechselt und die Miete stieg immer weiter. Mittlerweile gehört das Haus dem Unternehmen Gropiuswohnen.

Was bedeutet die Mietsteigerung für dich?

Die größte Angst habe ich, dass mein Mann und ich hier rausmüssen. Was mache ich zum Beispiel, wenn ich mal allein übrig bleibe? Noch können wir uns die Wohnung leisten, weil ich nebenbei arbeite. Ich mache das, um unter Leuten zu sein, und für unseren Lebensstandard. Wenn eine weitere Mieterhöhung kommt, muss ich arbeiten. Wir können auch nicht einfach woanders hinziehen. In anderen Stadtteilen und im Umland sind die Preise ja auch gestiegen. 

Wann hast du beschlossen, dass du etwas gegen die erneute Mieterhöhung tun willst? 

Eigentlich sofort, aber wir waren anfangs verhindert. Wir haben aber mitbekommen, dass sich Mieter aus dem Haus zusammengeschlossen haben, und sind dann hingegangen, sobald es ging. 

Wie hast du die Treffen erlebt? 

Zuerst war ich erschrocken, dass so wenige Leute aus dem Haus dabei waren. Wir sind 99 Mietparteien, aber es waren nur ungefähr 15 Leute bei den Treffen. Trotzdem haben wir gemeinsam verschiedene Sachen organisiert. 

Was sind für dich die größten Erfolge, die ihr bisher erreicht habt?

Gropiuswohnen hat auf unseren Druck hin eine Fachfirma für die Asbestsanierung engagiert, was leider nicht selbstverständlich war. Das war ein großer Erfolg. Bei der jährlichen Gropiusstädter Kaffeetafel waren wir außerdem als Mieterinitiative mit einem eigenen Tisch vertreten, haben Kaffee und Kuchen angeboten und über die Situation informiert. Wir waren auch im Rathaus Neukölln, um darauf aufmerksam zu machen. Und wir haben ein eigenes Asbestgutachten in Auftrag gegeben und dafür Geld eingesammelt. Im Herbst haben wir dann eine Kundgebung organisiert: »Mietenwahnsinn stoppen – Für ein gutes Leben in Gropiusstadt.« Es waren mehr als 150 Leute da, das war gut. 

Was ist die größte Herausforderung für die Mieterinitiative? 

Dass sich nicht so viele beteiligen. Wir waren zum Beispiel an den Haustüren und haben mit Nachbarn gesprochen und sie zu Treffen eingeladen. Es gab viele Zusagen, aber dann waren doch nicht so viele da. Manche haben wahrscheinlich das Geld, es stört sie also weniger. Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr beteiligen. Aber man muss auch dazu sagen: Wir sind von sieben Häusern in der Straße das letzte, das saniert wird. Die Mieter in den Häusern vorher haben sich gar nicht zusammengetan. 

Was würdest du mit der Mieterinitiative gern noch erreichen?

 Für mich wäre es ein großer Erfolg, wenn die von Gropiuswohnen mal mit uns reden würden. Und dass sie den Rahmen nicht ausschöpfen. Die brauchen doch die elf Prozent, die sie laut Gesetz auf die monatliche Miete draufschlagen dürfen, gar nicht. Die energetische Sanierung ist außerdem nach zehn Jahren längst bezahlt, und wir zahlen trotzdem weiter. Ich erwarte, dass sie uns entgegenkommen, kompromissbereit und sozial sind. Leerstand darf nicht mehr belohnt werden, da könnte man Fristen setzen. 

Was sollte sich für die Mieter*innen ändern? 

Die Gesetze müssen für die Mieter ertragbar sein. Was mich sehr stört, ist die Tatsache, dass die Industrie eine Lobby hat, die so mächtigist, dass sie praktisch entscheidet, was passiert. Die Regierung macht nichts und erlaubt esden Vermietern, die Gesetze auszunutzen. Ich frage mich ganz ernsthaft: Wo wollt ihr mit den Mietern hin, die ihre Miete nicht mehr zahlen können? Ich stelle mir das so vor, dass wir eine Grundmiete haben, die für jeden erschwinglich ist. Jeder sollte vom Staat einen Zuschuss kriegen. Berlins Bürgermeister Müller hat gesagt, dass sie jetzt die Wohnungen zurückkaufen wollen, die sie früher verscherbelt haben. Die kosten mittlerweile aber Milliarden. Das kann nicht alles sein. Es bräuchte etwas wie ein Recht auf Wohnen und verschiedene Maßnahmen, um das umzusetzen. 

Gleich gehst du zur Einwohnerversammlung, die du selbst beim Bezirksamt beantragt hast. Was willst du den Verantwortlichen sagen? 

Ich will Öffentlichkeit schaffen und von unserer Situation berichten. Wir haben die Abgeordneten gewählt und ich erwarte von ihnen, dass sie was Sichtbares für uns tun. Wir wollen Druck aufbauen und die Vermieter an den Tisch holen. 

Mittlerweile schließen sich auch Mieter*innen in anderen Häusern zusammen. 

Ja, das ist gut. Nur unsere Mieterinitiative allein hätte nicht so viel gebracht. Aber wenn wir mehr werden, bringt es was. Mieterinitiativen müssen einfach sein. Solange es mit unserer Mieterinitiative läuft, werde ich auch dabei sein. Und für das Frühjahr stelle ich mir eine große Demo in Berlin vor. 

Das Gespräch führte Sarah Nagel. Sie ist aktiv in einem Organizing-Projekt der Partei DIE LINKE in Gropiusstadt. Darüber hat sie Ilona Vater kennengelernt.