Ein derartiger Ansatz hätte Menschen, Fähigkeiten und Möglichkeiten genutzt und den Verhandlungsprozess gestärkt, sodass auch Siege für den Alltag der Bürger errungen worden wären. Vor diesem Hintergrund haben wir nicht alles getan, was möglich gewesen wäre. Beziehungen und Arbeitsteilung zwischen Regierung, Fraktion und Partei wurden nicht strategisch gestaltet. Es hat nicht funktioniert. Wie schätzen sie die Vereinbarung mit den Gläubigern ein? Die Frage ist nicht, was die Gläubiger tun werden. Wenn wir eines in diesem halben Jahr erreicht haben, dann, dass wir ihr wahres Gesicht zum Vorschein gebracht haben. Es ist klar, dass es erneut zu Erpressungen kommen kann. Das wahrscheinlichste ist, dass die Vereinbarung scheitert, weil sie auf den gleichen fehlerhaften Rezepten der Austerität beruht, wie die Memoranden zuvor. Was wir heute brauchen, sind Entschlossenheit und Ehrlichkeit, um gemeinsam mit der Bevölkerung einen Plan skizzieren zu können und uns aus den Erpressungen und Memoranden herauszuwinden. Denken Sie, dass die Regierung ausreichend vorbereitet war auf die harte Verhandlung mit den Gläubigern? Wir hatten gesagt, dass zwei Prinzipien eingehalten werden müssen, damit die Verhandlungen ihr Ziel erreichen. Wir würden die Regeln der Eurozone einhalten und die Gläubiger würden das Mandat der Bevölkerung respektieren. In diesem Sinn hatten wir das Mandat in eine Verhandlungsstrategie übersetzt, die das Land in der Eurozone halten würde, ohne jedoch die Austeritätspolitik fortzuführen – im Glauben an Recht und Demokratie. Stattdessen erlebten wir einen Wirtschaftskrieg, uns wurde eine finanziellen Atemnot aufgezwungen, wir erfuhren offene Erpressungen und schließlich die nackte Durchsetzung der Macht. Wir wussten, dass die Verhandlung kein Spaziergang sein würde, wir haben getan, was wir konnten, dennoch haben wir eine Niederlage erlitten. Ich bin mir allerdings überhaupt nicht sicher, ob irgendeine linke Regierung in diesem Staat und unter den gegebenen europäischen Kräfteverhältnissen sich hätte vorbereiten und siegen können. Das Klima innerhalb von SYRIZA ist schlecht, eine Spaltung möglich. Eine Polarisierung – und ich beziehe mich nicht nur auf die linke Plattform – kann bündeln, hilft aber nicht dabei, kollektive Antworten zu geben. Ein Auftreten, das den Eindruck von sicheren Antworten erweckt, während gerade alle zur Verfügung stehenden Entwürfe eine Niederlage erlitten haben, oder die Rückkehr zu Positionen der Vergangenheit, die die Augen vor all dem gerade Erfahrenen verschließen, helfen nicht weiter. Wir haben es bis hierhin geschafft, weil die Einigkeit im Kern unseres Planes stand, zusammen mit dem Glauben an das Recht derer, die in den vergangenen Jahren hart getroffen wurden und denen wir vereint Antworten schuldig sind, die uns aus der Sackgasse führen können. Alle, die das oben Gesagte unterschätzen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass sich die Richtigkeit jeder Position – in einer Situation nach einer explosiven Zersplitterung in Einzelteile – primär an ihrer gesellschaftlichen Brauchbarkeit messen lassen muss. Gibt es einen Ausweg oder die Möglichkeit zur Ausübung einer selbstbestimmten fortschrittlichen Politik innerhalb des erdrückenden Rahmens? Die Monate, die wir durchleben, werden uns eine Antwort auf Ihre Frage geben. Solange die Situation so bleibt, wie sie derzeit ist, wird die Lage sicherlich weiterhin sehr schwierig sein. Was ist der Plan der europäischen Linken in diesem neuen Zeitabschnitt, in dieser Eurozone, aber auch unter diesen Umständen des globalisierten Kapitalismus und der Aufhebung der Volkssouveränität? Das ist vielleicht die zentrale Frage unseres Parteitages. Können wir innerhalb und mit der Eurogruppe, der EZB und dieser deutschen politischen Führung oder mit dem IWF noch Politik machen, und wenn ja, wie? Das sind schwerwiegende Fragen, und die Antworten müssen über bloße Rhetorik hinausgehen. Wann muss es unter diesen Umständen Wahlen geben? Es heißt, dass die mit der Vereinbarung nicht einverstandenen Abgeordneten die Regierungsmehrheit im Parlament „bedrohen“. Diskussionen über Wahlen helfen niemandem, und Wahlen sind keine Allzweckwaffe. Die Vereinbarung wird durch das Parlament gehen. Die Gesellschaft stellt die Regierung nicht infrage, die Opposition bringt die Vertrauensfrage nicht auf die Agenda, und die Abgeordneten von SYRIZA haben gemäß der Beschlusslage des Zentralkomitees die Möglichkeit zur offenen Aussprache – ohne Drohungen – über die Prozesse in der Partei mit dem Ziel, das Vertrauen auch unter uns wiederherzustellen. Kann Giannis Panoussis, Vizeminister für Bürgerschutz und kein Mitglied von SYRIZA, in der Regierung bleiben? Es wurden kürzlich auf Initiative von führenden Mitgliedern des Zentralkomitees sogar Unterschriften gegen ihn gesammelt. Panoussis hat sich vom ersten Augenblick an für eine Rolle entschieden, in der er seine Kollegen, SYRIZA und die Jugend mit unzulässigen Verbalausfällen beurteilte. Das Wichtigste ist aber, dass wir unter seiner Ägide keine entschiedenen Schritte zur Niederschlagung der Korruption und für die Demokratisierung der Polizei gesehen haben, während die unbegründeten Festnahmen von Gewerkschaftern und Aktivisten sowie Angriffe auf Mobilisierungen fortgesetzt werden, ebenso ein allgemeines Klima der Zügellosigkeit und des Kontrollmangels weiterbesteht, das leider sogar demonstrativ provoziert wird. Ich glaube nicht, dass das so weitergehen kann. Er ist ein Beispiel für die Blockade von Reformen der Apparate im Sinne ihrer Öffnung für die Interessen der Bevölkerung. Das Interview erschien in EfSyn [„Zeitung der Redakteure“]. Aus dem Griechischen von Céline Spieker.