Am 23. Februar hat Die Linke ihr Comeback gefeiert. Nach monatelangen Tiefständen in den Umfragen erreichte sie fast neun Prozent und zog wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag ein. In einem politischen Klima, das zunehmend von rechter Rhetorik, autoritären Sicherheitsfantasien und migrationsfeindlichen Debatten geprägt ist, gelang der Partei ein Überraschungserfolg. Er ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Stimmung, in der sich Millionen Menschen gegen die schleichende Normalisierung der extremen Rechten formieren – und er zeigt, dass es in dieser Auseinandersetzung eine parlamentarische Kraft braucht, die glaubwürdig, klar und verbindend für antifaschistische Politik steht.

Denn die politische Lage ist ernst: Mit über 20 Prozent ist die AfD zweitstärkste Kraft im Bundestag. Der neue Kanzler Friedrich Merz öffnet der extremen Rechten durch politische Kooperation Türen, die jahrzehntelang verschlossen galten. Was einst als »Brandmauer« galt, ist faktisch gefallen. Während große Teile der politischen Mitte sich der Agenda der Rechten annähern, braucht es eine Linke, die Haltung zeigt – aber auch handlungsfähig bleibt.

»Die Linke hat sich nicht im Klein-Klein programmatischer Forderungen verloren, sondern klargemacht, dass soziale Sicherheit und antifaschistischer Widerstand zusammengehören.«

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Was braucht es heute, um Die Linke dauerhaft als starken antifaschistischen Pol zu positionieren – im Parlament, auf der Straße und in der Gesellschaft?

Die Stärke der Linken im Wahlkampf

Der Wahlerfolg der Linken war kein Automatismus, sondern das Ergebnis einer strategisch durchdachten, politisch zugespitzten und glaubwürdig geführten Kampagne. Nach dem Bruch mit Sahra Wagenknecht und der Abspaltung ihres autoritär-populistischen Projekts konnte die Partei ein Profil schärfen, das auf gesellschaftliche Spaltung nicht mit rechter Rhetorik, sondern mit solidarischer Gegenmacht antwortet. Ein zentrales Element des Wahlkampfs war die offensive Nutzung sozialer Medien. In einer Zeit, in der klassische Medienkanäle linken Positionen wenig Raum geben, ist es der Partei gelungen, mit Humor, Prominenz und klarer politischer Sprache eine neue Reichweite zu entwickeln. Professionell produzierte Kurzvideos, Memes und zugespitzte Formate auf TikTok, Instagram und YouTube haben nicht nur jüngere Zielgruppen erreicht, sondern auch eine alternative Kommunikationsmacht entfaltet – jenseits des oft dominanten Rechtskonservatismus in Talkshows und Leitartikeln. Doch der Wahlkampf fand nicht nur online statt. Parallel setzte Die Linke auf eine der ältesten, aber wirksamsten Formen der politischen Kommunikation: das Gespräch an der Haustür. In tausenden Tür-zu-Tür-Gesprächen wurde nicht nur für Stimmen geworben, sondern zugehört, diskutiert, eingeladen. Gleichzeitig hat Die Linke im Wahlkampf auf Kernthemen gesetzt, die viele Menschen unmittelbar betreffen: steigende Mieten, Armut trotz Arbeit, Inflation, Pflegenotstand, Klimagerechtigkeit. Sie hat sich nicht im Klein-Klein programmatischer Forderungen verloren, sondern klargemacht, dass soziale Sicherheit und antifaschistischer Widerstand zusammengehören. In einer Situation, in der große Teile des politischen Establishments versuchten, mit migrationspolitischer Härte und Sicherheitsrhetorik die AfD rechts zu überholen, blieb Die Linke standhaft. Sie verweigerte sich der Abschiebedebatte, kritisierte offen den rassistischen Subtext vieler Gesetzesverschärfungen und stellte stattdessen die Lebensrealitäten der Menschen in den Mittelpunkt.

Besonders symbolisch verdichtet hat sich diese Haltung in der Rede von Heidi Reichinnek im Bundestag. Als Fraktionsvorsitzende sprach sie nicht nur über das Tabubruch-Bündnis zwischen CDU und AfD, sondern formulierte einen emotionalen Appell, der weit über das Parlament hinauswirkte. Ihre Worte – »Denken Sie wirklich, gegen die AfD hilft AfD-Politik?« – trafen den Nerv der gesellschaftlichen Stimmung und wurden millionenfach geteilt. Reichinnek benannte das Paktieren mit der extremen Rechten nicht als handwerklichen Fehler, sondern als bewusste politische Entscheidung – mit historischen Konsequenzen. Besonders stark war der Moment, in dem sie sich direkt an die außerparlamentarische Zivilgesellschaft wandte: »Wir sind die Brandmauer.«

Diese Rede wurde nicht zufällig zu einem Kristallisationspunkt. Denn sie verband Empörung mit Analyse, Haltung mit Handlungsperspektive. Sie war Ausdruck einer Partei, die nicht nur ablehnt, sondern einlädt – zum gemeinsamen Widerstand gegen die rechte Gefahr.

Die extreme Rechte und die Konservativen

Der politische Rechtsruck in Deutschland ist längst keine Randerscheinung mehr. Was früher als Tabubruch galt, ist heute Taktik. Was einmal klare Trennungslinie war – zwischen Konservativen und extrem Rechten – verschwimmt zunehmend. Der Fall der »Brandmauer« ist kein einzelner Moment, sondern ein Prozess. Friedrich Merz’ Entscheidung, gemeinsam mit der AfD einen Antrag im Bundestag durchzubringen, markierte einen symbolischen und politischen Dammbruch: Nicht die Inhalte waren neu – die wurden längst von allen Fraktionen mitgetragen, wenn es um Asylrechtsverschärfungen ging. Neu war, dass nun auch die Form der Zusammenarbeit kein Skandal mehr war, sondern strategisch einkalkuliert.

Diese Entwicklung ist keine spontane Reaktion auf gesellschaftliche Stimmungen, sondern Teil einer bewussten Strategie: Die AfD agiert längst nicht mehr allein als populistische Protestpartei, sondern zunehmend als strukturierende Kraft der autoritären Formierung. Ihre Netzwerke reichen in die Polizei, in Sicherheitsbehörden, in Teile der Justiz und der Bundeswehr. Sie hat Verbindungen zu völkischen Bewegungen, zu rechten Medienplattformen und zu finanziellen Unterstützern aus dem Milieu der »Neuen Rechten«. Die Enthüllungen rund um das »Geheimplan«-Treffen in Potsdam, bei dem über Deportationen gesprochen wurde, sind keine Ausnahme – sie sind Ausdruck einer ideologischen Stoßrichtung, die auf die Zerschlagung pluraler Demokratie abzielt.

Gleichzeitig radikalisiert sich die Union – allerdings weniger im Ton als in der Praxis. Merz spricht bewusst »bürgerlich«, setzt aber auf eine Agenda, die der AfD den Wind nicht aus den Segeln nimmt, sondern sie politisch aufwertet. Medial begleitet wird dieser Prozess von einem konservativen Diskursblock, der mit der scheinbaren Neutralität der »Mitte« arbeitet, aber in Tonalität und Agenda längst auf autoritäre Ordnungspolitik umgeschwenkt ist. Große Teile der Springer-Presse, aber auch Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bedienen Narrative, in denen Klimabewegungen kriminalisiert, antifaschistische Proteste delegitimiert und rechte Positionen als legitime »Sorgen« normalisiert werden. 

Was es jetzt für eine antifaschistische Linke braucht

Die politische Rechte wird nicht nur durch Wahlergebnisse stärker – sie wird stärker, wenn keine glaubwürdige linke Alternative bereitsteht. In einer Situation, in der sich der gesellschaftliche Wind deutlich nach rechts dreht, braucht es eine Linke, die mehr kann als nur reagieren. Sie muss Hoffnung organisieren, konkrete Verbesserungen erkämpfen – und gleichzeitig radikal in ihrer antifaschistischen Haltung bleiben. Das heißt: nicht anschlussfähig an den autoritären Mainstream sein zu wollen, sondern konsequent widersprechen – im Parlament, auf der Straße, im Alltag. Dazu braucht es drei Dinge: Glaubwürdigkeit, Verankerung und strategische Klarheit.

1. Glaubwürdigkeit: Antifaschismus als gelebte Praxis

Die Stärke der Linken im Wahlkampf lag nicht nur in ihren Inhalten, sondern darin, dass sie diese glaubwürdig vertreten konnte. Mit dem Bruch zur Wagenknecht-Abspaltung, der deutlichen Haltung gegen Rassismus, Abschiebefantasien und Polizeistaat-Politik hat sie gezeigt: Es gibt noch eine Partei, die sich nicht treiben lässt, sondern Haltung hat.
Doch Glaubwürdigkeit entsteht nicht nur im Parlament. Sie zeigt sich, wenn linke Politiker*innen bei Gedenkveranstaltungen, auf Demos gegen Abschiebungen, bei queeren Initiativen oder in antifaschistischen Bündnissen präsent sind – nicht nur als Redner*innen, sondern als Teil der Kämpfe. Sie entsteht dort, wo marginalisierte Gruppen ernst genommen werden: mit Ressourcen, mit politischer Rückendeckung, mit konsequenter Solidarität.

2. Verankerung: Die Linke muss ansprechbar sein – offline wie online

Was den jüngsten Wahlerfolg ebenfalls ermöglichte, war eine Kombination aus digitaler Präsenz und lokaler Sichtbarkeit. Diese Partei hört zu – und hat etwas zu sagen. Gleichzeitig wurde die klassische Straßenarbeit nicht vernachlässigt. Die Haustürkampagnen waren essenziell, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Auch wo die Linke in Kiezteams, Kümmerer*innenstrukturen oder Stadtteilgruppen präsent ist, wo sie mit Mieter*innen-Initiativen, Frauenhäusern, migrantischen Selbstorganisationen zusammenarbeitet, dort wird sie als Teil des Widerstands wahrgenommen – nicht als Beobachterin.

3. Strategische Klarheit: Antifaschismus als linkes Fundament

Antifaschismus darf für die Linke keine Zusatzaufgabe sein, sondern muss Grundlage aller Politik sein: der Sozialpolitik, der Bildungsarbeit, der Wohnungspolitik, der Arbeitskämpfe. Denn der Aufstieg der Rechten speist sich aus konkreten Ängsten – vor Armut, Kontrollverlust, Vereinzelung – und aus gezielter Desinformation. Wer diesen Ängsten nicht nur widerspricht, sondern sie politisch bearbeitet, entzieht der Rechten den Nährboden.

»Die Linke muss Hoffnung organisieren, konkrete Verbesserungen erkämpfen – und gleichzeitig radikal in ihrer antifaschistischen Haltung bleiben.«

Deshalb braucht es eine Linke, die rechte Netzwerke konsequent aufdeckt – mit kleinen Anfragen in Landtagen, mit parlamentarischem Druck, mit Recherche, mit zivilgesellschaftlicher Vernetzung. Es braucht eine Linke, die feministische, antirassistische und queere Perspektiven nicht »mitmeint«, sondern in den Mittelpunkt rückt. Eine Linke, die Schutzräume verteidigt, die angegriffene Initiativen schützt, die sich an die Seite Betroffener stellt – nicht nur am Gedenktag, sondern jeden Tag.

Antifaschistische Politik in Land und Kommune

Der Kampf gegen rechts entscheidet sich nicht nur im Bundestag oder in Talkshows – er entscheidet sich in Stadträten, Landtagen, Kreistagen, Sozialausschüssen, Kulturbeiräten, Schulkonferenzen. Genau dort, wo die Rechten oft ihre ersten Machtversuche starten. Und genau dort, wo sie zivilgesellschaftliche Räume am wirksamsten angreifen können.

Wenn Rechte in Kommunalvertretungen sitzen, drohen sie queeren Projekten, diffamieren kritische Kulturarbeit, schüren Hass gegen Geflüchtete – oder stellen Anträge gegen Pride-Flaggen, feministische Gedenkarbeit, migrantische Vereine. Sie kriminalisieren politische Bildung, stören Mahnwachen und attackieren linke Initiativen gezielt. Gerade deshalb braucht es hier eine Linke, die sichtbar, verlässlich und verbindlich ist.

Die Brandmauer verteidigen – auch wenn sie klein aussieht

Auf kommunaler Ebene ist die sogenannte Brandmauer oft gar nicht das große bundespolitische Thema, sondern zeigt sich in scheinbar kleinen Gesten: Wird der AfD-Antrag zum Bau von Überwachungskameras mitgetragen? Wird stillschweigend hingenommen, dass rechte Gruppen städtische Räume nutzen? Wird einem rechten Kandidaten der stellvertretende Vorsitz in einem Ausschuss überlassen, »weil er ja gewählt wurde«?

Hier entscheidet sich, ob rechte Normalisierung Raum gewinnt – oder ob ihr widersprochen wird. Linke Kommunalpolitiker*innen tragen hier eine enorme Verantwortung: Sie sind oft die Einzigen, die Stellung beziehen, Widerspruch formulieren, Anträge blockieren. Und sie tun das meist unter prekären Bedingungen, oft ehrenamtlich, manchmal bedroht. Diese Arbeit ist antifaschistischer Alltag.

Die Seite wählen – konsequent mit Betroffenen

Linke Politik muss in Kommunen klar an der Seite derjenigen stehen, die durch rechte Politik gefährdet sind. Das heißt: Angriffe auf Frauenhäuser, auf queere Jugendzentren, auf migrantische Begegnungsorte dürfen nicht mit einem Verweis auf »Haushaltsdisziplin« relativiert werden. Die Linke muss sich diesen Projekten verpflichtet fühlen – politisch, finanziell, persönlich.

Sie muss sich auch dort zeigen, wo es unbequem ist: bei Soli-Demos für angegriffene Geflüchteten-Unterkünfte, beim Kampf um den Erhalt alternativer Zentren, bei nächtlichen Mahnwachen nach rechten Übergriffen. Präsenz ist hier nicht Symbol – sie ist Teil einer Schutzstrategie.

Verlässliche Bündnispolitik – lokal organisiert

In vielen Städten und Gemeinden gibt es antifaschistische Netzwerke, Aktionsbündnisse, zivilgesellschaftliche Räte. Die Linke darf hier keine Konkurrenz aufbauen, sondern muss sich als Teil dieser Strukturen verstehen – nicht vereinnahmend, sondern unterstützend. Das heißt: Räume zur Verfügung stellen, Verbindungen schaffen, parlamentarische Mittel einsetzen, um Schutz, Förderung und Vernetzung zu ermöglichen.

Langfristig braucht es dafür auch eigene widerstandsfähige Strukturen – offene Büros, Stadtteilläden, Anlaufstellen für Betroffene, Jugendräume. Eine antifaschistische Infrastruktur, die über Wahlperioden hinaus Bestand hat.

Ausblick

In einer Gesellschaft, in der die Brandmauer gegen rechts bröckelt – auf Bundesebene wie in den Kommunen – kann sich Die Linke nicht auf symbolische Gesten verlassen. Sie muss die Kraft sein, die benennt, was ist, und kämpft für das, was sein sollte. Eine Partei, die antifaschistische Politik nicht an Bündnisse, NGOs oder Gedenktage auslagert, sondern sie zu ihrem Grundpfeiler macht – in jeder Rede, in jedem Antrag, in jeder Entscheidung.

»Die gesellschaftliche Rechte hat einen langen Atem. Die antifaschistische Linke braucht ihn auch.«

Es wird weitergehen: Die AfD wird weiter wachsen und auch im Bundestag ihre Normalisierung vorantreiben. Die Union wird weiter taktieren, Teile der SPD werden weiter mitgehen – wenn es vermeintlich nützt. Die gesellschaftliche Rechte hat einen langen Atem. Die antifaschistische Linke braucht ihn auch.

Weitere Beiträge