Der Parteivorstand hat zum Jahrestag des Angriffskriegs zu breiten Aktionen für Deeskalation und Frieden aufgerufen. Eine Position zur Kundgebung von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer hat er nicht bezogen. Die Debatte dazu wird in einem völlig vergifteten gesellschaftlichen und medialen Klima geführt. Darüber hinaus muss ich einräumen, dass ich manche Haltungen in der LINKEN schlicht nicht verstehe. Warum, will ich hier kurz begründen und dazu offen die Fehler des Parteivorstandes – auch meine eigenen – ansprechen. Ich hatte das „Manifest für den Frieden“ unterstützt, meine Unterstützung der Kundgebung aufgrund politischer und organisatorischer Unklarheiten dann aber zurückgezogen. Das will ich hier transparent machen.

Die Auseinandersetzung um das Friedensmanifest

Die Auseinandersetzungen um den Ukraine-Krieg in der LINKEN erreichen gerade eine neue Stufe. Auslöser ist der Umgang mit dem Jahrestag des ukrainischen Angriffs und das Manifest von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Mit vielen Erstunterzeichner*innen werben sie mit einem inhaltlich breit anschlussfähigen Text für eine Kundgebung am 25. Februar 2023. in Berlin. Dieses Manifest wurde inzwischen von über 500.000 Menschen unterschrieben. Damit entzündete sich ein Streit um Unterstützung oder Distanzierung von dieser Demonstration. Die Partei DIE LINKE ist genauso wie die gesellschaftliche Linke in dieser Frage quer zu ihren Flügeln und Strömungen gespalten. Sichtbar ist, wenn überhaupt, eine Differenz zwischen alt und jung. Das Nichtverhalten des Parteivorstands zeigt das ganze Dilemma der Partei: Es hagelt wieder Austritte wegen der fehlenden Distanzierung von eher jüngeren Mitgliedern. Gleichzeitig regt sich scharfe Kritik an der fehlenden Unterstützung des Aufrufs von Seiten der Älteren. Über die zunehmend verhärteten Fronten gerät das Ziel aus dem Blick: ein Ende des Krieges in der Ukraine.

Wer macht eigentlich Friedenspolitik?

Scheinbar wird der Ukraine-Krieg unterschiedlich wahrgenommen. Die Jüngeren – auch ich zähle mich dazu – kritisieren vor allem den Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine. Die Älteren sehen in erster Linie einen globalen Stellvertreterkrieg und betonen die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung. Gerne reklamieren beide Seiten für sich das Recht und den richtigen Weg zum Frieden zu kennen. Die Älteren vertreten durch die Sozialistische Linke (SL), Sahra Wagenknecht und andere Ungebundene um die Antikapitalistische Linke (AKL) sowie Personen wie Christine Buchholz, Özlem Demirel werfen nun der Partei vor, keine Friedenspolitik (mehr) zu machen.

Dabei hat die Partei klare Positionen zur Deeskalation. Die Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler sind medial vielfach in Talkshows und Zeitungen präsent und vertreten die Positionen der Partei. Dafür lassen sie sich öffentlich oft genug prügeln. Das ist auch ihre Aufgabe als Vorsitzende. Niemand muss Mitleid haben, aber ihr Engagement infrage zu stellen, ist unverschämt. Seitdem Parteitag wird vom selbst ernannten „friedenspolitischen“ Flügel immer wieder öffentlich infrage gestellt, ob die LINKE noch eine Friedenspartei ist. Das verfängt mittlerweile auch bei der Wähler*innenschaft. Wer sich ständig selber kleinredet, der wird nicht ernst genommen.

Gleichwohl müssen wir uns als Parteivorstand durchaus Kritik gefallen lassen. Wir haben in den Protesten zum Heißen Herbst den Ukraine-Krieg ausgeklammert und auf der Aktionsebene wenig angeboten. Warum?

Linke Unsicherheiten mit dem Ukraine-Krieg

Mit dem Wegfall des Kalten Krieges und dem Sieg „des Westens“ blieb die NATO und allen voran die USA der einzige Hegemon. Viele der großen Kriege wurden seitdem von der NATO geführt – allen voran im Irak, in Afghanistan, aber auch in Serbien. Dabei sind fast eine Million Menschen gestorben. Meist führte der Westen Regime-Change-Kriege, die darauf setzten die Regierung zu stürzen und/oder die Unabhängigkeitsbestrebungen nationaler Minderheiten zu nutzen und zu fördern. Die USA bewegt sich damit ganz in der Logik der postkolonialen Ordnung, die weite Teile der Welt über wirtschaftliche und rechtliche Regelungen und Institutionen und militärische Absicherung statt über klassische koloniale Annexionen zu kontrollieren sucht. Gegen diese Außenpolitik der USA richtet sich ein linker Antiimperialismus.

Seitdem 24. Februar des letzten Jahres führt nun aber Russland einen klassischen Krieg des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts zur Erweiterung seines Staatsgebiets. Russland verfügt nicht über die ökonomischen Möglichkeiten, andere Länder indirekt zu kontrollieren und zu beeinflussen. Daher wählte es den militärischen Weg. Damit ist nun seit längerer Zeit erstmals nicht der Westen der große militärische Aggressor. Der von führenden Genoss*innen wie Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht als rationaler Friedensgarant bezeichnete Vladimir Putin wurde zum militärischen Aggressor. Damit ist das bisherige außenpolitische Koordinatensystem zahlreicher Linker auf den Kopf gestellt und diese Konfusion drückt sich bei vielen Genoss*innen in großer Unsicherheit aus.

Die Vorzeichen dafür waren lange da. Die Annexion der Krim, das russische Engagement in Syrien und Kasachstan. Diese Vorzeichen haben wir – habe auch ich – ignoriert. Das war ein Fehler linker Außenpolitik. Wir haben jahrelang zu Recht die Osterweiterung der NATO kritisiert und die Kriegsgefahr unterschätzt. Seit 1990 hat der Westen seine Grenze Richtung Russland kontinuierlich erweitert. Statt Russland ökonomisch und politisch einzubinden, entschieden sich viele westliche Staatenlenker in den 2000er Jahren Russland weiter als Gegner zu behandeln, das Land wurde dafür nur unzureichend kompensiert. Das war ein kolossaler Fehler des Westens. Die Interessen einer Großmacht zu verstehen, ist in der Außenpolitik zentral. Legitim sind sie deswegen noch lange nicht. Genauso wichtig ist es, die innenpolitischen, politökonomischen Entwicklungen eines Landes zu verstehen. Das hat auch die LINKE in Bezug auf Russland scheinbar versäumt, ein Fehler der ganzen Partei.

Gleichzeitig wurde Osteuropa ebenso wenig ernst genommen. Die Osterweiterung der EU war in vielen Ländern Osteuropas zwar umstritten, aber mehrheitlich gewollt, von Tschechien bis ins Baltikum. Anders als in Ostdeutschland war die sowjetische Armee in vielen dieser Länder eher eine Besatzungs- als eine Befreiungsarmee. Auf dieses Legitimationsproblem für den real existierenden Sozialismus wies schon kurz nach dem 2. Weltkrieg der marxistische Denker August Thalheimer hellsichtig hin. Der Konflikt zwischen Ost und West ging in vielen der osteuropäischen Länder quer durch die Gesellschaften. Am stärksten sicherlich in der Ukraine. Daher ist es kein Zufall, dass die Ukraine zum Kristallisationspunkt dieses Konflikts wurde. Die Maidan-Proteste führten 2014 nicht nur zum Regierungswechsel und zu einem klaren Westkurs der neuen ukrainischen Regierung, sondern auch zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen sowie zur Besetzung der Krim und de facto von Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk. Seitdem köchelte der Konflikt auch militärisch vor sich hin. Das Minsk-II-Abkommen wurde von beiden Seiten nicht umgesetzt.

Das linke Dilemma

Spätestens seit dem Angriff steht die traditionell eher antiimperialistische und antimilitaristische Linke vor einem Dilemma. Während ein Teil der Partei unter Antiimperialismus vor allem die Gegnerschaft zu den Herrschenden im eigenen Lager versteht, sieht ein ebenso wesentlicher Teil unter Antiimperialismus vor allem eine Unterstützung der von Imperialismus betroffenen Länder. Dazu zähle auch ich mich. Ich wurde von den Kriegen des Westens gegen den Irak und Afghanistan politisiert und fand es damals zutiefst ungerecht. Heute geht es mir mit der Ukraine ebenso. Wie im Irak oder Afghanistan gibt es kaum organisierte linke Kräfte in dem Land – auch weil sie zum Teil verboten sind. Wie im Irak- und Afghanistankrieg muss sich die LINKE meines Erachtens auch im Ukraine-Krieg klar gegen den Aggressor stellen. Dies in einem klassischen Angriffskrieg nicht zu tun, birgt darüber hinaus die Gefahr weiterer klassisch nationalistisch motivierter Angriffskriege. Eine einseitige Annexion von Gebieten als Mittel der Politik lehne ich ab. Für mich ist das bloße Rufen nach Verhandlungen so richtig wie hilflos – schließlich greift hier ein anderes Land die Ukraine an. Dieses Dilemma spaltet auch die alte deutsche Friedensbewegung – sichtbar in der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Damit steht ein Teil der Linken und der Friedensbewegung in diesem Konflikt nicht gänzlich im Gegensatz zur Politik des Westens. 

Kleinere Länder können ihre Unabhängigkeit ohne Hilfe von außen nicht schützen. Ohne die Unterstützung der USA hätte die Ukraine den Krieg schon lange verloren. Der Ukraine ist kein Vorwurf zu machen, dass sie jede Hilfe zu bekommen sucht, die sie bekommen kann. Damit ist der Ukraine-Krieg jedoch nicht nur ein Kampf um nationale Selbststimmung, sondern auch ein Stellvertreterkrieg .

Diese Art von Stellvertreterkrieg lehnt wiederum die alte Linke strikt ab. Aus diesem Grund will sie keine militärische Unterstützung der Ukraine und auch keine ökonomische Konfrontation mit Russland. Aus ihrer Sicht sind Verhandlungen und ein schnelles Kriegsende auch auf Kosten der Ukraine erste Priorität. Verhandlungen sind zum gegenwärtigen Stand unwahrscheinlich, weil sich beide Länder erhoffen, weitere Gebiete (zurück-)zu gewinnen. 

Die Situation des Krieges ist darüber hinaus verfahren. In Deutschland wird – anders als in den USA – wenig offen über die realistischen Szenarien für die Ukraine diskutiert. Derzeit gibt es drei: 
 

  1. Niederlage der Ukraine: Wenn der Westen aufhört, die Ukraine zu unterstützen, wird die Front binnen eines Quartals zusammenbrechen. Darin sind sich die meisten Militärexpert*innen einig. Seit dem 2. Weltkrieg wurde nicht mehr so viel Munition verschossen wie in diesem Krieg. Der Verschleiß an Menschen und Material ist ungeheuerlich. Die Folge wäre eine gespaltene oder besetzte Ukraine. Ein derart einseitiges Kriegsende dürfte in der aufgeheizten Situation einen langen Guerillakrieg nach sich ziehen.
  2. Abnutzungskrieg: Das wahrscheinlichste Szenario. Die Ukraine hat derzeit keine militärischen Kapazitäten für eine breit angelegte militärische Offensive. Russlands Kapazitäten sind ebenso beschränkt und lassen nur begrenzte Offensiven zu. Trotzdem erhoffen sich beide Seiten Geländegewinne. Selbst wenn der Westen all sein lieferbares militärisches Gerät zur Verfügung stellte, würde das momentan nicht ausreichen. Die westliche Rüstungsproduktion ist für eine derartige Massenproduktion nicht ausgelegt. Die NATO-Bestände an Munition erschöpfen sich. Zwar sind westliche Waffen den russischen überlegen, aber die russischen Reserven sind gigantisch und können schneller wieder betriebsfähig gemacht werden als der Westen liefern kann. Russland hat deswegen einen strategischen Vorteil – auf den es nicht so leicht verzichten wird und diesen Krieg erst einmal weiterführt. Die Ukraine hingegen setzt auf die Abnutzung der russischen Truppen. Die Teilmobilmachung in Russland war extrem unpopulär. Die ukrainischen Truppen sind weit motivierter ihr Land zu verteidigen als die russischen Truppen, die für die Großmachtambition ihrer Eliten verheizt werden. Den medialen Erzählungen im Westen zum Trotz sind sich beide Armeen relativ ähnlich. Noch aus Sowjetzeiten rührt daher eine extrem verlustreiche Kriegsführung für Russland, aber eben auch für die Ukraine.
  3. Ukrainischer Sieg: Diese Option ist nur möglich, wenn der Westen massiv in seine Rüstungsindustrie investiert und die Ukraine für eine breite Gegenoffensive 2024/25 aufrüstet. Dieses Szenario wird derzeit aber nur von Minderheiten im Westen selbst verfolgt. Die Falken in den USA konzentrieren sich eher auf den Konflikt mit China. Die europäischen Staatschefs scheuen mehrheitlich die gewaltigen Kosten eines solchen Krieges. Gleichzeitig steigen die Kriegsgefahren massiv an. Atomare Angriffe oder andere verzweifelte Aktionen können im Falle einer russischen Niederlage nicht ausgeschlossen werden. Als letzte Option steht ein langer Guerillakrieg der Ukraine im Raum. Derzeit scheint diese zumindest im äußersten Osten und Süden das Landes nicht wahrscheinlich, außer um Melitopol kam es dazu kaum. Widerstandsaktionen gab es dennoch vielfach. Also ist auch dieses Szenario nicht völlig auszuschließen. 

Angesichts dieser verfahrenen Situation wirken die Aufrufe der Kriegsfalken in Deutschland – vor allem in der CDU, der FDP und den Grünen wenig realistisch. Ein Siegfrieden, der die Krim einschließt, ist derzeit keine Option. Die erforderliche Aufrüstung ginge weit über die Leopard 2-Panzer hinaus und würde die deutschen Kapazitäten schlicht übersteigen. Gesellschaftlich ist die damit verbundene Aufrüstung und Militarisierung ebenso abzulehnen, wie die gigantischen Kosten, die auf Kosten anderer Bereiche gegenfinanziert werden müssten.

Für die LINKE verbietet sich eine rein moralische Bewertung des Krieges und die damit einhergehende Schärfe der innerparteilichen Auseinandersetzung angesichts des Massensterbens eigentlich (ebenfalls ein moralisches Argument). Was also soll die LINKE tun?

Aktionen für den Frieden? Sozialer Protest ohne Friedensfrage

Die gesellschaftliche Linke ist angesichts der Dilemmata massiv gespalten. Daher haben wir als Parteivorstand entschieden, uns im Herbst auf soziale Fragen zu beschränken. Zu kontrovers sind die Positionen in der organisierten zivilgesellschaftlichen Linken. Eine Mehrheit der Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände war zu Protesten auch nur unter der Maßgabe bereit, dass die Kriegsfrage ausgeklammert wird. Sie auszuklammern, ist wiederum zutiefst unehrlich. 

Allein schon die Androhung von Sozialprotesten hat die Ampel-Regierung zu zahlreichen Zugeständnissen bewegt. Einen „Heißen Herbst“ auszurufen war also richtig – auch wenn wir uns deutlich mehr Mobilisierung erhofft hatten. Dass ausgerechnet aus dem Wagenknechtflügel nun Vorwürfe kommen, die LINKE stelle nur die soziale Frage in den Mittelpunkt, obwohl sie genau das jahrelang bezweifelt hat, ist an Komik kaum zu überbieten. 

Der Parteivorstand hat seit der Wahl vorrangig über die Vorsitzenden medial kommuniziert. Die Entwicklung von Parteiaktivitäten angesichts der internen Meinungsverschiedenheiten ist alles andere als leicht. Bis heute hat die LINKE keine Antikriegsposition entwickelt, die breit in der Partei getragen wäre. Das hinterlässt ein organisatorisches Vakuum, in das Sahra Wagenknecht mit ihrem Aufruf hineingestoßen ist. Diesen Schuh müssen wir uns als Parteivorstand ohne Wenn und Aber anziehen. Die Beschlüsse, die dazu im Januar gefasst worden sind, wurden nur halbherzig umgesetzt. Der Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer vermeidet zudem alle Fehler, die viele Linkspolitiker*innen bisher gemacht haben: Statt jede Unterstützung für die Ukraine - also Sanktionen oder Waffenlieferungen - abzulehnen, beschränkt er sich darauf, Deeskalation und Verhandlungen zu fordern. Das ist das Ziel dieses Aufrufs und deswegen fand er eine so weite Verbreitung.

Ein schweres Versäumnis des Aufrufes ist es hingegen, die Frage der Aufrüstung und Militarisierung außen vorzulassen. Dadurch ist er für die Rechte anschlussfähig. Die AfD ist keine Friedenspartei, auch wenn sie versucht, sich so zu inszenieren. Sie ist nur deshalb gegen eine Unterstützung der Ukraine, weil sie das russische Großmachtstreben nicht verwerflich findet. Außerdem ist sie für eine Aufrüstung und Militarisierung Deutschlands. Für diese rechts-offene Flanke des Aufrufs steht auch der Brigadegeneral a. D. Erich Vad, als Kritiker eines „deutschen Strukturpazifismus“ bekannt, der mit Wagenknecht und Schwarzer gemeinsam zur Kundgebung am 25. Februar aufruft. 

Die Frage des Rechtsradikalismus ist aber keine Nebenfrage, wie Michael Brie und andere suggerieren. Sahra Wagenknecht hat sich in den letzten anderthalb Wochen zweimal vom Rechtsradikalismus distanziert und zweimal eher einladend Richtung AfD-Anhänger*innen kommuniziert. Das wurde in der Rechten auch genauso verstanden. Entsprechend mobilisieren wichtige rechte Akteure zu ihrer Demonstration. Diese Kommunikationsstrategie ist nicht ohne Vorgeschichte. Sahra Wagenknecht hängt nach wie vor der längst widerlegten Auffassung an, die LINKE habe in den letzten Jahren vor allem an die AfD verloren. Diese Wähler*innen glaubt sie nun zurückzugewinnen, indem sie ambivalente Signale nach rechts sendet. Eine gemeinsame Massendemonstration von Rechtsradikalen und Kommunisten in Prag im vergangenen Herbst pries sie erst unlängst als gutes Beispiel. 

Im Parteivorstand äußerte sie sich auf kritische Nachfragen hin widersprüchlich und antwortete ausweichend. Zu den geplanten Redner*innen wollte sie keine Angaben machen, schloss aber aus, dass jemand von der LINKEN auf der Kundgebung sprechen könne. Aus diesem Grund hat der Parteivorstand – auch auf Bitten fast aller Landesvorsitzenden – beschlossen, nicht zu dieser Demonstration aufzurufen. Eine derartige Einigkeit seitens der Landesverbände ist mehr als unüblich und sollte ernst genommen werden ( - ein Umstand, den Jan Richter und Ulrike Eifler in ihrer gemeinsamen Erklärung schlicht verschweigen). Nichtsdestotrotz mobilisieren viele LINKE-Kreisverbände nun zu dieser Demonstration und auch das nimmt der Vorstand zur Kenntnis. 

Fast alle Erstunterzeichner*innen des Aufrufs von Schwarzer und Wagenknecht sind der Querfront unverdächtig. Der Zentralratsvorsitzende der Sinti und Romani Rose hätte diesen Aufruf sonst ganz sicher nicht unterschrieben. Die inflationären Querfrontvorwürfe von Liberalen, Konservativen und Teilen des linken Lagers sind gegenüber diesen Unterzeichner*innen mehr als deplatziert. Wer alles und jeden als rechtsoffen erklärt, treibt viele unnötig in die Arme der Rechten.

Die Kundgebung hingegen ist derzeit kaum einzuschätzen. Eine rechte oder verschwörungstheoretische Demonstration ist keinesfalls ausgeschlossen wie die 10.000 Demonstrant*innen in München letzte Woche zeigen. Hier marschierten Rechtsradikale zusammen mit Querdenker*innen. Wenn sich so etwas auf der Demonstration am Wochenende wiederholt, wäre das ein absolutes Desaster für alle Menschen, die für Frieden einstehen. Friedenspolitik ließe sich in den Augen vieler Menschen so noch leichter diskreditieren. Die Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz aus dem altlinken Spektrum erreichte demgegenüber nur 3.000 Menschen. Die alte Linke mobilisiert mit ihren Positionen kaum. Demgegenüber dominiert eine „Ukraine egal“-Haltung aus dem rechtsoppositionellen Spektrum, das für eine internationalistische Partei nicht tragbar ist. Für den Frieden lässt sich mit der Rechten nicht demonstrieren. 

Was tun?

Nach diesem Wochenende müssen die Versäumnisse der letzten Monate, auch die des Parteivorstands, überwunden werden. Treffen mit Bündnisakteur*innen aus der Friedensbewegung und der Gesellschaft sind notwendig. Die Zustimmung zu dem Aufruf von Wagenknecht und Schwarzer zeigt, dass es einen Resonanzraum dafür gibt. Dafür muss die LINKE Orte des Austauschs nach innen und nach außen schaffen, in Kreis- und Landesverbänden. Dazu gehören Diskussionen, Bildungsveranstaltungen und moderierte Konferenzen. Parteitage können nicht die Orte dafür sein. Auf Parteitagen dominieren Machtauseinandersetzungen um Personal und Positionen. In einer derart verfahrenen Situation braucht es die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen – übrigens aus allen Richtungen. Auch innerlinks müssen wir rhetorisch abrüsten und stärker ins Gespräch kommen. 

Die linken Widersprüche in Bezug auf die Ukraine werden nicht einfach verschwinden. Sie bleiben bestehen. Umso mehr braucht es den Austausch über breit getragene Ziele. Die LINKE will Frieden, sie will Abrüstung und Deeskalation. Auf diese Basics können sich wahrscheinlich alle einigen. Bei den konkreten Forderungen und der Frage, wie sich dieses Ziel am besten erreichen lässt, wird es schwieriger. Die Forderung nach Verhandlungen bleibt richtig – das müssen manche stärker anerkennen. Auch jetzt gibt es Verhandlungen über Gefangenenaustausche, auch das Getreideabkommen ist ein Beispiel. Verhandlungen funktionieren nur, wenn es keine Bedingungen gibt. Sie schaffen die Grundlage. 

Gleichzeitig muss die LINKE stärker ausbuchstabieren, was für zivile Hilfe sie der Ukraine bieten kann. Alles andere wirkt wie Teilnahmslosigkeit angesichts des Leids und ist einer internationalistischen Partei unwürdig. Dazu gehören etwa die Forderung nach einem Schuldenschnitt, die Zusage zur Hilfe beim Wiederaufbau sowie eine Verstärkung der medizinischen und humanitären Hilfe. Die unbegrenzte Aufnahme russischer Deserteure übt weit stärkeren Druck auf Russland aus als die meisten der über 30.000 Sanktionen. Eine humanitäre Partei muss darüber hinaus auch die Aufnahme ukrainischer Deserteure befürworten. Niemand darf in einen Krieg gezwungen werden. Diese und weitere zivile Schritte auszubuchstabieren, wäre die Aufgabe einer Linken, die wirklich Friedenspolitik machen will und den Fokus auf rein militärische Lösungen ablehnt. Dieser Krieg wird absehbar noch lange dauern. Wer Frieden will, braucht deshalb einen langen Atem.