Seit einiger Zeit häufen sich Publikationen, die eine umfassende Verdrängung menschlicher Arbeit aus den gesellschaftlichen Produktions- und Dienstleistungsprozessen in Folge eines neuen Schubs der Digitalisierung und Automatisierung vorhersagen. Genannt seien Brynjolfsson und McAfee (2014), Frey und Osborne (2013) und die darauf beruhenden Studien von Bowles (2014) sowie von Brzeski und Burk (2015).

Ähnliche Prognosen gibt es bereits seit den 1990er Jahren. Die »digitale Revolution« würde zu tief greifenden Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt führen. Ein Ende der Arbeit (Rifkin 1995) oder ein Kapitalismus ohne Arbeit (Beck 1996) wurden beschworen. Gemeint war, dass die Erwerbsarbeit, insbesondere die in der materiellen Warenproduktion, auf einen Bruchteil zurückgehen und dies Massenerwerbslosigkeit und Prekarisierung in bisher ungekannten Dimensionen nach sich ziehen würde. Einige philosophierten gar über das vermeintliche Ende der Arbeitsgesellschaft, damit der Wertproduktion und des Kapitalismus insgesamt (Gruppe Krisis 1999). Die Realität blamiert diese Spekulationen. Grundsätzlich ist die Diskussion über die Beschäftigung vernichtende Wirkung neuer Techniken so alt wie die Industrie und der Kapitalismus selbst. In der Regel wird dabei aber nicht nur die Wachstumsdynamik kapitalistischer Produktion unterschätzt, sondern auch der Umstand, dass Erwerbsarbeit zunehmend außerhalb der im engeren Sinne materiellen Produktion stattfindet, dort aber ebenso produktive, Wert schaffende Arbeit ist.

Tatsächlich ist die Zahl der Erwerbstätigen und der Lohnarbeitenden in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen, und in den meisten Ländern gilt dies auch für die Zahl der geleisteten Erwerbsarbeitsstunden. Die Zunahme von Erwerbslosigkeit war Ergebnis ökonomischer Krisenprozesse. In der EU speziell hing sie mit Folgen der globalen Finanzkrise und der Eurokrise und nicht mit Technologiesprüngen zusammen. Auch die Ausweitung prekärer Beschäftigung und die Umverteilung zugunsten von Kapitaleinkommen und höher bezahlten Gruppen der Beschäftigten sind mit ökonomischen, sozialen und politischen Entwicklungen wie der anhaltenden Massenerwerbslosigkeit, der fortschreitenden Globalisierung und Entwicklung des Finanzkapitalismus, der Durchsetzung des Neoliberalismus und einer Politik der Liberalisierung der Arbeitsmärkte, der Schwächung der Gewerkschaften und des Abbaus des Sozialstaats zu erklären. Informations- und Kommunikationstechniken spielen dabei zwar eine Rolle, sind aber nicht die unmittelbaren Ursachen.

Die eingangs genannten Studien beschreiben nun eindrucksvoll die neue Dimension und Wucht der digitalen Revolution des 21. Jahrhunderts. Vor allem durch lernende Maschinen, künstliche Intelligenz und Roboter entwickeln sich Möglichkeiten der Automatisierung menschlicher Tätigkeiten, die bis vor Kurzem noch als rationalisierungsresistent gelten konnten. Sind diese Prognosen also wirklich von neuer Qualität und die drastischen Befürchtungen entsprechend berechtigt?

Beschäftigungsfolgen des neuen Digitalisierungsschubs

»Roboter gefährden 59 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland« (Focus Online, 2.5.2015) oder: »Maschinen könnten 18 Millionen Arbeitnehmer verdrängen« (Die Welt, 2.5.2015). So lauten spektakuläre Überschriften in deutschen Medien. Die Autoren entsprechender Studien argumentieren deutlich vorsichtiger. Aufgrund eines komplexen theoretischen Modells ermitteln beispielsweise Frey und Osborne unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten, nach denen heutige Tätigkeiten oder Berufe in einer nicht näher bestimmten Zukunft durch Automatisierung wegfallen könnten. Gleiches gilt für die Studien von Bowles zum europäischen und von Brzeski und Burk zum deutschen Arbeitsmarkt, die methodisch daran anschließen. Wie viele Arbeitsplätze in welchen Zeiträumen tatsächlich wegfallen werden und wie sich die Zahl der Beschäftigten folglich entwickeln wird, kann auf dieser Grundlage nicht ermittelt werden.

Dabei ist unbestritten, dass große Umbrüche bevorstehen oder bereits im Gang sind. Allein die Verbreitung von PersonalComputern seit den 1980er Jahren und die massenweise Nutzung von Internet, Handys und Smartphones haben Arbeit und Leben enorm verändert. Die Automatisierung wird immer weitere Bereiche und Tätigkeiten erfassen, und dies wird gravierende Auswirkungen für die betroffenen Beschäftigten haben. Millionen Jobs werden wegfallen oder entwertet werden. Mit vielen neuen Arbeitsverhältnissen in der digitalisierten Wirtschaft sind große Probleme und Anforderungen sozialer Gestaltung und Absicherung verbunden. Aber: Diese Prozesse laufen schrittweise ab, sie brauchen Zeit und betreffen immer nur einen Teil der Arbeitsplätze.

Die genannten Studien sind aus verschiedenen Gründen mit Vorsicht zu betrachten. Zunächst beruhen sie auf allgemeinen Beschreibungen, nicht auf der Betrachtung konkreter Tätigkeiten von Personen in ihren betrieblichen und ökonomischen Zusammenhängen und mit deren Schnittstellen zu anderen Beschäftigten, Tätigkeiten und ökonomischen Prozessen. So sind Zweifel angebracht, wenn etwa für Berufe in der Buchhaltung eine Automatisierungswahrscheinlichkeit von 98 Prozent ausgewiesen wird, von 97 Prozent für Kaufleute im Kurier-, Express- und Postbereich, von 93 Prozent für Lager-, Post- und Zustelltätigkeiten (vor allem durch Drohnen) und von 92 Prozent für VerkäuferInnen (Brzeski/Burk 2015, 4).

Es ist davon auszugehen, dass viele dieser Arbeitsplätze erhalten bleiben werden, weil die volle Automatisierung sich doch schwieriger darstellt. So erfordert die Einführung neuer Techniken große Investitionen. Selbst wenn sich neue Computertechnik und Software, Roboter und andere automatische Maschinen ständig weiter verbilligen, sind die Anschaffung von vielen Millionen dieser Geräte, die Umstellung der Produktionsabläufe und Anlagen sowie der Aufbau der Netzinfrastrukturen mit großem Arbeitsaufwand verbunden. Die damit einhergehenden Schwierigkeiten und Kosten werden dazu beitragen, dass die neuen Techniken erst nach und nach die verschiedenen Betriebe und Wirtschaftsbereiche durchdringen.

Auch in der Produktion der neuen Automaten wird die Automatisierung fortschreiten, und per Saldo wird gesamtwirtschaftlich für die gleiche Produktion deutlich weniger Arbeit benötigt werden als heute. Aber auch hier wird die Einsparung geringer ausfallen, als wenn nur die Automatisierbarkeit der gegenwärtig bestehenden Produktionen betrachtet wird. Es muss davon ausgegangen werden, dass gleichzeitig neue Produktionen entstehen werden und die Produktion insgesamt wachsen wird. Eine Expertise des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Bonin u.a. 2015) kommt mit einem Ansatz, der von Tätigkeitsstrukturen am Arbeitsplatz statt von Berufen ausgeht, ebenfalls zu deutlich geringeren Automatisierungswahrscheinlichkeiten (vgl. ebd., 14). Da vermehrt komplexe nicht automatisierbare Arbeiten anfallen und aufgrund makroökonomischer Anpassungsprozesse könne »der Effekt auf die Gesamtbeschäftigung daher durchaus positiv ausfallen« (ebd., 22). Die bisherige empirische Evidenz lasse jedenfalls »eher keine negativen Effekte auf die Gesamtbeschäftigung erwarten« (ebd.).

Allerdings ist zu vermuten, dass Digitalisierungsprozesse zur Entstehung neuer und zur Vertiefung bestehender sozialer Spaltungen beitragen. Besonders bedroht sind Geringverdienende und Geringqualifizierte (vgl. ebd., 25). Vor allem einfache Tätigkeiten in der Fertigung werden abnehmen, Jobs von IT-Spezialisten und in der Software-Entwicklung hingegen stark zunehmen. Die Arbeitskostenvorteile traditioneller Niedrigkostenstandorte könnten durch die Digitalisierung schrumpfen, was es wiederum attraktiver machen würde, zuvor Offshore ausgelagerte Jobs wieder zurückzuholen (vgl. Lorenz u.a. 2015, 3).

Für Länder, die in der internationalen Arbeitsteilung darauf spezialisiert sind, die Automatisierungstechniken zu produzieren, könnten tatsächlich Beschäftigungsgewinne entstehen. Darauf setzen offenbar die deutsche Industrie und die Bundesregierung mit ihrer Hightech-und-Industrie-4.0-Strategie. Als Kehrseite drohen allerdings umso größere Beschäftigungsverluste in anderen Ländern, die Automatisierungstechnik nur anwenden, ohne sie selbst zu produzieren. Weniger entwickelte Länder würden so noch weiter abgehängt. Die außenwirtschaftlichen Überschüsse Deutschlands und die davon ausgehenden internationalen Ungleichgewichte und Verschuldungsverhältnisse würden damit fortgeschrieben oder noch gesteigert. Über kurz oder lang wird dies zu neuen Krisen führen.

Um zu einer realistischen Einschätzung der absehbaren künftigen Beschäftigungsentwicklung zu kommen, reicht es entsprechend nicht aus, technische Möglichkeiten oder nur bestimmte Wirtschaftssektoren zu untersuchen. Es müssen der gesamtgesellschaftliche Arbeitskörper und gesamtwirtschaftliche Entwicklungen betrachtet werden.

Gesamtwirtschaftliche Projektionen

In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung kann das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Produkt aus der jeweils gesamtwirtschaftlich durchschnittlichen Arbeitsproduktivität (als BIP/Erwerbsarbeitsstunde), der Arbeitszeit je Erwerbstätigen (in Erwerbsarbeitsstunden/ Jahr) und der Zahl der Erwerbstätigen dargestellt werden. Das Erwerbsarbeitsvolumen (und bei konstanter durchschnittlicher Arbeitszeit auch die Beschäftigung) sinken dann, wenn das Wachstum der Arbeitsproduktivität höher ist als das des preisbereinigten BIP.

Was heißt das für unseren Fall? Wenn wir ausgehend von den genannten Studien annehmen, dass in den nächsten 20 Jahren die Hälfte der bisherigen Arbeitsplätze wegrationalisiert wird, würde das eine Verdopplung der Arbeitsproduktivität über diesen Zeitraum bedeuten. Dies entspräche ihrem durchschnittlichen Anstieg um 3,5 Prozent pro Jahr. Das wäre keine historisch neue Qualität. In den 1970er Jahren stieg die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität je Stunde in Deutschland noch um knapp vier Prozent jährlich, seit dem Jahr 2000 bisher allerdings nur um etwa ein Prozent. Trotz aller wissenschaftlich-technischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte hat sich gesamtwirtschaftlich betrachtet der Zuwachs der Arbeitsproduktivität also verlangsamt. Eine Ursache dafür ist die insgesamt schwache Wirtschafts- und Investitionsentwicklung und die Ausweitung von Niedriglohnbeschäftigung in den letzten Jahrzehnten.

Vor allem aber ist das durch den Strukturwandel bedingt: Wenn in bestimmten Zweigen besonders starke Produktivitätszuwächse stattfinden, der Bedarf an den Produkten dieses Wirtschaftszweigs aber nicht in gleichem Maße wächst, dann wird der Anteil dieses Zweiges an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und Beschäftigung immer kleiner und weitere Produktivitätssteigerungen in diesem Zweig fallen gesamtwirtschaftlich immer weniger ins Gewicht. Gleichzeitig wächst der Anteil bisher weniger rationalisierbarer Tätigkeiten am gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumen und an der Wertschöpfung. Im Zuge dessen ist der Anteil der Industriebeschäftigten in Deutschland seit den 1950er Jahren von etwa der Hälfte auf ein Viertel gesunken, während der Anteil der Beschäftigung in vielfältigen und auch neuen Dienstleistungsbereichen von etwa einem Drittel auf fast drei Viertel anstieg.

Nun werden durch die Digitalisierung Arbeiten automatisierbar, die es bisher nicht waren. Das betrifft auch einen großen Teil der Dienstleistungen. Doch auch hier gilt: Die Tätigkeiten, die weniger automatisierbar sind, werden einen zunehmenden Anteil am gesamtgesellschaftlichen Arbeitsvolumen ausmachen. Das wiederum wird die gesamtwirtschaftlichen Zuwächse der Arbeitsproduktivität mindern, sie werden also deutlich geringer sein als die oben genannten 3,5 Prozent im Jahr. Es erscheint daher insgesamt realistisch, wenn die meisten langfristigen Projektionen von einer Steigerung der Arbeitsproduktivität in den kommenden Jahrzehnten um etwa 1,5 Prozent im Jahr ausgehen. Das wäre immerhin eine Stabilisierung gegenüber dem bisherigen langfristigen Trend abnehmender Produktivitätszuwächse.

Auf einer solchen Grundlage haben das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und das Bundesinstitut für Berufsbildung gemeinsame Projektionen zur Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufsfelder bis 2030 veröffentlicht (Maier u.a. 2014). Dabei zeigt sich ein zunehmender Bedarf vor allem bei Gesundheits- und Sozialberufen, deren Tätigkeiten bisher kaum rationalisierbar sind, und ein Rückgang des Arbeitsvolumens bei be- und verarbeitenden Berufen, in Büroberufen und im Verkehrs-, Lager- und Transportbereich. Die Beschäftigtenstruktur verschiebt sich zugunsten personenbezogener und wissensbasierter Dienstleistungen. Tätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen werden weiter abnehmen, aber keineswegs verschwinden.

Der erwartete leichte Rückgang der Gesamtbeschäftigung resultiert nicht aus Automatisierungswirkungen, sondern aus dem angenommenen Bevölkerungsrückgang bei einer Nettozuwanderung von 200.000 Personen pro Jahr. Vor dem Hintergrund verstärkter Zuwanderung werden hier Modifikationen anzubringen sein. Die Erwerbsquoten sollen sogar steigen, die durchschnittliche Jahresarbeitszeit weitgehend gleich bleiben.

Die Forscher erwarten, dass es sich bei den Erwerbstätigen weiterhin zu 88 Prozent um abhängig Beschäftigte handeln wird, bei weitgehend unveränderten Jahresarbeitszeiten, also überwiegend in Vollzeit.

Ökonomische Bedingungen und Probleme

Bei den erwähnten und auch weiteren Prognosen und Projektionen wird eine positive und weitgehend krisenfreie Wirtschaftsentwicklung zugrunde gelegt. Da hier allerdings erhebliche Zweifel angebracht sind, beziehen sich diese auch auf die positiven Beschäftigungsentwicklungen. Grundsätzlich sind Massenerwerbslosigkeit sowie die Entwicklung der Beschäftigung immer gesellschaftlich und ökonomisch bedingt, nicht technologisch. In der kapitalistischen Produktionsweise werden neue Techniken von Unternehmen eingesetzt, um höhere Profite zu erzielen beziehungsweise die Profite in der Konkurrenz zu sichern. ›Freisetzung‹ von Arbeitskräften, Massenerwerbslosigkeit und Krisen sind dabei normale, immer wieder auftretende Erscheinungen.

Allerdings wirken auch unter kapitalistischen Verhältnissen Mechanismen, die eine Umsetzung von technologischen Fortschritten und Rationalisierungsgewinnen in wachsende Produktion und steigende Realeinkommen ermöglichen. Kapitalistische Produktion ist auf Akkumulation und Wachstum gerichtet, neue Unternehmen werden gegründet, kreditfinanzierte Investitionen schaffen zusätzliche Nachfrage. Die Konkurrenz und die Verallgemeinerung von neuen Techniken drücken auf die Preise der Waren und begrenzen die Profite. Der Anteil der Löhne und anderen Masseneinkommen am Volkseinkommen ist aus ökonomischen Gründen und in Folge der Klassenkämpfe nur in Grenzen zu senken. Steigende Realeinkommen führen zu steigender Nachfrage nach mehr von den bisher konsumierten oder nach neuen, bisher nicht oder wenig nachgefragten Produkten, seien es neue Technikprodukte oder Dienstleistungen aller Art. Neue Techniken führen nicht nur zu Rationalisierung (Prozessinnovation), sondern auch zu neuen Produkten (Produktinnovation), die zusätzliche Nachfrage und Produktion auslösen. Dadurch entstehen ständig neue Arbeitsplätze (und Wertschöpfung), die wegrationalisierte kompensieren können. Wenn diese Mechanismen nicht über alle Krisenprozesse hinweg langfristig funktioniert hätten, sähe die kapitalistische Welt zumindest in den entwickelten Zentren Europas, Nordamerikas und Japans nach den gewaltigen Produktivitätszuwächsen der vergangenen 200 Jahre völlig anders aus.

Die eigentlich relevante Frage für die künftigen Arbeitsmarktentwicklungen ist also, ob und wie die Umsetzung von Produktivitätszuwächsen in höhere Masseneinkommen – und/ oder sozial gesteuerte Arbeitszeitverkürzung – auch unter Bedingungen eines globalisierten neoliberalen Finanzkapitalismus erreicht beziehungsweise wie dieser eingeschränkt und zurückgedrängt werden kann. Die Unternehmer und ihre neoliberalen Interessenvertreter versuchen, den neuen Digitalisierungsschub zur Schwächung von Beschäftigten und Gewerkschaften und zur Stärkung der Macht und der Verteilungsposition des Kapitals zu nutzen. Sie zielen auf eine einseitige Aneignung der Rationalisierungsgewinne beziehungsweise ›Digitalisierungsdividende‹ in Form höherer Gewinne und Vermögenseinkommen. Wenn die transnationalen Konzerne und die Reichen diese Profite zu großen Teilen nicht wieder im Inland investieren, sondern in Finanzanlagen oder profitablere Investitionen in anderen Teilen der Welt stecken, wären längere ökonomische Stagnations- und Depressionsphasen zu befürchten. Dann würden tatsächlich zunehmende Massenerwerbslosigkeit, soziale Spaltung, Polarisierung und dauerhafte Ausgrenzung von wachsenden Teilen der Bevölkerung aus regulärer Erwerbstätigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe drohen.

Aufgaben und Perspektiven

Ein solches Negativszenario ist jedoch keineswegs zwangsläufig, sondern hängt von den konkreten ökonomischen Entwicklungen und von den Ergebnissen der Klassenkämpfe und politischen Gestaltungen ab. Und das Hauptproblem wären auf jeden Fall die soziale Spaltung und Prekarisierung, nicht ein technologisch bedingter Zusammenbruch der Beschäftigung insgesamt. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Gewerkschaften und die gesellschaftliche Linke?

Die Gewinne aus steigender Arbeitsproduktivität müssen durch eine progressive Verteilungs-, Steuer- und Sozialpolitik für den Fortschritt der ganzen Gesellschaft genutzt werden. Primär ist die Durchsetzung höherer Reallöhne und verkürzter Arbeitszeiten mindestens im Maße des gesellschaftlichen Produktivitätszuwachses. Erkämpfte Rechte und Tarife sowie möglichst viele bestehende Arbeitsplätze müssen gesichert, möglichst »gute Arbeit« im digitalen Umbruch muss durchgesetzt werden. Es geht zugleich um eine solidarische Lohnund Einkommenspolitik, die Dumpingentgelte verhindert, insbesondere niedrige Verdienste erhöht und relativ unterbezahlte Tätigkeiten, oft ›Frauenberufe‹, aufwertet.

Zentrale Ziele müssen die soziale Absicherung und Regulierung aller Erwerbstätigkeit sein, insbesondere auch bisher prekärer und unregulierter Arbeit von Solo-Selbstständigen und der »Crowd in der Cloud«. Es muss verhindert werden, dass die Digitalisierung genutzt wird, um die Schutzrechte und Einkommensansprüche der Arbeitenden zu unterlaufen oder Sozialbeiträge oder Steuerzahlungen zu umgehen. Die Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitenden und der Gewerkschaften müssen gestärkt werden. Und es geht um die Ausweitung und solidarische Finanzierung gesellschaftlich sinnvoller Beschäftigung in sozialstaatlich organisierten, für alle zugänglichen und ökologisch verträglichen Dienstleistungen und Infrastrukturen. Der ver.di-Bundeskongress 2015 hat in einem umfangreichen Beschluss »Gute Arbeit und gute Dienstleistungen in der digitalen Welt« konkretere Anforderungen formuliert.

Es handelt sich hier zunächst um Forderungen, die sich innerhalb eines kapitalistischen Rahmens bewegen. Ihre Durchsetzbarkeit hängt von den gesellschaftlichen und politischen Kräfteverhältnissen ab, insbesondere von der Stärke der Gewerkschaften und der Linken. Die Organisierung und tarifliche Regulierung der neuen und wachsenden Beschäftigungsbereiche und -formen muss entschieden vorangetrieben werden. Das wird aber nicht reichen, unumgänglich sind gesetzliche Regelungen und eine andere Politik, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Europäischen Union.

Je mehr automatische Maschinen und Roboter und große gesellschaftliche Infrastrukturen und Netze die Grundlagen der Reichtumsproduktion bilden, desto mehr stellt sich darüber hinaus die Frage nach der gesellschaftlichen Verfügung über diese und der Überwindung privaten Eigentums daran, also nach sozialistischen Alternativen jenseits des Kapitalismus. Erst recht, wenn kleine superreiche Minderheiten sich immer größere Anteile des Reichtums in Form von Kapitalerträgen und Monopolrenten aneignen. Diese Diskussion voranzutreiben und mit den Kämpfen der Arbeitenden um ihre Rechte und Ansprüche zu verbinden – statt dies etwa gegeneinander zu stellen – , ist die besondere Aufgabe von SozialistInnen und Linken.