Lange Zeit schien es, Spanien sei vor einem Aufstieg der radikalen Rechten, wie er in anderen Ländern zu beobachten ist, gefeit. Schließlich hatte sich der in die Gesellschaft eingeschriebene Franquismus hinter dem Kürzel der spanischen Volkspartei Partido Popular (PP) zurückgezogen. Zudem beschränkten vier Jahrzehnte franquistischer Herrschaft die Attraktivität rückwärtsgewandter Vorstellungen. Nicht zuletzt hatte sich die Unzufriedenheit im Kontext der Krise – dank der Indignados der Bewegung des 15. Mai (15M) – in eine linke Richtung kanalisiert. Vor einigen Jahren waren diese Annahmen noch korrekt, doch die Zeiten haben sich geändert.Offensichtlich wurde der politische Wandel bei den Wahlen in der Region Andalusien am 2. Dezember 2018. In Andalusien hatte die Linke traditionell eine hegemoniale Stellung inne gehabt, dominiert von der allgegenwärtigen sozial-demokratisch orientierten PSOE. Zugleich war die Region eine historische Bastion der linken Partei Izquierda Unida (IU) gewesen. Noch bei den Regionalwahlen 2015 hatte Podemos in Andalusien zudem ihr bestes Ergebnis einholen können.

Ende 2018 hat die radikale Rechte nun ihren ersten Wahlerfolg seit der Wiedereinführung der Demokratie 1977: Vox, eine rechte Abspaltung der Partido Popular (PP), ähnelt dabei mehr dem Spätfranquismus als dem rechten Populismus, der Länder wie Italien in seinen Bann gezogen hat; sie ist eher liberal als protektionistisch ausgerichtet wie die sich staatsmännisch gebende Rechte in Frankreich.

Den zwölf Sitzen von Vox im andalusischen Parlament kommt eine entscheidende Rolle zu, um der konservativen PP und der wirtschaftsliberalen Ciudadanos die Regierung in einer autonomen Region mit 8,5 Millionen Einwohner*innen zu sichern, deren Fläche der Größe Portugals entspricht. Die PSOE hat damit Andalusien nach 36 Jahren an der Regierung verloren: Die andalusische Bevölkerung kannte keine Regionalpräsident*innen einer anderen Partei.

Vox erhält nun die Möglichkeit, jene Themen auf die Agenda zu setzen, die überall in Europa von der radikalen Rechten propagiert werden: Mauern gegen die Einwanderung, Panikmache zum Thema Innere Sicherheit, die Kriminalisierung muslimischer Symbole und Aktivitäten – auch die Forderung, man solle am andalusischen Nationalfeiertag der spanischen Reconquista gedenken, der ‚Befreiung‘ vom Islam – und nicht zuletzt die Bekämpfung der ‚Gender-Ideologie‘.

Aufstieg und Ende der ersten Regierung Sánchez

In den Jahren 2014 und 2015 schien es, als käme der Aufstand von links, als würde er die Grenzen der Sozialdemokratie hinter sich lassen, als habe der Geist der 15M eine komplette Neuordnung der bis dato gültigen politischen Landkarte Spaniens bewirkt. Die Monarchie geriet so sehr ins Wanken, dass König Juan Carlos nach den Europawahlen 2014 unter dem Druck von Finanzskandalen und Korruption abdanken musste. PP und PSOE waren weit von den 80 Prozent entfernt, die sie vor nicht allzu langer Zeit noch gemeinsam erzielt hatten – bis heute kommen sie in Umfragen zusammen auf nicht einmal 45 Prozent. Die linke IU wusste den politischen Moment nicht zu deuten und setzte auf eine Rochade nach innen anstatt nach außen und auf die neuen politischen Kräfte. Podemos und einige kommunale – besser munizipalistische – Plattformen verwandelten den Aufstand schließlich in Wählerstimmen. Es gelang ihnen – in Anbetracht der Erschöpfung des Regimes von 1978 (dem Verfassungskompromiss der Transition von der Diktatur zur Demokratie) und des Zweiparteiensystems, der Folgen der Austeritätspolitik und der Korruptionsskandale –, eine neue Form der Politik vorzuschlagen.

Podemos holte Ende 2015 landesweit fünf Millionen Stimmen. Die IU konnte ihre eine Million Wählerstimmen halten und gemeinsam gelang es ihnen, die Stadtverwaltungen der größten spanischen Städte wie Madrid, Barcelona oder Zaragoza zu übernehmen. Doch die Hoffnung, die Demokratie und die Macht für die Mehrheit zurückzuerobern – wie Jeremy Corbyn es formulieren würde –, für die Leute von unten – wie es bei Podemos heißt – oder für die popularen Klassen – wie IU sich ausdrückt –, trübte sich 2016 und dunkle Wolken zogen auf.

Nach den Parlamentswahlen im Dezember 2015 gelang es weder Mariano Rajoy (PP) noch Pedro Sánchez (PSOE), sich eine eigene Mehrheit zur Regierungsbildung zu sichern, weshalb die Wahlen im Juni 2016 wiederholt werden mussten. Die Neuwahl hatte verschiedene Folgen: Die PP holte sich Stimmen von Ciudadanos zurück, die PSOEsackte weiter ab und der Zusammenschluss von Podemosund IU ermöglichte ihnen zwar, ihre Sitze zu halten, doch verloren sie mit dieser Taktik eine Million Stimmen. Alles war wie zuvor, nur der Abstand zwischen der PPund den anderen Parteien hatte sich vergrößert.

Unter diesen Bedingungen , und weil die strukturkonservativsten Teile der PSOE Pedro Sánchez den Parteivorsitz in einem Coup entzogen (vgl. Andrade 2016) und die sozialistische Partei sich enthielt, wurde Rajoy erneut zum Präsidenten gewählt. Doch der Sieg war nur von kurzer Dauer, da die PP wegen ihrer Korruptionsskandale weiter im juristischen Morast versank und es Pedro Sánchez gelang, den innerparteilichen Krieg auf dem Parteikongress der PSOE im Jahr 2017 für sich zu entscheiden. Damit endete die de facto existierende große Koalition zwischen PP und PSOE. Auf einmal saß Rajoy zwar noch im Moncloa-Palast, hatte jedoch das Abgeordnetenhaus gegen sich. Er regierte zwar, aber ohne Mehrheit.

Der Todesstoß für die PP kam schließlich in Form des Urteils im Fall Gürtel, bei dem das Korruptionsgeflecht innerhalb der Partei gerichtlich bestätigt wurde. Derweil konnte sich Pedro Sánchez von den Fesseln der regionalen Parteiführungen losmachen, die ihn 2015 noch zu einem fruchtlosen Pakt mit Ciudadanos gezwungen hatten – jene Partei, die mithilfe der rechtsextremen Vox in den andalusischen Präsidentschaftspalast eingezogen ist – und zugleich ein Bündnis mit den Linken (Podemos und IU) sowie mit den Unabhängigkeitsparteien verhinderten.

2018 ist nicht 2016: Sánchez hat mit seiner Neuauflage des Pakts von San Sebastián im Mai 2018 viel riskiert und gewonnen. Mit dem Pakt von San Sebastián im August 1930 hatte die republikanische Opposition gegen Alfons XIII gemeinsam mit den katalanischen und galicischen Nationalist*innen die Grundlagen für die Zweite Spanische Republik geschaffen. 2018 brachte die linke Opposition zusammen mit den katalanischen, baskischen und galicischen Nationalist*innen die Regierung Mariano Rajoys durch ein Misstrauensvotum zu Fall. So zog die PSOE mit Pedro Sánchez als Ministerpräsident in den Moncloa-Palast. Der Pakt von San Sebastián – 2018 mit dem Misstrauensvotum gewissermaßen neu aufgelegt – bedeutete damals einen neuen Aufbruch durch die Allianz von Linken und nationalistischen Kräften. Zum ersten Mal war die territoriale Frage fundamentaler Bestandteil des spanischen Projekts. Im Gegensatz zu damals schuf das Misstrauensvotum gegen Mariano Rajoy jedoch keine Grundlage für ein neues Spanien. Weder wurde damit ein neues gesellschaftliches oder wenigstens Staatsprojekt verfolgt, noch taugte das kurzfristige Bündnis für das politische Tagesgeschäft: Denn die Koalition, die Pedro Sánchez an die Regierung brachte, brachte ihm nicht die Stimmen, die er zum Regieren benötigt.

Während sich Pedro Sánchez die Stimmen von Nationalist*innen und Pro-Unabhängigkeitsparteien für den Misstrauensantrag gegen Mariano Rajoy sichern konnte, lief jedoch zeitgleich ein Gerichtsverfahren gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, aufgrund dessen Politiker*innen in Untersuchungshaft sitzen und weitere führende Figuren im Exil ausharren, um dem Gefängnis zu entgehen. Man legt ihnen den Straftatbestand der Rebellion zur Last, weil sie die gesellschaftliche und politische Mobilisierung für eine Unabhängigkeit Kataloniens angeführt haben, die mit dem Referendum vom 1. Oktober 2017 ihren Höhepunkt erreichte. Der Eingriff in die katalanische Autonomie durch die Rajoy-Regierung mit Unterstützung von PSOE und Ciudadanos erfolgte unter Anwendung des Artikels 155 der Verfassung – diese Maßnahme war in den 40 Jahren seit der Wiedereinführung der Demokratie in Spanien niemals angewendet worden.

Monate nachdem Pedro Sánchez seinen Amtseid am 2. Juni 2018 leistete, ist die Situation in Katalonien unverändert: Politische Gefangene sitzen in Untersuchungshaft und zentrale Politiker*innen befinden sich im Exil. Deshalb verharrt die Regierung Sánchez weiterhin im Niemandsland ohne Mehrheit im Parlament. Hinzu kommt, dass sich Sánchez dem Druck der drei konservativen Parteien – PP, Ciudadanos und Vox – ausgeliefert fühlt. Und zwar nicht nur beim Thema Katalonien, sondern auch in einem so außenwirksamen Anliegen wie Venezuela, bei dem der Ministerpräsident sich sogar an die Spitze der EU-Regierungen im Schulterschluss mit der Politik Donald Trumps und der konservativen Regierungen Lateinamerikas gestellt hat.

Die erste Folge der Einkapselung des katalanischen Problems war, dass es der Regierung nicht gelungen ist, ihr wichtigstes Gesetz zu beschließen, mit dem sie sich am deutlichsten von der Rechten abgrenzen könnte: den Haushalt, mit dem sie bestimmt, welche Ausgaben prioritär sind. Obwohl Sánchez mit Unid@s Podemos einen Haushaltsplan vereinbart hat, geht die Rechnung für ihn nicht auf, da er ohne die Stimmen der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter*innen nicht regieren kann. Dabei enthält der Plan so wichtige Maßnahmen wie die Erhöhung des allgemeinverbindlichen Mindestlohns auf 900 Euro – das wäre ein monatlicher Zuschlag von 200 Euro – oder die Anpassung der Renten an die Inflation – seit dem Beginn der Krise vor einem Jahrzehnt wurden die Renten den Lebenshaltungskosten nicht mehr angeglichen und in einigen Jahren sogar eingefroren. Die nötigen Stimmen wird er kaum erhalten, solange der Vorsitzende der katalanischen Linken Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), Oriol Junqueras, im Gefängnis weilt und der Ex-Präsident der Regionalregierung von Katalonien, Carles Puigdemont, im belgischen Waterloo ausharrt.

Die Wahl in Andalusien zeigt, dass der Erfolg der radikalen Rechten in Spanien wird keine Anekdote bleiben wird. Vielmehr droht die Unzufriedenheit im Land deutlich sich nun nach rechts zu kanalisieren, während die Linke geschwächt wird und das Land sich polarisiert. Es zeigt sich auch, dass sich die Rechte gegenseitig verstärkt, dass sich der Pakt von Andalusien nach den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai 2019 auch andernorts übertragen lässt, nachdem die Landkarte der institutionellen Macht in Spanien auf den Kopf gestellt wurde – vielleicht sogar in der Zentralregierung. Was sich mit dem andalusischen Pakt ankündigt, kann für die Linke und ihre Mach in den Institutionen, katastrophale Folgen haben.

Die PSOE-Regierung unter Sánchez ist weder eine, die sich aus Parteikadern rekrutiert, noch hält sie sich an die klassischen Gleichgewichte innerhalb der Partei mit Quoten für parteiinterne Gruppierungen und regionale Verbände. Ganz im Gegenteil: Sie ist eine Regierung aus dem Moncloa-Palast für den Moncloa-Palast, eine Regierung, die mit politischer Strategie entwickelt wurde, aber nicht in der Partei verankert ist.

So hat Sánchez das erste Regierungskabinett in der Geschichte Spaniens gebildet, das mehr Frauen als Männer umfasst und dem Nicht-Parteimitlieder angehören – Màxim Huerta und José Guirao (Kultur), Nadia Calviño (Wirtschaft), der Richter Fernando Grande-Marlaska (Inneres) und sogar der Astronaut Pedro Duque (Wissenschaft). In der zweiten Reihe finden sich zudem Gesichter, die traditionell zum Umfeld von IU gehören. Darunter Luís García Montero, Dichter und Ex-Kandidat der IU bei den Regionalwahlen von Madrid 2015, der heute dem Instituto Cervantes (dem Pendant zum deutschen Goethe-Institut) vorsteht, oder Joan Herrera, ehemaliger Koordinator der grünen Partei Iniciativa per Catalunya Verds (ICV), Verbündeter der IU und Podemos in Katalonien sowie Direktor des Instituts für Diversifizierung und Energieeinsparung im Umweltministerium.

Der Glanz war teilweise nur von kurzer Dauer: In den ersten Wochen traten gleich zwei seiner Minister*innen zurück, das hatte es in der jüngsten Geschichte Spaniens noch nicht gegeben. Zuerst ging der Kultusminister Màxim Huerta, als bekannt wurde, dass der frühere Fernsehjournalist wegen Steuerhinterziehung vom Finanzamt abgestraft worden war. Danach trat die Gesundheitsministerin Carmen Montón zurück, die für einen Masterabschluss an der Universität Juan Carlos eine Vorzugsbehandlung genossen hatte. Es waren nicht die einzigen Skandale, doch Sánchez beschloss, keine weiteren Minister*innen zu entlassen.

Neben den genannten Fällen wurde bekannt, dass sowohl Pedro Duque als auch Nadia Calviño ihre Wohnungen über Vermögensgesellschaften gekauft hatten, um auf diese Weise Steuern zu sparen. Ebenfalls erfuhr man, dass Außenminister Josep Borrell von der Börsenaufsicht mit einer Strafe belegt wurde, weil er Insiderinformationen beim Aktienverkauf von Abengoa weitergegeben hatte, während er im Vorstand der Firma saß. Nicht zuletzt gerieten verschiedene Aufnahmen in Umlauf, denen zu entnehmen war, dass die Justizministerin Dolores Delgado Umgang mit einigen Protagonist*innen der Unterwelt pflegte, beispielsweise mit dem Geschäftsmann und früheren Kommissar der Nationalen Polizei José Manuel Villarejo, der  – selbst unter Druck – nun Audioaufzeichnungen verbreitet, die das unmoralische Verhalten von Politiker*innen, Unternehmer*innen und Banker*innen, ja sogar von Corinna zu Sayn-Wittgenstein, der vermeintlichen Liebhaberin des früheren Königs Juan Carlos, offenlegen.

Das Eis ist dünn und Sánchez will die Legislaturperiode schnell zu Ende bringen. Aufgrund der fehlenden parlamentarischen Unterstützung zeichnete sich seine Regierung bislang eher durch die Repräsentation nach außen aus.  Dabei bleibt er ständig in Bewegung, als würde ein Innehalten bedeuten, den Regierungspalast zu verlassen: Sánchez und sein Kabinett eilen von einem internationalen Termin zum nächsten, sie verpassen fast keine EU-Ministerratssitzung. Der Präsident ist sogar bis nach Kuba gereist, wo seit den Zeiten von Felipe González kein spanisches Staatsoberhaupt mehr gewesen war.

In diesem Durchhaltemodus mit spärlichen 84 Abgeordneten von insgesamt 350 im Parlament und unter dem zunehmenden Druck seitens der radikalen Rechten, die ihn gemeinsam mit PP und Ciudadanos erfolgreich in die Mangel nehmen, stand Sánchez mit seinem Haushaltsentwurf vor der Abnahme durch das Abgeordnetenhaus. Es war ein kühner Schachzug, die Abstimmung über den Haushalt am Tag nach der Verkündung der Wahlergebnisse in Andalusien anzusetzen. Ziel war, Druck auf die Unabhängigkeitsparteien auszuüben – angesichts der Bedrohung von rechts –, um bis zum Ende der Legislaturperiode durchzuhalten. Einkalkuliert war aber auch eine Ablehnung der Pläne seitens der Unabhängigkeitsbefürworter*innen, um rasch Neuwahlen zu verkünden, während die Linke noch den Schock nach dem Erfolg von Vox verspürte, um so eine breite Mobilisierung zugunsten der PSOE gegen rechts zu nutzen.

Letzteres ist eingetreten: Die Abstimmung über den Haushalt scheiterte. Es ist das erste Mal, dass ein Regierungschef im Amt ist, der seinen Haushalt im Parlament nicht durchbringen konnte. Nun stehen Neuwahlen im April an.

Während die Situation im Jahr 2014 dazu führte, den Geist der Bewegung 15M in eine Demokratisierung von Politik und Wirtschaft umzumünzen und die seit 1977 bestehende politische Landschaft umzuwälzen, wird das Spielbrett fünf Jahre später mit dem Auftritt der radikalen Rechten erneut auf den Kopf gestellt.

Podemos vor der Spaltung?

Angesichts dieser Unsicherheiten haben die Führungen von Podemos und IU ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekräftigt. Die Pressekonferenz von Pablo Iglesias und Alberto Garzón in der Wahlnacht am 2. Dezember 2018 in der Parteizentrale von Podemos war eindeutig: Es stünden düstere Zeiten bevor und es hieße jetzt, Kräfte zu bündeln. Denn Podemos, IU und ihre Verbündeten treten das Wahljahr ohne die Begeisterung von 2014 an, im Wissen, dass ein Sieg in weite Ferne gerückt ist und es darum geht, Positionen zu halten, anstatt, neue zu erobern. Sie wissen, der „Bewegungskrieg“ (Gramsci) von 2014 und 2015 ist einem Stellungskrieg gewichen, in den ein überraschender, neuer Gegner eingegriffen hat.

Die Zusammenarbeit zwischen Iglesias und Garzón läuft hervorragend – anders stehen die Dinge auf den mittleren Ebenen: Groß sind die Schwierigkeiten, diese Einheit in kommunalen und regionalen Kandidaturen zu konkretisieren, an vielen Orten sind Parallelkandidaturen zu befürchten.

Überraschend kündigte Íñigo Errejón, einst engster Mitstreiter von Iglesias, an, in Madrid zusammen mit der Bürgermeisterin Manuela Carmena unter dem Namen Más Madrid eine von Podemos unabhängige Kandidatur aufzustellen. Die Bewegung positioniert sich als Gegenspielerin zur PSOE, um dieser Wähler*innen abspenstig zu machen. Gleichzeitig möchte sie Unid@s Podemos in die linke Schmuddelecke rücken. Der Schachzug von Errejón, mit seiner Partei zu brechen, und der von Carmena, sich von ihren Verbündeten abzuwenden, die sie einst ins Bürgermeisteramt gebracht hatten, löst drei Monate vor den Wahlen ein Erdbeben in der Linken Madrids aus.

Angesichts der nun angreifbareren Carmena, deren Tandem mit Errejón dazu führen könnte, dass Podemos ihre Unterstützung zurückzieht und IU, Anticapitalistas sowie andere soziale Bewegungen eine eigene Kandidatur aufbauen, hat Pedro Sánchez den bekannten und beliebten Basketballtrainer Pepu Hernández als Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters aufgestellt. Für die Regionalwahlen bleibt die Möglichkeit, dass Errejón als unabhängiger Kandidat antritt, während Podemos und IU eine eigene Kandidatur aufstellen. Noch ist Zeit, doch die Wunden sind frisch und es bleibt wenig Spielraum für einen Friedensschluss, der nicht wie bloße Wahltaktik anmutet. Es ist ein riskantes Manöver mit zwei möglichen Ergebnissen: Das Bündnis von Errejón und Carmena scheitert und löst sich nach den Wahlen vom 26. Mai rasch wieder auf; oder aber es ist erfolgreich, Carmena behält ihr Amt und Errejón überholt Podemos bei den Regionalwahlen. Dann könnte es zu einer landesweiten Abspaltung von Podemos kommen.

Was ist in den kommenden Monaten nun das Entscheidende für IU und Podemos? Zunächst müssen beide Parteien sich vom Schlag von Errejón und Carmena erholen. Statt Personenkult in der neuen Partei zu betreiben, muss der partizipative Geist von 2015 wiederbelebt werden und die wichtigsten Positionen in den großen Städten und Kommunen müssen gehalten werden. Es bleibt abzuwarten, ob IU und Podemos das Bürgermeisteramt von Madrid nach dem Bruch von Errejón und Carmena noch als Teil der Linken sehen. Sie müssen die institutionelle Macht an sich ziehen, aber nicht um die PSOE-Regierung zu stützen, sondern, um das an den Urnen gewonnene Kapital in Macht und Einfluss zu verwandeln. In diesem Sinne kann die Auseinandersetzung zwischen Podemos und Errejón in Madrid negative Auswirkungen für Unid@s Podemos im Rest von Spanien haben.

Im Unterschied zu 2014 und 2015 sind die Aussichten diesmal nicht rosig und es fehlt auch an der überbordenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die – gepaart mit dem Enthusiasmus für die neue Partei – damals vielerorts die Urnen gefüllt hat. Die Hoffnungen haben sich am institutionellen Treiben zerstoßen, sei es an der Macht – mit der unvermeidlichen Enttäuschung der Aktivist*innen – oder in der Opposition – gefangen in der vom politischen Gegner definierten Agenda. Doch die Angst vor dem Erfolg der radikalen Rechten sowie dem Verlust von Freiheiten und Bürgerrechten,  und der Geist des antifaschistischen Kampfes und die Polarisierung im Land könnten die Mobilisierung auf der Straße und bei den Wahlen beflügeln.

Aus dem Spanischen von Kristina Vesper und Sebastian Landsberger