Giovanni studierte an der italienischen Universitá Bocconi Wirtschaftswissenschaften, mit der Zielsetzung, das Unternehmen seines Vaters zu übernehmen. Diese Universität war noch in den 1950er Jahren eine Hochburg neoklassischen Denkens. Es folgten zwei Jahre Arbeit im väterlichen Betrieb, wonach er 1960 seine Promotionsschrift Determinants of efficiency in a mechanical industry verfasste. Nach der Dissertation wuchsen seine Zweifel am neoklassischen Denken, dem er keinerlei praktischen Nutzen beimessen konnte. Er wechselte zum University College of Rhodesia and Nyasaland (UCRN) im heutigen Harare (Simbabwe). Unter dem Einfluss der Sozialanthropologen Clyde Mitchell und Jaap van Velsen brach er dort endgültig mit den abstrakt-mathematischen Modellen der Neoklassik. Stattdessen begann er, »das wirtschaftliche Leben als ein in soziale Strukturen eingebettetes zu begreifen«, so seine Beschreibung seines damaligen Wandels. Dieser zeigt sich in seiner Schrift The Political Economy of Rhodesia (1967). Unter der Beschuldigung, er habe die simbabwische Unabhängigkeitsbewegung unterstützt, wurde er als Gegner der britischen Kolonialregierung festgenommen. Er wechselte daraufhin nach Daressalam. In seiner Zeit in Tansania schrieb er zusammen mit John S. Saul mehrere dependenztheoretisch inspirierte Aufsätze, darunter eine Kritik am tropischen Sozialismus: Socialism and Economic Development in Tropical Africa (1968). Giovanni kehrte für einige Jahre nach Italien zurück, lehrte und forschte unter anderem an der Universitá’ di Trento und der Universitá degli Studi della Calabria. In dieser Zeit arbeitete er sich insbesondere an einzelnen marxistischen Diskussionssträngen ab und schrieb eine weit reichende Kritik am Begriff des Imperialismus – The Geometry of Imperialism: The Limits of Hobson’s Paradigm (1978) – und einen historischen Vergleich der großen Weltwirtschaftskrisen seit 1873 – Towards a Theory of Capitalist Crisis (1980). In dieser Periode näherte er sich der Weltsystemanalyse an. 1979 entschloss er sich, einen Ruf als Soziologieprofessor am Fernand Braudel Center an der State University of New York in Binghamton anzunehmen und dort den Weltsystemansatz zusammen mit Immanuel Wallerstein und Terence Hopkins weiter auszuarbeiten. Direktes Ergebnis waren zwei Bücher, die er mit Immanuel Wallerstein, Samir Amin und Andre Gunder Frank herausgab: In Dynamics of Global Crisis (1982) werden die unterschiedlichen weltsystemtheoretische Krisenanalysen miteinander kontrastiert; und Transforming the Revolution: Social Movements and the World System (1990). In der Diskussion mit Immanuel Wallerstein entwickelte Giovanni eine eigenständige Spielart der Weltsystem analyse, die er in der umfangreichen Trilogie The Long Twentieth Century (1994), Chaos and Governance in the Modern World System (1999, zusammen mit Beverly Silver) und Adam Smith in Beijing (2007) ausarbeitete. Zusammen mit Beverly Silver baute er an der Johns Hopkins University in Baltimore seine eigene theoretische Schule auf. Giovanni hatte sich seit den 1990er Jahren vor allem dem Aufstieg Ostasiens gewidmet, den er als zentrale theoretische Herausforderung für die Weltsystemanalyse begriff. Nach Adam Smith in Beijing wollte er sich in seinen letzten Lebensjahren wieder dem Studium der Entwicklung Afrikas zuwenden. Als Vorbereitung hatte er bereits 2007 eine Ehrengastprofessur an der Rhodes University in Grahamstown (Südafrika) angenommen. Die neue Fragestellung konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bearbeiten. In der Diskussion seines Lebenswerks stellte Giovanni vor allem drei Punkte heraus, in denen er sich in der Rezeption missverstanden fühlte. Zunächst betonte er die Eigenständigkeit der Weltsystemsoziologie gegenüber dem Marxismus. Diese Abgrenzung bezog sich auf einzelne Kategorien, etwa die »ursprüngliche Akkumulation« oder das »Finanzkapital«. Weiter lag ihm daran, die Unterschiede seiner Lesart des Weltsystems zu den Konzepten von Immanuel Wallerstein zu betonen und einer Vermischung der beiden Theoriestränge gegenzusteuern. So kritisierte er die einfache Ableitung gesellschaftlicher Prozesse aus der Stellung im Weltsystem. Schließlich betonte er die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus. Seine Krisentheorie erfasst große kapitalistische Krisen als die Krisen von Hegemoniekonstellationen im Weltsystem. Seit den 1990er Jahren machte Giovanni stark, dass die US-amerikanische Hegemonie durch einen ostasiatischen Herausforderer ersetzt werden könnte. Für diese These erntete er oftmals heftige Kritik. Letztlich wurde seine Krisentheorie jedoch durch die Ereignisse der heutigen Weltwirtschaftskrise in vielen Punkten bestätigt. Tragischerweise konnte er diesen Prozess nicht mehr in seine Arbeiten aufnehmen. Giovanni Arrighis Werk umfasst 15 Bücher, die immer wieder für lebhafte Diskussionen in der kritischen Soziologie und Politikwissenschaft gesorgt haben. Sein Tod ist ein großer Verlust.