Die radikale Open-Source-Bewegung stellt die kapitalistischen Eigentumsrechte in Frage und sollte auf viele Bereiche ausgedehnt werden, nicht zuletzt auf die pharmazeutische Industrie als eine der größten Bastionen intellektueller Eigentumsrechte. Die Ausweitung der Gemeingüter ist möglich – sie ist eine ethische und keine ökonomische Frage. Heute ist alles in »Krise«: die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise, die Kreditkrise, die Ernährungskrise, die Klimakrise oder schlicht die alles umfassende globale Krise. In den ersten drei Monaten des Jahres 2009 hat die Financial Times das Wort 6 465 Mal verwendet. Wie »Terror« die Bush-Ära, bestimmt das Wort »Krise« die heutige Zeit. Und genau wie »Terror« wird »Krise« derart aus dem Kontext gerissen und aus einer ausschließlich westlichen Perspektive verwendet, dass die tieferen Ursachen der Krisen und die Verbindungen zwischen ihnen verdeckt werden.
Vor allem wird die bittere Tatsache verschleiert, dass die meisten Menschen auf der Erde jeden Tag im Zustand der Krise leben. Die globale Elite nimmt eine »Krise« nur zur Kenntnis, wenn die Nahrungsmittelpreise in den urbanen Zentren in die Höhe schießen oder die Finanzmärkte an der Wallstreet oder in London zusammenbrechen. Erst dann wird sie plötzlich aufmerksam. Aber während sie freudig Milliarden oder sogar Billionen von unserem Geld für ihre »Krise« verschleudert, scheint sie nicht in der Lage zu sein, den roten Faden zu sehen, der all diese Eruptionen miteinander verknüpft. Die Krise ist real. Aber sie ist nicht einfach das Ergebnis von Überproduktion, Unterkonsumption, verfehlter Kreditvergabe oder gar fehlender Regulation – sie ist eine grundlegende Krise der gesellschaftlichen und ökologischen Reproduktion.1 Christen, Feministinnen und Marxisten stimmen – obwohl das niemals in der Zeitung zu lesen ist – darin überein, dass der Kapitalismus die Natur zerstört und die Gesellschaft entfremdet, und dass der entfesselte, auf den freien Markt orientierte Kapitalismus der letzten 30 Jahre erschreckend wirkungsvoll in beidem war. Der ökologische Marxist John Bellamy Foster erklärt, der Kapitalismus basiere auf der »unaufhörlichen Akkumulation von Kapital«, wobei »jede neue Akkumulationsphase die jeweils vorhergehende als ihren Ausgangspunkt nimmt. Dies resultierte in immer weiter gespaltenen und entfremdeten Menschen sowie einem global immer zerstörerischeren Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur« (2008). Auch die feministische Philosophin Teresa Brennan spricht vom zerstörerischen Charakter des Kapitalismus: »Kurzfristig wird Profit gemacht, indem die Quellen langfristigen Profits (Natur und Arbeit) schneller verbraucht werden als sie sich angemessen reproduzieren können – oder, anders gesprochen, schneller als die Zeit, die nötig wäre, um menschlichen Bedürfnissen zu entsprechen und die Umwelt zu erhalten.« (2003, 8). Der Ökonom Ulrich Duchrow und der Theologe Franz Hinkelammert legen dar, dass das einzige Ziel der Globalisierung – der bisher unersättlichsten Version des Kapitalismus – die Befreiung der »Akkumulation des Kapitals von allen sozialen und ökologischen Schranken ist. Das Ergebnis ist der totale Markt, der im Begriff ist, nicht nur das Leben auf der Erde, sondern damit auch seine eigenen Grundlagen zu zerstören« (2004, 3). Während also der Finanzkapitalismus Natur und Gesellschaft angreift, ist das Hauptziel der G20, der exklusiven Gruppe der mächtigsten Ökonomien der Welt, diesem Kapitalismus schnell wieder aus der Krise zu helfen, das finanzielle Triebwerk durchzustarten und die Ökonomien auf Wachstumskurs zu bringen. Wachstum ist jedoch das Problem – zumindest die Art von Wirtschaftswachstum, die darauf beruht, Gesellschaft und Natur mit einer Geschwindigkeit und Intensität zu verschlingen, die ihre Erholungs- und Reproduktionsfähigkeit weit übersteigt. Gemäß der Logik der sich stetig ausweitenden Globalisierung zieht das Kapital einfach zum nächsten Ort weiter, sobald die Natur an einem Ort erschöpft ist. Falls Arbeit in einem Land zu teuer wird, verlagert sich die Produktion dorthin, wo die Löhne niedriger sind. Und falls die Bevölkerung zu alt wird, um sich um ihre Alten oder ihre Kinder zu kümmern, wird billige Arbeitskraft in Form von jungen und üblicherweise weiblichen Migrant/innen importiert. Die Vororte von Rom, Los Angeles oder Beirut sind voll von Philippinas, die ihre eigenen Kinder in Dörfern auf der anderen Seite der Erde verlassen haben, um die alternden Eltern von Mittelklasse-Arbeitern zu versorgen, die ihrerseits demselben Schicksal entgegensehen. All dies sind Folgen des Profitstrebens, das von den Bedingungen oder Grenzen von Gesellschaft und Natur völlig entkoppelt wurde. Diese Entkopplung wurde zuerst in Großbritannien während der industriellen Revolution im ausgehenden 18. Jahrhundert vollzogen. Die Trennung von Produkt und Produzent, von Natur und Gesellschaft wurde seitdem immer abstrakter und undurchsichtiger, weil die Produktionsketten sich über den Globus ausbreiteten. Arbeit und natürliche Ressourcen wurden erfasst und in Profit verwandelt, die weit entfernt vom Ort ihres Konsums lagen. Diese Form der Produktion geht Hand in Hand mit einer besonderen Form der gesellschaftlichen Reproduktion, des Patriarchats, das im Wesentlichen die institutionalisierte Ungleichheit zwischen Mann und Frau ist, was – trotz Werbung – keine noch so freie Wahl bei Kaufentscheidungen zu verbergen vermag. Die Lage ist also schlecht und es gibt viel zu tun. Und ich glaube, dass wir fürs Erste drei große Dinge in Angriff nehmen müssen, um das Leben für fast alle und v.a. für Frauen deutlich zu verbessern (und es dabei vielleicht für die vorwiegend männlichen extrem Reichen etwas verschlechtern): Erstens müssen wir das Gemeinwohl ausweiten, zweitens müssen wir den Planeten abkühlen, und drittens müssen wir unseren gemeinsamen Reichtum aufteilen.