Im Frühjahr 2018 streikten Eisenbahner*innen drei Monate gegen Privatisierung, Streckenstilllegungen und Statusverschlechterung. Seit November 2018 haben die mit massiver Polizeigewalt überzogenen Proteste der sogenannten Gelbwesten soziale und geografische Ausschlüsse zum Thema gemacht. Seit März 2019 begehrt das Personal öffentlicher Krankenhäuser mit mannigfaltigen Aktionen gegen die Unterfinanzierung der Pflege auf. Und schließlich ist seit Anfang Dezember vergangenen Jahres in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein Kräftemessen um eine von der Regierung betriebene Rentenreform im Gange. Insbesondere an den französischen Universitäten wird diese Auseinandersetzung derzeit durch jene um studentische Lebensbedingungen sowie ein geplantes Hochschulrahmengesetz ergänzt. Die beeindruckende Kampfkraft der abhängig Beschäftigten insbesondere in den französischen Verkehrsbetrieben und die auch in anderen Ländern geführten Diskussionen um Streikfähigkeit im Hochschulwesen sollen hier Anlass für eine Darstellung der geplanten Maßnahmen und eine kritische Bestandsaufnahme der Ausstände in Forschung und Lehre sein.

Denn eins ist sicher: Verarmung durch die Rentenreform

Seit dem 5. Dezember 2019 finden in zahlreichen Branchen Arbeitskämpfe gegen die Neuregelung der Altersversorgung statt. Mitunter werden diese Konflikte durch bereichsspezifische Auseinandersetzungen (etwa um die Reform des Abiturs im sehr streikaktiven Schulwesen) angefeuert. Insbesondere bei der nationalen Bahngesellschaft SNCF und den Pariser Verkehrsbetrieben RATP waren bis Mitte Januar dieses Jahres gut befolgte, mit erheblichen Betriebsausfällen verbundene und in ihrer Länge historische Streiks zu besichtigen. Aber auch Berufsgruppen, die bisher nicht unbedingt für ihre Kampfkraft bekannt waren, etwa Opernmitarbeiter*innen oder Anwält*innen, befinden sich in langen und beispiellosen Ausständen gegen die Rentenreform.[1]

 An mehreren, vom Zusammenschluss der verschiedenen Richtungsgewerkschaften landesweit organisierten Protesten nahmen in dieser Zeit jeweils bis zu zwei Millionen Menschen teil. Bemerkenswert ist dabei unter anderem, dass sich das im Rahmen der Gelbwesten-Proteste vielfach beschworene Ende des gewerkschaftlich organisierten Sozialprotests keinesfalls bewahrheitet hat. Und dass sich die Proteste nach Abflauen der großen Streiks im Transportgewerbe in vielen Sektoren auf niedrigerem Niveau verstetigt haben: Stromabschaltungen durch Elektrizitätsarbeiter*innen, Störungen öffentlicher Auftritte von Regierungsmitgliedern, Kunstaktionen im öffentlichen Raum etc. Umfragen zeigen zudem, dass trotz streikbedingter und zum Teil erheblicher Einschränkungen im Alltagsleben die Mehrheit der Bevölkerung konstant die Bewegung unterstützt oder zumindest mit ihr sympathisiert und die Rentenreform ablehnt. Um die Kampfbereitschaft und den Rückhalt der Bewegung zu erklären, ist es u.a. hilfreich, sich vor Augen zu führen, wie massiv der geplante Einschnitt in das bestehende Alterssicherungssystem ist. In Deutschland erhalten Menschen heute im Ruhestand durchschnittlich 48 Prozent ihres Einkommens, in Frankreich sind es dagegen 67 Prozent. Bekanntlich hat diese Situation hierzulande in der letzten Zeit zu einer immer stärker in der breiten Öffentlichkeit diskutierten Altersarmut und kürzlich gar zur Ausarbeitung eines Gesetzes zur Einführung einer Grundrente geführt. Jenseits des Rheins können die Menschen hingegen mit ihren Bezügen und dem leichter als in Deutschland während des Berufslebens erworbenen Wohneigentums ihren Lebensstandard im Alter halbwegs sichern. Viele Faktoren tragen zur ungleichen Situation der beiden europäischen Nachbarländer bei. So ist in Deutschland  2007 das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre heraufgesetzt worden – eine Regelung, die sich bei gleichbleibendem realen Ruhestandsalter als Rentenkürzung erweist. Entscheidender aber noch sind die Arbeitsmarktpolitiken der letzten drei Jahrzehnte, die zur Ausdehnung des Niedriglohnsektors und zur massiven Kürzung der Arbeitslosenhilfe im Rahmen der Hartz-Reformen geführt haben. Die geringen Einnahmen und prozentualen Rentenbeiträge, die sich damit für viele abhängig Beschäftigte und Arbeitslose ergeben, wirken sich aufgrund des hierzulande praktizierten Berechnungssystems massiv auf die Rentenhöhe aus. Denn im Punktesystem der Deutschen Rentenversicherung, bei dem für die Berechnung der Pensionen Entgeltpunkte, Zugangsfaktor, Rentenartfaktor und aktuell gültiger Rentenwert individuell berechnet werden, schlägt jeder Monat mit geringem Einkommen oder in Arbeitslosigkeit zu Buche. So bilden sich in den deutschen Renten insbesondere die sozialen Folgen der DDR-Annexion und der hierzulande EU-weit überdurchschnittlich große Gender Pay Gap ab. Anders in Frankreich, wo die Einführung eines Punktesystems der umstrittenste Teil des aktuellen Reformvorhabens ist. Jenseits des Rheins werden Pensionen derzeit nach einem System berechnet, das Altersversorgung nicht als individuelle Versicherung, sondern gesamtgesellschaftliche Angelegenheit begreift. So werden im privaten Sektor die 25 (vor 1993 die zehn) einkommensstärksten Jahre der Erwerbstätigkeit für die Berechnung zu Grunde gelegt. Festangestellte Mitarbeiter*innen des öffentlichen Dienstes[2] erhalten dagegen 75 Prozent des Gehaltes der letzten sechs Monate ihres Berufslebens – bei natürlicher Gehaltsprogression logischerweise die ertragreichste Zeit einer Laufbahn.

 Auch die Angestellten von SNCF und RATP kommen aktuell noch in den Genuss einer nun zur Disposition stehenden Sonderregelung, mit der die Renten ähnlich berechnet werden. Im öffentlichen Dienst, wo die Gehälter insbesondere zu Berufsbeginn traditionell niedrig sind[3], garantiert das bestehende System einen Ausgleich im Alter. 

So beträgt das Einkommen am Ende einer Beamtenlaufbahn momentan 123 Prozent des durchschnittlich im gesamten Berufsleben erhaltenen Lohns. Wie drastisch der Rentenverlust durch die umstrittene Reform ist, hat der Wirtschaftswissenschaftler Henri Sterdyniak deutlich gemacht: „In dem neuen System, das einen Beitragssatz von 25,31 Prozent und einen Rentenwert von 5,5 Prozent vorsieht, würden sich die Rentenzahlungen im Alter von 65 Jahren (nach 42 Beitragsjahren) durchschnittlich auf 58,47 Prozent des Einkommens belaufen (d.h. 25,31 x 5,5 x 42/100). Die Beschäftigten erhielten lediglich 47,65 Prozent ihres letzten Einkommens, während es für einen Lehrer heute […] 70,5 Prozent sind – eine Absenkung um 32,4 Prozent.“[4] 

Hinzu kommt, dass der vorgesehene Rentenwert von 5,5 Prozent nicht gesetzlich festgeschrieben werden soll und daher aus haushaltspolitischen Erwägungen durchaus abgesenkt kann. Die Lohnabhängigen des öffentlichen Dienstes sind also besonders stark von der Reform betroffen und daher mit jenen Berufsgruppen, die in den Genuss von Sonderregelungen kommen, die Hauptträger*innen der gegenwärtigen Bewegung. Als wären die Auswirkungen nicht schon massiv genug, ist das Punktesystem nicht der einzige Bestandteil der derzeitigen Reform. Insbesondere der aus dem konservativen Lager zur Regierung gestoßene Premierminister Edouard Philippe hat zudem die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre ab 2027 in den Entwurf eingebracht. Während das Punktesystem seit längerer Zeit eine von neoliberalen Kräften propagierte Konzeption ist, ist diese Verlängerung der Lebensarbeitszeit traditionell ein Anliegen der bürgerlichen Rechten – eine Maßnahme, die es erlaubt, recht kurzfristig große Einsparungen in den öffentlichen Haushalten vorzunehmen. So haben rechte Minister und Regierungsmehrheiten 1993 in der Privatwirtschaft und 2003 im öffentlichen Dienst die Beitragsjahre von 37,5 auf 40 angehoben. Zudem wurde 2010 62 als Mindestalter zum Renteneintritt ohne Abschläge festgelegt (und maximal 67 bei jenen, die nicht die vollen Beitragsjahre vorweisen können). Auch wenn es sich nicht um die gleichen Stellschrauben handelt, kann zweifellos festgehalten werden, dass ihre Verknüpfung die sich bereits durch das Punktesystem erheblich verschlechternde Situation der Lohnabhängigen noch weiter zuspitzen wird. Ideologisch werden die Maßnahmen durch ein politisch konstruiertes Defizit in den Rentenkassen legitimiert. Dabei wird unterschlagen, dass diese über weitreichende Rücklagen verfügen (aktuell 127 Milliarden Euro), die für mögliche Finanzierungslücken gebildet wurden und dafür sorgen, dass das System mittelfristig ausgeglichen ist. Hinzu kommt, dass zurückgehende Einnahmen des Systems auf sinkende Sozialabgaben des Kapitals zurückzuführen sind, die der Staat seit 1994 mit Steuermitteln ausgleicht. Ferner schlägt hier der Abbau der öffentlichen Dienste in den letzten Jahrzehnten zu Buche, da die öffentliche Hand für ihre Beschäftigten deutlich mehr Sozialabgaben entrichtet als die Privatwirtschaft. Schließlich ist es alles andere als zwangsläufig, dass Mehreinnahmen durch Absenkung des Rentenniveaus und Verlängerung der Lebensarbeitszeit generiert werden müssen. All diese politischen, aber als alternativlos dargestellten Entscheidungen und Entwicklungen finden ihren Höhepunkt in der Zahl der 14 Prozent des Bruttoinlandprodukts, auf die fortan der gesamtwirtschaftliche Anteil der Renten festgeschrieben werden soll. Bei einer geschätzten Zunahme der Rentner*innen um sechs Millionen Menschen in den kommenden 30 Jahren wird diese Festlegung zwangsläufig zu einem massiven Pensionsrückgang führen.[5] 

Wie sollen diese Einbußen ausgeglichen werden? Auch hier lohnt der Blick in andere Länder, in denen ähnliche Rentenreformen zur Herausbildung kapitalgedeckter Zusatzversicherungen geführt haben (die im Falle von Finanzkrisen wie jener von 2008 zu massiven Verlusten der Versicherten geführt haben). Seit geraumer Zeit wird von internationalen Organisationen wie IWF, OECD etc. die Entwicklung eines Drei-Säulen-Modells propagiert, in dem sich steuerfinanzierte, umlage- und kapitaldeckte Teile ergänzen. Das Interesse des Kapitals, sich so auch in Frankreich neue Verwertungsmöglichkeiten zu schaffen, wurde durch den Skandal um den Spiritus Rector der aktuellen Rentenreform, Jean-Paul Delevoye, in Erinnerung gerufen. Der kommissarisch von der Regierung im September 2017 mit der Ausarbeitung des Vorhabens betraute bürgerlich-rechte Politiker musste Mitte Dezember vergangenen Jahres wegen nicht deklarierter Beratertätigkeiten und Nebeneinkünfte von verschiedenen Verbänden, unter anderem im Versicherungswesen, zurücktreten.

Darwin an der Uni? Ausweitung von Prekarität und Konkurrenz an den Hochschulen

Bereits einen knappen Monat bevor die Streiks gegen die Rentenreform begannen, ging ein bisher kaum verklungener Aufschrei durch die französische Studierendenschaft: Am 8. November 2019 übergoss sich ein 22-jähriger Student in Lyon vor dem Sitz des Studierendenwerks Crous mit einer entflammbaren Flüssigkeit und zündete sich an. Auf Facebook hatte er zuvor einen kämpferischen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er den Verlust der staatlichen Studienförderung nach nicht bestandenen Prüfungen sowie allgemein die Prekarität des studentischen Lebens als Gründe für sein Handeln anführte. Die schwierigen Lebensbedingungen der französischen Studierenden sind seit Langem bekannt. Untersuchungen zufolge müssen 46 Prozent von ihnen während des Studiums einer entlohnten Tätigkeit nachgehen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Zudem verzichtet etwa ein Drittel der Studierenden aus finanziellen Gründen auf die Beanspruchung medizinischer Leistungen. Acht Prozent von ihnen geben zudem an, mit Selbstmordgedanken zu spielen (gegenüber drei Prozent in der Gesamtbevölkerung zwischen 15 und 30 Jahren) – wobei neben familiären Angelegenheiten in erster Linie Prekarität als Grund angeführt wird. [6] 

Auch innerhalb des Lehrpersonals der Universitäten nimmt die soziale Unsicherheit zu, wobei auch das Punktesystem der Rentenreform seinen Beitrag dazu leisten wird. Wer zunächst ein Studium durchlaufen, eine Dissertation anfertigen und dann noch Lehraufträge und Postdocs absolvieren muss, beginnt oft erst mit Mitte dreißig in die Rentenkassen einzuzahlen – wenn er oder sie denn überhaupt eine der wenigen festen Stellen zu ergattern vermag. Zwar verfügt das französische Wissenschaftssystem grundsätzlich mit den akademischen Rät*innen (maître.sse.s de conférences, MCF) und festen Forschungsstellen (chargé.e.s de recherche, CR) über die in Deutschland nur äußerst selten bestehende Möglichkeit der Festanstellung unterhalb der Professur. Allerdings wurden die festen Stellen an den französischen Universitäten in den letzten 15 Jahren massiv abgebaut und so etwa zwischen 2012 und 2018 36 Prozent weniger akademischen Rät*innen und zwischen 2008 und 2016 27 Prozent weniger Forscher*innen eingestellt. Gleichzeitig wurden die ähnlich schlecht wie in Deutschland bezahlten Lehraufträge ausgeweitet. Diese decken zusammengenommen mittlerweile 20 Prozent der Lehre ab, was Schätzungen einer Prekärenorganisation zufolge etwa 13 000 festangestellten Lehrkräften entspricht.[7]

Ein derzeit geplantes Hochschulrahmengesetz (Loi de programmation pluriannuelle de la recherche, LPPR) dürfte diese Tendenz verstärken. Auch wenn noch kein fertiger Gesetzestext vorliegt, und sich überhaupt die Frage stellt, wie die geplanten Orientierungen implementiert werden sollen[8], besteht über deren Richtung kein Zweifel.

 Drei Berichte der vom zuständigen Ministerium eingesetzten Arbeitsgruppen, die sich der Forschungsfinanzierung, der „Attraktivität“ des Arbeitsmarktes Wissenschaft sowie der Forschungskooperation mit nichtakademischen Akteur*innen annehmen, stecken die Grundpfeiler ab[9]

 – auch wenn die zuständige Ministerin Frédérique Vidal angesichts des ihr entgegenschlagenden Widerstandes fortwährend behauptet, es handle sich um eine nicht unbedingt gesetzesrelevante Expertise. Deren Grundgedanken jedenfalls hatte im November vergangenen Jahres Antoine Petit, der Vorstandsvorsitzende des mit der deutschen Max-Planck-Gesellschaft vergleichbaren Forschungsverbunds CNRS (Centre national de la recherche scientifique) und Co-Autor einer der Berichte, in einem Pressebeitrag wie folgt umschrieben: „Wir brauchen ein ambitioniertes, ungleiches […], ein tugendhaftes und darwinsches Gesetz.“[10] 

Die weniger mit Evolutionsbiologie als mit Sozialdarwinismus zusammenhängenden Vorstellungen weisen fünf zentrale Elemente auf. Erstens die Prekarisierung des Personals[11].

So sollen Verwaltungsangestellte zunehmend befristet und die MCF durch mit Tenure-Track ausgestattete Stellen ergänzt, langfristig mutmaßlich sogar ersetzt werden. Erst am Ende einer fünf- bis siebenjährigen Probezeit würde dann über eine mögliche Festanstellung entschieden. Dies zögert nicht nur die Möglichkeit der Lebensplanung des Personals hinaus, sondern dürfte auch Opportunismus und Statushierarchien verstärken, wie sie auch aus dem deutschen Hochschulsystem nur allzu gut bekannt sind. Die Schaffung von mehr festen Stellen dagegen, für die es angesichts der oben geschilderten Situation allemal gute Gründe gäbe, wird von keiner der Arbeitsgruppen ins Auge gefasst. Eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen stellt die Aufweichung des gesetzlich geregelten Lehrdeputats in Aussicht. Die gegenwärtig zu leistenden 192 Stunden Lehre im Jahr (bei der Vorlesungen mit einem höheren Koeffizienten verrechnet werden als Seminare) könnten zukünftig nach zu vergebenen ECTS-Punkten berechnet werden, sprich nach Anzahl der unterrichteten Studierenden. Ferner könnte das Lehrdeputat erhöht werden, wenn die Personalsituation einer Hochschule es verlangt. Diese Regelungen würden nicht nur zu größeren Lehrveranstaltungen mit frontalerer Wissensvermittlung führen, sondern auch jene Zeit reduzieren, die den Lehrenden für die Betreuung der Studierenden zur Verfügung steht. Angedacht ist überdies, diejenigen zu mehr Lehre zu verpflichten, die nicht „ausreichend“ forschen beziehungsweise in angesehenen Zeitschriften publizieren. Also quasi eine „Bestrafung“ für „unterlassene“ oder „unzureichende“ Forschung. Zweitens sieht die LPPR vor, die Projektfinanzierung der Forschung auszuweiten. Dafür ist in Frankreich vor allem die Agence nationale de la recherche (ANR) zuständig, eine mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vergleichbare Institution[12].

 Diese soll mehr Mittel erhalten und damit auch die Bewilligungsquote von aktuell (2018) 16 auf zwischen 25 und 40 Prozent steigern[13]

Zudem sollen die Forschungskooperation mit außeruniversitären Akteur*innen insbesondere aus der Privatwirtschaft ausgebaut werden. Die Konsequenzen dieser Umstellung sind aus Deutschland gut bekannt: Weniger und zumeist öffentliche Mittel werden nicht mehr als verstetigte Budgets vergeben, sondern durch einen Konkurrenzmechanismus. Dieser erschwert nicht nur die für wissenschaftliches Arbeiten essenzielle Kooperation und Langfristigkeit[14].

 Zudem wird schwieriger überhaupt noch wahrzunehmen, dass immer weniger Mittel zur Verfügung stehen. Drittens soll einerseits die Mittelvergabe verstärkt auf Basis von (größtenteils quantitativen, einseitig auf Forschung fokussierten) Evaluationen der Hochschulen und Forschungszentren erfolgen. So ist etwa vorgesehen, die Kompetenzen des Haut Conseil de l’évaluation de la recherche et de l’enseignement supérieur (Hcéres) auszuweiten[15]

Diese Institution steht für die größere politische und wirtschaftliche Einflussnahme auf die Forschung, da ihre Mitglieder vielfach vom Ministerium ernannt und nicht vom wissenschaftlichen Personal der Universitäten gewählt werden. Die regelmäßigen Hcéres-Evaluationen bereiten der akademischen Community bereits jetzt viel Arbeit mit ungewissem Nutzen. Anderseits werden Hochschulverwaltungen mit den Zielvorgaben der LPPR zwangsläufig zu stärkeren Management- und Kontrollinstanzen, die ihre Finanz- und Personalpolitik in Konkurrenz zu den jeweils anderen Universitäten umsetzen – eine Tendenz, die insbesondere mit der Einführung der Hochschulautonomie 2007 Einzug gehalten und viele Universitäten in finanzielle Notsituationen gebracht hat[16]

Die in Großbritannien starke Macht der Kanzler*innen beziehungsweise Institutsvorsitzenden dürfte dafür das passende Leitbild abgeben. Wo das wissenschaftliche Personal in Frankreich vormals dem Ministerium beziehungsweise dessen regionaler Vertretung in Form des Rektorats unterstand, soll nun gemäß interner, auf Publikationen, Projekt-Einwerbequote etc. abhebender Evaluationen mit Prämien oder Karrieresprüngen belohnt oder aber mit mehr Lehre „bestraft“ werden[17]. Neben den personalpolitischen Konsequenzen dürften diese Transformationen nicht zuletzt der Wissenschaftsfreiheit abträglich sein. Viertens dürften die genannten Maßnahmen zu einer stärkeren Ausdifferenzierung des französischen Hochschulsystems führen. Zunehmend werden sich dabei gut dotierte Universitäten mit einer leistungsfähigen, auf Antragswesen und Geldeinwerbung spezialisierten Verwaltung und weniger gut ausgestattete Einrichtungen, die über keine derartigen Kompetenzen verfügen, gegenüberstehen. Und sobald diese Differenzierung einmal etabliert ist, kann sie sich nur verstärken, da die großen Player einen Großteil der Förderung einwerben, wohingegen die minderbemittelten Institutionen durch mangelndes Know-how immer schlechter abschneiden werden. Mit dem Rückgang der Forschungsaktivität dürfte in letztgenannten Hochschulen damit auf kurz oder lang auch die Doktorand*innen-Ausbildung in Frage stehen. Entwicklungsvorbild sind hier also die US-amerikanischen Liberal Arts Colleges, bei denen der Schwerpunkt auf dem ersten Studienabschluss (Bachelor) liegt, alle weiteren Abschlüsse allerdings an elitären Universitäten vergeben werden. Wie der dritte Bericht in aller Breite ausführt, soll fünftens die Kooperation zwischen öffentlichem und privatem Sektor ausgebaut werden. Angestrebt wird, dass zwei Drittel der Forschung durch „Mäzenatentum“[18] finanziert werden. 

Eine intensive, in Deutschland derart nicht bestehende Verflechtung gibt es derweil bereits – sie funktioniert allerdings vor allem in eine Richtung. So subventioniert der französische Staat seit 1983 mit einer stets wachsenden Summe die Privatwirtschaft, um sie zur Forschung anzuhalten. Dieser, in Form von Steuernachlässen gewährte Crédit d’impôt recherche (CIR) belief sich zuletzt auf jährlich sechs Milliarden Euro (etwa das Doppelte des CNRS-Budgets), wobei seine Auswirkungen für die Forschung gering bis nichtig sind.[19]

Warum und wie streiken im Wissenschaftsbetrieb?

Angesichts von Rentenreform und LPPR sind seit Dezember letzten Jahres viele Forschungszentren und Universitäten des Landes in Bewegung geraten. An zahlreichen Instituten und Fachbereichen wurde Mitte Januar das zweite Semester des Universitätsjahres 2019/20 nicht begonnen. Ausstände und Aktionen können derzeit an 114 Universitäten und Hochschulen sowie 302 Forschungszentren verzeichnet werden. 147 Zeitschriften aus den Geistes- und Sozialwissenschaften haben ihr Erscheinen vorläufig eingestellt, 30 lokale Prekären-Zusammenschlüsse sind entstanden und 54 Hcéres-Gutachter*innen haben ihre Arbeit unterbrochen oder ihre Gutachten einbehalten.[20] 

Parallel dazu haben über 2 700 Wissenschaftler*innen ihre Bewerbung für den Vorsitz der Evaluationsinstitution eingereicht – mit dem erklärten Ziel, ihr Funktionieren zu blockieren. Schließlich verständigten sich Mitarbeiter*innen der monatlich sechs Millionen Aufrufe zählenden, wissenschaftlichen Open-Access-Seite OpenEdition auf eine befristete Abschaltung ihres Publikationsorgans. Es ist nicht übertrieben, von einer historischen Bewegung auch im Hochschulsektor zu sprechen. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung werden einige politisch-strategische Fragen diskutiert, die für soziale Kämpfe an den Universitäten weit über Frankreich hinaus von Bedeutung sind. Den Aufschlag für die Debatte haben Ronan de Calan und Goeffroy de Lagasnerie gemacht. Blockaden und Streiks seien kein geeignetes, sondern ein reflexhaftes, weit hinter der Kreativität, die andere Berufsgruppen in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen entwickelt haben, zurückbleibendes Kampfmittel an den französischen Hochschulen, vertreten die beiden Philosophen und Soziologen. Die Universitäten seien in ihrer Streikkapazität nicht mit anderen Bereichen vergleichbar, da in ihnen in erster Linie Ideen produziert würden. Diese Tätigkeit einzustellen, würde die Bewegung eher schwächen als stärken. Es ginge daher vielmehr darum, sich der intellektuellen Waffen gewahr zu werden und die Hochschulen als Stätten der Kritik auszubauen. „Unserer Auffassung nach könnte der Streik zuallererst seine Schlagkraft unter Beweis stellen, wenn die Produktion von Abschlüssen eingestellt würde. Diese stellen das einzige Produkt auf dem sich herausbildenden ‘Markt’ der Hochschulbildung dar, den einzigen Hebel, mit dem auf die Staatsmacht Druck ausgeübt werden kann. Die Universität allerdings klammert sich an diese ihre Befugnis als hinge ihr Überleben davon ab: Akzeptiert wird der Streik in Lehre und Forschung, nicht aber der in Zertifizierung und Akkreditierung. Niemand ist zu ihm bereit, weder die Präsident*innen, noch die Verwaltung oder die Lehrenden und erst recht nicht die Studierenden, die selbst bei ausgefallenen Semestern ihre Abschlüsse einfordern.“[21] 

Zweifellos liegt dieser Auffassung eine recht unterkomplexe Konzeption von einer unmittelbar wirksamen Sozialkritik durch intellektuelle Arbeit im bestehenden universitären Rahmen zugrunde. Zudem drückt sich in der Vorstellung, die „das Denken“ an den Universitätsbetrieb koppelt, ein berufsspezifischer Ethnozentrismus aus, der über Reflexionen und Kreativität, die im Rahmen von Streiks entstehen, einfach hinwegsieht. Dennoch hat de Calans und de Lagasneries Beitrag das Verdienst, die Frage nach der Beschaffenheit der produktiven Arbeit in Forschung und Lehre aufzuwerfen. Produziert wird hier sicherlich Wissen und seine Vermittlung, aber auch ein gesellschaftlich sanktioniertes Anerkennungsdispositiv, das sich v.a. in Noten und Abschlüssen materialisiert. Hinzu kommt eine stetig zunehmende Organisations- und Koordinationsarbeit, die mit der akademischen Selbstverwaltung und den immer geringeren Mitteln für Verwaltungspersonal einhergeht. Erschwert wird die strategische Diskussion über die Produktionsmacht der Hochschularbeiter*innen dadurch, dass all diese Tätigkeiten relativ gut voneinander abgetrennt werden können, verschiedene Zeithorizonte aufweisen und in den Augen des wissenschaftlichen Personals oft unterschiedliche Wertigkeit besitzen. Oskar Ambrepierre hat dementsprechend zu Recht vertreten, dass die derzeitige Streikbereitschaft der universitären Wissensarbeiter*innen keinesfalls überschätzt werden sollte. „Selbst wenn nun die aufwendigen und wenig bzw. gar nicht entlohnten Verwaltungs- und Evaluationstätigkeiten allseits – und selbst dies gilt es zu relativieren – als Ansatzpunkte für eine Verzögerungsstrategie ausgemacht werden, sind die Aufgaben in Forschung und Lehre Gegenstand eines intensiven Ringens innerhalb des Personals. Nicht wenige hängen tendenziell der Vorstellung an, dass sie mit Unterbrechung der Tätigkeiten, die den Kern ihres Berufes ausmachen, ihrer Identität oder was sie dafür halten, eine unzumutbare Gewalt antun würden […]. Für viele würde sich das wie eine Aufgabe des hart erarbeiteten sozialen Alleinstellungsmerkmals anfühlen, wie eine Aufgabe der symbolischen Position, an der sie so stark und manchmal bis zur narzisstischen Neurose festhalten.“[22] 

Eine weniger überzeugende, potenziell sogar paternalistische Einschätzung, die aus diesem argumentativen Lager regelmäßig hervorgebracht wird, lautet, „dass ein ernsthafter Streik in der Universität v.a. das Verdienst hätte, eine große Studierendenbewegung zu ermöglichen. Diese wäre entscheidend, um der in ihrer Länge beispiellosen sozialen Revolte neues Leben einzuhauchen.“[23] 

Zwar ist unbestreitbar, dass die momentane Bewegung in den Universitäten eher eine des Personals ist und die massenhafte Mobilisierung der Studierenden eine ganz andere Situation schaffen würde. Dass diese Entwicklung allerdings durch ein konsequenteres Streikverhalten der Lehrenden ermöglicht würde, ist nicht besonders plausibel. Bei den großen studentischen Bewegungen der jüngeren französischen Vergangenheit, etwa den Protesten gegen die Einschränkung des Kündigungsschutzes für Berufsanfänger*innen im Frühjahr 2006, haben die Studierenden auf niemanden gewartet. Ihre Ausstände und Besetzungen haben vielmehr Personal und Leitungen der Universitäten gezwungen, angepasste Lösungen für Examen und Abschlüsse zu finden. Die Verantwortung für das Ausbleiben einer vergleichbaren studentischen Bewegung in diesem Jahr insbesondere im inkonsequenten Streikverhalten des Hochschulpersonals auszumachen, ist jedoch nicht nur zu kurz gegriffen. Eine solche Lesart verhindert die strategisch wichtige Frage zu erörtern, warum die Studierendenschaft Rentenreform und LPPR offensichtlich mehrheitlich nicht als unmittelbaren Angriff auf die eigene soziale Gruppe begreift – und dies obwohl ihre Alterssicherung und Studienbedingungen massiv in Mitleidenschaft gezogen werden. Auffallend ist, dass innerhalb der Gruppe der aktuell protestierenden Hochschulmitarbeiter*innen das prekäre Personal meist entschiedener und radikaler auftritt, was bisweilen zu Konflikten mit festangestellten Beschäftigten führt. „Wir rufen zu einem vollständigen Stopp der Verwaltungs-, Lehr- und Forschungstätigkeiten auf“, schreibt so die Pariser Vernetzung prekärer Wissensarbeiter*innen. „Man ‘unterstützt’ keinen Streik: Man führt oder verhindert ihn. Er ist ein bevorzugtes Handlungsmittel: Der Streik unterstreicht unseren Status als Arbeiter*innen und zeigt unseren Kolleg*innen, den Studierenden und der Gesellschaft, dass eine öffentliche Universität und eine von Privatinteressen emanzipierte Wissenschaft ohne uns nicht bestehen kann. Der Streik ist nützlich: Er schafft die notwendige Zeit, um am Streikprogramm, an der Schaffung von Solidarität zwischen den verschiedenen Hochschulen und den von den Zusammenschlüssen verschiedener Berufsgruppen organisierten Blockaden anderer Branchen teilzunehmen. Außerdem trägt er zur Politisierung unserer Universitäten bei, in dem er Austausch mit und zwischen unseren Studierenden anregt und die unwürdigen Arbeitsbedingungen unserer Lehre und ihre schlechte Entlohnung sowie die bevorstehenden Konsequenzen der derzeitigen Reformen vergegenwärtigt.“[24]

 Die ungleiche Streikbeteiligung der verschiedenen Statusgruppen bestätigt die unter den Debattenbeiträgen hervorragende historische Soziologie, mit der Anna Brik und Andréas Albert die momentane Bewegung einzufangen versucht haben. Ihnen zufolge sind die Positionen zum Streik innerhalb des wissenschaftlichen Personals maßgeblich von den jeweiligen sozialen Positionen innerhalb des Wissenschaftsbetriebs, aber auch von den sozialen Repräsentationen der eigenen Tätigkeit bestimmt. Streikfähigkeit setze voraus, seine eigene Arbeitskraft als Ware zu begreifen. Verbeamtetes Hochschulpersonal begreife sich allerdings gerade nicht als ausgebeutete Arbeiter*innenschaft, die es durch die Art seiner Rekrutierung, Arbeit und Entlohnung auch tatsächlich nicht sei. Zudem stellten sich in der Universität die Machtverhältnisse sehr viel anders als auf ordinären Arbeitsmärkten dar, da die Mitarbeiter*innen durch Gremienarbeit an der akademischen Selbstverwaltung sowie an Personalauswahl, Beförderungen und Evaluationen teilhätten. Schließlich genössen sie zusätzlich eine relativ große Freiheit von Forschung und Lehre. Die sozialen Repräsentationen des Hochschulwesens kämen nun dort ins Spiel, wo die Streikbereitschaft voraussetze, anzuerkennen, dass die Universität bereits zu einem Unternehmen geworden sei. Diese Einsicht liege allerdings mit der im Personal weit verbreiteten Vorstellung eines von Privatinteressen emanzipierten öffentlichen Dienstes über Kreuz. Folglich würde Streik als „Selbstbestrafung“ (de Calan/de Lagasnerie) aufgefasst werden. Gemäß der Vorstellung eines das Allgemeininteresse verkörpernden öffentlichen Dienstes verwechselten viele verbeamtete Hochschulmitarbeiter*innen sodann die Verteidigung ihrer berufsspezifischen Interessen mit der des Allgemeininteresses – ein Einfallstor auch für die Entsolidarisierung mit den sozialen Kämpfen in anderen Branchen. Der Kontrast zu den Prekären könnte nicht stärker sein: Sie begriffen sich als ausgebeutete Lohnarbeiter*innen, woraus sich eine besondere strategische Positionierung ergäbe. „Erstens besteht diese darin, in gleichem Maße die Regeln des alten und des neuen Spiels abzulehnen. Anders als das verbeamtete Forschungs- und Lehrpersonal erliegen die Prekären weniger der Versuchung, eine Kritik der ‘kapitalistischen Universität’ im Namen des Status quo zu formulieren. Tatsächlich sind nur wenige von ihnen bereit, für die Universität, so wie sie derzeit besteht, in die Bresche zu springen. Zweitens drängt die Aussicht auf einen mehr oder weniger langen Zeitraum in der Prekarität dazu, sich der Konzentration auf die Reform des Personalstatuts [d.h. Flexibilisierung des Lehrdeputats; K.L.] zu verweigern und sich entschieden im Kampf gegen die Rentenreform zu engagieren. Schließlich ermöglicht der Fokus auf Prekarität tatsächlich verschiedene Kämpfe zusammenzuführen, insbesondere durch die explizit hergestellte Verbindung zwischen der Prekarität der Lehrenden, des Verwaltungspersonals und der Studierenden sowie jener breiter Schichten der Arbeiter*innen in anderen Bereichen.“[25]

 

* * *

Zwar sind die großen Transportarbeiter*innen-Streiks gegen die Rentenreform vorüber. Dennoch ist davon auszugehen, dass jenseits des Rheins auch in den nächsten Monaten ein hohes Maß an sozialer Konfliktualität zu beobachten sein wird. Denn die Notlage der Universitäten ist dieselbe wie etwa die des Gesundheitssektors, des Kulturbetriebs oder des Schulwesens. Sie illustriert den Versuch des um Macron vereinigten Kräftebündnisses, autoritär und zur Not mit brutaler Polizeigewalt ein soziales und politisches Projekt durchzusetzen, das sich in der jüngeren französischen Geschichte niemals derartig klar artikuliert hat. Es wird noch deutlich stärkerer und koordinierterer Anstrengungen bedürfen, um dieser Zerstörung Einhalt zu gebieten, denn „Gewalttäter werden nicht mit Blumen aufgehalten“ (Frédéric Lordon).

[1] Die Sonderregelung für die Mitarbeiter*innen der Pariser Oper sieht vor, dass festangestellte Tänzer*innen, Sänger*innen, Techniker*innen und Musiker*innen bereits mit 42 Jahren, 55, 57 bzw. 60 Jahren in den Ruhestand gehen können. Es handelt sich hierbei um eine der 40 Ausnahmen der französischen Rentenkasse, die mit der gegenwärtig umkämpften Reform abgeschafft werden sollen. Jene sieht auch vor, die Rentenbeiträge für freiberufliche Anwält*innen zu verdoppeln – mit der absehbaren Konsequenz, dass finanziell gut ausgestattete Großkanzleien zunehmend das Rechtsgeschehen dominieren und einfache Anwält*innen, die oftmals eher minderbemittelte Menschen vertreten, sich nicht mehr über Wasser halten können werden. Beide Berufsgruppen haben neben ihren Streiks spektakuläre Protestformen entwickelt: Die Bilder der Pariser Operntänzerinnen, die Mitte Dezember im Freien Tschaikowskys Schwanensee aufführten, oder von Anwält*innen, die Anfang Januar in Caen der französischen Justizministerin ihre Roben hinwarfen, gingen um die Welt. 

[2] Auf Französisch fonctionnaires. Die geläufige Übersetzung als „Beamt*innen“ ist zwar richtig, mag aber insofern eine falsche Parallele nahelegen, als jene Personen nicht wie hierzulande in einem „besonderen Treueverhältnis“ zum Staate stehen. Sie besitzen so z.B. Streikrecht. Zudem hat es Berufsverbote, wie sie in Deutschland nach dem Radikalenerlass 1972 verhängt wurden, so in Frankreich nie gegeben. 

[3] Lehrer*innen in Frankreich verdienen etwa halb so viel wie ihre verbeamteten deutschen Kolleg*innen, festangestellte Uni-Lehrkräfte zu Beginn ihrer Laufbahn 63 Prozent des für diese Berufsgruppe durchschnittlich in Europa gezahlten Gehalts.

 [4] Sterdyniak: „L’étude envisage une forte paupérisation des enseignants et plus généralement des fonctionnaires“, Le Monde, 5. Februar 2020. 

 [5] Vgl. für die genannten Zahlen Anaïs Henneguelle: „Retraites : 12 idées reçues à combattre“, www.atterres.org/sites/default/files/Note-retraite.pdf. 

[6] Vgl. Observatoire national de la vie étudiante: „Enquête nationale. Condition de vie des étudiant-e-s 2016“, www.ove-national.education.fr/wp-content/uploads/2018/11/Fiche_activite_remuneree_CdV_2016.pdf sowie „Repères sur la santé des étudiants (2018)”, http://www.ove-national.education.fr/wp-content/uploads/2018/11/Reperes_sante_etudiants_2018.pdf. 

[8] Bspw. auf dem nicht durchs Parlament sanktionierten Weg von Dekreten und Verordnungen im Rahmen kürzlich geänderter Gesetze, etwa bezüglich des öffentlichen Dienstes. Vgl. dazu Christelle Rabier: „À la découpe : sur l’adoption de la Loi de programmation pluriannuelle de la recherche“, https://academia.hypotheses.org/7164.

[10] Antoine Petit: „La recherche, une arme pour les combats du futur“, Les Echos, 26. November 2019. 

[11] Vgl. Bericht 2 (Arbeitsmarkt Wissenschaft), 32-41 und 46-47. 

[12] Die ANR, die mit der DFG zusammen auch gut 150 binationale Forschungsprojekte unterstützt, ist eine relativ junge und vergleichsweise kleine Institution. Projektförderung ist in Frankreich bisher weniger entwickelt als in Deutschland. Während die 1951 wiedergegründete DFG 2018 3,4 Milliarden Euro Fördergelder vergab, belief sich diese Summe bei der 2005 aus der Taufe gehobenen, französischen Schwesterorganisation zur gleichen Zeit auf lediglich 518 Millionen Euro, d.h. nur auf gut 15 Prozent der DFG-Förderung (vgl. https://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/geschaeftsstelle/publikationen/flyer_zahlen_fakten_de.pdf sowie https://anr.fr/fileadmin/documents/2019/ANR-rapport-activite-2018.pdf).

[13] Vgl. Bericht 1 (Forschungsfinanzierung), 32-42. 

[14] Das destruktive Potenzial dieser Politik wird besonders dramatisch durch die aktuelle Krise des neuartigen Coronavirus illustriert. So beklagen französische Wissenschaftler*innen, die seit der Sars-Krise 2003 einen entsprechenden Arbeitsschwerpunkt haben, dass sie ihre Forschungsprojekte nicht durchführen konnten, da ihnen keine Antragsgelder bewilligt wurden und sie über kein verstetigtes Personal verfügen; vgl. https://www.francetvinfo.fr/sante/maladie/coronavirus/coronavirus-la-majorite-des-projets-qu-on-avait-sur-le-virus-etaient-en-stand-by-faute-de-financement-explique-un-scientifique_3853431.html.

 [15] Vgl. Bericht 1, 27. 

[16] Vgl. Frédéric Neyrat: „Enseignement supérieur : la Grande Transformation?“, Mouvements. Des idées et des luttes, Nr. 55-56, 2008,  62-71.

[17] Vgl. Bericht 2, 28-34 und 47-49.

[19] Vgl. François Métivier, Patrick Lemaire und Ellen Riot: „CIR et R&D : efficacité du dispositif depuis la réforme de 2008“, http://sciencesenmarche.org/fr/wp-content/uploads/2015/04/RapportSenat_SeM.pdf.

 [20] Stand vom 9. März 2020. Ein regelmäßig aktualisiertes Verzeichnis der Mobilisierung findet sich unter https://universiteouverte.org/2020/01/14/liste-des-facs-et-labos-en-lutte/.

[21] Ronan de Calan/Goeffroy de Lagasnerie: „Une mobilisation impossible ? Quand les universitaires confondent la lutte et l’autopunition“, https://blogs.mediapart.fr/les-invites-de-mediapart/blog/200120/une-mobilisation-impossible-quand-les-universitaires-confondent-la-lutte-et-l-autopuni 

[22] Oskar Ambrepierre: „Grève à l’Université ? A propos des débats stratégiques dans le mouvement“, https://www.revolutionpermanente.fr/Greve-a-l-Universite-A-propos-des-debats-strategiques-dans-le-mouvement. 

[23] Ebd.

 [24] Le collectif des précaires de l’ESR en Île-de-France: „On ne soutient pas la grève, on la fait ou on l’empêche“, https://blogs.mediapart.fr/les-invites-de-mediapart/blog/300120/precaires-de-l-enseignement-et-de-la-recherche-ne-soutient-pas-la-greve-la-fait-ou-l-e.

[25] Anna Brik und Andréas Albert: „Les universitaires, des travailleur.euse.s comme les autres ? Au sujet de la grève à l’université“, www.contretemps.eu/greve-universite-precaires.

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