[1] Die Sonderregelung für die Mitarbeiter*innen der Pariser Oper sieht vor, dass festangestellte Tänzer*innen, Sänger*innen, Techniker*innen und Musiker*innen bereits mit 42 Jahren, 55, 57 bzw. 60 Jahren in den Ruhestand gehen können. Es handelt sich hierbei um eine der 40 Ausnahmen der französischen Rentenkasse, die mit der gegenwärtig umkämpften Reform abgeschafft werden sollen. Jene sieht auch vor, die Rentenbeiträge für freiberufliche Anwält*innen zu verdoppeln – mit der absehbaren Konsequenz, dass finanziell gut ausgestattete Großkanzleien zunehmend das Rechtsgeschehen dominieren und einfache Anwält*innen, die oftmals eher minderbemittelte Menschen vertreten, sich nicht mehr über Wasser halten können werden. Beide Berufsgruppen haben neben ihren Streiks spektakuläre Protestformen entwickelt: Die Bilder der Pariser Operntänzerinnen, die Mitte Dezember im Freien Tschaikowskys Schwanensee aufführten, oder von Anwält*innen, die Anfang Januar in Caen der französischen Justizministerin ihre Roben hinwarfen, gingen um die Welt.
[2] Auf Französisch fonctionnaires. Die geläufige Übersetzung als „Beamt*innen“ ist zwar richtig, mag aber insofern eine falsche Parallele nahelegen, als jene Personen nicht wie hierzulande in einem „besonderen Treueverhältnis“ zum Staate stehen. Sie besitzen so z.B. Streikrecht. Zudem hat es Berufsverbote, wie sie in Deutschland nach dem Radikalenerlass 1972 verhängt wurden, so in Frankreich nie gegeben.
[3] Lehrer*innen in Frankreich verdienen etwa halb so viel wie ihre verbeamteten deutschen Kolleg*innen, festangestellte Uni-Lehrkräfte zu Beginn ihrer Laufbahn 63 Prozent des für diese Berufsgruppe durchschnittlich in Europa gezahlten Gehalts.
[4] Sterdyniak: „L’étude envisage une forte paupérisation des enseignants et plus généralement des fonctionnaires“, Le Monde, 5. Februar 2020.
[5] Vgl. für die genannten Zahlen Anaïs Henneguelle: „Retraites : 12 idées reçues à combattre“, www.atterres.org/sites/default/files/Note-retraite.pdf.
[6] Vgl. Observatoire national de la vie étudiante: „Enquête nationale. Condition de vie des étudiant-e-s 2016“, www.ove-national.education.fr/wp-content/uploads/2018/11/Fiche_activite_remuneree_CdV_2016.pdf sowie „Repères sur la santé des étudiants (2018)”, http://www.ove-national.education.fr/wp-content/uploads/2018/11/Reperes_sante_etudiants_2018.pdf.
[8] Bspw. auf dem nicht durchs Parlament sanktionierten Weg von Dekreten und Verordnungen im Rahmen kürzlich geänderter Gesetze, etwa bezüglich des öffentlichen Dienstes. Vgl. dazu Christelle Rabier: „À la découpe : sur l’adoption de la Loi de programmation pluriannuelle de la recherche“, https://academia.hypotheses.org/7164.
[10] Antoine Petit: „La recherche, une arme pour les combats du futur“, Les Echos, 26. November 2019.
[11] Vgl. Bericht 2 (Arbeitsmarkt Wissenschaft), 32-41 und 46-47.
[12] Die ANR, die mit der DFG zusammen auch gut 150 binationale Forschungsprojekte unterstützt, ist eine relativ junge und vergleichsweise kleine Institution. Projektförderung ist in Frankreich bisher weniger entwickelt als in Deutschland. Während die 1951 wiedergegründete DFG 2018 3,4 Milliarden Euro Fördergelder vergab, belief sich diese Summe bei der 2005 aus der Taufe gehobenen, französischen Schwesterorganisation zur gleichen Zeit auf lediglich 518 Millionen Euro, d.h. nur auf gut 15 Prozent der DFG-Förderung (vgl. https://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/geschaeftsstelle/publikationen/flyer_zahlen_fakten_de.pdf sowie https://anr.fr/fileadmin/documents/2019/ANR-rapport-activite-2018.pdf).
[13] Vgl. Bericht 1 (Forschungsfinanzierung), 32-42.
[14] Das destruktive Potenzial dieser Politik wird besonders dramatisch durch die aktuelle Krise des neuartigen Coronavirus illustriert. So beklagen französische Wissenschaftler*innen, die seit der Sars-Krise 2003 einen entsprechenden Arbeitsschwerpunkt haben, dass sie ihre Forschungsprojekte nicht durchführen konnten, da ihnen keine Antragsgelder bewilligt wurden und sie über kein verstetigtes Personal verfügen; vgl. https://www.francetvinfo.fr/sante/maladie/coronavirus/coronavirus-la-majorite-des-projets-qu-on-avait-sur-le-virus-etaient-en-stand-by-faute-de-financement-explique-un-scientifique_3853431.html.
[15] Vgl. Bericht 1, 27.
[16] Vgl. Frédéric Neyrat: „Enseignement supérieur : la Grande Transformation?“, Mouvements. Des idées et des luttes, Nr. 55-56, 2008, 62-71.
[17] Vgl. Bericht 2, 28-34 und 47-49.
[19] Vgl. François Métivier, Patrick Lemaire und Ellen Riot: „CIR et R&D : efficacité du dispositif depuis la réforme de 2008“, http://sciencesenmarche.org/fr/wp-content/uploads/2015/04/RapportSenat_SeM.pdf.
[20] Stand vom 9. März 2020. Ein regelmäßig aktualisiertes Verzeichnis der Mobilisierung findet sich unter https://universiteouverte.org/2020/01/14/liste-des-facs-et-labos-en-lutte/.
[21] Ronan de Calan/Goeffroy de Lagasnerie: „Une mobilisation impossible ? Quand les universitaires confondent la lutte et l’autopunition“, https://blogs.mediapart.fr/les-invites-de-mediapart/blog/200120/une-mobilisation-impossible-quand-les-universitaires-confondent-la-lutte-et-l-autopuni
[22] Oskar Ambrepierre: „Grève à l’Université ? A propos des débats stratégiques dans le mouvement“, https://www.revolutionpermanente.fr/Greve-a-l-Universite-A-propos-des-debats-strategiques-dans-le-mouvement.
[23] Ebd.
[24] Le collectif des précaires de l’ESR en Île-de-France: „On ne soutient pas la grève, on la fait ou on l’empêche“, https://blogs.mediapart.fr/les-invites-de-mediapart/blog/300120/precaires-de-l-enseignement-et-de-la-recherche-ne-soutient-pas-la-greve-la-fait-ou-l-e.
[25] Anna Brik und Andréas Albert: „Les universitaires, des travailleur.euse.s comme les autres ? Au sujet de la grève à l’université“, www.contretemps.eu/greve-universite-precaires.