»5 cab drivers in Beirut have asked me how Trump became president. When the Lebanese are amazed by a politician’s incompetence, time to panic.«
Dieser Tweet der amerikanischen Journalistin Sulome Anderson vom 28. Juli 2017 aus Beirut gibt die dortigen Reaktionen auf die Präsidentschaft Donald Trumps prägnant wieder: Erstaunen, Verwirrung und jede Menge Humor, weil nun endlich auch ein anderer Teil der Erde von vermeintlicher Inkompetenz, Willkür und Größenwahn regiert wird. Der Libanon und der Nahe Osten sind eine Region, deren Schicksal seit Jahrzehnten in wechselndem Ausmaß direkt abhängig war und ist vom Wirken der US-amerikanischen Außenpolitik. Dies trifft gegenwärtig vor allem auf den Krieg in Syrien zu.
Für viele direkt Betroffene des Krieges und vor allem für Unterstützer*innen der syrischen Revolution ist die US-amerikanische Politik der letzten Jahre maßgeblich mitverantwortlich für die Eskalation des Konflikts sowie die sich nun Jahre hinziehende verheerende Situation vor Ort. Vor allem Barack Obama wurden immer wieder seine Unentschlossenheit, seine Kurzsichtigkeit und seine großen Worte, denen meist keine Taten folgten, vorgeworfen. Seit Beginn der Demonstrationen 2011, gegen die das syrische Regime mit beispielsloser Gewalt vorging und denen bald darauf bewaffnete Aufstände folgten, stand immer auch die Frage nach den Möglichkeiten einer Form der militärischen Intervention mit Beteiligung oder unter Führung der USA im Raum – mit dem Ziel, den Präsidenten Bashar al-Asad zu stürzen. Zur Regierungszeit Obamas war diese Intervention nach dem Giftgasangriff in Ghouta im August 2013 für kurze Zeit in greifbare Nähe gerückt, bevor wieder auf die Mittel der Diplomatie zurückgegriffen wurde. Die Frage nach einer wie auch immer gearteten militärischen Intervention in Syrien ist die Gretchenfrage nicht nur, aber in besonderem Maße für US-amerikanische Politiker*innen. An ihr scheiden sich die Geister. Während eine militärische Intervention für Anti-Kriegsaktivist*innen unbedingt zu vermeiden ist, ist sie für viele Unterstützer*innen der syrischen Revolution schon lange die noch einzig verbliebene realistische Option, Bashar al-Asad zu stürzen und das aus ihrer Sicht Hauptübel der syrischen Tragödie aus dem Gefecht zu ziehen.
Zu Obamas Regierungszeit wurde diese Option nie ernsthaft verfolgt. Stattdessen bombardiert die US-Luftwaffe seit 2014 in Syrien Stellungen des sogenannten Islamischen Staates. Im April dieses Jahres wurde eine Intervention dann plötzlich überraschend Realität, als Donald Trump in Reaktion auf einen erneuten Giftgasangriff in Khan Shaykhoun den syrischen Militärflugplatz al-Sha’irat bombardierte. Trumps militärische Intervention gegen das al-Asad-Regime sollte sich jedoch als eine einmalige Aktion herausstellen, die in das willkürliche Muster der bisherigen Politikentscheidungen dieses US-Präsidenten passt. Auf den ersten Blick hat die Politik Trumps in der Syrienfrage viele Ähnlichkeiten mit der seines Vorgängers Barack Obama. Beiden fehlt es an einer kohärenten Strategie, während sich die USA seit 2014 durch die Angriffe der US-Luftwaffe auf Stellungen des IS in Syrien sowie durch die Unterstützung der Demokratischen Kräfte Syirens (DKS) in ihrem Kampf gegen den IS immer tiefer in den Krieg in Syrien verwickeln.
Dieser relativ hohe Einsatz im Kampf gegen den IS mit gleichzeitiger Vernachlässigung anderer Faktoren des syrischen Konflikts ist Obama wie Trump gemein. Grund dafür ist, dass der Krieg in Syrien, die Grausamkeit des syrischen Regimes, der große Strom Geflüchteter und das Leid der Zivilgesellschaft keine Prioritäten US-amerikanischer Außenpolitik sind – anders als der »Anti-Terrorkrieg« gegen den IS in Syrien und weltweit. Auch gibt es weder im republikanischen noch im demokratischen Lager Einigkeit über die richtige Position zu Syrien. Im demokratischen Lager vertritt Barack Obama eine andere Position als jene klar interventionistische Hilary Clintons, Bernie Sanders hält wiederum an einer dritten, Anti-Kriegsposition fest. Ähnlich bei den Republikanern: Hier vertritt Donald Trump immer mal wieder eine andere Position als sein Außenminister Rex Tillerson. Die Positionen der beiden unterscheiden sich wiederum von der von Nikki Haley, der momentanen US-Botschafterin der Vereinten Nationen. Die Mischung aus Uneinigkeit und Unentschiedenheit, der geringen Priorität und gleichzeitigen Verstrickung in den syrischen Krieg führt zu verwirrenden und sich häufig widersprechenden Politikwechseln der USA. Diese haben zur dramatischen Verschlechterung der Lage in Syrien mit beigetragen und erschweren längerfristige Optionen für einen dauerhaften Frieden.
Russland – USA: »Alien vs. Predator« oder umgekehrt
Am 2. August 2017 unterzeichnete Donald Trump neue wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland, unter anderem wegen der militärischen Unterstützung des syrischen Regimes durch Russland. Diese kamen insofern überraschend, da der Präsident zuvor sein Veto gegen Sanktionen angekündigt und sich in der Syrienfrage zunehmend an Russland angenähert hatte. Offensichtlich war diese Kehrtwende dem innenpolitischen Druck geschuldet, dem sich Trump wegen des Vorwurfs der Einmischung der russischen Geheimdienste in die amerikanische Präsidentschaftswahl ausgesetzt sah. Das starke Engagement Russlands im syrischen Konflikt und die uneingeschränkte politische und militärische Unterstützung für das al-Asad-Regime begründen ein besonderes Interesse der USA in der Syrien-Frage. Dies folgt der klassische Logik eines Stellvertreterkrieges: US-amerikanisch-russischen Beziehungen können immer auch ein Stück weit an dem jeweiligen Engagement und Reaktionen der beiden Akteure in Syrien abgelesen werden. Dies gilt auch für die jeweiligen innersyrischen oder lokalen Verbündeten der beiden Staaten. Als die russische Luftwaffe im September 2015 militärisch an der Seite des syrischen Regimes in den Konflikt intervenierte, nannte Obama das russische Vorgehen »ein Rezept für die Katastrophe« (The Guardian, 2.10.2015). Wie viele Male zuvor, warnte der US-amerikanische Präsident vor einer Entwicklung des syrischen Konflikts zu einem Stellvertreterkrieg, der – ähnlich dem Vietnamkrieg – in einen Krieg führe, der für keine Seite zu gewinnen wäre und hohe Verluste zur Folge hätte. Obwohl diese Beschreibung in vielem auf die gegenwärtige Situation in Syrien zutrifft, hat sich das von Obama vorhergesagte „Desaster« aus russischer Sicht so nicht verwirklicht. Jedenfalls nicht, wenn man die militärische Entwicklung des Konflikts für Russland und das Regime betrachtet. Nicht zuletzt wegen der Intervention der russischen Luftwaffe ist ein militärischer Sieg für das syrische Regime in erreichbare Nähe gerückt.
Auch wenn dies noch lange kein politischer Sieg und ein Ende des Konflikts wäre, so ist dies für die USA und ihre Verbündeten doch eine Niederlage. Eine militärische Intervention wäre wegen des russischen Engagements mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Diese Verschiebung der Kräfteverhältnisse schränkt auch Spielräume auf dem diplomatischen Parkett ein: Dies zeigte sich an den vergeblichen Versuchen des US-amerikanischen Außenministers John Kerry, mit der Regierung Putins einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Am Ende seiner Amtszeit blieben Obama nur harte, aber folgenlose Worte, als die russische Luftwaffe Seite an Seite mit dem syrischen Regime den von oppositionellen Milizen besetzten Teil der Stadt Aleppo in Schutt und Asche legte, ohne Rücksicht auf die noch in der Stadt verbliebene Zivilgesellschaft sowie auf Kranke und Verletzte zu nehmen. In einer ähnlichen Lage befindet sich nun Donald Trump, der von vornherein die Bereitschaft mitbrachte, der russischen Regierung die Vormacht in Syrien zu überlassen. Dennoch kam es in den letzten Monaten bereits einige Male zu heftigeren Spannungen zwischen den beiden Staaten, von denen die Sanktionen von Anfang August nur das letzte Beispiel in einer Reihe von Ereignissen darstellen. Ein erster Tiefpunkt der amerikanisch-russischen Beziehungen wurde mit dem US-Luftangriff auf al-Sha’irat im April dieses Jahres erreicht. Diesem folgten Spannungen im Juni, als die amerikanische Luftwaffe einen syrischen Armeejet abschoss und Russland in Folge die erst im März etablierte direkte Hotline zwischen den beiden Staaten trennte, die eine Konfrontation im Luftraum zu vermeiden angestrebt hatte.
Dennoch hat sich die vorteilhafte russische Position auf der syrischen Stellvertreterbühne vor allem im Juli noch einmal verbessert. Nach dem G20-Gipfel in Hamburg, auf dem sich Putin und Trump das erste Mal in ihrer Rolle als Staatsoberhäupter begegneten, bestätigen beide Staaten die gemeinsame Prioritätensetzung auf den Kampf gegen den IS, während Fragen der Zukunft des al-Asad-Regimes mehr oder weniger der russischen Regierung überlassen wurden. So kündigten die USA am 19. Juli an, das von Obama geschaffene CIA-Programm zur Bewaffnung und zum Training »moderater« Oppositionsmilizen einzustellen. Gleichzeitig vereinbarten die USA und Russland einen neuen Waffenstillstand im Süd-Westen Syriens. In den letzten Wochen lobte Außenminister Tillerson mehrmals die russische Initiative zur Schaffung von De-Eskalationszonen und betonte die wichtige Zusammenarbeit mit Russland, um die Fortsetzung des Krieges in einer Post-IS-Phase zu vermeiden. Eine Zukunft Syriens ohne al-Asad wurde in diesen Szenarien nicht mehr erwähnt. Diese Ereignisse belegen die Gefahren eines Stellvertreterkriegs, den Obama so doch vermeiden wollte: Beide Staaten tragen ihre Rivalität auf dem Rücken der syrischen Bevölkerung aus, ohne einem Ende des Bürgerkrieges und einer Lösung des Konflikts näher zu kommen. Beide Staaten handeln wie der klassische »alien predator«, als fremde Akteure, die nicht im lokalen Kontext involviert sind, über lückenhaftes Wissen verfügen und deren Einfluss auf lokale und syrische Akteure immer auch begrenzt bleibt.
Militärische Intervention, Bewaffnung und Diplomatie
»The Americans have been bombing Syria since 2014. Last night, for the first time, they hit the right target«. Dieser Facebook-Kommentar des Schriftstellers und Journalisten Robin Yassin-Kassab spiegelt die Reaktionen vieler Unterstützer*innen der syrischen Revolution auf Trumps überraschenden Militärschlag im April dieses Jahres. Obwohl den meisten klar war, dass Trumps Angriff keine nachhaltige Änderung in der US-amerikanischen Syrienpolitik darstellte, so war es doch das erste Mal, dass eine der in den Syrienkrieg involvierten Staaten, das syrische Regime gewollt und direkt angriff. Die Anerkennung, die Donald Trump durch den überraschenden Angriff von Seiten vieler Syrer*innen erfuhr, hatte vor allem zwei Gründe: Zum einen ist für viele eine Anti-Interventionshaltung in einem Konflikt fragwürdig, in dem seit 2014 bereits täglich und von verschiedenen Seiten militärisch interveniert wird, nur eben nicht gegen das Regime, das sich seit Jahren diverser Kriegsverbrechen gegen seine eigene Bevölkerung schuldig macht. Zum anderen ist für viele eine militärische Intervention von außen die noch einzig verbliebene Hoffnung, al-Asad zu stürzen und eine Zukunft Syriens ohne ihn zu denken. Syrer*innen innerhalb und außerhalb des Landes haben bereits seit 2013 für eine Form der militärischen Intervention von außen plädiert, sei es durch eine Flugverbotszone oder durch eine direkte Intervention. Allerdings scheint eine solche im Moment ebenso wenig im Fokus der realpolitischen Optionen wie noch zu Zeiten Obamas.
Kurz nach Trumps Angriff, machte die US-Regierung über diverse Kanäle deutlich, dass der Angriff nicht gegen Bashar al-Asad als regierendes Staatsoberhaupt Syriens gerichtet sei, sondern nur gegen seinen Gebrauch von Chemiewaffen. Der Militärschlag sei demnach eine Warnung an al-Asad, keine Chemiewaffen mehr gegen sein Volk einzusetzen. Jenseits der diplomatischen Versuche in Genf, die im Juli das letzte Mal ohne Ergebnis endeten, waren die Waffenlieferungen an oppositionelle und sogenannte moderate Milizen in Syrien die einzige gegen das Regime gerichteten Maßnahmen der US-Regierung. Diese Strategie wurde von Obama bereits seit 2013 verfolgt. Das Programm wurde im Juli dieses Jahres von Trump aufgekündigt. Weiterhin Unterstützung von Seiten der USA erhalten die Demokratischen Kräfte Syriens (DKS), ein Militärbündnis aus kurdischen und einigen wenigen arabischen Milizen. Führende Miliz der DKS sind die kurdischen Volksverteidigungseinheiten, der bewaffnete Arm der kurdischen und PKK-nahen „Partei der Demokratischen Union«. Die DKS erhalten von den USA Unterstützung aus der Luft, Waffen, Training sowie direkten Beistand durch Teile der US-Special Forces. Diese enge Unterstützung erhält die DKS nicht für ihren Kampf gegen Asad, sondern für ihren Kampf gegen den IS.
Die Kooperation zwischen DKS und USA ist damit Teil des Anti-Terrorkampfes und der Bodenoffensive, die von der US-Luftwaffe aus der Luft unterstützt wird. Die DKS hat sich hier vor allem als Kooperationspartner der USA angeboten, da sie sich in einer eher taktischen Partnerschaft mit dem al-Asad-Regime und auch mit Russland befinden und demnach kein Interesse an einem Sturz al-Asads haben – und weil sie die einzige effektive Streitkraft gegen den IS sind. Verschiedene Milizen der Freien Syrischen Armee haben die Kooperation mit den USA abgelehnt, solange sich der angestrebte Kampf nur gegen den IS richtet. Die Unterstützung der DKS sowie die Luftangriffe Syriens durch die US-Luftwaffe im Rahmen des Krieges gegen den IS zeigen, dass die wahren und womöglich einzigen Prioritäten US-amerikanischer Außenpolitik in Syrien einerseits die Bekämpfung des IS, andererseits die Behauptung der eigenen Präsenz in den verschiedenen Stellvertreterkonstellation eben durch die Bekämpfung des IS ist. Dieser Kampf zeigt zunehmend Erfolge: Als Territorialmacht schwindet der IS in Syrien und im Irak seit einiger Zeit. Die Kämpfer der DKS haben mittlerweile die Hälfte der IS-Hauptstadt Rakka eingenommen seit sie im Juni mit Hilfe der US-Militärschläge eine Großoffensive auf die Stadt begonnen haben.
Geflüchtete und der „Muslim-Ban«
»I can look in their [d.h. syrische geflüchtete Kinder] faces and say ‘You can’t come.’ I’ll look them in the face.« – Donald Trump, Februar 2016 Der größte Unterschied in der Politik von Trump und Obama zeigt sich wahrscheinlich in der Frage der Aufnahme von Geflüchteten aus Syrien in die USA. Das Thema war – im Unterschied zum Krieg in Syrien selbst – eines der viel und polemisch diskutierten Themen des US-Wahlkampfes im Jahr 2016. Mehrmals warnte Trump vor der Aufnahme syrischer Geflüchteter in die USA, verglich diese mit einem »enormen Trojanischen Pferd«, in dem sich IS-Anhänger und Terroristen verstecken könnten. Auch Obama hatte sich im Unterschied zu anderen westlichen Staaten bei der Aufnahme von Geflüchteten aus Syrien lange zurückgehalten. Erst 2015 wurden Geflüchtete durch den UNHCR in die USA gebracht– und dies auch nur nach Druck von Seiten der UN und einiger europäischer Staaten. Zwischen Ende 2011 und Dezember 2016 betrug die Zahl der aufgenommenen Geflüchteten etwa 18 000, wovon alleine circa 12 000 im Jahre 2016 aufgenommen wurden (migrantpolicicy.org). Damit sind syrische nach den kongolesischen Refugees die zweitgrößte Gruppe von Geflüchteten in den USA. Trump hatte im Wahlkampf nicht zu viel versprochen. Bereits im Januar 2017 setzte er im Zuge der »Executive Order 13769« (dem sogenannten »Muslim« oder »travel ban«) die Aufnahme von Geflüchteten aus Syrien aus, um angeblich Terroranschläge in den USA zu verhindern. Syrien zählt auch zu den sieben Ländern, deren Staatsangehörige generell durch den »ban« für 90 Tage die Einreise in die USA verboten wurde.
Auch wenn der erste „travel ban« von Bundesrichter James Robart bereits im Februar als nicht verfassungskonform erklärt wurde und auch der Rechtsbehelf der US-Regierung vom Bundesberufungsgericht zurückgewiesen wurde, so ist die Zahl von aufgenommenen Geflüchteten aus Syrien in die USA in den ersten Monaten von Trumps Präsidentschaft bereits extrem gesunken. Auch gegen das leicht abgeschwächte Nachfolgedekret „Executive Order 13780« wurde von einigen US-Staaten Klage eingereicht. Seit Juni liegt der Fall beim Supreme Court und Teile des Einreiseverbots sind bis zur Verhandlung außer Kraft gesetzt. Je nach Entscheidung sieht es für die Aufnahme von Geflüchteten in Zukunft noch schlechter aus. Parallel sicherte Trump bereits im April dem Libanon die stattliche Summe von 167 Millionen US-Dollar zu, um Geflüchtete aus Syrien in der Nähe ihrer Heimat, d.h. im Libanon zu unterstützen. Dies bestätigte Trump im Juli auf seiner Pressekonferenz mit dem libanesischen Ministerpräsident Rafik al-Hariri, als er betonte, der beste Weg, Geflüchteten aus Syrien zu helfen sei, sie in der Nähe ihrer Heimat zu unterstützen. Betrachtet man die Lage Geflüchteter im Libanon, die ohne Flüchtlings- oder Aufenthaltsstatus in einer Quasi-Illegalität ohne grundlegende Rechte leben, so zeigt Trump auch hier wieder seine bewusste oder unbewusste Ignoranz des lokalen Kontexts in den Nachbarländern Syriens.
Fazit
»Justice must do its work because without justice there is no real peace, we know that from history. « – Carla Del Ponte, bei ihrem Rücktritt aus der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für Syrien (The Guardian, 7.8.2017 ) Betrachtet man die US-amerikanische Außenpolitik der letzten Jahre mit Blick auf Syrien, so haben Fragen von Gerechtigkeit, der Aufklärung von Kriegsverbrechen sowie einer dauerhaften Aussöhnung und des Frieden in Syrien eine geringe Rolle gespielt. Hier unterscheiden sich die Regierungen von Trump und Obama wenig. Beide haben in und um Syrien eine Politik verfolgt, die sich in vieler Hinsicht als kurzsichtig, einseitig in ihren Prioritäten und – angesichts der Grausamkeiten des Bürgerkrieges – auch als unmenschlich erwiesen hat. Beide Regierungen haben einen Stellvertreterkrieg in Syrien nicht nur zugelassen, sondern ihre Politik der Logik der Rivalität um Einfluss untergeordnet. Lokale Realitäten, Dynamiken und Befindlichkeiten haben dabei kaum eine Rolle gespielt, sie sind auch diesem Stellvertreterkrieg zunehmend zum Opfer gefallen. Das Versagen der USA in Syrien ist – wie der Rücktritt von Carla del Ponte beispielhaft zeigt – auch ein Versagen der »internationalen Staatengemeinschaft«, die nicht in der Lage war, ein grausames Regime und seine Verbündeten zu stoppen, Giftgas und Fassbomben gegen die syrische Bevölkerung einzusetzen, die auch nicht in der Lage war, die Militarisierung und religiöse Radikalisierung von Teilen der bewaffneten Opposition aufzuhalten.
Ebenso wenig konnte die Vertreibung von gegenwärtig geschätzten 5,5 Millionen Geflüchteten verhindert, noch konnten in sechs Jahren Friedensverhandlungen dauerhafte Erfolge erzielt werden. Die USA ist hier nur ein wichtiger Akteur von vielen, der in der syrischen Frage versagt hat. Es ist müßig, darüber nachzudenken, wann und wodurch die USA eine andere Politik hätte einschlagen können, und wie eine solche Politik hätte aussehen können. Sicher wurden Gelegenheiten verpasst, die dem Krieg in Syrien einen anderen Verlauf gegeben hätten. Optionen im Hier und Jetzt gibt es angesichts des militärischen Sieges des Regimes einerseits wenige. Andererseits wäre dies nun der Zeitpunkt, an dem Kritik auch noch einmal ansetzen kann: durch eben ein Beharren auf Fragen der strukturellen Gewalt und der transformativen Gerechtigkeit, das die Seite des Regimes nicht nur auch, sondern in besonderem Maße zur Rechenschaft zieht; durch ein genaues Beobachten der Situation und möglicherweise eine Einmischung in die Politik Russlands und des Irans; durch ein Nicht-Ignorieren der Millionen von Geflüchteten innerhalb und außerhalb Syriens, durch die Erhöhung der Aufnahmezahlen und Gewährleistung eines gesicherten Rechtsstatus der Geflüchteten in den Aufnahmeländern oder bei ihrer Rückkehr nach Syrien; und nicht zuletzt durch die Versuche, lokale Dynamiken in Post-IS-Gebieten und ehemaligen Regionen der syrischen Opposition, sowie die dortige Zivilgesellschaft und politische Aktivist*innen nicht außer Acht zu lassen und bei Friedensverhandlungen miteinzubeziehen. Es überrascht wenig, dass es nicht danach aussieht, als würde die Trump-Administration solche Schritte in Erwägung ziehen.