Die Razzia im sogenannten Reichsbürgermilieu Anfang Dezember 2022 hat ein bezeichnendes Licht auf die AfD geworfen. An den rechtsterroristischen Verschwörungs- und Umsturzplänen war die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann beteiligt, über die sich die Gruppe offenbar den Zugang zum Bundestag beschaffen wollte. Und auch weitere Personen, die im kommunalen Rahmen für die AfD tätig waren, tauchten unter den Beschuldigten auf. Nicht zum ersten Mal findet sich die AfD in unmittelbarer Nähe zum militanten Terror von rechts, denn auch der Mörder von Walter Lübcke war Wahlhelfer der AfD und spendete für die Partei.
Mit Ärztinnen, Anwälten und Angehörigen aus den Sicherheitsorganen, dazu einem Prinzen, repräsentiert die Gruppe einen wichtigen Teil der AfD-Klientel aus der bürgerlichen Mitte, den die Behörden mit ihrem verfehlten Extremismus-Ansatz jedoch nur schwer zu fassen bekommen. Für den Vertreter des Generalbundesanwaltes im Innenausschuss des Bundestages war diese Art der Zusammensetzung der Gruppe „die größte Überraschung“, was leider zeigt, dass man dort weder ein klares Bild des historischen Faschismus noch eine Vorstellung des AfD-Umfeldes von heute hat.
Die AfD war vor allem darum bemüht, die rechten Putschpläne lächerlich zu machen und sie als Inszenierung des Staates darzustellen. Tatsächlich werden von der Partei aber genau die Einstellungen und Vorstellungen befeuert, die von entschlossenen Ideologen und labilen Charakteren in Handlungen umgesetzt werden: Die Regierung verrate die Interessen des deutschen Volkes, sie werde von den „Globalisten“ gesteuert, man stehe vor einer Entscheidung zwischen Umsturz und Untergang. Solche von der völkischen Rechten um Björn Höcke immer wieder formulierten Behauptungen sind für zahlreiche Menschen im Umfeld der Partei Aufforderungen zum Handeln. Offenbar rücken auch innerhalb der Partei mehr Menschen an die Grenze der Gewalt, zur Erreichung politischer Ziele. Birgit Malsack-Winkemann ist eine von ihnen.
Verbotsdebatte und Annäherungen von Seiten der CDU
Kein Wunder also, dass im Zusammenhang mit der Verstrickung der AfD in solche Umsturzfantasien die Debatte um ein mögliches AfD-Verbot Fahrt aufnahm. Nur wenige wie der Thüringer Innenminister Maier fordern bisher ein solches Verbot (Thüringens Innenminister über Parteiverbot: „Die AfD ist verfassungsfeindlich“ - taz.de), aber wann, wenn nicht jetzt, sollte über diese Frage ernsthaft politisch debattiert werden, wie Martina Renner von der LINKEN es im Interview mit der taz gefordert hat (Linke über rechte Staatsstreichpläne: „Müssen ein AfD-Verbot prüfen“ - taz.de).
Umso erstaunlicher ist vor diesem Hintergrund, dass aus der CDU immer wieder Stimmen laut werden, die einer Normalisierung der AfD das Wort reden oder gar Argumentationsmuster und Positionen der AfD übernehmen. Der Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete Mike Mohring will die formale Ausgrenzung der AfD im Landtag beenden und die Partei Björn Höckes so ein Stück weit normalisieren. Gerne nimmt die CDU in Thüringen die Stimmen der AfD in Anspruch, wenn es mit einem Antrag „Gendern, nein danke!“ gegen Rot-Rot-Grün geht (vgl. CDU in Thüringen: Und ewig lockt die AfD – Der Spiegel, 18.11.22). In Bautzen verbreitete ein CDU-Landrat eine Weihnachtsbotschaft in AfD-Diktion, mit der er sich gegen Geflüchtete ausspricht und auch der Oppositionsführer in Berlin, Friedrich Merz, nutzt immer wieder den rechten Populismus (Ukrainische geflüchtete als „Sozialtouristen“, Jugendliche mit Migrationsgeschichte als „kleine Paschas“, die in Deutschland nichts zu suchen hätten („Markus Lanz“ und „Maischberger“ talken zu Silvester-Krawallen (rnd.de)).
Während mit Joana Cotar im November 2022 eines der letzten verbliebenen Gesichter des bürgerlichen Konservatismus die AfD-Bundestagsfraktion verließ und selbst der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang konstatiert, „Kräfte, die versuchen, die extremistischen Tendenzen aus der Partei zu verdrängen, nehmen wir kaum noch wahr“, versucht die CDU in einzelnen ostdeutschen Bundesländern, sich dieser Partei anzunähern. Ein Grund dieser Paradoxie könnte in dem liegen, was sich bei der Reichsbürger-Verschwörung, aber auch bei den rechten Herbstprotesten beobachten ließ: Die Basis der AfD besteht häufig aus einem mobilisierbaren radikalisierten Konservatismus, den bisher die CDU als natürliches Hinterland ansah, das sie nicht kampflos preisgeben will.
Kein „heißer Herbst“ von rechts
Wie bereits an dieser Stelle angeführt (Neues Wachstum, in LuXemburg Online), konnte die AfD in den Umfragen von der Inflations- und Energiekrise und den sich damit verbindenden Sorgen der Menschen profitieren. Relativ stabil liegt sie seit dem Sommer 2022 bundesweit bei 13-15 Prozent und führt in den Ländern Sachsen und Thüringen mit 31 bzw. 30 Prozent. Die Hoffnungen der Partei auf eine breite und dauerhafte Straßenmobilisierung im Herbst haben sich allerdings nur zum Teil erfüllt. Anfang Oktober gingen in Ostdeutschland bei von rechts organisierten oder nach rechts offenen Protesten bis zu 100 000 Menschen auf die Straße, dann bröckelte dieser Protest deutlich und ist aktuell nur noch in geringem Maße vorhanden. Während bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen über Monate wöchentlich 300 000 Menschen und mehr auf die Straße gingen, waren die Herbstproteste deutlich weniger intensiv.
Von Seiten der AfD wurden die Proteste in keiner Weise als Sozialproteste geführt und selten bis nie ging es AfD-Redner*innen um soziale Fragen. Stattdessen spielten die Abgrenzung vom „Regenbogen-Imperium“ des Westens, das Bekenntnis zu Putins Russland und Zweifel an der deutschen Souveränität eine wichtige Rolle.
Entscheidung in Sachen AfD-Parteistiftung naht
Ende Februar 2023 will das Bundesverfassungsgericht über die Klage der AfD gegen den Ausschluss der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) von der staatlichen Finanzierung entscheiden. Partei und Stiftung der Rechten hoffen, dann endlich Zugang zu hohen Millionenbeträgen zu haben, mit denen sie die DES zum zentralen Think Tank der modernisierten radikalen Rechten ausbauen können.
Allerdings befinden sich die DES und ihre Chefin Erika Steinbach gerade selbst in heftigen Turbulenzen, denn die völkische Rechte will perspektivisch auch die Inhalte der Stiftung dominieren, so wie sie es heute schon mit der Partei macht. In der Auseinandersetzung über eine Veranstaltung der Schleswig-Holsteinischen Landesstiftung der DES konnte man ablesen, wie diese Konfliktlinien verlaufen. Steinbach und die Bundesstiftung distanzierten sich öffentlich von dieser Veranstaltung, weil neben völkischen Schwergewichten der Partei auch Personen aus der traditionellen extremen Rechten beteiligt waren. Steinbach weiß genau, dass der DES solche Veranstaltungen mit Nazis in der juristisch-politischen Auseinandersetzung um die Stiftungsfinanzierung schwer schaden können.
In der völkischen Rechten der Partei, in der man mehr auf ideologische Bekenntnisse und weniger auf Taktik setzt, brachte ihr das massive Kritik und die Frage ein, ob sie noch die richtige Vorsitzende für die DES sei. (vgl. insgesamt: Politische Stiftung der AfD: Zum Extremismus angestiftet - taz.de)
Der ganze Vorgang zeigt, was nach einer möglichen Finanzierung der DES aus Steuermitteln passieren wird: Über den Aufbau von Landesstiftungen wird die völkische Rechte zunächst in Ostdeutschland und dann darüber hinaus Zugriff auf die Mittel erlangen, um schließlich die Gesamtstiftung in die Hand zu bekommen oder in ihrem Sinne von einer vorzeigbaren Person steuern zu lassen. Umso wichtiger, die AfD so lange wie möglich vom Zugriff auf diese Mittel fernzuhalten.
AfD im Bundestag
Eine aktuelle Analyse des Frageverhaltens der AfD im Bundestag zeigt, wie die Fraktion das Mittel der Kleinen Anfrage für ihre Themen und Ziele nutzt (Parlamentarische Anfragen der AfD - Belltower.News). Auffällig sind dabei in den letzten Monaten einige Anfragen im Stil einer mal mehr mal weniger gut gemachten Anti-Antifa-Recherche. Einzelne Personen aus antifaschistischen Zusammenhängen werden dabei ins Zentrum einer Anfrage gestellt und ihre vermeintlichen Verbindungen zur „linksextremen“ und/oder gewaltbereiten linken Szene abgefragt. Solche Anfragen lassen erahnen, wie verankert einzelne Mitarbeiter*innen der AfD-Bundestagsfraktion in der extremen Rechten sind, entwickeln diese doch einen besonderen Beißreflex gegen alle, die aktiv gegen rechts arbeiten.
Die Anhörungen des Bundestages zu Gesetzen und sonstigen Vorhaben sind ein weiteres Mittel der AfD-Fraktion, extrem rechte, verschwörungsaffine und geschichtsrevisionistische Positionen einsickern zu lassen. Ein besonders ekelhaftes Beispiel ereignete sich im November 2022 bei einer Anhörung zum geplanten Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“. Alle Fraktionen des Bundestages dürfen Sachverständige für eine solche Anhörung benennen und von der AfD wurde der bekannte geschichtsrevisionistische Historiker Stefan Scheil benannt. Scheil leugnet die deutsche Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und schiebt sie Polen zu, zudem sieht er den Krieg Nazideutschlands gegen die Sowjetunion als einen „Präventivkrieg“, mit dem Deutschland der Sowjetunion unter Stalin nur zuvorgekommen sei. Wissenschaftlich ist das alles kompletter Unsinn, aber Scheil ist gern gesehener Gast in den verschiedensten Zirkeln der extremen Rechten und durch die AfD wurden ihm jetzt auch die Türen des Bundestages geöffnet (eine Zusammenfassung der Anhörung findet sich hier: Deutscher Bundestag - Dokumentationszentrum Besatzungsherrschaft, nachzusehen ist sie hier: https://dbtg.tv/cvid/7548605).