In der Diskussion um Qualität und Entwicklung Sozialer Infrastrukturen herrscht vielfach Verwunderung darüber, warum für alles Mögliche Geld da ist, nicht aber für so elementare Dinge wie die Versorgung alter Menschen, die Erziehung und Betreuung von Kindern oder die Förderung von Menschen mit Behinderungen. Der Grund hierfür liegt im Prinzip des Privateigentums und der privaten Gewinnerwirtschaftung, die für die gesamte kapitalistische Ökonomie beherrschend sind.
Soziale Infrastrukturpolitik als Leistung des kapitalistischen Staates
Wenn der Staat ganze Sektoren der Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen dem Markt entzieht, tut er dies nicht als Alternative zum privatkapitalistischen Geschehen, sondern weil die von ihm als notwendig erachteten Infrastrukturen vom Markt allein nicht zustande gebracht werden. Die gemeinwirtschaftliche Versorgung mit elementaren Gütern und Dienstleistungen wie Wasser, Strom, Verkehrsinfrastruktur, Gesundheitspflege oder Schulbildung erfolgt von einem übergeordneten Standpunkt aus: Ziel ist die Pflege und Erhaltung der als Staatsvolk zusammengefassten Bürgerinnen und Bürger als Basis und Ressource nationaler Standortpolitik. Der Staat erbringt entweder unprofitable, aber notwendige Voraussetzungen für die Gewinnwirtschaft oder er übernimmt, als Reaktion auf die Schädigungen der Konkurrenzgesellschaft, kompensatorische Leistungen wie die Aufrechterhaltung der Volksgesundheit (Dahme/Wohlfahrt 2014a).
Daraus folgt: Der Gebrauchswert sozialer Dienste wird – im Unterschied zur normalen Warenproduktion – nicht durch die Nützlichkeit bestimmt, die das Produkt für das konsumierende Subjekt hat. Er wird stattdessen staatlich, in der Regel durch gesetzliche Regelungen gestiftet. Solche staatlichen Setzungen sind Gegenstand dauerhafter Abwägungen: Welche Dienstleistungen werden in welcher Qualität benötigt, um eine von staatlichen Transfers unabhängige Reproduktion der Arbeitskräfte zu gewährleisten? Welche Dienstleistungen sind erforderlich, um die staatlich als notwendig erachteten Ausbildungs- und Instandhaltungsarbeiten der bürgerlichen Verhältnisse durchzusetzen (Schulwesen, Schutz von Kindern und Jugendlichen)?
Soziale Dienstleistungen sind damit weit überwiegend nicht Ergebnis einer zahlungsfähigen Nachfrage, die sich auf ein spezifisches Produkt richtet, sondern durch staatliche Nützlichkeitserwägungen geschaffene und finanzierte Investitionen. Ihr Gebrauchswert ist also nicht nur staatlich vermittelt, sondern auch staatlich bestimmt, und damit unabhängig davon, ob sich das Produkt auch für den Adressaten als nützlich erweist. Der klassische Schwerpunkt der Gemeinwirtschaft liegt zweifellos darin, materielle Infrastrukturen zu gewährleisten und zu betreiben, die als Anlagesphäre privatkapitalistischer Akkumulation nicht infrage kommen, weil die Investitionskosten zu hoch sind oder weil das private Geschäftsrisiko angesichts des Umfangs des anzulegenden Kapitals als zu hoch eingeschätzt wird. Erfolgt dennoch ein Kapitaleinsatz in solchen Bereichen, so steht immer auch die Privatisierung staatlich betriebener gemeinwirtschaftlicher Leistungen auf der Agenda.
Soziale Dienstleistungen entspringen ihrem Grunde und ihrer spezifischen Ausgestaltung nach also primär einer souveränen sozialstaatlichen Zwecksetzung, ohne dass die Wünsche und Interessen der so ›Begünstigten‹, analog der Kundenorientierung im Rahmen einer rein marktvermittelten Dienstleistungsbeziehung, dabei inhaltlich den wirklichen Maßstab des Handelns abgäben. Das gilt zum einen in wirtschaftlicher Hinsicht, denn die Hilfebedürftigen verfügen (überwiegend) nicht über die entsprechende Zahlungsfähigkeit – weder im Bereich der kompensatorischen Jugendhilfe, der Betreuung von Kleinkindern oder der Pflege älterer Menschen. Eben jener Mangel an kaufkräftiger Nachfrage ist der Grund, weshalb diese Leistungen überwiegend oder ausschließlich staatlich gestiftet werden. Zum anderen gilt es aber auch in sachlicher Hinsicht, denn Art und Umfang der Leistungen sind in zwölf Sozialgesetzbüchern bis ins Detail gesetzlich geregelt, also vorab festgeschrieben.
Dennoch verfolgt der Sozialstaat durchaus auch im Bereich der sozialen Dienstleistungen das Anliegen, die von ihm durchgesetzten Versorgungsleistungen als Geschäftssphäre zu organisieren. Das Beispiel des ›Gesundheitsmarktes‹ zeigt aber, dass dieser nicht der privaten Nachfrage der Konsumenten allein überlassen bleibt. Das Geschäft mit der Gesundheit funktioniert nur dadurch, dass ein Teil des Lohneinkommens der erwerbstätigen Bevölkerung zwangskollektiviert wird. Die Gewinne der Pharmaindustrie, Ärztehonorare und Krankenhausbudgets sind also nicht in erster Linie das Ergebnis einer privatkapitalistisch kalkulierten Geldanlage. Sie basieren stattdessen auf sozialstaatlich hergestellter Zahlungsfähigkeit. Gleiches gilt für die Soziale Arbeit (in professioneller und organisatorischer Form). Sie ist damit zum einen abhängig von den Konjunkturen staatlicher Sozialpolitik – beispielsweise wenn Inklusionsarbeit auf die Agenda gesetzt wird und dadurch für andere Aufgaben weniger Mittel zur Verfügung stehen – und unterliegt zum anderen wirtschaftlichen Konjunkturzyklen und sonstigen Krisen wie der aktuellen Finanzkrise. Beides kann dafür verantwortlich sein, dass staatliche Einnahmen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben schwanken oder gar rückläufig sind.
Markt und Wettbewerb – die standortpolitische Reorganisation sozialer Dienste
Die zentrale Rolle, die staatliche Regulierungen für die Gestaltung der sozialen Dienstleistungsproduktion spielen, kontrastiert oberflächlich betrachtet mit Entwicklungen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter dem Begriff der Ökonomisierung sozialer Dienste (Buestrich u.a. 2008) diskutiert wurden. Markt oder marktähnliche Mechanismen – so die zugespitzte These – ersetzen das klassische hierarchische Verhältnis von sozialstaatlicher Regulierung und Leistungserbringung. Ökonomisierte soziale Dienstleistungsproduktion wird dabei als Verwertungsprozess gefasst, in dem mittels einer vorgeschossenen Geldsumme eine Verwertung des eingesetzten Kapitals zum Zwecke der Erzielung eines Überschusses stattfindet, also Wertschöpfung betrieben wird. Es ist bezeichnend, dass auch die (gemeinnützigen) Leistungserbringer des sozialen Dienstleistungssektors inzwischen mit Bezug auf ihre wirtschaftlichen Leistungen von Wertschöpfung sprechen und sich damit selbst die Funktion eines Wirtschaftsunternehmens, also eines Kapital akkumulierenden Sozialbetriebs zuweisen. Betrachtet man diese Entwicklung, zeigt sich, dass der Prozess der Liberalisierung und Privatisierung in vollem Gange ist und sowohl durch die EU als auch durch die nationale Politik weiter forciert wird. Wichtige Elemente dieser Strategie sind:
Die Durchsetzung von Wettbewerb als Instrument einer ›effizienten Wohlfahrtsproduktion‹: Ausgehend von der zu Beginn der 1990er Jahre einsetzenden Verwaltungsmodernisierung nach dem Muster des New Public Management sollen durch organisierten Wettbewerb Leistungsreserven freigesetzt und die Kosten der sozialen Dienstleistungsproduktion eingedämmt werden (KGSt 1993, 22). Preis- und Qualitätsvergleiche werden zum Steuerungsinstrument in der Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Anbietern.
Kommunalisierung und Dezentralisierung: Durch die Verlagerung sozialer Dienste auf untere Verwaltungsebenen sollen die Kostenträger hinsichtlich der Steuerung gestärkt und der lokale Sozialraum aktiviert werden.
Social Entrepreneurship: Durch eine anleihenfinanzierte Soziale Infrastrukturpolitik soll das soziale Unternehmertum gefördert und die Wirkungsorientierung verstärkt werden. Der Staat fungiert lediglich als ›Rückversicherung‹ finanzkapitalistischer Investitionen in soziale Dienste, die für die Kapitalgeber eine entsprechende Rendite abwerfen sollen (Social Impact Bonds).
Das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA: Von der Kommune bis hin zur europäischen Ebene sollen künftig – von hoheitlichen Dienstleistungen wie Polizei und Justiz abgesehen – Güter, Dienstleistungen oder Dienstleistungssysteme im Wettbewerbsverfahren ausgeschrieben werden. Beschaffungsaufträge müssen ›diskriminierungsfrei‹ vergeben werden (Wohlfahrt/Zühlke 2015).
Die von der EU seit Langem verfolgte Politik einer Öffnung des Sozialbereichs für marktwirtschaftliche Investitionen macht diesen zu einem Sektor kapitalistischer Akkumulation. Angesichts der europäischen Staatschuldenkrise gewinnt diese Entwicklung an Fahrt. Auch in der EU sollen Finanzinvestoren und Sozialunternehmen zukünftig stärker in Bereiche investieren können, die traditionell staatlich finanzierten Trägern vorbehalten waren. Hierzu müssen Maßstäbe der Erfolgsmessung entwickelt werden, Programme zur Förderung von Forschung und Entwicklung von Sozialunternehmen aufgelegt und vorhandene Wettbewerbsschranken abgebaut werden.
Beschäftigungspolitische Folgen der Ökonomisierung
Das Selbstkostendeckungsprinzip, nach dem die tatsächlichen Kosten einer erbrachten Leistung erstattet werden, wurde durch vorab berechnete Entgelte ersetzt. Aus gemeinnützigen Leistungsanbietern wurden so Sozialunternehmen, die nun ›wirtschaften‹ müssen und einem unternehmerischen Risiko unterliegen. Bezogen auf die Vergütung und Arbeitsbedingungen kam dieser Systemwechsel einer Art Dammbruch gleich: Löhne und Gehälter wurden zum entscheidende Faktor politisch vorgegebener Rationalisierung und Kostensenkung. Der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) wurde als Richtlinie zur Regulierung der Arbeitsbedingungen und zur Festlegung der Löhne und Gehälter faktisch außer Kraft gesetzt. Die tarifpolitischen Besonderheiten des Sozialsektors sowie der allgemein ausgerufene Sparzwang sorgen dafür, dass bisher keine andere tarifliche Regelung an seine Stelle getreten ist. Stattdessen ist ein bislang ungebremster Preiswettbewerb zu beobachten, der eine Abwärtsspirale bei Löhnen und Gehältern in Gang gesetzt hat. Diese wird dadurch verschärft, dass flächendeckend Dienstleistungen in gemeinnützige GmbHs ausgegliedert werden: Durch das Outsourcing von Sekundärdienstleistungen (Küche, Gebäudemanagement, Wäschereien etc.), durch Kooperationen und Fusionen (insbesondere im Verwaltungs- und Versorgungsbereich) und durch die Rationalisierung der betriebsinternen Handlungsabläufe sollen rasch massive Einsparungen erzielt werden.
Als Folge zeigt sich eine fortschreitende Pluralisierung und Differenzierung der Tariflandschaft im Sozialsektor. Alle Träger und ihre Verbände sind bemüht, ›passgenaue‹ tarifpolitische Lösungen für ihre jeweilige Wettbewerbssituation zu finden, was nicht nur zu einer Zunahme sogenannter Haustarifverträge führt, sondern auch neue verbandspolitische Wege in der Tarifpolitik kreiert. Öffnungsklauseln und Notlagentarife für einzelne Einrichtungen stellen beispielsweise im Krankenhauswesen mittlerweile fast den Normalfall dar.
Darüber hinaus wurden gravierende Veränderungen in den Arbeitsrechtsregelungen der kirchlichen wie der freigemeinnützigen Wohlfahrtsverbände vorgenommen. Sie beziehen sich jenseits der genannten Öffnungsklauseln auf tarifpolitisch zentrale Bereiche wie Arbeitszeit, Tabellenstruktur und -systematik, Eingruppierungssystematik, Bezahlung und Kündigungsregelungen. In all diesen Punkten zeigen sich außerdem je nach Verband und Region erhebliche Ausdifferenzierungen. All das führt zu einer weiteren Atomisierung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen.
Der Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« respektive »gleiches Entgelt für gleichwertige Tätigkeiten« hat angesichts einer so zersplitterten Tariflandschaft im Sozialsektor keine Gültigkeit mehr. Die Flexibilität, die durch die Abkehr vom BAT/TVöD erreicht wurde, hat jeweils höchst unterschiedliche Auswirkungen für die Arbeitgeberseite und für die Beschäftigten. Während die Träger auf Basis des neu entstandenen ›Tarifedschungels‹ eine weitgehende Handlungs- und Gestaltungsfreiheit gewonnen haben, hat sich für die Beschäftigten die Situation überwiegend zum Negativen verändert – wobei die Verschlechterungen je nach Verband, Region und Branche unterschiedlich gravierend ausfallen. Vor allem die Verbände in ostdeutschen Bundesländern hatten eine Vorreiterrolle bei der Reduzierung von Entgelten und Arbeitsstandards.
Diese Pluralisierung von Tarifstrukturen, der fortschreitende Prozess der Ausgliederung und der wachsende Pragmatismus der Leistungserbringer zerstören das normative Selbstverständnis der Verbände als gemeinnützige Mitgestalter der Sozialpolitik. Insofern beinhaltet die Entwicklung der Beschäftigungsbedingungen in der Sozialwirtschaft auch für die dort tätigen Verbände ein grundsätzliches Dilemma. Sie sind durch Zersplitterung, egoistische Klientelinteressen und machtpolitischen Rigorismus (unter dem Deckmantel der Wettbewerbsfähigkeit) in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Die wenigen Ansätze zur Schaffung bundesweit gültiger Regelungen scheitern an der mangelnden Bereitschaft der Untergliederungen und Betriebe, sich einem flächendeckenden einheitlichen Tarifvertrag ›unterzuordnen‹. Zwar wird die Notwendigkeit eines einheitlichen Sozialtarifvertrags nicht grundsätzliche bestritten – das Engagement dafür hält sich jedoch in sehr engen Grenzen. Ein Grund dafür ist, dass dies auch bedeuten würde, sich auf einen gemeinsamen (gewerkschaftlichen) Partner zu verständigen. Die Erarbeitung gemeinsamer Standards wird nicht zuletzt dadurch verhindert, dass die kirchlichen Verbände an ihrem Privileg des ›Dritten Weges‹ festhalten und damit unter anderem an einer empfindlichen Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung und des Streikrechts der Beschäftigten.
Komplementär zur Fragmentierung der Arbeitgeber- und Tarifstrukturen erweist sich auch die Interessenvertretung der Beschäftigten im Sozialsektor als schwach und uneinheitlich. Grund hierfür ist vor allem der geringe gewerkschaftliche Organisationsgrad. Da sich auch Arbeitgeber großer Verbände zunehmend der Anwendung von tariflichen Absprachen entziehen, arbeitet mittlerweile eine nicht konkret erfassbare Anzahl von Beschäftigten in sozialen Einrichtungen ohne jegliche tarifvertragliche Regelung ihrer Arbeits- und Entgeltbedingungen. Sie können sich allein auf die gesetzlichen Vorschriften des Arbeits- und Sozialrechts berufen. Angesichts vielfach fehlender oder schwacher betrieblicher Interessenvertretungen sind sie zu deren Durchsetzung auf sich allein gestellt.
Die Forderung nach einem Branchentarifvertrag erweist sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen als vermintes Gelände. Insbesondere die kirchlichen Arbeitgeber beharren auf dem kirchlichen Arbeitsrecht und der daraus abgeleiteten Verweigerung des Streikrechts für die Beschäftigten. Soziale Infrastrukturpolitik ist in Deutschland in vielerlei Hinsicht noch als Fürsorgepolitik zu begreifen. Sie gründet eher auf paternalistischem Wohlwollen als auf einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Folgewirkungen eines im Wettbewerb stehenden Sozialmarkts.
Was tun?
Politische Perspektiven, die einer Ökonomisierung der sozialen Dienste etwas entgegensetzen wollen, müssen zunächst in Rechnung stellen, dass für die bestimmenden Subjekte im sozialen Dienstleitungssektor (Staat, Verbände, Sozialunternehmen) der Wettbewerb als Leitidee auch der zukünftigen Ausgestaltung von Infrastrukturpolitik außer Frage steht. Im Fokus der Auseinandersetzung sollten zunächst die beschäftigungspolitischen Folgen stehen, die sich aus Tarifflucht, Ausgliederung und geringem gewerkschaftlichen Organisationsgrad ergeben. Ein Branchentarif, der den Absenkungen des Tarifniveaus infolge von Privatisierungen gewisse Grenzen setzt, wird zumindest für den Bereich Pflege inzwischen auch von den Arbeitgebern ins Auge gefasst. Ein Tarifvertrag Soziales könnte darüber hinaus weitere negative Folgen des Wettbewerbs einschränken. Generell muss eine gewerkschaftliche Strategie darauf zielen, soziale Dienstleistungsberufe aufzuwerten und den dort auf breiter Fläche existierenden gender pay gap zu minimieren. Eine Voraussetzung dafür ist es, den Organisationsgrad der dort Beschäftigten zu erhöhen. Dabei erweist sich der ›Dritte Weg‹ der kirchlichen Verbände mit seinem paternalistischen Verständnis einer fürsorgenden Dienstgemeinschaft als entscheidendes Hemmnis für eine den tatsächlichen Wettbewerbsbedingungen angemessene Organisationsform der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Widersprüche des kirchlichen Arbeitsrechts nehmen dramatisch zu, werden aber zugleich normativ (mit Verweis auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht) zugekleistert.
Sozialpolitisch sind die zerstörerischen Folgen der Austeritätspolitik zu skandalisieren. Die Kombination aus Dezentralisierung (Kommunalisierung/Sozialraumorientierung) und Schuldenbremse führt im Bereich Sozialer Infrastrukturpolitik zu einem weiteren Auseinanderklaffen von Leistungen und Entgelten. Das wieder gängige Stichwort von der ›neuen Subsidiarität‹, also das Plädoyer für eine Verlagerung möglichst vieler Aufgaben auf lokale, eigenverantwortlich tätige Akteure, zeigt, dass die Abwälzung sozialer Dienstleistungen auf die Familie und die sogenannte Zivilgesellschaft keineswegs der Vergangenheit angehört.
Grundsätzlich ist dem aktuellen Trend zum sozialen Unternehmertum entgegenzutreten. Eine Sozialwirtschaft, die soziale Dienstleistungsproduktion am Maßstab des Geldverdienens misst, ist politisch zu bekämpfen. Mit einer kapitalmarktfinanzierten sozialen Dienstleistungsproduktion werden sich die Widersprüche zwischen Versorgungs- und Gewinnorientierung weiter verschärfen. Die Ideologie, wonach nur das, was bezahlt wird, auch Wirkungen erzeugt, dürfte gleichwohl zusätzlichen Aufwind bekommen. Daher gilt es auch auf europäischer Ebene den Glauben anzufechten, dass die Soziale Infrastrukturpolitik nur durch mehr Wettbewerb, Liberalisierung und Angebotsorientierung gesunden kann. Die Wirkungen dieses tödlichen Rezepts sind in nahezu allen europäischen Staaten zu studieren. Nicht nur führt dies zu der bekannten Ausdehnung des Niedriglohnsektors, sondern auch zu einer Absenkung der Qualitätsstandards und zu massiven Einschränkungen der Versorgungsleistungen. Besonders dramatisch aktuell in den von der Krise am heftigsten betroffenen südeuropäischen Staaten zu sehen.
Deutschland mit seiner am Subsidiaritätsprinzip orientierten Sozialen Infrastrukturpolitik benötigt eine sozialpolitische Auseinandersetzung um den Bedarf und den gesellschaftlichen Stellenwert sozialer Dienstleistungen. Eine linke Perspektive kann in dieser Auseinandersetzung ihren Ankerpunkt nur in dem seit Marx bekannten Diktum haben, dass der »Wert« sozialer Dienste im Kapitalismus eine in Geld gemessene Abstraktion darstellt, für die der Gebrauchswert bloßes Mittel ist. Und genau das ist das Problem der bitteren Realität der gegenwärtigen Sozialen Infrastrukturpolitik.