Feministischen Bewegungen ist es über viele Jahrzehnte hinweg gelungen, die ungerechte Verteilung von Sorgearbeit gesellschaftlich zum Thema zu machen. Spätestens mit der Coronakrise ist diese Frage auch im medialen Mainstream angelangt. Wie eine solche Umverteilung von Care-Arbeit zu erreichen wäre, dazu werden in linken Debatten unterschiedliche Ansätze diskutiert – vom bedingungslosen Grundeinkommen über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Arbeitszeitverkürzung, sozial- und familienpolitische Maßnahmen oder einen Ausbau sozialer Infrastrukturen. Was ist aus feministischer Sicht zentral? Und was muss verändert werden, damit Sorgearbeit genauso wertgeschätzt wird, wie die Güterproduktion und der Erwerbsarbeit nicht länger nachgeordnet wird?

„Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ kreist um die Erwerbsarbeit

Das Konzept „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ wird nach wie vor von allen Parteien (mit Ausnahme der AfD) propagiert. Es deckt sich mit dem Wunsch der meisten jungen Paare, die - zumindest in der Theorie – weniger Erwerbsarbeit machen und sich die Kindererziehung teilen wollen. Bei sozialstaatlichen Maßnahmen zur „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ steht insbesondere die Sorge der Arbeitgeberverbände um das zukünftige Arbeitskräftepotenzial im Vordergrund. Der auf Wachstum basierende Kapitalismus ist heute mehr denn je auf gut ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen. Die Wirtschaft braucht Frauen, die arbeiten, und sie braucht Menschen, die eine gut ausgebildete nächste Generation heranziehen, was historisch den Frauen zugewiesen wurde. Ziel der staatlichen Familienpolitik ist es daher, die Geburtenrate zu steigern, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und die „stille Reserve“, also Frauen mit kleinen Kindern, für die Wirtschaft zu mobilisieren. Ganz in diesem Sinne wirkt das von der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen eingeführte Elternzeitgesetz [1] als eine bevölkerungspolitische Maßnahme (vgl. Schultz 2012).

Gut ausgebildeten Frauen gibt es einen Anreiz, Kinder zu bekommen und vollzeitnah zu arbeiten. Gleichzeitig haben die sogenannten „Vätermonate“[2] einen enormen kulturellen Wandel in Bezug auf die geschlechtliche Rollenverteilung bewirkt.

Vor 20 Jahren war es in vielen Branchen noch undenkbar, dass Männer in Teilzeit arbeiten oder Elternmonate nehmen. Der Neoliberalismus ersetzte das „Mann-als-Ernährer-der-Familie-Ideal“ durch das „Alle-Erwachsenen-müssen-arbeiten-Modell“[3].

Frauen wurden zwar von der Abhängigkeit vom  Ehemann befreit, aber an die Stelle der abhängigen Hausfrau wurde die rund um die Uhr aktive Familienmanagerin gesetzt. In der Coronakrise hat sich die Widersprüchlichkeit neuer Arbeitsformen, wie Homeoffice, gezeigt. Durch ständige Erreichbarkeit und Multitasking werden vor allem Mütter dauerhaft überfordert. Unter dem Motto „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ werden Maßnahmen auf den Weg gebracht, die die Zumutung der Mehrfachbelastung abschwächen sollen. Grundsätzlich infrage gestellt wird diese Politik jedoch nicht, schließlich bleibt sie orientiert an den Erfordernissen der Erwerbsarbeit. Bei der Kinderbetreuung beispielsweise geht es stets darum, dass die Mütter zur Arbeit gehen können. Die Kita-Öffnungszeiten erlauben nicht, zu einer politischen Versammlung oder zum Tanzen zu gehen. Völlig unglaubwürdig klingt das Versprechen von „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ für Frauen in schlecht bezahlten Jobs, bei denen es, obwohl sie ständig hin- und herhasten, einfach nicht zum Leben reicht. Wenig verwunderlich ist es dann, wenn diese Frauen Parteien, die ihnen nicht mehr zu bieten haben, den Rücken kehren. Inwieweit ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) zu einer gerechten Verteilung der Sorgearbeit beitragen kann, ist in feministischen Diskussionen umstritten. So würde es zwar finanziellen Spielraum für Eltern schaffen, die Arbeit untereinander anders verteilen wollen. Einen Anreiz genau das zu tun, bietet es aber nicht. Da das BGE-Konzept vom Aspekt der sozialen Absicherung ausgeht und die Frage der Verteilung der Arbeit ausklammert, könnte es genauso gut dazu genutzt werden, die traditionelle Rollenverteilung zu stabilisieren.

Verkürzung der Arbeitszeit geht in die richtige Richtung

Die Forderung nach einer Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit ist in vielen feministischen Debatten (zu Recht) ein realpolitischer Favorit. Verbündete finden sich in den Gewerkschaften und bei Politiker*innen und Parteien, die das Soziale und die Arbeit in den Vordergrund stellen. Einen Ansatz dazu entwirft Bernd Riexinger in seinem Buch „Neue Klassenpolitik“. Riexinger unternimmt dabei den Versuch einer Abkehr von einer Definition der Arbeiterklasse, die den männlichen Vollzeit-Industriearbeiter als das Normale konstruiert. Die heutigen Lohnabhängigen sind weiblicher, migrantischer und häufig im Dienstleistungsbereich und in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu finden, so seine Klassenanalyse. Als realpolitisches Ziel formuliert Riexinger ein „neues Normalarbeitsverhältnis“ von 28 bis 35 Stunden. Diese Forderung geht in die richtige Richtung, aber sie spricht vor allem Beschäftigte mit einem auskömmlich bezahlten, unbefristeten Vollzeit-Arbeitsverhältnis an. Für die Mehrheit der Frauen sind aber prekäre, schlecht bezahlte oder Teilzeitarbeitsverhältnisse seit langem die Realität. Wie Menschen, die anderthalb Jobs brauchen, um mit dem unzureichenden Lohn über die Runden kommen, die sich mit Minijobs und Teilzeit rumschlagen und sich nichts mehr wünschen als einen unbefristeten Vollzeit-Job, für diese Forderung mobilisiert werden sollen, bleibt eine Herausforderung. Es klafft noch eine weitere politische Lücke zwischen Bernd Riexingers eindringlicher Beschreibung der heterogenen prekären Arbeitswelt und der Forderung nach einer „neuen Normalarbeitszeit“. Weder eine Kassiererin mit Minijob, noch eine befristet beschäftigte Sozialarbeiterin oder eine Beschäftigte in einer Großküche fühlt sich angesprochen, wenn sie am „atypischen Rand“ verortet wird. Auch bleibt letztlich für sie unklar, wie eine Umverteilung von Arbeit so aussehen kann, dass eine „Normalarbeit“ im Sinne des „neuen Normalarbeitsverhältnis“ für sie in erreichbare Zukunft rückt. Eine feministische Erzählung muss deshalb die gesellschaftlich notwendige „systemrelevante“ Arbeit aufwerten. Diese muss sich an dem ungeheuren Produzentenstolz messen, der früher im Bergbau vorherrschte und den man heute in der Automobilindustrie findet. Der ver.di-Tarif-Slogan „Wir sind es wert“ geht in diese Richtung. Im Pflegebereich empfinden die Beschäftigten beispielsweise ein hohes Maß an Gebrauchswertstolz und sind sich der Lebensnotwendigkeit ihrer Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes voll bewusst – nur so erklären sich die endlosen Überstunden, die unter den gegenwärtigen Bedingungen nötig sind, um ihren Job den eigenen Ansprüchen gemäß auszufüllen. Statt diesen Produzentenstolz neoliberal ausbeuten zu lassen, gilt es ihn in kämpferisches Selbstbewusstsein zu wenden, wie es den Aktiven in den Auseinandersetzungen der Berliner Charité gelungen ist. Um offensive Kämpfe führen zu können, muss sich linke Politik auch für Rahmenbedingungen einsetzen, die dies ermöglichen. Wie soll sich sonst eine wachsende Anzahl von prekären (insbesondere weiblichen) Arbeitnehmer*innen von einer linken Politik angesprochen fühlen, die an Regularien anknüpft, die für sie noch nie gegolten haben. Die Forderung nach einer Stärkung der Betriebsräte verfängt bei vielen auch deshalb nicht, weil das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) so gestrickt ist, dass Betriebsräte im Wesentlichen die Interessen der Stammbelegschaft vertreten. Klassenbewusste Politik muss dafür eintreten, dass der Betriebsbegriff im BetrVG so geändert wird, dass alle abhängig Beschäftigten in Betriebsräten vertreten sein können. Eine feministische Klassenpolitik muss auch in solchen Fragen in die Offensive kommen.

Nicht nur Lebensrisiken absichern, sondern das ganze Leben in den Mittelpunkt stellen

Anfang 2020 hat die LINKE ein „Konzept für einen demokratischen Sozialstaat der Zukunft“ vorgestellt, in dem die feministische Forderung nach einer Neuverteilung der Sorgearbeit aber leider nicht Gegenstand ist. Das LINKE Sozialstaatkonzept zielt auf einen „aktiven Sozialstaat, der die Lebensrisiken wie Krankheit, Unfall, Pflegebedürftigkeit und Behinderung sowie Erwerbsunfähigkeit und Erwerbslosigkeit solidarisch absichert“. Schwangerschaft, Geburt, Kindererziehung und Alter sind aber keine „Lebensrisiken“, es sind Phasen unseres Lebens, in denen wir (mehr als sonst) auf die Sorge anderer angewiesen sind. Wenn Krankheit und Alter „Lebensrisiken“ sind, was ist dann der Normalzustand? Der fitte, gesunde, nichtbehinderte, eher männliche Arbeitnehmer zwischen 18 und 60? Aus feministischer Perspektive braucht es einen Paradigmenwechsel: Alle Menschen sind - mal mehr, mal weniger - auf die Sorge anderer angewiesen. Kriterium für gutes Leben ist, in einer Situation der Hilfsbedürftigkeit versorgt zu werden und ebenso für andere Sorge zu leisten, ohne unangemessene Opfer bringen zu müssen (vgl. Winker 2015). In die Strategiedebatte der LINKEN Anfang 2020 mischte sich ein im Zuge feministischer Vernetzung in der Partei entstandenes „Feministisches Autor*innenkollektiv“ ein. In ihrem Papier wird eine sozialpolitische Richtung angedeutet, die das ganze Leben in den Mittelpunkt rückt. Dabei geht um viel mehr, als nur ein paar feministische Korrekturen. Nämlich um „eine Gesellschaft, deren Ökonomie sich an den gemeinsam ermittelten Bedürfnissen orientiert, nicht an Wachstum und Profit. Eine Gesellschaft, in der Kinder, Alte und Kranke nicht wegorganisiert werden müssen. ... Statt von der Erwerbsarbeit ausgehend zu überlegen, wie diese zum Leben passt, schlagen wir vor, von der Frage auszugehen, wie wir leben wollen, und daraus abzuleiten, wie wir folglich produzieren und arbeiten müssen und welche Arbeiten wir brauchen.“ Nur, wenn wir einen echten Perspektivwechsel vollziehen und ganz anders auf die zu regelnden Dinge blicken, kommen auch neue Lösungen in den Blick. Lösungen, die „das ganze Leben“ (Frigga Haug) zum Gegenstand auch sozialpolitischer Überlegungen haben.

Feministische Positionen in der Sozialstaatsdiskussion

Erwerbs- und Sorgearbeit müssen dann nicht „vereinbart“, sondern beide müssen verändert und umverteilt werden. Schritte in diese Richtung sind: Erhöhung der bisherigen zwei auf zwölf „Vätermonate“ wie es die LINKE fordert[4] und ein vom Einkommen unabhängiges Elterngeld.

Das von der SPD geforderte Familiengeld[5] geht schon in diese Richtung.

Gleichzeitig müssen sozialstaatliche Anreize zur Beibehaltung der traditionellen Rollenverteilung beseitigt werden: Kein Ehegattensplitting, das Familien, in denen einer viel und der andere wenig oder gar nichts verdient, steuerlich bevorzugt; dafür ein stärkere Gewichtung der Sorgearbeit bei den Rentenansprüchen; keine beitragsfreie Mitversicherung bei der Krankenversicherung; stattdessen eine Bürgerversicherung für alle und eine Pflegeversicherung, die die gesamten Pflegekosten abdeckt. Familien stehen oft vor dem Dilemma, dass entweder die hohen Zuzahlungen für Pflegeheime alle Ersparnisse aufbrauchen oder meist die Frauen die Pflege zu Hause übernehmen müssen – häufig unterstützt durch Migrantinnen, die in einer tolerierten Informalität einen relevanten Teil der häuslichen Pflege leisten. Eine weitere wichtige Säule ist die Stärkung der öffentlichen sozialen Infrastruktur. Bildung (Kitas und Schulen), Gesundheit und Pflege gehören zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Ein entscheidender Kampf um die Zukunft des Sozialstaats wird gegen die profitorientierte Privatisierung von Krankenhäusern, Kitas und Pflegeheimen geführt werden müssen. Die Daseinsvorsorge muss in Kommunales oder anderes Gemeinschaftseigentum zurückgeführt werden und allen kostenlos oder gegen geringes Entgelt zur Verfügung gestellt werden.

Sozialstaat, Solidarität und Demokratie am Beispiel von Senior*innenbetreuung und Pflege

Eine feministische Sozialstaatsdiskussion kann sich nicht auf die paternalistische Vorstellung beschränken, dass der Staat alles - möglichst zum Wohle der Bürger*innen - regeln soll. Sozialstaatliche Maßnahmen dürfen die Menschen nicht auf Objekte der Fürsorge reduzieren, sondern müssen zur Beteiligung anregen, mit dem Ziel ein solidarisches Miteinander zu fördern. Beispiele dafür sind die Anfang des 19. Jahrhunderts entstandenen Wohn-, Produktions- und Verteilungsgenossenschaften, die auf Selbsthilfe und Kooperation beruhen. In den 1960er und 1970er Jahren bildeten sich überall selbstverwaltete Kitas, selbstinitiierte Stadtteilhilfen, Arbeitskollektive, die leider oft die neoliberalen Reformen nicht überlebten. Eine feministische Sozialstaatsdebatte muss mit der Diskussion um solidarische Praxen verbunden werden. Es geht nicht nur um soziale Absicherung, sondern um Mitgestaltung und Partizipation in allen Lebensabschnitten: Selbstbestimmung in der Geburtshilfe, altersgemäße Beteiligung von Schüler*innen an der Strukturierung des Schulalltags, selbstverwaltete genossenschaftliche Wohnprojekte und schließlich auch ein gutes selbstbestimmtes Leben im Alter. Die Kampagne der LINKEN zu Gesundheit und Pflege stößt bei den Beschäftigten auf viel Anerkennung. Aber linke Pflege-Politik kann sich nicht auf die Ansprache der bezahlten Beschäftigten in der Pflege beschränken. Sie muss auch die Alten und Kranken und diejenigen, die zu Hause pflegen (fast ausschließlich Frauen) adressieren. Wie selbstbestimmte Behindertenpolitik schon lange fordert, müssen Menschen, die stark auf die Sorge anderer angewiesen sind, als Subjekte ernst genommen werden. Für viele ältere und behinderte Menschen war es in der Coronazeit unbefriedigend, dass sie zwar durch Isolationsmaßnahmen geschützt, aber nicht nach ihren Wünschen gefragt wurden. Wochenlanger Lockdown in Pflegeeinrichtungen ohne Kontakt zu den Angehörigen haben viele Bewohner*innen als „eingesperrt sein“ empfunden. Um in solchen Fällen angemessene Lösungen zu finden, muss die soziale Infrastruktur demokratisiert werden. Carenehmer*innen und deren Angehörige genauso wie Caregeber*innen müssen an Entscheidungen sozialer Institutionen beteiligt werden. Gabriele Winker schlägt hierfür den Aufbau von „Care-Räten“ vor, in denen Personen, die bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit leisten und empfangen, vertreten sind. Sie sollen Öffentlichkeit für Missstände in Pflege, Erziehung und Sozialem schaffen und politische Vorschläge für gute Pflege, Betreuung und Erziehung aus Sicht der Betroffenen erarbeiten. Perspektivisch sollen diese Care-Räte in alle kommunalen Entscheidungen, die die Daseinsvorsorge betreffen, eingebunden werden. Statt kommerzieller Pflegeheime müssen Kommunen (finanziert vom Bund) eine wohnortnahe stadtteil- oder dorfbezogene Versorgung für Senior*innen schaffen. Dazu gehören selbstorganisierte Projekte wie Mehrgenerationen-Wohnen, Alters-WGs oder genossenschaftlich organisierte Pflegedienste. Der Wunsch nach solchen Projekten ist allerorten vorhanden. Oft scheitern sie aber an der Finanzierung und an fehlender Planungskompetenz. Zur Unterstützung muss die öffentliche Hand eine Struktur von Projektmanager*innen, Betriebswirt*innen und Sozialarbeiter*innen zur Verfügung stellen. Ein gutes Beispiel für eine wohnortnahe Infrastruktur hat die Bürgergemeinschaft Eichstetten in einer ländlichen Region am Kaiserstuhl geschaffen. Das Motto lautet: „Wenn die Menschen nicht mehr zum Leben gehen können, muss das Leben eben zu den Menschen kommen.“ Ziel ist, den Bewohner*innen alle Dienste anzubieten, die es ermöglichen bis ins hohe Alter ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben im Ort zu führen.

Herausforderungen einer feministischen Sozialstaatsdiskussionen

Der Feminismus hierzulande ist weitgehend weiß, mittelständisch und akademisch geprägt. Es fehlen Repräsentantinnen der migrantischen und autochthonen Arbeiterinnen, die abends die Büros putzen oder morgens die Brötchen verkaufen. Um dies zu ändern, ist es nötig, allen in Deutschland lebenden Menschen – Geflüchtete und Illegalisierte eingeschlossen – einen Zugang zum sozialstaatlichen Netz zu verschaffen. Dies nicht zu tun, ist nicht nur unsozial, sondern reproduziert dauerhaft ethnische Abwertungen und belässt migrantische Frauen in ihren vielfältigen Abhängigkeiten zwischen Ehemann und prekärer oder nicht-legaler Beschäftigung. Der Kapitalismus, der alles zur Ware macht, kommodifiziert zunehmend die Haus- und Sorgearbeit. Die Coronakrise hat zumindest dazu geführt, dass die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte wahrgenommen werden. Dass in den Küchen und im Reinigungsdienst der profitorientierten Krankenhäuser und Pflegeheime sowie in Privathaushalten meist weibliche und migrantische Arbeitskräfte oft unter Mindestlohn und ohne die geltende rechtliche Absicherung beschäftigt werden, wird aber verdrängt. Feministinnen fordern mehr Repräsentation von Frauen, was richtig ist. Mehr Frauen sollen verantwortliche Positionen und die Hälfte der Abgeordnetenplätze (Paritégesetz) besetzen. Feministisches Ziel kann aber nicht sein, dass während mehr Frauen in die Parlamente einziehen, andere weiterhin schlecht entlohnt und mit kaum Teilhabemöglichkeiten putzen, kochen und pflegen. Forderungen nach stärkerer Vertretung von Frauen drohen neoliberal abzudriften, wenn nicht gleichzeitig die Frage der ungleichen Verteilung der Sorgearbeit, der sozialen und der rechtlichen Ungleichheit angegangen wird.

[1] Elterngeld bekommen Mütter und Väter, wenn sie nach der Geburt des Kindes nicht oder nur noch wenig arbeiten wollen. Die staatliche Unterstützung beträgt 300 Euro bis 1.800 Euro im Monat, abhängig vom Netto-Verdienst, das der zu Hause bleibende Elternteil vor der Geburt des Kindes hatte.

[2] Das Elterngeld wird maximal 14 Monate lang gezahlt, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen. Jedes Elternteil muss dafür mindestens zwei Monate zu Hause bleiben.

[3] In zweifacher Hinsicht ist der vielfach genutzte Ausdruck „Doppelverdiener-Familie“ irreführend: erstens, weil er auf das Ideal der Familie mit dem Mann als Ernährer Bezug nimmt und zweitens, weil er suggeriert, ein Haushalt hätte nun das Doppelte des zum Leben benötigten Einkommens.

[4] „Zwölf Monate Elterngeldanspruch pro Elternteil (bzw. 24 Monate für Alleinerziehende), der individuell und nicht übertragbar ist.“(Sozialstaatsprogramm DIE LINKEN)

[5] Familienarbeitszeit-Modell: nach dem Elterngeldbezug soll es drei Jahre lang eine Subvention geben, wenn beide Eltern ihre Arbeitszeiten angleichen (bei Alleinerziehenden sind partnerunabhängig 80 Prozent die Richtschnur).  

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