Wir geben hier die deutsche Übersetzung des Statements wider, das über soziale Medien verbreitet wurde:

Am 10. Juli 2019 wurden die Schlüssel des besetzten Hotels City Plaza an die früheren Beschäftigten des Hotels, denen die Inneneinrichtung gehört, zurückgegeben. Alle Geflüchteten, die im City Plaza lebten, sind in sichere Unterkünfte innerhalb der Stadt umgezogen.

Am 22. April 2016 hatte die Solidaritätsinitiative für Wirtschafts- und Politische Flüchtlinge das leerstehende Gebäude des Hotels City Plaza mit dem Ziel besetzt, einen sicheren und menschenwürdigen Ort im Zentrum der Stadt zu schaffen. Zum einen, um Geflüchtete unterzubringen, zum anderen, um den Kampf gegen Rassismus, gegen Grenzen und soziale Ausgrenzung, für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht zu organisieren.

Die Entscheidung für die Besetzung erfolgte in einem bestimmten zeitlich-politischen Kontext. Am 18. März 2016, einen Monat bevor das Gebäude besetzt wurde, wurde das EU-Türkei-Abkommen zur Beschränkung der Fluchtbewegungen nach Europa unterschrieben. Dieses Abkommen markiert das Ende des “Sommers der Migration” – des Zeitraums, der im Juli 2015 begann, als unter dem Druck von ungefähr einer Millionen Menschen Europas Grenzen “geöffnet” wurden. Es war der Deal, der die ägäischen Inseln in spezielle Gefängnisse für Geflüchtete verwandelte und das kontinentale Griechenland in einen Ort der Einschließung für über 60.000 Menschen. Die Syriza-Anel-Regierung übernahm nach ihrer Unterwerfung unter das neoliberale Management der Wirtschaftskrise die Umsetzung einer Politik der Kontrolle, Abschreckung und Eindämmung der Einwanderung; mit Patrouillen von Frontex und Nato in der Ägäis, mit Internierungslagern auf den Inseln (wie Moria auf Lesbos), mit Camps in miserablem Zustand als einzigen offiziellen Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete auf dem Festland sowie mit der Kriminalisierung der Solidarität und der Kämpfe der Geflüchteten. Das Problem der Unterbringung war in dieser Zeit sehr dringlich. Die Geflüchteten, die in Athen ankamen, waren entweder obdachlos oder fanden Unterschlupf in den fürchterlichen Camps von Elliniko, Malakassa oder der Zeltstadt im Hafen von Piräus, während auf den Straßen und Plätzen der Stadt Hunderte von Menschen in Zelten oder Papphütten schliefen.

In diesem Zusammenhang begann in den Versammlungen der Solidaritätsinitiative für Wirtschafts- und Politische Flüchtlinge eine Diskussion, die zu der Entscheidung führte, das City Plaza Hotel zu besetzen, ein seit sieben Jahren leerstehendes Hotel in der Acharnonstraße in Athen. Diese Entscheidung hatte einige Elemente von Voluntarismus und entsprach weder unseren Kräften noch dem damaligen Zustand der Widerstandsbewegung. Dennoch entsprach der Schritt den politischen Umständen und dem großartigen Kampf der Flüchtlinge, die in den vorangehenden Monaten die Grenzen der Festung Europa geöffnet und das Recht auf Bewegungsfreiheit erlangt hatten. Er entsprach auch der massiven spontanen Bewegung sozialer Solidarität, die sich entlang der Migrationsroute entwickelte.

Das City Plaza als Ort der menschenwürdigen Unterbringung und der praktischen Solidarität und Zusammenarbeit von Einheimischen und Migrant*innen

Das City Plaza wurde von Beginn an um zwei Hauptziele herum konzipiert:
 

  • die Schaffung einer sicheren und menschenwürdigen Unterkunft für Migrant*innen im Zentrum der Stadt, einen Ort der Solidarität und Zusammenarbeit zwischen Einheimischen und Migrant*in­nen
  • die Funktion als ein Ort des Kampfs, an dem politische und soziale Forderungen von Migrant*innen und Einheimischen miteinander verknüpft werden und sich ergänzen.


City Plaza zeigte praktisch auf, dass die staatliche Politik der “Gastfreundschaft” gegenüber Geflüchteten durch einen Mix aus Härte, Inkompetenz und politischer Zweckmäßigkeit geprägt ist. Am gleichen Ort, wo die Solidaritätsbewegung es schaffte, ohne Beteiligung von Institutionen, ohne jedwede Finanzierung durch offizielle Stellen, ohne Experten und Angestellte eines der besten Wohnprojekte im Stadtzentrum zu realisieren, fuhr der Staat fort, Geflüchtete auf dem Festland in provisorische Camps und Zelten einzupferchen und auf den Inseln mittels eines Systems der Entrechtung und Internierung in Hot Spots unter permanenter Angst vor Abschie­bung unterzubringen.

Dieser Kontrast war das Schlüsselelement, welches dem Hotel City Plaza von Beginn an eine massenhafte Unterstützung einbrachte – von Aktivist*innen, von linken Organisationen und Kollektiven, von der Öffentlichkeit und auch von Einzelpersonen, die zum ersten Mal in einer sozialen Bewegung aktiv wurden.

Natürlich blieben aufgrund der Eigentumsverhältnisse des Hotels diverse Attacken auch angeblicher Linker nicht aus. Sie folgten ganz und gar den Darstellungen der Besitzerin und waren gebunden an die kleinbürgerliche Rhetorik bezüglich des “übergeordneten Rechts auf Eigentum”. Sie gelangten sogar bis zu Diffamierung des Projekts, indem sie Verschwörungstheorien verbreiteten und das Kollektiv und die Mitstreiter*innen verleumdeten (von Behauptungen der Finanzierung durch George Soros, SYRIZA oder den Deutschen Staat bis hin zu Vorwürfen des Drogen- und Waffenhandels, des Kinderhandels und der Prostitution).

Das City Plaza zeigte praktisch auf, dass Geflüchtete und Einheimische zusammen leben können, wenn statt der Ausgrenzung, der Bestrafung und des Hasses die Solidarität, der Kampf, das Kollektiv Vorrang hat. Im Gegensatz zu den Camps, die sich in desolatem Zustang außerhalb der städtischen Zentren befinden, war City Plaza in der Lage, in einem bis dato von Neonazis geprägten Stadtteil beispielhafte Beziehungen zu einem großen Teil der Menschen in der Nachbarschaft herzustellen. Es setzte in der einst dunklen Ecke zwischen Acharnon und Katrivanou ein Zeichen der Sicherheit, die die am unteren Rand der Gesellschaft tatsächlich nötig haben: die Sicherheit eines menschenwürdigen Lebens, der Gemeinschaft, der Solidarität und der Lebendigkeit von Menschen, die selbstlos um ihr tägliches Leben kämpfen.

Zur gleichen Zeit solidarisierten sich Menschen überall auf der Welt und unterstützten das Projekt. Durch ihre tägliche Präsenz, ihre Mitwirkung bei den (Sicherheits-)Schichten, ihre positive Stimmung, aber auch durch die Organisierung einer großangelegten Spendenkampagne zur finanziellen Unterstützung. Unzählige Paletten mit Lebensmitteln und Gegenständen zur Befriedigung des unmittelbaren Bedarfs wurden an das City Plaza geschickt; Tausende von Leuten und Kollektiven spendeten für die Finanzierung des Projekts, das sich zu seinem Erhalt ausschließlich auf solche Spenden stützte.

Gleichzeitig stellte City Plaza eine Art Zentrum des Widerstands dar. Hier wurde die flüchtlingsfeindliche Politik der Syriza-Anel-Regierung und der EU angeprangert und es wurden brennende Themen aufgeworfen: die institutionellen Verantwortlichkeiten für die Schiffbrüche mit ihren Verlusten an Menschenleben, die Versäumnisse und sogar Behinderung der Seenotrettung, die fortdauernde Praxis der illegalen push-backs am Evros und in der Ägäis und die Zustände bei der Internierung in den Hot Spots. Im City Plaza wurden Dutzende von öffentlichen Diskussionen über Themen wie Grenzregime, Rassismus, den Kampf um Rechte veranstaltet, bei denen häufig bekannte Intellektuelle aus der ganzen Welt eingeladen waren, wie Judith Butler, Angela Davis, David Harvey, Alain Badiou, Sandro Mezzadra und andere. Ziel war jedoch, nicht nur über migrantische Kämpfe zu diskutieren, sondern diese mit den Kämpfen der Einheimischen zu verbinden. In den letzten drei Jahren hat sich der Block des City Plaza beim 1. Mai, der Demonstration am Polytechnikumstag (17. Nov.), bei weiteren antifaschistischen und feministischen Demos beteiligt.

Die City-Plaza-Community: Praktiken, Rechte, Kooperationen

Die Frage, was City Plaza ist, kann jede*r der Tausenden von Menschen, die das Projekt besucht haben, beantworten: Im City Plaza wurde eine Auffassung vom alltäglichen Leben realisiert, die auf die Emanzipation derer “von unten” abzielt. Es wurde versucht, einen Raum der Freiheit zu errichten, der ganz praktisch eine Seite der Gesellschaft verwirklicht, wie wir sie uns vorstellen.

In der Art und Weise seiner Funktionierens verkörperte das City Plaza eine Politik des Alltags, die in deutlichem Gegensatz steht zu einem Modell der Verwaltung der Migration und insbesondere ihrer “NGOisierung”. Wenn freiwillig Zeit, Kraft und Gefühle zur Verfügung gestellt wurden, ging es im Kern nicht um eine “Bereitstellung von Dienstleistungen” für “besonders Schutzbedürftige”, sondern darum, Unsicherheit und Angst zu bekämpfen, und Selbstvertrauen sowie Vertrauen in das Kollektiv aufzubauen und zu verstärken. Die Hilfe für die Geflüchteten wurde repolitisiert – sie wurde zu Solidarität und zu einem gemeinsamen Kampf. Den Vorrang hatten hier die  Selbstorganisation und die gemeinsamer Verantwortung und Entscheidung, aber auch eine ständige Reflexion der vielfältigen Ungleichheiten, die die Beziehungen innerhalb des Projekts durchdringen: Herkunft, Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, Sprache, Bildung usw.

Trotz der inhärenten Widersprüche und Probleme bildete die gemeinsame Erfahrung der Alltagsorganisation die Grundlage, um eine solidarische und starke Gemeinschaft aufzubauen. In diesem Rahmen erwiesen sich die Geflüchteten und Migrant*innen als dynamische Persönlichkeiten, die eine aktive Rolle im sozialen und politischen Leben spielen – ganz anders als es die vorherrschenden viktimisierenden Darstellungen nahelegen.

Das tägliche Leben im City Plaza basierte auf dem Grundsatz der gemeinsamen Teilhabe an der Organisation und der kollektiven Entscheidungs- und Umsetzungsverfahren, die äußerst komplex sind, wenn sie in einer Gemeinschaft von 350 Menschen mit unterschiedlichen Sprachen sowie diversen ethnischen und sozialen sowie Klassenherkünften umgesetzt werden. Die regelmäßigen Koordinationstreffen wurden zu dem Ort, wo der Ansatz und die Organisation des Projektes horizontal diskutiert wurden. Unterdessen stellten die Hausversammlungen – vor allem in der ersten Zeit – eine praktische Lehrstunde dar, wie Flüchtlinge und Einheimische miteinander diskutieren und effektiv arbeiten können und müssen. Die Organisation der Bewohner*innen und der solidarischen Unterstützer*innen erfolgte in Arbeitsgruppen. Dies war ein wesentlicher Bestandteil der Organisation des Projekts und die notwendige Grundlage für die Entwicklung persönlicher und politischer Beziehungen zwischen uns. Die Arbeitsgruppen waren: Empfang, Bildung, Kinder­betreuung, Arztpraxis, Küche, Sicherheit, Finanzen, Reinigung, Kommunikation und ein selbstverwalteter Frauenbereich.

In den 36 Monaten seines Bestehens waren im City Plaza über 2.500 Migrant*innen aus 13 verschiedenen Ländern untergebracht. In ca. 100 von 126 Zimmern wohnten 350 Migrant*innen, während die anderen 26 Zimmer entweder als öffentliche Bereiche (Kursräume, Frauenraum, Lagerflächen) dienten oder zur Unterbringung von solidarischen Unterstützer*innen aus aller Welt. Es war eine politische Entscheidung, dass das City Plaza kein Wohnraum “für” Flüchtlinge sein sollte, sondern ein Ort des Zusammenlebens und des gemeinsamen Alltags.

Wir werden keine Statistiken über Herkunftsländer, Alter von Geflüchteten oder “besonders schutzbedürftige” Fälle zur Verfügung stellen. Stattdessen zitieren wir “statistische” Informationen zu den umfangreichen Ressourcen, die die widerständige Bewegung zu mobilisieren vermochte, um das City Plaza am Leben zu halten:
 

  • 812.250 warme Mahlzeiten wurden vom Küchenteam zubereitet
  • 74.500 Stunden Arbeitszeit für Sicherheits-Schichten geleistet
  • 28.630 Stunden Schichten an der Rezeption gearbeitet
  • 5.100 Stunden Sprachunterricht und kreative Beschäftigungsaktivitäten angeboten
  • 69.050 Rollen Toilettenpapier verbraucht


Das Wichtigste, was geschehen ist, kann jedoch nicht gemessen werden. Es hat zu tun mit menschlichen Beziehungen, mit Reziprozität und Solidarität, mit Gefühlen und Erfahrungen, mit dem Optimismus, der im gemeinsamem Kampf entsteht.

Das Ende eines Zyklus des Widerstands, der Beginn eines neuen

Die Anforderungen an Ressourcen und Kräfte sind bei einem solchen Projekt sehr hoch. Es handelt sich nicht um ein aus politischen Gründen besetztes Haus oder einen Treffpunkt, der für zwei Tage oder in den Ferien einfach mal geschlossen werden kann. Es ist ein Ort, der tägliches Engagement, Verantwortung und Präsenz erfordert. Außerdem funktioniert die gemeinsame Selbstorganisation nach unserer Logik nicht automatisiert. Im Gegenteil, sie erfordert viele Arbeitsstunden für die Organisation, oft endlose Verfahren zum Herbeiführen gemeinsamer Entscheidungen und unzählige Schwierigkeiten. Mit anderen Worten: Selbstorganisation und Solidarität sind keine Theorie. Sie sind das Handeln im Hier und Jetzt. Eine Praxis, durchzogen von den Widersprüchen und Problemen des Lebens. In einer Gesellschaft, in der Autoritarismus, Krieg, Kapitalismus und die Spaltungen zwischen den Unterworfenen die Regel sind und wir alle von vielfältigen Segregationen und Hierarchien der nationalen Herkunft, des Geschlechts und der Klasse durchdrungen sind, ist Selbstorganisation kein Slogan. Sie ist ein Kampf.

Leider schwanden wie in vielen selbstorganisierten Projekten im Laufe der Jahre Begeisterung, Engagement und Beteiligung, auch aufgrund der so anspruchsvollen Umstände. Die Tatsache, dass der weit überwiegende Anteil der Bewohner des City Plaza sich im Transit befindet, machte es de facto unmöglich, den Betrieb des besetzten Hauses ausschließlich oder in erster Linie in die Hände der Flüchtlinge übergehen zu lassen. Denn die meisten flohen früher oder später weiter nach Europa. Gleichzeitig waren die materiellen Ressourcen, die für ein Projekt dieser Größenordnung erforderlich sind – für Lebensmittel, Toilettenartikel, Medikamente und die Erhaltung des Hauses – immer schwieriger aufzubringen, obwohl Solidaritätsgruppen und Genoss*innen in ganz Europa außer­ordent­liches Engagement zeigten.

Ausgehend davon begannen wir kurz vor unseren zweiten Geburtstag auf Einladung von Kollektiven und politischen Akteuren, die das Projekt von Beginn an unterstützt hatten, eine schwierige und kontroverse Debatte darüber, wie lange das Projekt andauern  oder ob und wie es verändert werden könnte. Wir wollten nicht, dass das Projekt einfach seinen Niedergang nimmt. Wir standen vor der Frage, ob wir in Richtung einer Normalisierung und Legalisierung der Besetzung gehen oder in Richtung einer Beendigung des Projektes und suchten gleichzeitig neue Wege, um die Gemeinschaft, die wir aufgebaut hatten, in einem anderen Rahmen weiterleben zu lassen.

Die erste Variante haben wir als politisch unerwünscht erachtet, da sie mit dem Charakter des City Plaza als politische alternative Praxis zur NGOisierung in Konflikt geraten würde und dazu führen würde, die Frage der sicheren Unterbringung für Geflüchtete von den kollektiven Kämpfen und der allgemeinen Einforderung von Rechten abzutrennen.

Wir sind zu der schwierigen Entscheidung gekommen, dass es für uns das Richtige ist, das City Plaza so zu schließen, wie wir es begonnen haben – als ein politisches Projekt, bei dem wir das zentrale Element, das es vorbildlich machte, bewahren: die Organisation von unten, das sichere und würdevolle Leben, das Gemeinschaftliche des Widerstands und das Adressieren der gesamten Gesellschaft.

In der Hausversammlung am 26. Mai 2018 wurde diese Richtung – nicht ohne Widerspruch und Kontroversen – beschlossen und es wurden detaillierte Wege zur Umsetzung einer solchen Entscheidung diskutiert. Von Juni 2018 bis jetzt hat das City Plaza keine neuen Bewohner*innen aufgenommen. Zugleich gingen wir die kollektive Verpflichtung ein, das Projekt nicht zu schließen, bevor nicht für alle Bewohner*innen angemessener Wohnraum gefunden würde. Diese Verpflichtung war keineswegs einfach umzusetzen. Der allgemeine Umgang mit der “Flüchtlingsfrage”  – sowohl von Seiten der Syriza-Anel-Regierung wie auch der NGOs – macht es unmöglich, innerhalb der Institutionen Wohnung für die Bewohner*innen zu finden. Zugleich waren andere selbstorganisierte Zentren und Besetzungen nicht in der Lage, einer so großen Zahl von Flüchtlingen Unterkunft zu bieten, trotz vieler positiver Bemühungen.

Ein Jahr später machte es die drohende Veränderung der politischen Rahmenbedingungen und die erwartete Wiederwahl der Nea Dimokratia dringlich, den Prozess rasch zu Ende zu führen. Bereits seit Monaten waren viele Geflüchtete nach und nach in sichere Unterkünfte umgezogen. Für das City Plaza bestanden zwei staatsanwaltschaftliche Räumungs­anordnungen, während hochrangige Funktionäre der Nea Dimokratia tagtäglich in den Medien auf die “Verletzung von Privateigentum” und die “Gesetzlosigkeit” des City Plaza hinwiesen. In diesem Sinne hätte eine Räumung exemplarischen Charakter gehabt und für viele der Flüchtlinge, vor allem für diejenigen ohne stabilen Aufenthaltsstatus hätte sie unverhältnismäßig schwere Folgen haben können (Abschiebung, Internierungslager etc.). Wenn auch für einige von uns Einheimischen eine Räumung durch die Nea Dimokratia ein “heroischer Exodus” gewesen wäre, für den wir keine politischen Erklärungen hätten abgeben müssen, so hätte dies doch für die meisten Bewohner*innen des City Plaza ihren ohnehin schon fragilen und instabilen Aufenthaltsstatus weiter gefährdet.

Daher bestätigten wir uns nochmals, die Schließung kollektiv und zu unseren Bedingungen zu vollenden. Für alle Geflüchteten wurde eine sichere Unterkunft gefunden. In den fast anderthalb Jahren zwischen der Entscheidung zur Schließung und ihrer Umsetzung sind die meisten Geflüchteten nach Nordeuropa weiter geflohen. Von denen, die im City Plaza geblieben waren, konnten einige, die inzwischen Arbeit gefunden hatten, eigene Wohnungen mieten. Für jene, die diese Möglichkeit nicht hatten, wurden kollektive Lösungen gefunden. Durch gemeinsame Treffpunkte, aber auch durch von uns neu begonnene Wohn- und Solidaritätsprojekte sowie mit Hilfe des unerhört beharrlichen Netzwerk fast aller Menschen, die aktiv an dem Projekt beteiligt waren (Flüchtlinge und Unterstützer*innen), wird das Kollektiv auch über die Schließung des Gebäudes City Plaza weiterbestehen.

Die Schließung des City Plaza hängt mit der mangelnden Fähigkeit der breiteren Widerstandsbewegung zusammen, wirksame Formen der Organisation, der Mobilisierung und des Diskurses in der Flüchtlingsfrage zu entwickeln, die den aktuellen Anforderungen entsprechen. Es ist eine Tatsache, dass große Teile der breiteren widerständigen Szene andere Schwerpunkte ihrer Arbeit gewählt haben. Sie waren daher nicht in der Lage, aktiv das Projekt zu unterstützen oder ähnliche Projekte zu entwickeln,. was all unseren Anstrengungen eine andere Dynamik gegeben hätte. Mit dieser Einschätzung wollen wir nicht Verantwortung abwälzen, sondern das Projekt als Teil eines breiteren politischen und sozialen Prozesses verstehen, einer ideologisch-politischen und organisatorischen Krise innerhalb der Bewegung. Es sind diese Probleme, mit denen wir uns in der nächsten Zeit auseinandersetzen müssen.

Das City Plaza war eine unschätzbare politische Erfahrung für alle, die daran teilgenommen haben. Darüber hinaus war es ein politisches Ereignis, dessen Reichweite über die beteiligten Organisationen und Einzelpersonen vielfach hinausgeht. Ohne jegliche Übertreibung können wir sagen, dass das Projekt City Plaza ein europaweites Symbol war, das den Widerstand gegen das rassistische und repressive EU-Migrationsregime nach der Schließung der Grenzen und dem EU-Türkei-Abkommen verkörperte. Zugleich war das City Plaza ein starkes Gegenbeispiel in einer Zeit des Pessimismus und der Demobilisierung der Linken im Angesicht der erstarkenden extremen Rechten.

City Plaza war ein großer Kampf, der, wie alle großen Kämpfe, nicht eindeutig als Sieg oder Niederlage gewertet werden kann. Es ist ein Kapitel der antirassistischen Kämpfe und der Kämpfe der Migration und zugleich ein Experiment sozialer Bewegung, eine unerwartete Mischung, in der verschiedenene Subjektivitäten, Bedürfnisse, soziopolitische, Geschlechter- und Klassen­erfahrungen zusammenkamen. Ein solches Zusammentreffen, eine solche Mischung braucht ein wenig Zeit, damit die vielfältigen Erfahrungen sich setzen können und ihre Spuren in unserem individuellen und kollektiven Bewusstsein hinterlassen können. Hieraus gehen neue Formen des Widerstandes, neue Kämpfe, neue Formen der Zusammenarbeit und Solidarität hervor – in Athen und in den Dutzenden von Städten, in denen die Bewohner*innen des City Plaza ankommen werden, ebenso wie in den alltäglichen Kämpfen gegen die Brutalität des Rassismus und die politische Repression.

Das Kollektiv des City Plaza war sich von Anfang an seiner widersprüchlichen Beschaffenheit bewusst. Die Alternative, die es hervorbrachte, konnte immer nur unvollständig bleiben und blieb immer abhängig von den Zeitläuften, in die es hineingeboren wurde, abhängig von den spezifischen Möglichkeiten der Bewegung und ihren Menschen, von deren Verstand, deren Herz, deren Körpern. Sie blieb zudem – wie alle Kämpfe um Rechte und Teilhabe, die die Macht kapitalistischer Ausbeutung in Frage stellen – begrenzt durch die vielfältigen Spaltungen und Hierarchien durch Nationalismus, Rassismus und Geschlechterunterdrückung.

Das City Plaza war ein Glied in einer Kette von Kämpfen für die soziale Befreiung. Ein Kampf der besonderen Art, da er im Kleinen und im Alltag begann. Er reichte von der Frage, wie das Essen gekocht und das Gebäude gereinigt wird, bis hin zum Widerstand gegen das Grenzregime und die vielfachen Diskriminierungen. Für uns, die wir am Projekt City Plaza beteiligt waren, war es eine Möglichkeit der Neudefinition und Reflexion von politischem Denken und Handeln, von Machtverhältnissen, vom alltäglichen Leben und Zusammenleben und seinen Grenzen, von Selbstorganisation und ihren Widersprüchen. Wir verabschieden uns vom City Plaza, von unserem Haus, mit dem Versprechen, diese reiche Erfahrung weiterzugeben, und die Räume und Pfade des gemeinsamen Kampfes weiter zu bereichern und zu erweitern.

Die deutsche Übersetzung wurde vom Kollektiv der Bewohner*innen und Unterstützer*innen über soziale Medien verbreitet und ist auf unterschiedlichen Websites nachzulesen.