Als die PKK im Sommer 1984 unter der Militärdiktatur in der Türkei den bewaffneten Kampf aufnahm, sah die NATO ihre südöstliche Flanke an der Grenze zur Sowjetunion gefährdet. Das nun begonnene Aufstandsbekämpfungsprogramm setzte einerseits darauf, die türkische Armee aufzurüsten, um die kurdische Rebellion militärisch zu bekämpfen – vor allem mit Waffen aus deutschen Beständen. Andererseits wurde versucht, die PKK in Europa zu kriminalisieren. Bereits 1989 standen rund 20 kurdische Politiker in einer Art Schauprozess wegen Terrorismus in Düsseldorf vor Gericht. Sie wurden größtenteils freigesprochen oder zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Ein wichtiger Bündnispartner

Das PKK-Verbot zielte darauf, die Unterstützung der – im Zuge des Bürgerkrieges rapide angewachsenen – kurdischen Diaspora in Deutschland zu brechen. In der Verbotsverfügung hieß es, die Arbeit der PKK verstoße gegen Strafgesetze, richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährde die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. »Die politische Agitation der PKK und ihr nahestehender Organisation hat zwischenzeitlich ein außenpolitisch nicht mehr vertretbares Ausmaß erreicht.« Dann werden die »sonstigen Belange« näher ausgeführt: »Die deutsche Außenpolitik und die Außenpolitik der gesamten westlichen Welt tritt für Integrität eines wichtigen NATO-, WEU- und Europapartners im Interesse des Friedens in der gesamten Region ein. Eine weitere Duldung der PKK-Aktivitäten in Deutschland würde diese deutsche Außenpolitik unglaubwürdig machen und das Vertrauen eines wichtigen Bündnispartners, auf das Wert gelegt wird, untergraben.« Mit keinem Wort ging der 53-seitige Bescheid darauf ein, dass seit Gründung des türkischen Nationalstaates Anfang der 1920er Jahre gegenüber den Kurden und anderen Minderheiten eine Zwangsassimilationspolitik betrieben wurde, die den Genozid an Zehntausenden Menschen und die Vertreibung von Hunderttausenden einschloss. Elementare Bürger- und Menschenrechte wurden verweigert, die kurdische Sprache wurde verboten, Hunderte Dörfer wurden durch die Armee zerstört und kurdische Zivilisten systematisch gefoltert und ermordet. Die mediale Kampagne gegen »Terror-Kurden« war Teil der damaligen rassistischen Stimmungsmache im Kontext der weitgehenden Einschränkung des Asylrechts. Durch das PKK-Verbot wurden Menschen kurdischer Abstammung in Deutschland unter Generalverdacht gestellt, und eine der größten migrantischen Communities in Deutschland wurde durch das Verbot ihrer wichtigsten Organisation mit einem faktischen Betätigungsverbot belegt. Eine Vielzahl Demonstrationen, Feste, selbst Fußballspiele und Hochzeiten wurden verboten, Kulturvereine und Privatwohnungen von der Polizei durchsucht. Am 1. Juli 1994 erschoss in Hannover ein Zivilpolizist den 16-jährigen Halim Dener beim Kleben von ERNK-Plakaten von hinten. Auf das Verbot von Feierlichkeiten und Demonstrationen zum kurdischen Neujahr (Newroz) reagierten AktivistInnen mit Autobahnblockaden. 1996 sprach sich PKK-Chef Abdullah Öcalan öffentlich für einen Gewaltverzicht in der Bundesrepublik aus. Dies führte zu einer gewissen Entspannung, doch die Verfolgung von AnhängerInnen der PKK ging weiter. 2007 verbot das Bundesinnenministerium den Fernsehsender Roj TV, und im Oktober 2010 entschied der Bundesgerichtshof, die PKK künftig als ausländische terroristische Vereinigung nach Paragraph 129b StGB zu verfolgen. PKK-Kader, die in Deutschland Demonstrationen und Kulturveranstaltungen organisiert hatten, wurden nun für bewaffnete Aktionen der Guerilla in Kurdistan in Haftung genommen, an denen sie nicht beteiligt gewesen waren. Bislang vergeblich fordern die Verteidiger in diesen Prozessen Sachverständige anzuhören, denen zufolge der Widerstand der PKK gegen anhaltendes Unrecht, Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Polizei- und Militärgewalt aufgrund kolonialer Unterdrückung der Kurden nach dem Völkerrecht legitim und eben kein Terrorismus ist.

Demokratische Erneuerung

Bereits im Frühjahr 1993 hatte sich die PKK von ihrem ursprünglichen Ziel eines unabhängigen und sozialistischen Staates zugunsten einer föderativen Lösung in der Türkei verabschiedet. Heute kämpft sie für eine Demokratisierung der Türkei und der anderen Länder des Nahen Ostens, in denen KurdInnen leben, und erteilt nationalstaatlichen Lösungen eine Absage. Sie vertritt einen ›demokratischen Konföderalismus‹: kommunale, weitgehend basisdemokratische Selbstverwaltungsstrukturen, ohne Veränderung der bestehenden Staatsgrenzen. Das vorgeschlagene laizistische und demokratische Modell, in dem Frauen auf allen Ebenen gleichberechtigt teilhaben, garantiert die Partizipation und Anerkennung aller Bevölkerungsgruppen und Glaubensgemeinschaften. In zahlreichen Kommunen der Osttürkei sowie im selbstverwalteten Rojava im Norden Syriens wird dies bereits in die Praxis umgesetzt. Führende politische Kraft in Rojava ist die Partei der Demokratischen Union (PYD), die erklärtermaßen die weltanschaulichen Grundlagen der PKK teilt. Die Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ leisten dort seit mehr als zwei Jahren erfolgreich Widerstand gegen die zu Al-Qaida gehörende Al-Nusra-Front sowie den Islamischen Staat (IS). YPG- und PKK-KämpferInnen schufen im August nach dem Angriff des IS auf die nordirakische Region Sengal einen Fluchtkorridor für Zehntausende JesidInnen. Inzwischen agieren PKK, YPG und Peschmerga der irakisch-kurdischen Regionalregierung an mehreren Fronten im Nordirak sowie in der nordsyrischen Stadt Kobanê gemeinsam gegen den IS. Das PKK-Verbot in Deutschland und die Nennung der PKK auf der EU-Terrorliste verhindern dabei eine legale Unterstützung dieser Gruppen im Kampf gegen den IS. Seit Ende 2012 finden direkte Friedensgespräche der türkischen Regierung mit Öcalan statt, die die PKK mit Waffenstillstand und einem Teilrückzug bewaffneter Kräfte aus der Türkei unterstützt. Bislang folgten jedoch kaum praktische Schritte vonseiten der türkischen Regierung. Wesentliche Forderungen, wie die Einführung muttersprachlichen Schulunterrichts, eine Senkung der Zehn-ProzentHürde bei Parlamentswahlen, kommunale Selbstverwaltungsrechte sowie eine Amnestie für mehrere Tausend AktivistInnen, die aufgrund gewaltfreier politischer Aktivitäten des Terrorismus bezichtigt werden, bleiben unerfüllt. Nicht nur nutzt die Regierung die Friedensphase, um Militärstützpunkte in den kurdischen Landesteilen auszubauen, sie unterstützt außerdem Angriffe dschihadistischer Gruppierungen wie des IS auf das kurdische Selbstverwaltungsgebiet Rojava in Nordsyrien mit Logistik und Waffenlieferungen, um so die kurdische Befreiungsbewegung zu schwächen. Für einen Fortschritt des Friedensprozesses wären externe Beobachter und Mediatoren zentral. Die Nennung der PKK auf der Terrorliste der EU verhindert allerdings, dass europäische Staaten hier eine aktivere Rolle spielen können.

Die Zeit ist reif

Während Öcalan zum Verhandlungspartner der türkischen Regierung avanciert, die USA über Kobanê Munition für PKK-nahe Milizen abwerfen, die tageszeitung und Der Tagesspiegel für eine Aufhebung des PKK-Verbots plädieren und selbst der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) laut über Waffenlieferungen an die PKK zur Bekämpfung des IS nachdenkt, werden in Deutschland weiterhin DemonstrantInnen festgenommen. Zuletzt wurde Anfang November die Immunität der LINKEN Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke aufgehoben, weil sie in München auf einer Kundgebung gegen den IS-Terror eine PKK-Fahne gezeigt hatte. Allein in den letzten zehn Jahren zählt die Bundesregierung mehr als 4500 Strafverfahren mit PKK-Bezug. Dabei handelt es sich überwiegend um Verstöße gegen das Vereinsgesetz, also um das Zeigen verbotener Symbole oder Bilder von Öcalan, die in der Türkei mittlerweile geduldet werden.In Folge des PKK-Verbots werden Zehntausende vor allem kurdischstämmige BürgerInnen in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäu- ßerung, Versammlungs- und Pressefreiheit beschnitten. In Verbindung mit einer einseitigen Medienberichterstattung trägt dies dazu bei, dass viele der rund 800000 KurdInnen in Deutschland mit Ausgrenzung und Misstrauen konfrontiert sind und im Alltagsleben Diskriminierungen erleiden müssen. In der BRD aufgewachsene kurdische Jugendliche werden nicht eingebürgert, weil sie sich in Vereinen engagieren, die als PKK-nah eingestuft werden, oder deren Kulturveranstaltungen besuchen. In der Konsequenz wirkt das PKK-Verbot so als Integrationshindernis. Dessen Aufhebung sowie die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste würden eine emanzipatorische Kraft im Nahen Osten stärken, die gegen dschihadistische Gruppierungen steht und sich zu Laizismus wie demokratischen Werten bekennt. Dies würde den stockenden Friedensprozess in der Türkei vorantreiben, da so der Druck auf die AKPRegierung erhöht würde und beide Seiten auf Augenhöhe miteinander reden könnten. Die LINKE hat daher beschlossen, die derzeitige günstige Medienberichterstattung und das veränderte öffentliche Klima zu nutzen, um gemeinsam mit kurdischen Verbänden und Bürgerrechtsvereinigungen eine bundesweite Kampagne gegen das PKK-Verbot zu führen, sich an entsprechenden Demonstrationen, Veranstaltungen und Petitionen zu beteiligen und im Bundestag die Aufhebung dieses Verbots und die Streichung der PKK von der Terrorliste zu beantragen. Anfang November fasste auch die Europäische Linkspartei den Beschluss, europaweit gegen das PKK-Verbot aktiv zu werden.