Das neue französische Arbeitsgesetz ist oft mit der deutschen „Agenda 2010“ verglichen worden, und hinsichtlich der Tragweite der angestrebten Veränderungen des Arbeitsrechts ist das auch vollkommen richtig. So wie die ›Hartz-Gesetze‹ einen tiefen Einschnitt in der Entwicklung der deutschen Gesellschaft, von den Arbeitsbeziehungen bis hin zur Parteipolitik, bedeuteten, so wird auch der Kampf um das Arbeitsgesetz Frankreich tiefgreifend verändern. Es zielt unter anderem auf eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Senkung der Lohnzuschläge für Überstunden, den Abbau des Kündigungsschutzes und die Aushöhlung und Entwertung der Flächentarifverträge.
Da die Regierung aufgrund des Widerstands in der Gesellschaft und der innerparteilichen Opposition gegen das Gesetz bei der Sozialistischen Partei befürchten musste, keine Mehrheit in der Nationalversammlung zu bekommen, griff sie auf den Artikel 49.3 der Verfassung zurück, der es ihr erlaubte, das Gesetz ohne Debatte und Abstimmung im Parlament zu verabschieden. Das Gesetz hätte nur per Misstrauensvotum gegen die Regierung gestoppt werden können. Doch weder die Konservativen noch die oppositionellen Sozialisten wollten so weit gehen. Dies zeigt, wie stark der Druck seitens des Kapitals in Frankreich ist. Dieses verliert in der Weltmarktkonkurrenz und insbesondere gegenüber Deutschland an Boden und drängt massiv auf die weitere Schwächung der Gewerkschaften und eine stärkere Ausbeutung der Lohnabhängigen. Trotz der wiederholten Demonstrationen von Hunderttausenden und der beeindruckenden Massenstreiks ist die französische Sozialdemokratie offenbar entschlossen, an dem Gesetz festzuhalten, auch um den Preis ihres eigenen Niedergangs. Obwohl ein Teil der Gewerkschaften neue Aktionen nach der Sommerpause angekündigt hat, scheint der gesellschaftliche Widerstand gegenwärtig zu schwach, um das Gesetz noch zu stoppen.
Eine Analyse des Kampfes um das neue Arbeitsgesetz hat Bernhard Schmid vorgelegt:
www.rosalux.de/publication/42471/sozialprotest-in-frankreich.html.
Wie die Europäische Union Frankreich zu den jetzigen »Reformen« drängte, beschreibt Kenneth Haar, der in seinem Text auch noch einmal die institutionellen Veränderungen darstellt, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise in der EU durchgesetzt wurden:
corporateeurope.org/eu-crisis/2016/06/how-eu-pushed-france-reforms-labour-law
Haar macht deutlich, dass keineswegs nur die überschuldeten Staaten der europäischen Peripherie durch die EU zu »Strukturreformen« auf Kosten der Lohnabhängigen gezwungen werden, sondern dass dies auch für die kapitalistischen Zentren gilt. Auch in Deutschland wird dies spürbar werden, wenn der jetzige Boom zu Ende geht.