Wir leben schon heute in einer digitalisierten Gesellschaft, in der die Nutzung von Smartphones, Laptops und Navigationssystemen zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Auch in der Arbeitswelt ist seit langem vieles digitalisiert. Wenn heute von einer Digitalisierung der Arbeit oder Industrie 4.0 gesprochen wird, ist eine neue Qualität der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie gemeint.
Als Kern der Digitalisierung der Industrie wird die Einführung von cyber-physischen Systemen (CPS) beschrieben, durch die sich „intelligente“ Maschinen, Betriebsmittel und Lagersysteme in der Produktion eigenständig per Softwarealgorithmen steuern. Es geht nicht nur um die Automatisierung und Integration des Maschinenparks vor Ort, sondern auch um die autonome Kommunikation und Abstimmung selbst weiter entfernter Produktionsanlagen miteinander sowie die Verknüpfung mit neuen Dienstleistungsangeboten. Die Auswirkungen auf Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen werden zu einem zentralen arbeitspolitischen Handlungsfeld. Zugleich zeigt sich dabei eine neue Dimension der Herstellung von Transparenz und Kontrolle. Die Leistungen können in Echtzeit abgebildet und Arbeitsergebnisse präziser erfasst und verglichen werden. Die Gefahr weiterer Leistungsintensivierung und einer Konkurrenzzunahme zwischen den Beschäftigten liegt auf der Hand.
Mit Cloudworking und Crowdsourcing werden in diesem Zusammenhang wichtige und medial beachtete Trends beschrieben. Gemeint ist damit unter anderem, dass Internet-Plattformen zu intermediären Dienstleistungsplattformen werden, die Ausschreibungen zwischen Unternehmen und einer Crowd potenzieller Arbeitskraftanbieter vermitteln (vgl. Altenried in LuXemburg 3/2015). Das Unternehmen IBM ist hier ein Dammbrecher (vgl. IG Metall Vorstand 2013). Die gewerkschaftlichen Befürchtungen gehen dahin, dass bisher bewährte Formen der Regulierung der Arbeit völlig infrage gestellt werden und solche Plattformen als eine Art „eBay für Arbeitskräfte“ fungieren. Damit enstünde ein „digitales Tageslöhnertum“. Die Gefahr besteht, dass „dieser Druck sich strukturell auf das System der Regulation der Arbeit als Ganzes auswirkt und auch die nachgelagerten Institutionen wie das Sozialversicherungssystem erfasst“. (Boes et al. 2015, 84). Da es Analysen dieser Prozesse mittlerweile in Hülle und Fülle gibt, soll es an dieser Stelle eher um den notwendigen gewerkschaftlichen Strategieansatz gehen (vgl. unter anderem Zeitschrift Z, September 2015)
Spätestens seit dem Jahr 2015 hat das Thema digitale Arbeit einen neuen Aufmerksamkeitshöhepunkt erreicht. Insbesondere mit dem Stichwort Industrie 4.0 hat sich geradezu ein Medienhype entwickelt. Keine Woche vergeht ohne neue Berichte und Kommentare. Doch was davon ist schon Realität? Für Sabine Pfeiffer ist der Hype „nicht die kausale Folge eines realen Standes technischer Entwicklungen, sondern diskursanalytisch betrachtet ein Fall professionellen agenda-buildings.“ (Pfeiffer 2015, 9) Und dieses Agenda-buildung zeigt in der Tat Erfolg: Mit mehr als 120 Millionen Euro fördert die Bundesregierung mittlerweile Modellprojekte in diesem Bereich. Dabei ist unübersehbar, dass dies als ein Standortprojekt zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie angelegt ist und dass die Gewerkschaften darin durchaus erfolgreich eingebunden werden sollen.
Um eine realitätstüchtige gewerkschaftliche Strategie zu skizzieren, ist ein nüchterner Blick auf den gegenwärtigen Prozess erforderlich, um dann Voraussetzungen und Elemente einer gewerkschaftlichen Herangehensweise vorzuschlagen.
Ein Blick in die Technologie-Geschichte rät zur Vorsicht, was die Geschwindigkeit und die Dimension der Umbrüche angeht. Erinnern wir uns: Schon vor Jahrzehnten gab es mit dem Thema CIM (computer integrated manufacturing) einen ähnlichen Hype, der mit der Prognose einer menschenleeren Fabrik verbunden wurde. Es kam anders: Fehlende leistungsfähige Systeme behinderten die damals prognostizierte Ausweitung. Generell kann ein typischer Hype-Cycle beobachtet werden, der nach einem Hype-Peak eine abnehmende Aufmerksamkeit in einem „Tal der Desillusionierung“ erfährt, aber nicht auf den Ausgangspunkt zurückfällt, sondern mit der Diffusion der neuen Technologien durchaus Praxisrelevanz zeigt (vgl. die Grafik).